Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 III 110



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Urteilskopf

139 III 110

15. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische
Eidgenossenschaft gegen X. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_443/2012 vom 5. Februar 2013

Regeste

Art. 26 Abs. 1 lit. a PatGG; Art. 72 f. PatG; sachliche Zuständigkeit des
Bundespatentgerichts für gegen den Staat gerichtete Patentverletzungsklagen.
Massgebende Haftungs- und Zuständigkeitsordnung für vermögensrechtliche
Ersatzansprüche gegen den Staat wegen angeblicher Patentverletzung (E. 2.2).
Anwendbarkeit des Patentgesetzes sowie Zuständigkeit des Bundespatentgerichts
für Unterlassungsklagen (Art. 72 PatG) gegen den Bund (E. 2.3).

Erwägungen ab Seite 111

BGE 139 III 110 S. 111
Aus den Erwägungen:

2. Die Schweizerische Eidgenossenschaft (Beklagte, Beschwerdeführerin)
bestreitet die sachliche Zuständigkeit des Bundespatentgerichts. Sie wirft ihm
vor, dem angefochtenen Beschluss einen falschen Streitgegenstand zugrunde
gelegt, die Abgrenzung zwischen zivilrechtlichen und öffentlichrechtlichen
Streitigkeiten rechtsfehlerhaft vorgenommen sowie die Schranken des
Bundeszivilrechts - insbesondere des Patentgesetzes (PatG; SR 232.14) -
verkannt zu haben.

2.1 Das Bundespatentgericht ist nach Art. 26 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes
vom 20. März 2009 über das Bundespatentgericht (Patentgerichtsgesetz, PatGG; SR
173.41) ausschliesslich zuständig für Bestandes- und Verletzungsklagen sowie
Klagen auf Erteilung einer Lizenz betreffend Patente. Nach der
Zuständigkeitsregelung des Patentgerichtsgesetzes sind nur diejenigen Klagen
ausschliesslich vom Bundespatentgericht zu beurteilen, welche die Anwendung
materiellen Patentrechts bedingen (Botschaft vom 7. Dezember 2007 zum
Patentgerichtsgesetz, BBl 2007 483 Ziff. 2.4). Dazu gehören unter anderem
Klagen auf Unterlassung oder Beseitigung (Art. 72 PatG) und Klagen auf
Schadenersatz (Art. 73 PatG, der in Abs. 1 auf die allgemeinen Bestimmungen des
Obligationenrechts verweist; vgl. PETER HEINRICH, PatG/EPÜ, Kommentar [...], 2.
Aufl. 2010, N. 5 zu Art. 76 PatG; BBl 2007 482 Ziff. 2.4).
BGE 139 III 110 S. 112
Zu beurteilen ist einerseits, ob das Bundespatentgericht gestützt auf diese
Bestimmungen zuständig ist, über einen auf eine angebliche
Patentrechtsverletzung des Bundes beim Betrieb seines LSVA-Erfassungssystems
gestützten Unterlassungsanspruch zu befinden, und andererseits, ob das
Bundespatentgericht für die Beurteilung eines daraus abgeleiteten
Schadenersatzanspruchs gegen den Bund zuständig ist.

2.2

2.2.1 Soweit er nicht amtlich, sondern gewerblich tätig wird, ist der Staat den
Regeln des Privatrechts und damit sowohl der privatrechtlichen Haftungsordnung
(vgl. Art. 41 ff. OR) als auch der Gesetzgebung zum Immaterialgüterrecht
unterstellt wie ein nichtstaatliches Unternehmen (vgl. TOBIAS JAAG, Staats- und
Beamtenhaftung, in: SBVR Bd. I/3, Heinrich Koller und andere [Hrsg.], 2. Aufl.
2006, Rz. 25 f.; LUCAS DAVID UND ANDERE, Der Rechtsschutz im Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, SIWR Bd. I/2, 3. Aufl. 2011, Rz. 251). Die Vorinstanz hat
zutreffend festgehalten, dass die LSVA-Erhebungsinfrastruktur Teil des
Verwaltungsvermögens der Beschwerdeführerin ist und ausschliesslich
öffentlichen Zwecken dient. Die LSVA-Erhebungsinfrastruktur, deren Betrieb nach
Auffassung der X. GmbH (Klägerin, Beschwerdegegnerin) ihr Patentrecht verletzen
soll, dient unmittelbar der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben. Zu Recht beruft
sich denn auch die Beschwerdegegnerin nicht darauf, es handle sich beim
strittigen Betrieb der technischen Infrastruktur zur Erhebung der LSVA um eine
gewerbliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin, die als solche allgemein der
Privatrechtsordnung unterworfen wäre.

2.2.2 Öffentliche Beamte und Angestellte haften an sich auch für Tätigkeiten,
die sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen ausführen, nach
Bundeszivilrecht (Art. 41 ff. OR), sofern der Gesetzgeber keine abweichenden
Bestimmungen festgesetzt hat (Art. 61 Abs. 1 OR). Das Gemeinwesen selbst haftet
aber für die Schädigung durch seine Funktionäre nur nach Massgabe des
öffentlichen Rechts (Art. 59 Abs. 1 ZGB), es sei denn, es handle sich um
gewerbliche Verrichtungen, welche eine Organ- oder Geschäftsherrenhaftung
auszulösen vermögen (Art. 55 ZGB bzw. Art. 55 OR; BGE 111 II 149 E. 3a S. 151;
BGE 108 II 334 E. 3 S. 335 f.; BGE 101 II 177 E. 2b S. 184 f.; vgl. auch BGE
124 III 418 E. 1b S. 420 f.). Entsprechend hält auch Art. 11 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie
seiner Behördemitglieder und Beamten
BGE 139 III 110 S. 113
(VG; SR 170.32) fest, dass der Bund nach den privatrechtlichen Bestimmungen
haftet, soweit er als Subjekt des Zivilrechts auftritt. Vorbehalten bleibt eine
zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Bundes sodann bei Tatbeständen, die
unter die Haftpflichtbestimmungen anderer Erlasse fallen (vgl. Art. 3 Abs. 2 VG
). Dazu gehören etwa die Bestimmungen der Spezialgesetzgebung über die
Gefährdungshaftungen (z.B. Kernenergiehaftpflichtgesetz [KHG; SR 732.44],
Elektrizitätsgesetz [EleG; SR 734.0], Eisenbahngesetz [EBG; SR 742.101],
Strassenverkehrsgesetz [SVG; SR 741.01]), die nicht zwischen privatem und
staatlichem Schädiger unterscheiden, sondern die Haftpflicht ausschliesslich an
eine spezifische Betriebsgefahr anknüpfen. Im Sinne einer Ausnahme von der
Haftung nach öffentlichem Recht zählt die Rechtsprechung dazu auch Art. 56 OR
über die Tierhalterhaftpflicht (vgl. BGE 126 III 14 E. 1a S. 16; BGE 115 II 237
E. 2 S. 241 ff. mit einem Vorbehalt für jene Fälle, in denen ein Tier, so etwa
ein Polizeihund, unmittelbar als "Werkzeug" für die Erfüllung hoheitlicher
Aufgaben eingesetzt wird) sowie Art. 58 OR bezüglich der
Werkeigentümerhaftpflicht von Bund, Kantonen und Gemeinden (vgl. BGE 129 III 65
E. 1 S. 66 f.; BGE 98 II 40 E. 1 S. 42 f.; BGE 96 II 337 E. 2a S. 341; zur
Haftung des Gemeinwesens etwa ROLAND BREHM, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2006, N.
6 ff. zu Art. 61 OR). Unabhängig davon, ob der Bund öffentlichrechtlich oder
privatrechtlich tätig ist, untersteht er in diesen Bereichen den
Kausalhaftungen des Privatrechts (vgl. BGE 115 II 237 E. 2b und 2c S. 244 f.;
JAAG, a.a.O., Rz. 29 ff.).

2.2.3 Die Beschwerdegegnerin richtet den von ihr eingeklagten Schadenersatz-,
Bereicherungs- bzw. Gewinnherausgabeanspruch über Fr. 62'466'022.85, den sie
auf Bundesprivatrecht (Art. 73 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 41 ff., 62 ff. bzw. 423
OR) stützt, nicht gegen einen Beamten oder Angestellten der Bundes, sondern
unmittelbar gegen die Eidgenossenschaft. Eine solche privatrechtliche Haftung
des Bundes kommt - abgesehen von den erwähnten Ausnahmen bestimmter
Kausalhaftungen, die im konkreten Fall nicht zur Diskussion stehen - nur im
Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit in Betracht.
Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des öffentlichen Verantwortlichkeitsrechts
einerseits oder des privaten Haftungsrechts andererseits sowie den
entsprechenden Rechtsweg ist entscheidend, ob das als widerrechtlich erachtete
Verhalten des Staats in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe oder in Ausübung
einer gewerblichen Tätigkeit erfolgte. Die Beschwerdeführerin bringt insoweit
zu Recht vor, dass
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im vorliegenden Fall nicht auf ein irgendwie geartetes Rechtsverhältnis
zwischen den Parteien oder auf das angeblich verletzte Rechtsgut bzw. die in
der Klagebegründung angerufene Rechtsnorm abgestellt werden kann. Das
staatliche Verantwortlichkeitsrecht bezweckt gerade eine allgemeine
Haftungsordnung auch für diejenigen Fälle, in denen in Ausübung einer amtlichen
Tätigkeit widerrechtlich Schaden verursacht wird, ohne dass ein vorbestehendes
Rechtsverhältnis zur geschädigten Person bestehen würde. Ein solches ist nicht
Voraussetzung der Staatshaftung (vgl. Art. 3 Abs. 1 VG). Entgegen dem
angefochtenen Entscheid ist daher die Unterscheidung zwischen einem
hoheitlichen Rechtsverhältnis gegenüber den Abgabepflichtigen und einem
nichthoheitlichen Rechtsverhältnis der Beschwerdeführerin gegenüber der
Beschwerdegegnerin für die zu beurteilende Frage nicht zielführend.
Ausschlaggebend ist im Hinblick auf die massgebende Verantwortlichkeitsordnung
vielmehr die Natur der angeblich haftungsbegründenden Tätigkeit des
Gemeinwesens.
Zu Recht hat die Vorinstanz die Anwendbarkeit der privatrechtlichen
Haftungsordnung nicht daraus abgeleitet, dass die Beschwerdeführerin zur
Beschaffung der fraglichen LSVA-Erhebungsinfrastruktur mit Dritten
privatrechtliche Verträge abgeschlossen hat. Aus dem Umstand, dass am Ende des
Submissionsverfahrens mit dem berücksichtigten Anbieter ein privatrechtlicher
Vertrag abgeschlossen wird, lässt sich keine allgemeine privatrechtliche
Haftung des Gemeinwesens gegenüber nicht berücksichtigten Anbietern, geschweige
denn gegenüber nur mittelbar beteiligten Dritten ableiten (vgl. nunmehr zur
Staatshaftung vielmehr Art. 34 f. des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über
das öffentliche Beschaffungswesen [BöB; SR 172. 056.1]; vgl. auch PETER GALLI
UND ANDERE, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2007,
Rz. 941 ff.). Nach den Feststellungen des angefochtenen Entscheids war die
Beschwerdegegnerin nicht Lieferantin von Gütern und Dienstleistungen für die
Beschwerdeführerin.

2.2.4 Der Betrieb der LSVA-Erhebungsinfrastruktur durch die Beschwerdeführerin,
in deren Rahmen nach Ansicht der Beschwerdegegnerin ein Patent verletzt wird,
dient unmittelbar der Erhebung von Abgaben und damit der Erfüllung hoheitlicher
Aufgaben. Die strittige Verwendung der technischen Infrastruktur durch die
Beschwerdeführerin zur Erfassung der erforderlichen Daten im Hinblick auf die
zu erhebende leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe erfolgt unbestreitbar im
Rahmen der Wahrnehmung einer
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öffentlichen Aufgabe. Eine gewerbliche Tätigkeit, die grundsätzlich Privaten
wie Nichtprivaten offensteht und bei welcher etwa die Erzielung von Gewinn eine
Rolle spielt, liegt beim fraglichen Betrieb der technischen Infrastruktur nicht
vor (vgl. ULRICH HÄFELIN UND ANDERE, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl.
2010, Rz. 2270; BGE 128 III 76 E. 1a S. 78 mit Hinweisen). Die
Beschwerdeführerin tritt beim Betrieb ihrer Erhebungsinfrastruktur nicht als
Subjekt des Zivilrechts auf (vgl. Art. 11 Abs. 1 VG). Ebenso wenig liegt ein
Fall eines privatrechtlichen Kausalhaftungstatbestands vor, dem der Bund
ausnahmsweise auch bei Ausübung einer öffentlichrechtlichen Tätigkeit
unterstehen würde (vgl. Art. 3 Abs. 2 VG).
Das Patentgesetz sieht keine besondere Verantwortlichkeitsordnung vor, die
allgemein auch für das Gemeinwesen gelten würde, sondern verweist hinsichtlich
der Schadenersatzklage vielmehr auf das Obligationenrecht (Art. 73 Abs. 1 PatG
). Indem die Vorinstanz den behaupteten Sachverhalt der privatrechtlichen
Haftungsordnung unterstellt wissen wollte und sich zur Beurteilung des gestützt
auf die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 41 ff., 62 ff.
und 423 OR) eingeklagten Schadenersatz-, Bereicherungs- bzw.
Gewinnherausgabeanspruchs über Fr. 62'466'022.85 für zuständig erklärte,
verletzte sie Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG. Die Haftung der
Beschwerdeführerin beurteilt sich vielmehr nach dem Verantwortlichkeitsgesetz
des Bundes, für dessen Anwendung das Bundespatentgericht nicht zuständig ist
(vgl. Art. 10 VG).

2.3 Von der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin zu
unterscheiden ist die Frage, ob sie als Gemeinwesen eine Patentverletzung
begehen und gegen sie eine auf das Patentgesetz gestützte Unterlassungsklage (
Art. 72 PatG) eingereicht werden kann, die nach Art. 26 Abs. 1 lit. a PatGG vom
Bundespatentgericht zu beurteilen ist.

2.3.1 Im Gegensatz zur Staatshaftungsordnung besteht keine umfassende
öffentlichrechtliche Regelung zum Umgang des Gemeinwesens mit gewerblichen
Schutzrechten. Das Patentrecht ist Eigentum im Sinne von Art. 26 Abs. 1 BV und
als solches Schutzobjekt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (BGE 126
III 129 E. 8a S. 148). Die aus dem Patent erwachsenden absoluten Rechte ergeben
sich aus der Gesetzgebung zum Patentrecht, das dem Privatrecht zugeordnet wird.
Wie öffentlichrechtliche Körperschaften Inhaber von Patenten sein können, haben
sie im Gegenzug auch die sich aus
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dem Patentrecht ergebenden Beschränkungen zu beachten; sie dürfen sich bei
ihrer Tätigkeit ebenso wenig wie Private über Schutzrechte Dritter hinwegsetzen
(vgl. DAVID UND ANDERE, a.a.O., Rz. 254; HEINRICH, a.a.O., N. 47 zu Art. 8 PatG
). Die Beschwerdeführerin räumt denn auch zutreffend ein, dass es sich bei der
Beurteilung des Bestands und der Verletzung des Patents um zivilrechtliche
Fragen handelt.
Der Patentschutz gilt insoweit umfassend und ergibt sich auch für das
Gemeinwesen aus den Bestimmungen des Patengesetzes über die Voraussetzungen und
Wirkungen des Patents (vgl. Art. 1 ff. PatG): Nach Art. 8 Abs. 1 PatG
verschafft das Patent seinem Inhaber eine ausschliessliche Nutzungsbefugnis und
damit das Recht, andere von der Benützung der Erfindung auszuschliessen. Dies
schliesst ein, dass auch das hoheitlich handelnde Gemeinwesen nicht ohne
Weiteres befugt ist, patentrechtlich geschützte Erfindungen ohne entsprechende
Ermächtigung des Patentinhabers zu benutzen, selbst wenn dies in Verfolgung
öffentlicher Interessen geschieht (vgl. DAVID UND ANDERE, a.a.O., Rz. 254;
rechtsvergleichend das Urteil des BGH vom 21. Februar 1989, publiziert in:
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen [BGHZ] 107/1990 S. 46,
52). Das Gemeinwesen wird somit auch im Rahmen der Erfüllung öffentlicher
Aufgaben vom Ausschliesslichkeitsrecht nach Art. 8 PatG erfasst und ist
insoweit grundsätzlich dem patentrechtlichen Unterlassungsanspruch (Art. 72
i.V.m. 66 PatG) ausgesetzt.

2.3.2 Soweit einzelne Schutzrechte dem Gemeinwesen hinderlich sind, hat der
Gesetzgeber allfällige Interessenkollisionen zwischen Staat und privaten
Schutzrechtsinhabern vorauszusehen und angemessen zu lösen (DAVID UND ANDERE,
a.a.O., Rz. 254). Einschränkungen des Patentrechts aus Gründen des öffentlichen
Interesses sind gesetzlich in Art. 32 (Enteignung) und Art. 40 PatG (Lizenz im
öffentlichen Interesse) ausdrücklich vorgesehen. Darin kommt zum Ausdruck, dass
das Ausschliesslichkeitsrecht des Patentinhabers (Art. 8 PatG) - und damit
einhergehend der daraus erwachsende Unterlassungsanspruch (vgl. Art. 72 PatG) -
zugunsten des öffentlichen Interesses Einschränkungen unterliegen kann. Die
Vorinstanz hat ausgehend von diesen Bestimmungen zutreffend erwogen, dass das
Bestehen eines öffentlichen Interesses im Patentrecht nicht das entscheidende
Kriterium im Hinblick auf den massgebenden Rechtsweg sein kann. Gerade die
Möglichkeit der Einräumung einer Lizenz nach Art. 40 PatG verdeutlicht, dass im
Bereich des Patentschutzes
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nach dem Willen des Gesetzgebers mitunter öffentliche Interessen in einem
Zivilverfahren zu beurteilen sind. Dies geht auch aus Art. 40e Abs. 1 Satz 2
PatG hervor, nach dem für die Einräumung einer solchen Lizenz, die als
besondere Form der Enteignung verstanden werden kann (BLUM/PEDRAZZINI, Das
Schweizerische Patentrecht, 2. Aufl. 1975, S. 614), bei öffentlichem, nicht
gewerblichem Gebrauch weniger strenge Voraussetzungen gelten.

2.3.3 Die Schweiz hat sich nach Art. 31 des Abkommens über handelsbezogene
Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS; Anhang 1C zum Abkommen vom 15.
April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation; SR 0.632.20)
international dazu verpflichtet, nur staatsvertraglich begrenzte Ausnahmen von
den ausschliesslichen Rechten aus dem Patent vorzusehen (Art. 30 TRIPS) und
unter anderem bei einer Benutzung des Gegenstands eines Patents durch die
Regierung ohne Erlaubnis des Rechtsinhabers diesem eine nach den Umständen des
Einzelfalls angemessene Vergütung zu zahlen (Art. 31 lit. h TRIPS), wobei die
Rechtsgültigkeit des Entscheids über die Erlaubnis zu einer solchen Benutzung
sowie der Entscheid über die vorgesehene Vergütung der gerichtlichen
Überprüfung unterliegen (Art. 31 lit. i und j TRIPS).
Die auch für die Lizenz im öffentlichen Interesse (Art. 40 PatG) geltende
Bestimmung von Art. 40e PatG ist als Folge des TRIPS-Vertrags eingefügt worden
(HEINRICH, a.a.O., N. 1 zu Art. 40e PatG) und erwähnt in Abs. 1 Satz 2 in
Übereinstimmung mit Art. 31 lit. b TRIPS, dass Bemühungen um Erteilung einer
vertraglichen Lizenz zu angemessenen Marktbedingungen unter anderem nicht
notwendig sind bei öffentlichem, nicht gewerblichem Gebrauch. Art. 31 TRIPS
bezieht sich sodann ausdrücklich auch auf die Benutzung durch die Regierung
oder von ihr ermächtigte Dritte; eine Zwangslizenz nach Art. 31 lit. b TRIPS
kann demnach jeder natürlichen oder juristischen Person des privaten oder
öffentlichen Rechts erteilt werden (FOCKE HÖHNE, in: TRIPs, Jan Busche/
Peter-Tobias Stoll [Hrsg.], Köln 2007, N. 13 zu Art. 31 TRIPS). Entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich, weshalb nach dem
gleichermassen offen gehaltenen Wortlaut von Art. 40 Abs. 1 PatG das
Gemeinwesen nicht zur Klage auf Erteilung einer Lizenz im öffentlichen
Interesse legitimiert sein soll. Sie verkennt mit ihrem Vorbringen
insbesondere, dass Art. 40 PatG nicht darauf beschränkt ist, den
anspruchsberechtigten Personen eine marktwirtschaftliche Tätigkeit im
Schutzbereich eines Patents zu ermöglichen, sondern nach der gesetzlichen
BGE 139 III 110 S. 118
Regelung (Art. 40e Abs. 1 Satz 2 PatG) ausdrücklich auch bei öffentlichem,
nicht gewerblichem Gebrauch zur Anwendung kommen kann.
Bei der Klage nach Art. 40 Abs. 1 PatG handelt es sich ungeachtet der Parteien
um eine Zivilklage; zudem steht fest, dass zur Beurteilung der Voraussetzungen
einer Lizenz im öffentlichen Interesse nach Art. 26 Abs. 1 lit. a PatGG das
Bundespatentgericht ausschliesslich zuständig ist (HEINRICH, a.a.O., N. 8 zu
Art. 40e PatG).

2.3.4 Der Vergleich der Beschwerdeführerin mit den nachbarrechtlichen
Abwehransprüchen des Grundeigentümers wegen übermässiger Immissionen (vgl. Art.
679 ZGB), die von einem öffentlichen Werk ausgehen, verfängt nicht. Zwar trifft
zu, dass solche privatrechtlichen Abwehransprüche unter bestimmten
Voraussetzungen dem vorrangigen öffentlichen Interesse weichen müssen und daher
nicht zivilrechtlich durchgesetzt werden können, wobei an ihre Stelle ein
Anspruch auf enteignungsrechtliche Entschädigung tritt (vgl. BGE 134 III 248 E.
5.1 S. 252 f. mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall, dem eine angebliche
Patentverletzung durch den Betrieb der LSVA-Erhebungsinfrastruktur zugrunde
liegt, kann jedoch nicht von der Immissionsproblematik entsprechenden
Verhältnissen ausgegangen werden. Die Einschränkung der Anwendbarkeit des
Bundeszivilrechts hinsichtlich der nachbarrechtlichen Abwehransprüche des
Grundeigentümers folgt aus der Erkenntnis, dass die ordentliche Nutzung von
Grundstücken des Verwaltungsvermögens (z.B. durch Bahnanlagen, Strassen oder
Flugplätze) regelmässig zu Immissionen führt, die unausweichliche Folgen ihrer
Zweckbestimmung sind, weshalb sie von den davon betroffenen Grundeigentümern -
gegebenenfalls gegen enteignungsrechtliche Entschädigung - geduldet werden
müssen und auch der Rechtsweg an die Zivilgerichte eingeschränkt ist (vgl. BGE
132 III 49 E. 2.3 S. 52 f.). Eine mit Grundstücken vergleichbare Ausgangslage,
bei der eine bestimmte Nutzung des Verwaltungsvermögens bzw. die Erfüllung
einer öffentlichen Aufgabe unweigerlich mit Schutzrechtsverletzungen verbunden
wäre, die im öffentlichen Interesse geduldet werden müssten, liegt bei Rechten
an geistigem Eigentum, deren Grenzen - insbesondere bei Patentrechten - häufig
nur mit Schwierigkeiten ermittelt werden können, nicht vor.
Die Beschwerdegegnerin macht daher zutreffend geltend, dass sich die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den privatrechtlichen
BGE 139 III 110 S. 119
Abwehrrechten des Nachbarrechts nicht auf die konkret zur Diskussion stehende
Problematik allfälliger Schutzrechtsverletzungen durch das Gemeinwesen
übertragen lässt. Das Bundesgericht hat im Übrigen ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass sich seine Rechtsprechung, die mit dem erheblichen
öffentlichen Interesse am Strassen- und Schienenverkehr begründet wird, nicht
ohne Weiteres auf andere Nutzungen von Strassen und Plätzen im Gemeingebrauch
und schon gar nicht unbesehen auf das übrige Verwaltungsvermögen übertragen
lässt (BGE 132 III 49 E. 2.3 S. 53). Der Vergleich der Beschwerdeführerin zeigt
immerhin auf, dass auch die Gegenstände des Verwaltungsvermögens grundsätzlich
dem Zivilrecht unterstehen und selbst im Nachbarrecht eine auf das Eigentum
gestützte Unterlassungsklage gegen das Gemeinwesen vor dem Zivilgericht nicht
in jedem Fall ausgeschlossen ist (BGE 132 III 49 E. 2.3 S. 52 f. mit
Hinweisen).

2.3.5 Ob der Beschwerdegegnerin im konkreten Fall ein patentrechtlicher
Unterlassungsanspruch (vgl. Art. 72 i.V.m. 66 PatG) zusteht oder ob die von der
Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren eingewendeten Einschränkungen
des Patentschutzes einem solchen Anspruch aus Gründen des öffentlichen
Interesses in - unmittelbarer oder gegebenenfalls analoger - Anwendung von Art.
40 PatG entgegenstehen, beschlägt nicht die Frage der sachlichen Zuständigkeit
des Bundespatentgerichts, sondern diejenige der Begründetheit der Klageanträge.
Im Übrigen stellt die Beschwerdegegnerin zu Recht nicht in Frage, dass eine
Lizenz im öffentlichen Interesse auch während der Patentverletzung gerichtlich
durchgesetzt werden kann (vgl. HEINRICH, a.a.O., N. 2 zu Art. 40e PatG; ANDRI
HESS-BLUMER, Patent Trolls, sic! 12/2009 S. 862 f.).
Ebenso wenig, wie im vorliegenden Verfahren zu entscheiden ist, ob tatsächlich
ein patentrechtlicher Unterlassungsanspruch der Beschwerdegegnerin gegenüber
der Beschwerdeführerin besteht, ist im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren
über die Zuständigkeitsfrage zu vertiefen, ob ein Unterlassungsanspruch als aus
dem Patent hervorgehendes Recht gegebenenfalls nach Art. 32 Abs. 1 PatG
enteignet werden könnte (vgl. BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O., S. 268 ff.).

2.3.6 Der Vorinstanz ist keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, soweit sie
davon ausgegangen ist, dass der eingeklagte patentrechtliche
Unterlassungsanspruch nach Art. 72 PatG auch gegenüber der Beschwerdeführerin
geltend gemacht werden kann. Das Bundespatentgericht ist zu dessen Beurteilung
- im Gegensatz zum
BGE 139 III 110 S. 120
eingeklagten Ausgleichsanspruch, der sich auch in Bezug auf den Rechtsweg nach
dem Verantwortlichkeitsgesetz richtet - nach Art. 26 Abs. 1 lit. a PatGG
ausschliesslich zuständig.