Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 56



Urteilskopf

134 I 56

7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eheleute
K. gegen Gemeinde Birr (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
1D_11/2007 vom 27. Februar 2008

Regeste

Diskriminierende Nichteinbürgerung wegen Tragens des Kopftuches und mangelnder
Sprachkenntnisse; Art. 8 Abs. 2 und Art. 15 BV. Bedeutung des
Diskriminierungsverbotes und der Glaubens- und Gewissensfreiheit (E. 4 und
5.1). In Anbetracht mangelnder Deutsch- und Staatskundekenntnisse hält die
Abweisung des Einbürgerungsgesuchs ungeachtet der Tatsache, dass die
Gesuchstellerin das Kopftuch trägt, vor der Verfassung stand (E. 3). Einen
negativen Einbürgerungsentscheid auf den Umstand abzustellen, dass die Ehefrau
des Gesuchstellers das Kopftuch als religiöses Symbol trägt, ist geeignet, den
einbürgerungswilligen Ehemann unzulässig zu benachteiligen. Hierfür fehlt eine
qualifizierte Rechtfertigung: Das blosse Tragen des Kopftuches bringt für sich
keine gegen rechtsstaatliche und demokratische Wertvorstellungen verstossende
Haltung zum Ausdruck (E. 5.2).

Sachverhalt ab Seite 57

BGE 134 I 56 S. 57
Die Eheleute K., Frau A.K. und Herr B.K., kamen 1981/1982 von Bosnien in die
Schweiz und liessen sich im Kanton Aargau nieder.
Die Eheleute K. stellten in der Gemeinde Birr (AG) gemeinsam ein
Einbürgerungsgesuch. Die Kommission für Einbürgerungsfragen und der Gemeinderat
prüften das Gesuch und empfahlen die Einbürgerung; der Gemeinderat hielt in
seinen Erläuterungen zuhanden der Einwohner-Gemeindeversammlung fest, dass die
Integration der Gesuchsteller unbestritten sei.
Die Einwohner-Gemeindeversammlung diskutierte das Einbürgerungsersuchen; teils
wurde darauf hingewiesen, dass Frau A.K. das Kopftuch trage und nicht
integriert sei. Das Einbürgerungsgesuch der Eheleute K. wurde mit 95 Nein gegen
41 Ja abgelehnt.
Der Gemeinderat teilte den Eheleuten K. den negativen Beschluss der
Einwohner-Gemeindeversammlung mit und hielt in seinem Schreiben das Folgende
fest:
"In der Versammlungsunterlage werden jeweils die Gesuchsteller persönlich, mit
Foto, vorgestellt. Frau K. liess sich dabei mit einer religiösen Kopfbedeckung
ablichten. Das Kopftuch weist Frauen eine geschlechtlich und sozial differente
Rolle zu, die im Gegensatz zum Gleichheitsgrundsatz der universell gültigen
Allgemeinen Menschenrechte und insbesondere der Schweizerischen
Bundesverfassung steht. Somit wird bestritten, dass Herr und Frau K. die
Gleichstellung von Mann und Frau respektieren, achten und danach auch leben.
Die Integration wird deshalb bestritten.
Die Ablehnung wurde aufgrund der Kopfbedeckung mit fehlender Integration in
unserem Lande begründet. Zudem spricht die Ehefrau, A.K., mässig Deutsch und
sie konnte die Fragen zur Verfassungsordnung von Bund, Kanton und Gemeinde nur
teilweise beantworten."
Gegen diesen Beschluss der Einwohner-Gemeindeversammlung haben die Eheleute K.
beim Bundesgericht subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Im Wesentlichen
machen sie eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes gemäss Art. 8 Abs. 2 BV
und der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 15 BV geltend.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde von A.K. ab, heisst indes die Beschwerde
von B.K. gut, hebt den angefochtenen
BGE 134 I 56 S. 58
Beschluss insoweit auf und weist die Sache zu neuem Entscheid an die Gemeinde
Birr zurück. Aus den Erwägungen:

Auszug aus den Erwägungen:

2. Das Bundesgericht geht davon aus, dass im Einbürgerungsverfahren über den
rechtlichen Status von Einzelpersonen entschieden werde und
Einbürgerungsentscheide einen Akt der Rechtsanwendung darstellten (BGE 129 I
232 E. 3.3 S. 237 ff. und E. 3.4.2 S. 240; BGE 129 I 217 E. 2.2 S. 224 ff.).
Vor diesem Hintergrund sind im Einbürgerungsverfahren auch die
Verfahrensgrundrechte von Art. 29 BV zu beachten. Die Gesuchsteller haben im
Einbürgerungsverfahren Parteistellung und damit Anspruch auf Gewährung des
rechtlichen Gehörs und insbesondere auf eine Begründung im Falle der Abweisung
ihres Gesuches. Diese Garantie von Art. 29 Abs. 2 BV steht ihnen unabhängig von
ihrer Berechtigung in der Sache und trotz des Fehlens eines Rechtsanspruchs auf
Einbürgerung zu (BGE 129 I 232 E. 3.3 S. 238 f. und E. 3.7 S. 243; BGE 131 I 18
E. 3 S. 20; BGE 132 I 196 E. 3.1 S. 197; Urteile 1P.786/2006, 1P.787/2006 und
1P.788/ 2006 vom 22. März 2007, je E. 3 und 4.1, publ. in: ZBl 109/2008 S.
161).
Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass bei Einbürgerungsgesuchen von
Eheleuten die beiden Ehepartner je als selbständige Gesuchsteller auftreten (
BGE 131 I 18 E. 3.3 S. 21 f.). In Bezug auf die Begründungserfordernisse nach
Art. 29 Abs. 2 BV bedeutet dies, dass negative Entscheide je individuell
begründet werden müssen; dies gilt jedenfalls dann, wenn die
Einbürgerungsvoraussetzungen der Eheleute unterschiedlich zu beurteilen sind
und diese nicht auf eine individuelle Beurteilung ihrer Gesuche verzichtet
haben (BGE 131 I 18 E. 3.4 S. 22; Urteil 1P.787/2006 vom 22. März 2007, E. 5.2,
publ. in: ZBl 109/2008 S. 168). Daran ändert der Umstand nichts, dass die
Beschwerdeführer ihr Einbürgerungsgesuch gemeinsam in demselben Formular
eingereicht haben; sie haben es individuell unterschrieben. Daraus folgt für
den vorliegenden Fall, dass die Beschwerde für die beiden Eheleute je getrennt
voneinander zu beurteilen ist, da die Abweisung des Einbürgerungsgesuches in
Bezug auf den Ehemann ausschliesslich mit dem Tragen des Kopftuches seiner
Ehefrau begründet wird, in Bezug auf die Ehefrau zum Tragen des Kopftuches
zusätzlich mangelnde Deutsch- und Staatskundekenntnisse angeführt werden.
BGE 134 I 56 S. 59

3. A.K. werden mangelnde Deutschkenntnisse vorgehalten und daraus eine
unzureichende Integration abgeleitet. Im Bericht der Gemeinde zum
Einbürgerungsgesuch wird festgehalten, dass sie nur mässig Deutsch spricht
(knapp erfüllt). Zudem geht aus dem Bericht hervor, dass sie zu den Fragen
betreffend die Verfassungsordnung von Bund, Kanton und Gemeinde nur teilweise
Auskunft geben konnte.
Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Berichte nicht. Diese Tatsachen können
als Zeichen mangelnder Integration verstanden werden. Die Vorbringen sind, für
sich genommen, neutral gehalten, nehmen Bezug auf die für eine Einbürgerung
erforderliche Integration und lassen keine auf der Religion oder auf religiös
bedingten Verhaltens- und Bekleidungsweisen beruhende Diskriminierung erkennen.
Vor diesem Hintergrund kann von einem Verstoss gegen Art. 8 Abs. 2 BV nicht
gesprochen werden (vgl. BGE 132 I 167 E. 4 S. 170 ff.). Insofern beruht der
negative Einbürgerungsentscheid auf einer Begründung, die im Ergebnis vor der
Verfassung standhält. Bei dieser Sachlage ist auf die weitern
Begründungselemente - wie das in der Einwohner-Gemeindeversammlung und vom
Gemeinderat angesprochene Tragen des Kopftuches - nicht näher einzugehen. Im
bundesgerichtlichen Verfahren wird ein kantonaler Entscheid auf Beschwerde hin
nicht schon allein wegen einzelner Begründungselemente, sondern nur dann
aufgehoben, wenn er sich auch im Ergebnis als verfassungswidrig erweist (vgl.
BGE 132 I 167 E. 4.1 S. 171 mit Hinweisen).
Demnach ist die Beschwerde in Bezug auf A.K. abzuweisen.

4. In Bezug auf B.K. ergibt sich aus der Begründung des Gemeinderates und den
Akten, dass ihm weder mangelnde Deutsch- noch unzureichende
Staatskundekenntnisse vorgehalten werden. Die Begründung des negativen
Einbürgerungsentscheides beruht einzig darauf, dass ihm wegen des Tragens des
Kopftuches durch seine Ehefrau mangelnder Respekt vor den verfassungsmässigen
Grundwerten und mangelnde Anerkennung der Gleichstellung von Mann und Frau
vorgeworfen werden. Darin erblickt er eine Diskriminierung wegen der religiösen
und weltanschaulichen Überzeugung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV.

4.1 Der Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 15 BV kommt im vorliegenden
Fall keine direkte und eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGE 132 I 167 E. 3 S.
170). Dieser wird durch den
BGE 134 I 56 S. 60
angefochtenen Beschluss nicht daran gehindert, seine Religion frei zu wählen,
auszuüben und zu bekennen. Soweit ihn sein religiöses Bekenntnis und der
Umstand, dass seine Ehefrau das Kopftuch trägt, im Einbürgerungsverfahren
benachteiligen oder einer Einbürgerung gar entgegenstehen, stellt sich
typischerweise die Frage, ob eine von Art. 8 Abs. 2 BV untersagte
Diskriminierung vorliegt.

4.2 Nach Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht
wegen der Lebensform und der religiösen, weltanschaulichen oder politischen
Überzeugung. In diesem Rahmen ist für die Bestimmung des Inhalts der religiösen
Überzeugung Bezug zu nehmen auf die Garantie der Glaubens- und
Gewissensfreiheit gemäss Art. 15 BV (vgl. Rainer J. Schweizer, Die
schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 1. Aufl. 2002, N. 64 zu
Art. 8 BV; JÖRG P. MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl. 1999, S. 433).

4.3 Art. 15 BV gewährleistet die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Abs. 1) und
räumt jeder Person das Recht ein, ihre Religion und ihre weltanschauliche
Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit andern zu
bekennen (Abs. 2). Unter diesem Schutze stehen nicht nur die traditionellen
Glaubensformen der christlich-abendländischen Kirchen und
Religionsgemeinschaften, sondern alle Religionen, unabhängig von ihrer
quantitativen Verbreitung in der Schweiz (BGE 119 Ia 178 E. 4b S. 184; BGE 123
I 296 E. 2b/aa S. 300 f.). Die Religionsfreiheit umfasst sowohl die innere
Freiheit, zu glauben, nicht zu glauben oder seine religiösen Anschauungen zu
ändern, wie auch die äussere Freiheit, entsprechende Überzeugungen innerhalb
gewisser Schranken zu äussern, zu praktizieren und zu verbreiten (BGE 123 I 296
E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 184). Sie enthält den Anspruch des
Einzelnen darauf, sein Verhalten grundsätzlich nach den Lehren des Glaubens
auszurichten und den Glaubensüberzeugungen gemäss zu handeln. Zur derart
gewährleisteten Religionsausübung zählen über kultische Handlungen hinaus auch
die Beachtung religiöser Gebräuche und andere Äusserungen des religiösen Lebens
im Rahmen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen der
Kulturvölker, soweit solche Verhaltensweisen Ausdruck der religiösen
Überzeugung sind (BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 184).
Das gilt auch für Religionsbekenntnisse, welche - wie der Islam - die auf den
Glauben gestützten Verhaltensweisen sowohl auf das geistig-religiöse Leben wie
auch auf weitere Bereiche
BGE 134 I 56 S. 61
des alltäglichen Lebens beziehen (BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 185). Insoweit werden
religiös bedingte Bekleidungsvorschriften wie das Tragen des Kopftuches vom
Schutz von Art. 15 BV erfasst (BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E.
4c S. 184).
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht erkannt, dass das
gemischtgeschlechtliche Baden in der Schule grundsätzlich im Widerspruch zu
einer islamischen Glaubensregel stehe und entsprechende Verhaltensweisen unter
den Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit fielen. Unerheblich sei
insoweit, ob entsprechende Gepflogenheiten von allen, von einer Mehrheit oder
allenfalls lediglich von einer Minderheit der islamischen Glaubensangehörigen
befolgt würden (BGE 119 Ia 178 E. 4d S. 185 f.).
In gleicher Weise steht das Tragen des Kopftuches von Frauen, die dem Islam
angehören, als Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses unter dem Schutz der
Religionsfreiheit gemäss Art. 15 BV (BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia
178 E. 4c S. 184; vgl. auch BGE 119 IV 260 E. 3b/aa S. 263). Daran vermag der
Umstand nichts zu ändern, dass bei gegebenen verfassungsmässigen
Voraussetzungen Eingriffe in die Glaubens- und Gewissensfreiheit möglich und
Einschränkungen von aus der Religion abgeleiteten Gepflogenheiten zulässig sind
(vgl. BGE 123 I 296; BGE 119 IV 260).

4.4 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 15 BV ist nicht nur ein
individuelles Abwehrrecht, sondern enthält auch einen objektivrechtlichen
Gehalt, an dem sich gemäss Art. 35 Abs. 1 BV die gesamte Staatstätigkeit
auszurichten hat (vgl. Urs Josef Cavelti, Die Schweizerische Bundesverfassung,
St. Galler Kommentar, 1. Aufl. 2002, N. 7 zu Art. 15 BV) und der auch im
Einbürgerungsverfahren ungeachtet der Natur und der Stufe des entscheidenden
Organs zu beachten ist. In diesem Sinne verbietet Art. 8 Abs. 2 BV
Diskriminierungen, die an religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen und
ihren Manifestationen anknüpfen.

5.

5.1 Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht
wegen seiner Herkunft und der religiösen, weltanschaulichen oder politischen
Überzeugung. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich
behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe,
welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell
ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird. Die
BGE 134 I 56 S. 62
Diskriminierung stellt eine qualifizierte Ungleichbehandlung von Personen in
vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteilung von Menschen
bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an
Unterscheidungsmerkmalen anknüpft, die einen wesentlichen und nicht oder nur
schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betroffenen Personen
ausmachen; insofern beschlägt das Diskriminierungsverbot auch Aspekte der
Menschenwürde nach Art. 7 BV. Das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2
BV schliesst indes die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal - wie beispielsweise
Herkunft, Rasse, Geschlecht oder religiöse Überzeugung - nicht absolut aus.
Eine solche begründet zunächst lediglich den blossen Verdacht einer
unzulässigen Differenzierung. Diese kann indes durch eine qualifizierte
Rechtfertigung umgestossen werden. Eine indirekte oder mittelbare
Diskriminierung liegt demgegenüber vor, wenn eine Regelung, die keine
offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung geschützte
Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige einer solchen
Gruppe besonders benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre (BGE 129
I 217 E. 2.1 S. 223 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin; REGINA KIENER
/ WALTER KÄLIN, Grundrechte, Bern 2007, S. 359 ff.).

5.2 Im vorliegenden Fall bildete der Umstand, dass die Ehefrau das Kopftuch
trägt und sich so fotografieren lässt, den Anknüpfungspunkt für die
Verweigerung des Bürgerrechts an den Beschwerdeführer. Es ist von keiner Seite
behauptet oder dargelegt worden, dass der Ehemann nicht hinreichend integriert
und aus diesem Grunde nicht eingebürgert werden könnte. Das Tragen des
Kopftuches seiner Ehefrau bildete sowohl in der Einwohner-Gemeindeversammlung
wie auch nach der Begründung des Gemeinderates in Bezug auf den Ehemann den
Ausgangspunkt für die Abweisung des Einbürgerungsgesuches. Dieser Umstand ist
nicht nur geeignet, Frauen, die sich zum Islam bekennen und das Kopftuch
tragen, gegenüber Männern und solchen Frauen, die das Kopftuch trotz des
Bekenntnisses zum Islam nicht tragen oder einer andern Glaubensrichtung
verpflichtet sind, im Einbürgerungsverfahren zu benachteiligen und
rechtsungleich zu behandeln oder ihnen die Erlangung des Bürgerrechts gar zu
verunmöglichen. Dieser Umstand betrifft auch Männer, deren Frauen sich zum
Islam bekennen und das Kopftuch tragen, und zwar unabhängig davon, ob sie diese
aus dem Islam abgeleitete und von der Ehefrau befolgte
BGE 134 I 56 S. 63
Bekleidungsweise befürworten oder nicht. Der negative Beschluss der
Einwohner-Gemeindeversammlung beruht somit im Ausgangspunkt auf einem Merkmal,
das nach Art. 8 Abs. 2 BV verpönt und im Grundsatz unzulässig ist. Insoweit ist
der Beschwerdeführer in spezifischer Weise gegenüber andern Gesuchstellern
ungleich behandelt und diskriminiert worden.
Diese Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers infolge eines religiösen
Bekenntnisses und der Befolgung von religiösen Gebräuchen durch die Ehefrau
lässt sich durch keinerlei qualifizierte und objektive Gründe rechtfertigen.
Glaubensinhalte, die ein religiös motiviertes Verhalten begründen oder
bestimmte Bekleidungsweisen nahelegen, sind grundsätzlich nicht zu überprüfen
und zu bewerten (vgl. BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 185). Art. 8 Abs. 2 BV ist
insoweit Ausdruck weltanschaulicher Pluralität und gebietet im Grundsatz die
Anerkennung von Bekenntnissen und Überzeugungen, die von den in der Schweiz
herkömmlichen Vorstellungen abweichen.
Es kann nicht mit Grund gesagt werden, das Tragen des Kopftuches als
Manifestation eines religiösen Bekenntnisses bringe in allgemein erkennbarer
Weise eine Haltung der Unterwerfung der Frau unter den Mann und eine
Herabminderung von Frauen zum Ausdruck. Eine solche Haltung kann noch weniger
im Umstand erblickt werden, dass die Ehefrau des Gesuchstellers das Kopftuch
trägt. Die Befolgung der aus dem Koran abgeleiteten Übung kann auf
eigenständigem Entschluss der Frauen selber beruhen, ihren Glauben auf diese
Weise zu manifestieren, ohne dass damit eine Haltung der Unterwerfung
ausgedrückt würde. Insoweit erweist sich das blosse Tragen des Kopftuches durch
die Ehefrau für den Ehemann in der Regel als wenig aussagekräftig und
wertneutral; daran ändert nichts, dass in der Übung des Tragens des Kopftuches
teils eine Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern erblickt wird (vgl.
vor dem Hintergrund eines unterschiedlichen Sachverhalts BGE 123 I 296 E. 4b/cc
S. 312). Der Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ein Kopftuch
trägt, könnte mitberücksichtigt werden, wenn darin vor dem Hintergrund der
konkreten Verhältnisse eine Haltung des Beschwerdeführers zum Ausdruck kommt,
die mit unsern grundlegenden rechtsstaatlichen und demokratischen
Wertvorstellungen im Widerspruch stünde. Ein derartiger konkreter Bezug wird im
kommunalen Verfahren weder behauptet noch nachgewiesen. Die sich in der
BGE 134 I 56 S. 64
Einwohner-Gemeindeversammlung äussernde Stimmberechtigte hat einzig auf das
Tragen des Kopftuches hingewiesen. Der Gemeinderat hat es in seiner Begründung
bei der allgemeinen Behauptung bewenden lassen, das Tragen des Kopftuches
bringe mangelnden Respekt vor der Verfassungsordnung und mangelnde Anerkennung
der Gleichbehandlung von Mann und Frau zum Ausdruck. Insbesondere wurde kein
Bezug auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers genommen und nicht im
Einzelnen vorgebracht, dass dieser grundlegende Prinzipien und Werte unserer
Gesellschaft missachten würde, die vorgehaltene Haltung im Alltagsleben
tatsächlich manifestiere und aus solchen Überlegungen nicht als integriert
gelten könnte. Schliesslich ist den Akten nicht zu entnehmen, dass der
Beschwerdeführer eine Haltung der Ungleichbehandlung und Unterdrückung
einnehmen würde, hat er sich doch im Bericht zum Einbürgerungsgesuch zum
Respekt vor dem andern Geschlecht und zur Gleichberechtigung von Mann und Frau
bekannt.
Bei dieser Sachlage fehlt es an einer qualifizierten, auf die konkreten
Umstände bezogenen Begründung, welche die Ungleichbehandlung des
Beschwerdeführers wegen seines religiösen Bekenntnisses bzw. wegen der
Manifestation der religiösen Überzeugung der Ehefrau durch das Tragen des
Kopftuches zu rechtfertigen vermöchte. Damit ist der Beschwerdeführer durch den
negativen Beschluss der Einwohner-Gemeindeversammlung, der ausschliesslich an
einem verpönten Merkmal anknüpft und den Beschwerdeführer ohne qualifizierte
Rechtfertigung rechtsungleich behandelt und benachteiligt, im Sinne von Art. 8
Abs. 2 BV diskriminiert worden. Die Beschwerde erweist sich daher in Bezug auf
den Beschwerdeführer B.K. als begründet.