Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 303



Urteilskopf

134 I 303

35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Steueramt des Kantons Aargau gegen Shell (Switzerland) AG und Steuerverwaltung
des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_537/2007 vom 17. Juni 2008

Regeste

Art. 127 Abs. 3 BV; Art. 21 Abs. 1 lit. b StHG; Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
i.V.m. Art. 73 Abs. 1 und Abs. 2 StHG; interkantonale Doppelbesteuerung;
Franchisevertrag; Tankstellen als Betriebsstätten? Legitimation der kantonalen
Steuerverwaltung zur Erhebung von Doppelbesteuerungsbeschwerden (E. 1).
Besteuerung von Tankstellen im interkantonalen Verhältnis (E. 2-4).

Sachverhalt ab Seite 304

BGE 134 I 303 S. 304
Die Shell (Switzerland) AG mit Sitz in Baar (ZG) verkauft ihr Benzin im Kanton
Aargau an 28 Standorten. Während 13 dieser Tankstellen ihr selber gehören, aber
von selbständigen Vertragspartnern betrieben werden (sog. "Company Stations"),
stehen die 15 übrigen Tankstellen im Eigentum des jeweiligen Betreibers und
werden von der Shell (Switzerland) AG nur beliefert (sog. "Dealer Stations").
Die Verträge, welche die Shell (Switzerland) AG mit den Betreibern ihrer
"Company Stations" abschliesst, übertragen diesen - gegen eine Vergütung - das
Recht, die Installationen und Gerätschaften zu bewirtschaften, wobei die
Tankstellenbetreiber selbständige Unternehmer bleiben und auf eigene Rechnung
und Gefahr arbeiten (vgl. E. 3.1).
Mit Feststellungsverfügung vom 22. April 2005 erklärte das Steueramt des
Kantons Aargau die 13 "Company Stations" ab dem Steuerjahr 2003 zu
Betriebsstätten der Shell (Switzerland) AG, welche der (beschränkten)
Steuerpflicht im Kanton unterstünden. Nach erfolglosem Einspracheverfahren
gelangte die Shell (Switzerland) AG an das Steuerrekursgericht des Kantons
Aargau, welches den "Company Stations" den Charakter von Betriebsstätten
absprach und in Gutheissung des Rekurses sowohl die Feststellungsverfügung als
auch den Einspracheentscheid aufhob (Entscheid vom 27. April 2006). Das vom
Steueramt des Kantons Aargau angerufene kantonale Verwaltungsgericht schützte
diesen Entscheid am 20. Juni 2007.
Am 1. Oktober 2007 hat das Steueramt des Kantons Aargau beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht mit dem
Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass die
Shell (Switzerland) AG ab 1. Januar 2003 für ihre 13 Betriebsstätten im Kanton
Aargau beschränkt steuerpflichtig sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Bestreitet die zur Veranlagung herangezogene Person die Steuerhoheit des
Kantons, so muss grundsätzlich in einem "Vorentscheid"
BGE 134 I 303 S. 305
rechtskräftig über die Steuerpflicht entschieden werden, bevor das
Veranlagungsverfahren fortgesetzt werden kann. Hier liegt ein solcher
letztinstanzlicher Steuerdomizilentscheid und mithin ein
verfahrensabschliessender Endentscheid einer oberen Gerichtsbehörde im Sinne
von Art. 90 in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG vor. Bei einer
derartigen Doppelbesteuerungssache handelt es sich um eine Angelegenheit des
öffentlichen Rechts, wobei keiner der Ausschlussgründe gemäss Art. 83 BGG
erfüllt ist, so dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
zulässig ist (vgl. Art. 82 lit. a BGG).

1.2 Es fragt sich allerdings, ob das Steueramt des Kantons Aargau zur
Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert ist, war es doch den Behörden bis
anhin verwehrt, die in Doppelbesteuerungssachen allein zur Verfügung stehende
staatsrechtliche Beschwerde zu erheben; auch mit Blick auf die Regelung des
Beschwerderechts im geltenden Recht (vgl. Art. 89 BGG) liegt die
Beschwerdebefugnis des Steueramts nicht auf der Hand. Allerdings ist zu
bedenken, dass es kaum noch Doppelbesteuerungsstreitigkeiten gibt, in denen
sich nur reine Doppelbesteuerungsfragen stellen, ohne dass nicht zusätzlich
auch die Handhabung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)
umstritten wäre. Hier verhält es sich nicht anders, zumal - selbst wenn sich
das Steueramt selber vorab auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art.
127 Abs. 3 BV beruft - ebenfalls die Tragweite von Art. 21 Abs. 1 lit. b StHG
in Frage steht. Auf diese Bestimmung (bzw. auf die sie umsetzende Regelung des
Aargauer Steuergesetzes vom 15. Dezember 1998 [StG/ AG; SAR 651.100]; vgl. § 12
und 63 StG/AG) - welche für juristische Personen mit Sitz (oder tatsächlicher
Verwaltung) ausserhalb des Kantons die beschränkte Steuerpflicht aufgrund
wirtschaftlicher Zugehörigkeit vorsieht, wenn sie im Kanton Betriebsstätten
unterhalten - geht der vorliegende Rechtsstreit letztlich zurück. Die enge
Verzahnung von Doppelbesteuerungs- und Steuerharmonisierungsrecht zeigt sich
vorliegend weiter im Umstand, dass Art. 21 StHG selber den Begriff der
Betriebsstätte nicht näher definiert, so dass insoweit auf die
gesetzesvertretende Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Doppelbesteuerung
zurückzugreifen ist (vgl. MAJA BAUER-BALMELLI/ MARKUS NYFFENEGGER, in: Zweifel/
Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1:
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
Gemeinden, 2. Aufl.,
BGE 134 I 303 S. 306
Basel 2002, N. 5 zu Art. 4 StHG). Bei diesen Gegebenheiten muss auch ein bloss
formaler Bezug zum Steuerharmonisierungsrecht, wie er bei Fragen der
subjektiven Steuerpflicht letztlich immer gegeben ist, genügen, um der nach
kantonalem Recht zuständigen Behörde die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 73
Abs. 2 StHG zu verleihen. Mit der Ablösung der staatsrechtlichen Beschwerde in
Doppelbesteuerungssachen (vgl. Art. 86 Abs. 2 OG) einerseits und der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Steuerharmonisierungsangelegenheiten (Art. 73
Abs. 1 StHG in seiner ursprünglichen Fassung) andererseits durch die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten drängt sich eine neue, dem
vereinheitlichten Rechtsmittelzug Rechnung tragende Sichtweise auf. Das
Steueramt des Kantons Aargau ist mithin - als die nach kantonalem Recht
zuständige Behörde - gestützt auf diese neue Rechtslage zur Beschwerdeführung
legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 und 2
StHG in der Fassung vom 17. Juni 2005).

1.3 Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Beschwerdeschrift die Begehren und deren
Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift
ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid
beanstandet wird (vgl. zum alten Recht: BGE 118 Ib 134; BGE 131 II 449 E. 1.3
S. 452), wobei pauschale Verweisungen auf Rechtsschriften in anderen Verfahren
den Begründungsanforderungen nicht zu genügen vermögen (vgl. BGE 123 V 335 E.
1b S. 337 f.; BGE 113 Ib 287 E. 1 S. 287 f.). Ob die Beschwerdeschrift diesen
Voraussetzungen entspricht, ist zweifelhaft: Sie enthält konfuse Ausführungen
und ist über weite Strecken nur schwer verständlich. Immerhin lässt sich
erkennen, dass das Steueramt einen Teil des Gewinns steuerlich bei den
Tankstellenbetreibern und den Rest bei der Beschwerdegegnerin erfassen will
(vgl. E. 3.5). Letztlich kann aber offenbleiben, ob eine den
Begründungsanforderungen genügende Eingabe vorliegt, weil die Beschwerde in der
Sache ohnehin abzuweisen ist.

2.

2.1 Eine gegen Art. 127 Abs. 3 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor,
wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das
gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird
(aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden
Kollisionsnormen seine
BGE 134 I 303 S. 307
Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem anderen Kanton
zusteht (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem darf ein Kanton eine
steuerpflichtige Person grundsätzlich nicht deshalb stärker belasten, weil sie
nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit untersteht, sondern zufolge ihrer
territorialen Beziehungen auch noch in einem anderen Kanton steuerpflichtig ist
(Schlechterstellungsverbot; BGE 132 I 29 E. 2.1 S. 31 f.; BGE 130 I 205 E. 4.1
S. 210). Hier steht eine aktuelle Doppelbesteuerung in Frage: Das Steueramt des
Kantons Aargau greift in die Steuerhoheit des (Sitz-)Kantons Zug ein, in
welchem die Beschwerdegegnerin bereits besteuert wird; es geht neu von
sekundären Steuerdomizilen der Beschwerdegegnerin aus, indem es die "Company
Stations" als deren Betriebsstätten betrachtet und - aufgrund der
entsprechenden wirtschaftlichen Anknüpfung - ab dem Jahr 2003 eine teilweise
Steuerpflicht geltend macht.

2.2 Gewinn und Kapital einer Kapitalgesellschaft sind praxisgemäss am Ort zu
versteuern, an dem sich deren Hauptsteuerdomizil befindet; vorbehalten bleiben
sekundäre Steuerdomizile in anderen Kantonen, die sich aufgrund von dort
unterhaltenen Betriebsstätten ergeben (vgl. Urteil 2P.9/1994 vom 6. Juni 1995,
publ. in: SJ 1996 S. 100, E. 3a; vgl. auch PETER LOCHER, Einführung in das
interkantonale Steuerrecht, 2. Aufl., Bern 2003, S. 46 f.). Als Betriebsstätte
gilt gemäss § 12 Abs. 1 StG/AG eine feste Geschäftseinrichtung, in der die
Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Diese
Umschreibung entspricht im Ergebnis jener des Steuerharmonisierungsgesetzes,
dessen Art. 21 Abs. 1 lit. b - mangels einer eigenen Begriffsdefinition - auf
die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Doppelbesteuerungsverbot verweist
(vgl. E. 1.2). Demnach setzt eine Betriebsstätte eine ständige körperliche
Anlage voraus, die Teil des ausserkantonalen Unternehmens bildet und in der
dieses eine qualitativ und quantitativ erhebliche Tätigkeit entfaltet (vgl.
zit. Urteil, publ. in: SJ 1996 S. 100, E. 3a; vgl. auch PETER LOCHER, a.a.O.,
S. 66).

2.3 Das Bundesgericht hatte sich bereits früher mit der doppelsteuerrechtlichen
Behandlung von Tankstellen zu befassen, wobei es verneinte, dass von
selbständigen Garagisten im Wallis betriebene Tankstellen Betriebsstätten jener
Erdölgesellschaft darstellten, welche sie aus der Waadt mit Benzin belieferte.
In den Vordergrund stellte es dabei nicht die rechtlichen, sondern die
wirtschaftlichen Elemente des Verhältnisses zwischen den Beteiligten und erwog
insbesondere, eine Betriebsstätte liege dann vor, wenn ein gleiches Ausmass von
BGE 134 I 303 S. 308
Abhängigkeit wie bei einem Organ- oder Anstellungsverhältnis erreicht werde. Im
betreffenden Verfahren erachtete es als ausschlaggebend, dass die Garagisten
auf eigenes Risiko tätig waren, nicht aber das Bestehen einer Preisbindung oder
die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots (BGE 79 I 218 E. 3 S. 222 ff.; zum
Tankstellenvertrag vgl. auch ERIC KALTENRIEDER, Les contrats de
station-service, Diss. Lausanne 1998; MARIEL HOCH CLASSEN, Vertikale
Wettbewerbsabreden im Kartellrecht, Diss. Zürich 2002, S. 37).

3. Hier ist zunächst zu untersuchen, wie der "Shell Service-Stations Vertrag",
den die Beschwerdegegnerin mit ihren "Company Stations" abschliesst,
einzuordnen ist, und insbesondere zu prüfen, ob sich daraus klare
steuerrechtliche Konsequenzen ergeben:

3.1 Mit dem "Shell Service-Stations Vertrag" wird den Tankstellenbetreibern
vertraglich das Recht eingeräumt, die der Beschwerdegegnerin gehörenden
Gebäude, Installationen und Gerätschaften zu bewirtschaften; sie tun dies als
selbständige Unternehmer auf eigene Rechnung und Gefahr und haben insbesondere
das erforderliche Betriebskapital selber einzubringen. Weiter finanzieren sie
den Lagerbestand und tragen die laufenden Kosten des Betriebs (für Personal,
Unterhaltsarbeiten, Versicherungen etc.). Hinsichtlich der eigenen Produkte der
Beschwerdegegnerin unterliegen die Tankstellenbetreiber einer exklusiven
Abnahme- und Vertriebsverpflichtung, gekoppelt mit einer Preisbindung für den
Weiterverkauf. Die übrigen Waren sind grundsätzlich bei von der
Beschwerdegegnerin bestimmten Vertragslieferanten zu beziehen. Die Betreiber
verpflichten sich ferner, dafür zu sorgen, dass das Erscheinungsbild der
Tankstelle den Richtlinien der Beschwerdegegnerin entspricht. Diese legt auch
für rund 90 Prozent der Waren die Platzierung im zugehörigen Tankstellen-Shop
fest, nimmt Einblick in alle Geschäftsunterlagen des Betreibers und regelt die
Grundsätze, nach denen die Buchhaltung zu führen ist. Für die Überlassung der
Tankstelle zur Bewirtschaftung leistet der Betreiber eine monatliche
Akonto-Zahlung, wobei sich die effektiv geschuldete Vergütung - gleich wie die
Gewinnbeteiligung beider Vertragspartner - teils aufgrund eines im vornherein
vereinbarten Budgets und teils aufgrund des tatsächlichen Betriebsergebnisses
bestimmt.

3.2 Vergleichbare Abmachungen über den Absatz von Waren oder Dienstleistungen
hat das Bundesgericht als Franchiseverträge qualifiziert. Der Franchisegeber
stellt die Waren oder Dienstleistungen
BGE 134 I 303 S. 309
bereit, welche der (selbständige) Franchisenehmer auf eigene Rechnung und
Gefahr vertreibt. Der Franchisenehmer wird dabei im Rahmen der
Vertriebskonzeption des Franchisegebers tätig, die ein einheitliches Absatz-
und Werbekonzept umfasst und ihm zudem Namen, Marken, Ausstattungen und
Schutzrechte zur Nutzung überlässt; der Franchisegeber leistet ferner Beistand,
erteilt Rat und übernimmt regelmässig auch die Schulung des Franchisenehmers (
BGE 118 II 157 E. 2a S. 159 f.; vgl. auch Urteil 4C.228/2000 vom 11. Oktober
2000, E. 3).

3.3 Allerdings kommen solche Franchiseverträge in derart vielen verschiedenen
Formen vor, dass weder eine hinreichend scharfe begriffliche Qualifikation des
Vertragstypus möglich ist, noch verbindlich, ein für allemal, festgelegt werden
kann, welche steuerrechtlichen Konsequenzen sich aus Franchiseverträgen
ergeben. Diese werden meist von mehreren verschiedenartigen Komponenten geprägt
und weisen so namentlich Elemente eines Nutzungs- und
Gebrauchsüberlassungsvertrags (Überlassung des Franchisepakets -
einschliesslich der immateriellen Rechte - durch den Franchisegeber), eines
Arbeitsleistungsvertrags (Absatzförderungspflicht des Franchisenehmers) und
häufig auch solche eines Warenlieferungsvertrags auf. Ferner kann im
gemeinsamen Ziel der Maximierung des Umsatzes - ähnlich wie bei einem
Alleinvertretungsvertrag - ein gesellschaftsvertraglicher Einschlag erblickt
werden. Besteht zwischen den Parteien dementsprechend nicht ein Unterordnungs-,
sondern ein partnerschaftliches Verhältnis (sog. Partnerschaftsfranchising),
kann auch dieser Umstand die Heranziehung von Normen des Gesellschaftsrechts
rechtfertigen. Ist hingegen der Franchisenehmer, wie dies typischerweise - und
auch hier - der Fall ist, dem Franchisegeber untergeordnet (sog.
Subordinationsfranchising), so stellt sich eher die Frage nach einer analogen
Anwendung arbeitsvertrags- oder agenturvertragsrechtlicher Schutzvorschriften (
BGE 118 II 157 E. 2c S. 160 f.).

3.4 Rückgriffe auf andere Vertragstypen taugen jedoch nur zur Lösung von
punktuellen Rechtsproblemen; angesichts der Eigenheiten des
Franchiseverhältnisses ist eine ganzheitliche Unterstellung eines konkreten
Vertrags unter die Regeln eines anderen Typs regelmässig ausgeschlossen: So
scheitert eine breitere Anwendung des Arbeitsvertragsrechts an der bloss
teilweisen Subordination und der wirtschaftlichen Selbständigkeit des
Franchisenehmers, während eine Unterstellung unter die Regeln des
Agenturvertrags darum
BGE 134 I 303 S. 310
ausgeschlossen ist, weil der Franchisenehmer in eigenem Namen und auf eigene
Rechnung handelt. Ebenso wenig kann eine ganzheitliche Subsumtion unter den
Lizenzvertrag erfolgen, zumal das Franchisepaket ein ganzes Bündel von Rechten
und Pflichten umfasst, das nur zum Teil auf einer Nutzung von Immaterialgütern
beruht (vgl. MICHAEL KULL, Der Franchisevertrag im schweizerischen Recht, in:
Insolvenz- und Wirtschaftsrecht 2002, S. 101 f.). Mithin lässt sich aus der
rechtlichen Qualifikation des Vertrags zwischen der Beschwerdegegnerin und
ihren "Company Stations" für die steuerrechtliche Anknüpfung letztlich nichts
Entscheidendes gewinnen.

3.5 Immerhin ist festzuhalten, dass die "Company Stations" aufgrund des
Gesagten als selbständige Unternehmen im Kanton Aargau unbeschränkt
steuerpflichtig sind, was auch vom Steueramt nicht in Frage gestellt wird.
Neben einer solchen unbeschränkten Steuerpflicht der Tankstellenbetreiber ist
aber eine zusätzliche beschränkte Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin mit
Bezug auf die selben "Company Stations" unmöglich, würde dies doch auf eine
unzulässige Doppelbesteuerung hinauslaufen. Allerdings möchte das Steueramt
insoweit nicht dasselbe Substrat zweimal besteuern, sondern wie folgt vorgehen:
Der unbeschränkten Steuerpflicht im Kanton Aargau soll nur das relativ
bescheidene Einkommen der Tankstellenbetreiber unterstehen und der Kanton neu
mittels beschränkter Steuerpflicht - wegen des Unterhalts von Betriebsstätten -
am grösseren Gewinn der Beschwerdegegnerin teilhaben (der bisher aus dem Kanton
abgeflossen ist). Im Folgenden ist deshalb noch zu prüfen, ob die
Beschwerdegegnerin an den Standorten der selbständig steuerpflichtigen "Company
Stations" ihrerseits - aufgrund der zur Verfügung gestellten Einrichtungen -
Betriebsstätten unterhält und damit sekundäre Steuerdomizile begründet.

4.

4.1 Wie gesehen, setzt das Bestehen einer Betriebsstätte der Beschwerdegegnerin
voraus, dass diese über eine feste Geschäftseinrichtung verfügen kann (vgl. E.
2.2). Das Steueramt hält dafür, es sei unbestritten, dass die "Company
Stations" solche Einrichtungen darstellen. Es verkennt dabei, dass sich diese -
dem angefochtenen Entscheid entnommene - Aussage auf die hier nicht mehr
interessierende Fragestellung bezieht, ob die "Company Stations" selber
Betriebsstätten der Beschwerdegegnerin seien. Nach dem Gesagten ist jedoch nur
noch zu prüfen, ob die den Tankstellenbetreibern zur Nutzung überlassenen
Grundstücke und Installationen immer noch als feste
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Geschäftseinrichtungen der Beschwerdegegnerin gelten können. Diese Frage ist zu
verneinen: Wohl hat die Beschwerdegegnerin weiterhin das Eigentum an den
betreffenden Einrichtungen; sie kann über Letztere jedoch nicht mehr nach
Belieben verfügen, weil die Nutzungsberechtigung den Tankstellenbetreibern,
mithin anderen Rechtsträgern, zukommt. Steht eine Geschäftseinrichtung zwar im
Eigentum eines Unternehmens, verfügt über sie aber ein anderer für eigene
Zwecke (also nicht für solche der Eigentümerin), so liegt keine Betriebsstätte
des betreffenden Unternehmens vor (vgl. MAXIMILIAN GÖRL, in: Vogel/Lehner
[Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen der BRD auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und Vermögen, Kommentar auf der Grundlage der Musterabkommen, 5.
Aufl., München 2008, Rz. 16 zu Art. 5 DBA). Auch wenn kein spezifisches
Nutzungsentgelt vereinbart wurde, enthält der "Shell Service-Stations Vertrag"
zweifellos Elemente eines Miet- oder Pachtvertrags (mithin einer
Gebrauchsüberlassung), so dass die Verfügungsmacht über die Anlagen nicht
(mehr) bei der Beschwerdegegnerin, sondern beim die Tankstelle betreibenden
Vertragspartner liegt. Damit fehlt es hier bereits an der ersten Voraussetzung
für eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 Abs. 1 StG/AG und Art. 21 Abs. 1 lit.
b StHG.

4.2 Eine weitere Voraussetzung für das Bestehen einer Betriebsstätte wäre, dass
die Beschwerdegegnerin dort eine Geschäftstätigkeit ausübt. Inwiefern diese
Voraussetzung hier erfüllt sein soll, legt das Steueramt nicht substantiiert
dar. Es begnügt sich insoweit mit einem allgemeinen Hinweis auf die schwache
Stellung des Tankstellenbetreibers, der einen Grossteil des von ihm erzielten
Betriebsergebnisses an die Beschwerdegegnerin weiterleiten müsse. In diesem
Umstand allein kann indessen keine Geschäftstätigkeit der Beschwerdegegnerin
begründet sein: Zunächst ist auszuschliessen, dass zwischen den
Tankstellenbetreibern und der Beschwerdegegnerin ein Gesellschaftsverhältnis
besteht; zwar mag eine gewisse Gleichrichtung der Interessen vorliegen, es
mangelt aber - gerade bei einem Subordinationsfranchising - an einer
eigentlichen Interessen gemeinschaft und an einer partnerschaftlichen
Zusammenarbeit (vgl. MARC AMSTUTZ/WALTER SCHLUEP, in: Basler Kommentar,
Obligationenrecht I, 4. Aufl., Basel 2007, N. 153 vor Art. 184 ff. OR). Auch
wenn ein Grossteil der Einkünfte der Beschwerdegegnerin als Lizenzeinnahmen zu
betrachten sein mögen und nach Ziff. 8 des Kommentars zum OECD-Musterabkommen
(in der Fassung vom 15. Juli 2005) theoretisch auch die blosse Vermietung von
Einrichtungen,
BGE 134 I 303 S. 312
Immaterialgütern oder Grundeigentum eine Betriebsstätte begründen könnte (vgl.
GÖRL, a.a.O., S. 469 f.), fehlt es hier an einer eigentlichen
Geschäftstätigkeit der Beschwerdegegnerin. Diese beschränkt sich am Ort der
Tankstellen auf eine blosse Kontroll- und Überwachungstätigkeit, weshalb keine
qualitativ und quantitativ erhebliche Tätigkeit vorliegt, wie sie der
schweizerische Betriebsstättenbegriff - im Unterschied zu jenem des
OECD-Musterabkommens - voraussetzt (vgl. STEFAN G. WIDMER, Die
Betriebsstättebegründung des Principals nach der allgemeinen
Betriebsstättedefinition, in: IFF Forum für Steuerrecht 2005, S. 97 Fn. 20).

4.3 Schliesslich kann - entgegen den Vorbringen des Steueramts - auch keine
"Vertreterbetriebsstätte" vorliegen (zum Begriff: vgl. GÖRL, a.a.O., Rz. 144
ff.; vgl. auch PETER ATHANAS/GIUSEPPE GIGLIO, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.],
Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band I/2a: Bundesgesetz über die
direkte Bundessteuer, 2. Aufl., Basel 2008, N. 33 f. zu Art. 51 DBG). Die
"Company Stations" bzw. die Tankstellenbetreiber handeln in eigenem Namen und
auf eigene Gefahr und sind weder direkte noch indirekte Stellvertreter der
Beschwerdegegnerin. Deshalb ist auch der Hinweis auf den Begriff der
Betriebsstätte gemäss Ziff. 4.2 des Kreisschreibens Nr. 23 der Schweizerischen
Steuerkonferenz über die Steuerausscheidung von Versicherungsgesellschaften,
erlassen am 21. November 2006, von vornherein unbehelflich.

4.4 Mithin steht fest, dass die Beschwerdegegnerin an den Standorten der
(selbständigen) "Company Stations" keine Betriebsstätten im Sinne von § 12 Abs.
1 StG/AG und Art. 21 Abs. 1 lit. b StHG unterhält. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich deshalb als unbegründet.