Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 IV 266



Urteilskopf

134 IV 266

28. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_777/2007 vom 16. Juni 2008

Regeste

Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung; Anwendungsbereich des Gesetzes,
Begriff der verdeckten Ermittlung; verdeckte polizeiliche Beteiligung an der
Kommunikation in Chatforen im Internet zwecks Aufklärung von Straftaten, im
Besonderen von sexuellen Handlungen mit Kindern, im Vorfeld eines
Strafverfahrens; Erfordernis einer richterlichen Genehmigung der Ernennung zum
verdeckten Ermittler, Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung bei deren Fehlen
(Art. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 17, 18 BVE). Mangels einer klaren, abweichenden
Regelung im BVE ist jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person
zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren
Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwandes und der
Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren
(E. 3.5-3.7). Die verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in
Chatforen im Internet ist trotz der gewissen Besonderheiten dieses Mediums eine
verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE (E. 3.8). Die Voraussetzungen für die
Anordnung einer verdeckten Ermittlung durch verdeckte polizeiliche Beteiligung
an der Kommunikation im Chat zwecks Aufklärung von voraussichtlichen künftigen
Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern im Vorfeld eines
allfälligen Strafverfahrens sind schon vor dem Beginn des Chats erfüllt (E.
4.3). Die für die Ernennung eines verdeckten Ermittlers notwendige richterliche
Genehmigung kann nicht erst nach dem Beginn des Einsatzes eingeholt und erteilt
werden (E. 4.4). Erkenntnisse, die ein Polizeiangehöriger durch eine verdeckte
Ermittlung gewinnt, dürfen nur als Beweis verwertet und für weitere
Ermittlungen verwendet werden, wenn der Polizeiangehörige vor seinem Einsatz
zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung vor seinem Einsatz
richterlich genehmigt worden ist (E. 5.2). Unverwertbarkeit der gewonnenen
Erkenntnisse mangels dieser notwendigen richterlichen Genehmigung im
vorliegenden Fall (E. 5.3).

Sachverhalt ab Seite 268

BGE 134 IV 266 S. 268
X. nahm am 17. August 2005 unter dem Pseudonym "Jérôme" über das Internet im
Bluewin-Chatroom "kidstalk" Kontakt mit einer Person mit dem Pseudonym
"manuela_13" auf. Er hatte unter demselben Pseudonym schon vorher am gleichen
Tag sowie am 6. August 2005 mit einer Person mit dem Pseudonym "Jenny_13"
gechattet. Im Rahmen der Kommunikation im Chat konfrontierte der damals
26-jährige X. die Person mit dem Pseudonym "manuela_13" mit verschiedenen
Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts. Er fragte sie, ob sie
bereits Brüste und schon Haare an ihrem Geschlechtsteil habe. Er forderte sie
auf, sich an ihrem Geschlechtsteil zu streicheln, während er dasselbe mit dem
seinen täte. Er äusserte, er habe schon einmal mit einer 13-Jährigen Sex
gehabt. Er bat sie, eine Fotoaufnahme ihres Geschlechtsteils zu machen und
BGE 134 IV 266 S. 269
ihm diese zu schicken, was "manuela _13" ablehnte. Nach rund einstündigem
Chatten schlug er vor, dass er von seinem Wohnort im Tessin nach Zürich komme,
um sie zu treffen und im Auto am Geschlechtsteil zu streicheln und alles zu
machen. Hierauf wurde ein Treffen auf den nächsten Tag, 11.00 Uhr, am
Treffpunkt im Hauptbahnhof Zürich vereinbart. Rund 30 Minuten später gab er
"manuela_13" im Chat seine (echte) Mobiltelefonnummer bekannt, worauf ihm
"manuela_13" eine E-Mail-Adresse angab. X. erschien am vereinbarten Termin,
doch traf er dort nicht auf ein 13-jähriges Mädchen, sondern auf Polizeibeamte,
die sich sofort als solche zu erkennen gaben. Hinter dem Pseudonym "manuela_13"
hatten sich, wie zuvor hinter dem Pseudonym "Jenny_13", Angehörige der Polizei
verborgen.
Im Rahmen der in der Folge gegen X. eröffneten Strafuntersuchung wegen des
Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind,
angeblich begangen dadurch, dass er zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen an
dem vereinbarten Treffen erschien, fand unter anderem eine Hausdurchsuchung bei
X. statt, wobei in einem Computer kinderpornografische Bildaufnahmen
sichergestellt wurden. Gegen X. wurde Anklage wegen unvollendeten untauglichen
Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern sowie wegen Pornografie (im Sinne
von Art. 197 Ziff. 3^bis StGB) erhoben. Wegen der verschiedenen Äusserungen,
Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts im Chat vom 17. August 2005 mit
"manuela_13" wurde offenbar keine Anklage erhoben.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 7. September 2007 in
Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 19. Juni 2006 frei.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen
mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von
Bundesrecht aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
X. beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weit die Beschwerde in Strafsachen ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3.

3.1

3.1.1 Das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR
312.8) enthält, wie schon der bundesrätliche
BGE 134 IV 266 S. 270
Entwurf, keine Definition der verdeckten Ermittlung. In der Botschaft des
Bundesrates (BBl 1998 S. 4241 ff.) wird dazu ausgeführt, der Begriff der
verdeckten Ermittlung werde in der Diskussion immer wieder verschieden
gebraucht, was zu Verständnis- und Abgrenzungsschwierigkeiten führe. Gleichwohl
solle auf eine Legaldefinition verzichtet werden, weil der Rahmen durch die
gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde. Gemäss den
Ausführungen in der Botschaft ist verdeckte Ermittlung das Anknüpfen von
Kontakten zu verdächtigen Personen, die darauf abzielen, die Begehung einer
strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei vorwiegend passiv die
deliktische Tätigkeit untersucht wird (a.a.O., S. 4283). Von der verdeckten
Ermittlung ist laut Botschaft die Observation zu unterscheiden, welche
grundsätzlich das gezielte Beobachten von Vorgängen an öffentlichen oder
allgemein zugänglichen Orten - allenfalls unter Einsatz von Bild- und
Tonaufnahmegeräten - umfasst (a.a.O., S. 4283). Sowohl bei einer Observation
als auch bei einer verdeckten Ermittlung gehe es darum, Beweise für eine
strafbare Handlung zu erlangen, wobei diese Tätigkeit für die verdächtigten
Personen nicht erkennbar sein soll. Während bei einer Observation von aussen
gezielt beobachtet werde, erfolge bei einer verdeckten Ermittlung das
Einschleusen von dafür eingesetzten Polizeibeamten in einen bestimmten
Personenkreis (a.a.O., S. 4284). Davon zu unterscheiden ist gemäss den weiteren
Ausführungen in der Botschaft der Einsatz von Fahndern in Zivilkleidung. Auch
diese könnten Personen und Vorgänge beobachten, ohne vorerst ihre Funktion
bekannt zu geben. Sie benötigten jedoch keine Legende und beanspruchten keine
Zeugenschutzmassnahmen und stünden unter der normalen dienstlichen Aufsicht
(a.a.O., S. 4284).
Die Botschaft scheint somit unter anderem zwischen verdeckten Ermittlern
einerseits und Fahndern in Zivil andererseits zu unterscheiden, wobei Letztere
nicht unter den Anwendungsbereich des BVE fallen. Dies ergibt sich auch aus den
Ausführungen in der Botschaft zu anderen Bestimmungen. So wird zu Art. 8 des
bundesrätlichen Entwurfs ("Verwendung der Erkenntnisse"), dem Art. 12 BVE
wörtlich entspricht, unter anderem ausgeführt, dass die verdeckte Ermittlung im
Vorfeld eines Strafverfahrens qualitativ noch sehr nahe beim Einsatz von
Fahndern in Zivil oder bei der Observation sei, bei denen die eingesetzten
Polizeibeamten nach den meisten kantonalen Polizeigesetzgebungen umfassend
verpflichtet seien,
BGE 134 IV 266 S. 271
während des Dienstes festgestellte Straftaten anzuzeigen. Aus diesem Grunde
dürften Zufallsfunde, die im Rahmen einer verdeckten Ermittlung im Vorfeld
eines Strafverfahrens gemacht würden, voraussetzungslos verwertet werden,
mithin nicht nur dann, wenn auch zur Verfolgung der zufällig entdeckten
Straftat eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden könnte (a.a.O., S. 4293).
Sodann hat der Bundesrat auf die im Vernehmlassungsentwurf noch vorgesehene
Streichung von Art. 23 Abs. 2 BetmG verzichtet, wonach der Polizeibeamte, der
zu Ermittlungszwecken selber ein Angebot von Betäubungsmitteln annimmt,
straflos bleibt, auch wenn er seine Identität und Funktion nicht bekannt gibt.
Der Vernehmlassungsentwurf wollte diese Bestimmung streichen und nur noch für
die verdeckte Ermittlung die Straffreiheit zubilligen (a.a.O., S. 4301). Gegen
die Streichung wurde in verschiedenen Vernehmlassungen opponiert mit der
Begründung, dass auch andere Fahnder in Zivil, die nicht als verdeckte
Ermittler eingesetzt seien, die Möglichkeit behalten sollten, zu
Ermittlungszwecken ihnen angebotene Drogen anzunehmen. Dieses Argument hat den
Bundesrat überzeugt, weshalb Art. 23 Abs. 2 BetmG beibehalten wurde mit der
Modifikation, dass die betroffenen Beamten mit dem Auftrag zur Bekämpfung des
Drogenhandels betraut sein müssen (a.a.O., S. 4301).
Aus der Botschaft geht allerdings nicht hervor, nach welchen Kriterien sich die
verdeckten Ermittler von den Fahndern in Zivil unterscheiden. Der Hinweis in
der Botschaft, dass die Fahnder in Zivil keine Legende benötigen und keine
Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen (a.a.O., S. 4284), ist an sich zutreffend,
doch ist die darin enthaltene Andeutung, dass die verdeckten Ermittler eine
Legende benötigen und Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen, zumindest ungenau.
Denn diese Massnahmen sind sowohl nach dem bundesrätlichen Entwurf (Art. 3) als
auch nach dem Gesetz (Art. 6 BVE) fakultativ ("[...] kann [...]"), auch wenn
offenbar laut Botschaft "in der Praxis" Einsätze von verdeckten Ermittlern
"regelmässig" mit Vertraulichkeitszusage und Legende erfolgen (a.a.O., S.
4288).

3.1.2 Der bundesrätliche Entwurf hat in den Verhandlungen der eidgenössischen
Räte (AB 2001 N 1812 ff., 1836 ff.; AB 2002 S 534 ff.; AB 2002 N 1259 ff.; AB
2002 S 1073 ff.; AB 2003 N 361 f.; AB 2003 S 487 f.) erhebliche Änderungen
erfahren. Aus den Verhandlungen geht hervor, dass auch das Parlament bei der
verdeckten Ermittlung relativ langfristige und heikle Einsätze namentlich im
Rahmen der
BGE 134 IV 266 S. 272
Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels und der sog. organisierten Kriminalität
im Auge hatte. Aus den Verhandlungen ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob und
gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach den Vorstellungen des
Parlaments auch kurze und relativ einfache Einsätze unter den Anwendungsbereich
des Gesetzes fallen sollen.

3.2 Das BVE enthält im Unterschied zum bundesrätlichen Entwurf immerhin einen
Zweckartikel. Gemäss Art. 1 BVE hat verdeckte Ermittlung nach diesem Gesetz zum
Zweck, mit Angehörigen der Polizei, die nicht als solche erkennbar sind
(Ermittler oder Ermittlerin), in das kriminelle Umfeld einzudringen und damit
beizutragen, besonders schwere Straftaten aufzuklären. Aus diesem Zweckartikel
lässt sich indessen nicht ableiten, dass eine verdeckte Ermittlungstätigkeit
nur als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren ist, wenn dabei
in ein kriminelles Umfeld eingedrungen wird. Der Zweckartikel kann auch nicht
in dem Sinne verstanden werden, dass eine verdeckte Ermittlung nur im Falle des
Eindringens in ein kriminelles Umfeld unter den Anwendungsbereich des BVE
fällt. Das in Art. 1 BVE erwähnte Eindringen in ein kriminelles Umfeld ist
somit weder ein Definitionsmerkmal des Begriffs der verdeckten Ermittlung im
Sinne des BVE noch ein Kriterium für die Bestimmung des Anwendungsbereichs
dieses Gesetzes. Es wäre hiefür ohnehin nicht geeignet, weil es viel zu
unbestimmt ist. Der Gesetzgeber scheint damit lediglich zum Ausdruck bringen zu
wollen, dass nach seinen Vorstellungen die verdeckte Ermittlung typischerweise
namentlich auch der Aufklärung von Straftaten im Rahmen der sog. organisierten
Kriminalität dient, und zu diesem Zweck in ein "kriminelles Umfeld"
eingedrungen werden muss.
Das BVE ist somit auch anwendbar, wenn es an einem "kriminellen Umfeld" fehlt.
Daher kann dahingestellt bleiben, was unter einem "kriminellen Umfeld" im Sinne
von Art. 1 BVE zu verstehen ist und ob dieser Begriff allenfalls auch in einem
weiten Sinne dahingehend verstanden werden könnte, dass in das Umfeld eines
Kriminellen eingedrungen wird. Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber darauf
hinzuweisen, dass die von den eidgenössischen Räten am 5. Oktober 2007
verabschiedete künftige schweizerische Strafprozessordnung, welche unter dem 8.
Kapitel ("Geheime Überwachungsmassnahmen") die "verdeckte Ermittlung" in Art.
286-298 regelt, keinen dem Art. 1 BVE entsprechenden Zweckartikel enthält.
BGE 134 IV 266 S. 273

3.3 Der Bundesrat äussert in der Botschaft zum BVE die Meinung, dass auch ohne
Definition des Begriffs der verdeckten Ermittlung der Anwendungsbereich des BVE
durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde (BBl
1998 S. 4283). Aus verschiedenen Bestimmungen des BVE (wie übrigens auch der
künftigen StPO/CH) lässt sich in der Tat ableiten, dass verdeckte Ermittlungen
im Sinne des Gesetzes nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in der Regel
relativ langfristige und heikle Einsätze sind, bei denen einerseits zum Zwecke
einer erfolgreichen und nachhaltigen Täuschung der Zielpersonen und
andererseits zum Schutze der verdeckten Ermittler flankierend verschiedene
Anordnungen getroffen werden können. Dies ergibt sich unter anderem und
insbesondere aus Art. 6 ("Legende und Vertraulichkeitszusage"), Art. 8 Abs. 3
und Art. 18 Abs. 3 (betreffend die einjährige Höchstdauer mit
Verlängerungsmöglichkeit), Art. 9 ("Rechte und Pflichten"), Art. 10 Abs. 3
(betreffend Probekäufe und Dokumentation der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit), Art. 11 ("Führungsperson"), Art. 16 ("Straflosigkeit von
Betäubungsmitteldelikten"), Art. 17 Abs. 2 (betreffend Zusicherung von
Schutzmassnahmen im Strafverfahren), Art. 20 ("Vorzeigegeld") und Art. 23
("Schutzmassnahmen"). Entsprechende Bestimmungen enthält auch die künftige
schweizerische Strafprozessordnung (siehe Art. 288, 289 Abs. 5, 291, 292, 293
Abs. 3, 294, 295).
Die gesetzliche Regelung ist offensichtlich auf längere und relativ heikle
Einsätze zugeschnitten. Verschiedene Bestimmungen des Gesetzes passen überhaupt
nicht für kurze und relativ einfache Einsätze, die sich auf wenige Kontakte
oder gar nur einen einzigen Kontakt mit einer bestimmten Zielperson beschränken
und keine besonderen Vorkehrungen etwa zur Täuschung der Zielperson und zum
Schutz des Ermittlers erfordern.
Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch
solche kurzen und relativ einfachen Einsätze als verdeckte Ermittlungen im
Sinne des BVE anzusehen sind.

3.4 In der Lehre ist ebenfalls erkannt worden, dass der Anwendungsbereich des
BVE unter anderem mangels einer gesetzlichen Definition des Begriffs der
verdeckten Ermittlung unklar ist (siehe THOMAS HANSJAKOB, Das neue Bundesgesetz
über die verdeckte Ermittlung, ZStrR 122/2004 S. 97 ff.; CHARLES HAENNI,
Verdeckte Ermittlung, Kriminalistik 4/2005 S. 248 ff.; FRANZ BÄTTIG, Verdeckte
Ermittlung nach Inkrafttreten des BVE aus polizeilicher Sicht,
BGE 134 IV 266 S. 274
Kriminalistik 2/2006 S. 130 ff.; PETER RÜEGGER/ROLF NÄGELI, Chatrooms: Ein
Tummelplatz für pädosexuelle Straftäter, Kriminalistik 6/2006 S. 404 ff.;
WOLFGANG WOHLERS, Das Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung [BVE],
Taugliches Instrument zur effizienten Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität?, ZSR 124/2005 I S. 219 ff.; PATRICK BISCHOFF/MARKUS LANTER,
Verdeckte polizeiliche Ermittlungshandlungen in Chatrooms, Jusletter vom 14.
Januar 2008, Rz. 5 ff.). Zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des BVE werden
verschiedene Lösungen vorgeschlagen.

3.5

3.5.1 Die in einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung, eine verdeckte
Ermittlung im Sinne des BVE liege nur vor, wenn der ermittelnde Beamte mit
einer Legende ausgestattet ist und/oder seine Identität auch in einem späteren
Strafverfahren geschützt werden soll, hat den Vorteil, dass sie den
Anwendungsbereich des BVE relativ klar eingrenzt. Sie beruht zudem auf der an
sich plausiblen Überlegung, dass das durch das BVE vorgeschriebene Verfahren -
etwa betreffend die erforderliche richterliche Genehmigung - nur eingehalten
werden muss, wenn die Strafverfolgungsbehörden von den besonderen Möglichkeiten
Gebrauch machen wollen, die das BVE eröffnet. Gegen diese Auffassung spricht
allerdings, dass die Ausstattung des verdeckten Ermittlers mit einer Legende,
die Vertraulichkeitszusage und die Erlaubnis zur Herstellung und Veränderung
von Urkunden zwecks Aufbaus und Aufrechterhaltung einer Legende - übrigens auch
gemäss der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung (vgl. Art. 288 StPO/
CH) - zweifellos fakultativ ("[...] kann [...]") sind (siehe Art. 6 BVE) und
somit klarerweise keine notwendigen Merkmale einer verdeckten Ermittlung im
Sinne des Gesetzes darstellen. Das BVE unterscheidet sich damit beispielsweise
von der früheren Regelung in der Strafprozessordnung des Kantons Zürich, wonach
Personen, die verdeckt ermitteln, unter einer Legende auftreten, die ihre wahre
Identität verändert (siehe § 106c aStPO/ZH), sowie von der Regelung in der
deutschen Strafprozessordnung, wonach verdeckte Ermittler Beamte des
Polizeidienstes sind, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten,
veränderten Identität (Legende) ermitteln (§ 110a Abs. 2 StPO/D). Die
Straflosigkeit des verdeckten Ermittlers im Besonderen betrifft zudem lediglich
allfällige Betäubungsmitteldelikte im Sinne von Art. 19 sowie Art. 20-22 BetmG
(vgl. Art. 16 BVE; ebenso Art. 294 StPO/CH), mithin nicht auch andere
Straftaten,
BGE 134 IV 266 S. 275
welche der Ermittler im Rahmen der verdeckten Ermittlung begeht. Hinzu kommt,
dass Art. 4 Abs. 2 BVE zahlreiche Katalogtaten auflistet, die, wie gerade auch
die Straftat der sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB),
typischerweise auch von Einzeltätern begangen werden und durch verdeckte
Ermittlungen in kurzen, relativ einfachen und ungefährlichen Einsätzen
aufgedeckt werden können, welche weder die Ausstattung des verdeckten
Ermittlers mit einer Legende noch eine Vertraulichkeitszusage oder andere
Massnahmen zum Schutz des verdeckten Ermittlers erfordern.

3.5.2 Die zeitliche Dauer des Einsatzes ist kein taugliches
Abgrenzungskriterium, da es einerseits ohnehin zu unbestimmt ist und
andererseits auch von der Art der aufzuklärenden Straftat sowie nicht zuletzt
von Zufälligkeiten abhängt, wie rasch durch die verdeckte Ermittlungstätigkeit
Erkenntnisse gewonnen werden. Zwar kann die richterliche Genehmigung sowohl im
Vorfeld eines Strafverfahrens als auch im Strafverfahren für (höchstens) ein
Jahr - mit Verlängerungsmöglichkeit - erteilt werden (siehe Art. 8 Abs. 3 und
Art. 18 Abs. 3 BVE). Dies bedeutet indessen bloss, dass auch langfristige
verdeckte Ermittlungen zulässig sind. Daraus folgt aber nicht, dass ein
Einsatz, der nur ganz kurz dauert, etwa weil er rasch zu Erkenntnissen führen
kann, keine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE ist.

3.5.3 Dem BVE lässt sich mithin nicht entnehmen, dass nur Einsätze von
Polizeiangehörigen, die mit einer Legende ausgestattet sind, und/oder nur
längere Einsätze als verdeckte Ermittlungen im Sinne des Gesetzes anzusehen
sind und kurze Einsätze von Ermittlern ohne Legende nicht unter dessen
Anwendungsbereich fallen.

3.6

3.6.1 Verdeckte Ermittlung ist das Anknüpfen von Kontakten durch
Polizeiangehörige zu verdächtigen Personen, die darauf abzielen, die Begehung
einer strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei die
Polizeiangehörigen nicht als solche erkennbar sind (ähnlich die Botschaft, BBl
1998 S. 4283). Von der Observation unterscheidet sich die verdeckte Ermittlung
dadurch, dass die Polizeiangehörigen die verdächtigen Personen nicht lediglich
gezielt zwecks Aufklärung von Straftaten beobachten, sondern zu diesem Zweck
mit den verdächtigen Personen über irgendein Medium kommunizieren.

3.6.2 Die Lehre scheint überwiegend der Auffassung zu sein, dass nicht jede
verdeckte Ermittlung in diesem Sinne als verdeckte
BGE 134 IV 266 S. 276
Ermittlung im Sinne des BVE anzusehen ist. Eine verdeckte Ermittlung im Sinne
des BVE setzt nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum jedenfalls ein
gewisses Mass an Täuschungs- und/oder Handlungs- und Eingriffsintensität
voraus. Wenn dieses gewisse Mass nicht erreicht ist, liegt nach dieser
Auffassung keine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE vor und bestimmt sich
die Zulässigkeit der verdeckten Ermittlungstätigkeit nach dem kantonalen
Strafprozessrecht. Auch die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz gehen im
vorliegenden Verfahren insoweit übereinstimmend davon aus, dass eine verdeckte
Ermittlung im Sinne des BVE nur vorliegt, wenn das Verhalten der
Polizeiangehörigen eine gewisse Täuschungs-, Handlungs- und Eingriffsintensität
erreicht. Nach der Meinung der Vorinstanz ist diese im konkreten Fall im
Verlauf des Chats vom 17. August 2005 in einem gewissen Zeitpunkt erreicht
worden, was die Beschwerdeführerin bestreitet.

3.6.3 Das Kriterium der gewissen Täuschungs- und/oder Handlungs- und
Eingriffsintensität ist indessen äusserst vage. Der Anwendungsbereich des BVE
muss sich aber nach klaren, einfachen Kriterien bestimmen lassen. Es darf nicht
von ungewissen Kriterien abhängen, ob eine verdeckte Ermittlungstätigkeit im
konkreten Einzelfall unter den Anwendungsbereich des BVE oder aber unter den
Anwendungsbereich der kantonalen Strafprozessordnungen fällt, welche im Übrigen
zurzeit - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ohnehin nicht die besonderen
Vorschriften enthalten, die zur Regelung der verdeckten Ermittlung wegen der
darin in jedem Fall liegenden Täuschung eines Verdächtigen erforderlich wären.

3.6.4 Den Bestimmungen des BVE lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte
für die Auffassung entnehmen, dass eine verdeckte Ermittlung nur als verdeckte
Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren ist, wenn sie ein gewisses Mass an
Täuschungs- und/oder Handlungs- und Eingriffsintensität aufweist. Welche
Vorkehrungen für eine erfolgreiche Täuschung der Zielperson über die wahre
Identität des ermittelnden Polizeiangehörigen erforderlich sind, hängt
wesentlich von den gesamten Umständen ab, wozu auch etwa die Person des
Verdächtigen, die Art der aufzuklärenden Straftat und nicht zuletzt das Medium
gehört, über welches mit der Zielperson kommuniziert wird. Massgebend ist
insoweit unter der gebotenen Berücksichtigung des Schutzzwecks der Bestimmungen
des BVE nicht der betriebene Täuschungsaufwand, sondern der Umstand, dass der
Verdächtige überhaupt getäuscht wird, weil der mit ihm
BGE 134 IV 266 S. 277
zu Ermittlungszwecken kommunizierende Polizeiangehörige nicht als solcher
erkennbar ist. Allein schon wegen dieser Täuschung bedarf die verdeckte
Ermittlung in jedem Fall einer besonderen gesetzlichen Regelung, ganz
unabhängig davon, welche Eingriffsintensität die verdeckte Ermittlung im
konkreten Einzelfall aufweist.

3.7 Aus diesen Gründen ist mangels einer klaren, abweichenden Regelung im BVE
im Zweifelsfall davon auszugehen, dass jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer
verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen
erkennbaren Polizeiangehörigen eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE ist
und unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt. Damit liegt einerseits
im BVE die für das Anknüpfen von solchen Kontakten ungeachtet des dabei
betriebenen Täuschungsaufwandes in jedem Fall erforderliche besondere
gesetzliche Regelung vor und ist andererseits ein solches Anknüpfen von
Kontakten, unabhängig von der Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität des
polizeilichen Vorgehens, nur unter den im BVE genannten Voraussetzungen
zulässig. Sollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des BVE -
beziehungsweise der Bestimmungen der künftigen schweizerischen
Strafprozessordnung betreffend die verdeckte Ermittlung (Art. 286 ff. StPO/CH)
- auf verdeckte Ermittlungen beschränken wollen, die eine gewisse Täuschungs-
und/oder Eingriffsintensität aufweisen, hätte er dies durch entsprechende
Vorschriften zum Ausdruck zu bringen, aus welchen sich ein diesbezüglich
eingeschränkter Anwendungsbereich klar ergibt. In diesem Fall wäre allerdings
im Gesetz - zurzeit in den kantonalen Strafprozessordnungen, künftig in der
schweizerischen Strafprozessordnung - auch zu regeln, unter welchen
Voraussetzungen und Umständen verdeckte Ermittlungen, welche das umschriebene
Mass an Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität nicht erreichen, zulässig
sind; denn wegen der jeder verdeckten Ermittlung durch Anknüpfen von Kontakten
innewohnenden Täuschung reichen insoweit die allgemeinen Vorschriften über die
polizeiliche Ermittlungstätigkeit nicht aus.

3.8

3.8.1 Der Chat im Internet ist ein Medium der besonderen Art. Die Verwendung
von Pseudonymen ist üblich, und offenbar kommt es häufig vor, dass die
beteiligten Personen im Chat unwahre Angaben über sich, ihre Vorstellungen und
ihre Absichten machen. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in der
Kommunikation im Chat eine Täuschung gar nicht möglich ist, weil hier mit
BGE 134 IV 266 S. 278
allem gerechnet werden muss, auch etwa damit, dass der Chatpartner ein
ermittelnder Polizeiangehöriger sein könnte, und dass die polizeiliche
Beteiligung in einem für Kinder und Jugendliche reservierten Chatroom daher
mangels jeglichen Erklärungswerts der darin gemachten Angaben keine Täuschung
ist und aus diesem Grunde überhaupt keine verdeckte Ermittlung sein kann. Die
polizeilichen Aktionen der vorliegenden Art zielen offensichtlich darauf ab zu
ermitteln, ob der (vermeintlich) erwachsene Chatpartner gewillt und bereit ist,
sich zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit einem (vermeintlichen) Kind
im realen Leben zu treffen (siehe dazu nachfolgend E. 3.9). Die Aktionen machen
daher nur Sinn, wenn davon ausgegangen wird, dass die Zielperson sich durch die
Angaben im Chat tatsächlich täuschen lässt und deshalb annimmt, sie habe es mit
einem Kind zu tun. Die verdeckte polizeiliche Teilnahme an der Kommunikation im
Chat ist demnach als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren.
Dies gilt unabhängig davon, ob dabei etwa - wie im vorliegenden Fall - noch
Telefonnummern und E-Mail-Adressen ausgetauscht werden, über welche
beispielsweise eine Verschiebung des vereinbarten Treffens mitgeteilt werden
könnte.

3.8.2 Anders verhält es sich hingegen, wenn die Polizeiangehörigen nicht selbst
an der Kommunikation im Chat teilnehmen, sondern eine Kommunikation im Chat
zwischen Dritten lediglich mitverfolgen. Ein solches Verhalten stellt keine
verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE dar. Es ist vielmehr dem "Patrouillieren"
von Polizeiangehörigen in Zivil vergleichbar und, soweit die Beobachtung
gezielt auf bestimmte Teilnehmer im Chat konzentriert wird, allenfalls als
Observation zu qualifizieren.

3.9 In den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms im
Internet tummeln sich erfahrungsgemäss auch pädosexuell veranlagte Personen,
welche im Chat Kinder mit schriftlichen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen
sexuellen Inhalts konfrontieren und unter Umständen, darüber hinausgehend, ein
Treffen im realen Leben anstreben, um mit dem Kind sexuelle Handlungen
vorzunehmen. Polizeiliche Ermittlungen in solchen Chatrooms scheinen daher dazu
geeignet zu sein, pädosexuelle Personen aufzuspüren, die möglicherweise
einschlägige strafbare Handlungen verübt haben oder in der Zukunft begehen
könnten. Die polizeiliche Tätigkeit kann sich darauf beschränken, die
Kommunikation im Chat zwischen Drittpersonen lediglich mitzuverfolgen. Dies ist
keine
BGE 134 IV 266 S. 279
verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE, sondern höchstens eine Observation. Die
polizeiliche Tätigkeit kann aber auch darüber hinausgehen, indem
Polizeiangehörige sich an der Kommunikation im Chat beteiligen und dabei den
unzutreffenden Eindruck erwecken, dass sie weniger als 16 Jahre alt und somit
Kinder, seien es Knaben oder Mädchen, sind. Der Zweck dieser verdeckten
polizeilichen Beteiligung an einer Kommunikation im Chat scheint zur Hauptsache
darin zu bestehen, dass nach einer schriftlichen Kommunikation auch mit
sexuellen Inhalten, die in der Regel einseitig vorwiegend vom Chatpartner
geführt wird, ein konkretes Treffen im realen Leben vereinbart wird. Erscheint
der Chatpartner zum vereinbarten Treffen, begegnet er nicht wie erwartet einem
Kind, sondern erwachsenen Personen, die sich sogleich als Polizeiangehörige zu
erkennen geben. Gegen den nunmehr identifizierten Chatpartner wird eine
Strafuntersuchung wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen
Handlungen mit Kindern eröffnet, angeblich begangen dadurch, dass er mit dem
Vorsatz der Vornahme von sexuellen Handlungen am vereinbarten Treffen mit dem
vermeintlichen Kind erschien (siehe dazu BGE 131 IV 100). Im Rahmen dieser
Strafuntersuchung wird unter anderem eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei
welcher unter Umständen kinderpornografische Bildaufnahmen sichergestellt
werden, welche die verdächtige Person entweder erworben (Art. 197 Ziff. 3^bis
StGB) oder selber hergestellt (Art. 197 Ziff. 3 StGB) hat, und können
allenfalls auch Erkenntnisse gewonnen werden, die auf sexuelle Handlungen mit
Kindern in der Vergangenheit hinweisen. Dergestalt verlief das Prozedere im
vorliegenden Fall und auch schon in anderen Fällen (siehe dazu etwa ZR 104/2005
Nr. 68 [Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Juli 2005]
und ZR 106/2007 Nr. 49 [Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom
27. Dezember 2006]; ferner den BGE 131 IV 100 zugrunde liegenden Fall).

4.

4.1

4.1.1 Gemäss Art. 4 Abs. 1 BVE kann eine verdeckte Ermittlung angeordnet
werden, wenn (a) bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, besonders schwere
Straftaten seien begangen worden oder sollen voraussichtlich begangen werden
und (b) andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind, oder die
Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert
BGE 134 IV 266 S. 280
würden. Eine verdeckte Ermittlung kann mithin nach dem geltenden Recht schon
angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen der Verdacht besteht,
dass voraussichtlich besonders schwere Straftaten begangen werden sollen. Die
verdeckte Ermittlung dient auch in diesem Fall - der im Übrigen in der
künftigen schweizerischen Strafprozessordnung nicht mehr als Grund für eine
verdeckte Ermittlung vorgesehen ist (siehe Art. 286 Abs. 1 StPO/CH) - nicht
etwa der Verhinderung der voraussichtlichen Straftat, sondern deren Aufklärung
für den Fall, dass sie begangen wird. Dies ergibt sich auch aus Art. 1 BVE,
wonach dieses Gesetz bezweckt, besonders schwere Straftaten aufzuklären, sowie
aus Art. 2 BVE, wonach dieses Gesetz für Strafverfahren des Bundes und der
Kantone gilt. Verdeckte polizeiliche Operationen zur Verhinderung von
Straftaten fallen unter den Regelungsbereich der Polizeigesetzgebung.

4.1.2. Im vorliegenden Fall ging es im Wesentlichen nicht um die Aufklärung von
möglicherweise bereits begangenen strafbaren Handlungen, sondern um die
Aufklärung von Straftaten, die voraussichtlich begangen werden sollten. Diese
Straftaten sollten nicht verhindert, sondern ermittelt werden. Es ging im
Wesentlichen darum abzuklären, ob eine Person, die ausweislich ihrer
schriftlichen Äusserungen im Chat allenfalls pädosexuelle Neigungen hat,
gewillt und bereit war, im realen Leben sexuelle Handlungen mit Kindern
vorzunehmen und zu diesem Zweck ein Treffen mit dem (vermeintlichen) Kind zu
vereinbaren.

4.2

4.2.1 Das BVE kennt - im Unterschied zur künftigen schweizerischen
Strafprozessordnung (siehe Art. 286 Abs. 1 StPO/CH), dazu die Botschaft zur
schweizerischen Strafprozessordnung (BBl 2006 S. 1085 ff., 1255) - zwei Phasen
der verdeckten Ermittlung, nämlich die Ermittlung in einer Vorbereitungsphase
im Vorfeld eines Strafverfahrens und die Ermittlung im Strafverfahren
(Botschaft, BBl 1998 S. 4284). Die Zweiphasigkeit kommt allerdings in der
Systematik des Gesetzes nicht klar zum Ausdruck. Das Gesetz regelt im 2.
Abschnitt, Art. 14 ff., ausdrücklich den "Einsatz in Strafverfahren".
Demgegenüber ergibt sich die Möglichkeit des Einsatzes bereits im Vorfeld eines
Strafverfahrens lediglich implizit aus dem 1. Abschnitt des Gesetzes
("Allgemeine Bestimmungen"). Aufgrund dieser etwas verwirrenden
Gesetzessystematik ist nicht ohne weiteres klar, welche Vorschriften für welche
Phase gelten (siehe THOMAS HANSJAKOB, a.a.O., S. 103, 105).
BGE 134 IV 266 S. 281
Gemäss Art. 5 BVE ("Ernennung") kann der Kommandant eines Polizeikorps mit
gerichtspolizeilichen Aufgaben eine Person mit deren Zustimmung zum Ermittler
ernennen, wenn strafbare Handlungen nach Art. 4 abzuklären sind. Zu Ermittlern
können nach Art. 5 Abs. 2 BVE Angehörige des Polizeikorps (lit. a) sowie
Personen, welche vorübergehend für eine polizeiliche Aufgabe angestellt werden
(lit. b), ernannt werden. Zu Führungspersonen werden gemäss Art. 5 Abs. 3 BVE
Angehörige des Polizeikorps ernannt. Für die Ernennung von Ermittlern ist eine
richterliche Genehmigung notwendig (Art. 7 Abs. 1 BVE). Bei strafbaren
Handlungen, die von den kantonalen Behörden abzuklären sind, ist zur
Genehmigung die vom Kanton bezeichnete richterliche Genehmigungsbehörde
zuständig (siehe Art. 8 Abs. 1 lit. b BVE).
Nach Art. 14 lit. b BVE können die zuständigen kantonalen
Strafuntersuchungsbehörden den Einsatz von Ermittlern in einem Strafverfahren
anordnen. Gemäss Art. 17 Abs. 1 BVE ist für den Einsatz von Ermittlern in einem
Strafverfahren eine Genehmigung durch eine Behörde nach Artikel 8 Abs. 1
notwendig, mithin etwa durch eine vom Kanton bezeichnete richterliche
Genehmigungsbehörde. Gemäss Art. 18 BVE reicht die anordnende Behörde innert 48
Stunden nach Anordnung des Einsatzes der Genehmigungsbehörde die
Anordnungsverfügung sowie die Begründung und die für die Genehmigung
wesentlichen Verfahrensakten ein (Abs. 1). Die Genehmigungsbehörde entscheidet
mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung (Abs. 2 Satz 1).
Wird der Einsatz nicht genehmigt oder wurde keine Genehmigung eingeholt, so
muss die anordnende Behörde den Einsatz beenden und die betreffenden
Aufzeichnungen sofort aus den Verfahrensakten aussondern. Durch die verdeckte
Ermittlung gewonnene Erkenntnisse dürfen weder für weitere Ermittlungen noch
zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden.
Aus dieser etwas unübersichtlichen und umständlichen gesetzlichen Regelung
ergibt sich Folgendes. Die zuständige Behörde ernennt einen Polizeiangehörigen
zum verdeckten Ermittler. Diese Ernennung bedarf der richterlichen Genehmigung.
Der als verdeckte Ermittlung zu qualifizierende Einsatz des dergestalt
vorschriftsgemäss ernannten verdeckten Ermittlers bedarf keiner richterlichen
Genehmigung, soweit der Einsatz im Vorfeld eines Strafverfahrens durchgeführt
wird. Hingegen bedarf der Einsatz des vorschriftsgemäss mit richterlicher
Genehmigung ernannten verdeckten Ermittlers in einem
BGE 134 IV 266 S. 282
Strafverfahren seinerseits wiederum einer richterlichen Genehmigung. Diese
richterliche Genehmigung des Einsatzes im Strafverfahren kann innert der im
Gesetz genannten Fristen auch noch nach der Anordnung beziehungsweise dem
Beginn des Einsatzes erteilt werden. Hingegen sieht das Gesetz eine
nachträgliche richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler
innert bestimmter Fristen nicht vor.

4.2.2 Im vorliegenden Fall wurden die Polizeibeamten, die sich am Chat vom 17.
August 2005 im Vorfeld eines allfälligen Strafverfahrens beteiligten, allem
Anschein nach nicht gemäss Art. 5 BVE zu verdeckten Ermittlern ernannt.
Jedenfalls fehlt es an der gemäss Art. 7 BVE für die Ernennung notwendigen
richterlichen Genehmigung.

4.3

4.3.1 Bestimmte Tatsachen, welche den Verdacht einer voraussichtlichen Straftat
begründen, waren im vorliegenden Fall ohne Zweifel gegeben, als im Rahmen der
Kommunikation im Chat zwischen dem verdeckt ermittelnden Polizeiangehörigen und
dem Beschwerdegegner erkennbar wurde, dass Letzterer an einem Treffen im realen
Leben zum Zwecke der Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem vermeintlich
13-jährigen Mädchen gewillt und bereit war. Sexuelle Handlungen von erwachsenen
Personen mit Kindern, auch mit 13-jährigen Mädchen, sind in der Regel als
besonders schwere Straftaten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a BVE anzusehen,
d.h. als Katalogtaten, deren Schwere eine verdeckte Ermittlung rechtfertigt.

4.3.2 Allerdings kommt es im Rahmen der Kommunikation namentlich in den
speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms häufig sehr rasch,
wenige Minuten nach dem Beginn des Chats zu Äusserungen seitens einer
(vermeintlich) erwachsenen Person, die erkennen lassen, dass diese zu einem
Treffen im realen Leben zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem
(vermeintlichen) Kind gewillt und bereit ist. In Anbetracht dessen erscheint es
als zu formalistisch, die Anordnungsvoraussetzung im Sinne von Art. 4 Abs. 1
lit. a BVE erst in dem Augenblick als erfüllt anzusehen, in welchem derartige
Äusserungen tatsächlich getan werden, zumal sich in diesem Fall praktische
Schwierigkeiten für das Prozedere betreffend die Anordnung der verdeckten
Ermittlung (Art. 4 BVE), die Ernennung des verdeckten Ermittlers (Art. 5 BVE)
sowie die richterliche Genehmigung der Ernennung (Art. 7
BGE 134 IV 266 S. 283
BVE) und das Genehmigungsverfahren (Art. 8 BVE) ergeben können. Vielmehr reicht
die Erfahrungstatsache, dass in den speziell für Kinder und Jugendliche
eingerichteten Chatrooms Erwachsene mit pädosexuellen Neigungen häufig sehr
rasch nach dem Beginn des Chats ihr Interesse an einem Treffen im realen Leben
zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen erkennen lassen, als Voraussetzung für
die Anordnung einer verdeckten Ermittlung gemäss Art. 4 BVE im Vorfeld eines
Strafverfahrens aus. Diese Erfahrungstatsache ist mithin mit Rücksicht auf die
in solchen Chatrooms herrschenden Zustände im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a
BVE eine bestimmte Tatsache, welche den Verdacht begründet, dass
voraussichtlich besonders schwere Straftaten begangen werden sollen.

4.3.3 Eine verdeckte Ermittlung durch Anknüpfen von Kontakten mit einer anderen
Person im Rahmen der Kommunikation im Chat kann demnach schon vor dem Beginn
eines konkreten Chats angeordnet werden, in welchem die Polizeiangehörigen beim
Chatpartner den falschen Eindruck erwecken, dass sie Kinder und an sexuellen
Handlungen mit dem Chatpartner nicht uninteressiert seien.

4.4 Bei der verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens bedarf, wie
dargelegt (siehe E. 4.2.1 hievor), allein die Ernennung des Ermittlers der
richterlichen Genehmigung (siehe dazu Art. 7 BVE). Der Einsatz des mit
richterlicher Genehmigung ernannten verdeckten Ermittlers im Vorfeld eines
Strafverfahrens bedarf - im Unterschied zum Einsatz des verdeckten Ermittlers
in einem Strafverfahren (siehe dazu Art. 17 BVE) - nicht der richterlichen
Genehmigung. Während der Einsatz des verdeckten Ermittlers im Strafverfahren
noch innert bestimmter Frist nach dessen Anordnung und Beginn richterlich
genehmigt werden kann (vgl. Art. 18 BVE), sieht das Gesetz eine nachträgliche
richterliche Genehmigung der Ernennung des verdeckten Ermittlers nicht vor.
Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers ein Polizeiangehöriger einen Einsatz in Form einer verdeckten
Ermittlung im Sinne des BVE sowohl im Vorfeld eines Strafverfahrens als auch in
einem Strafverfahren selbstverständlich erst durchführen darf, nachdem er
gemäss Art. 5 BVE zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung gemäss
Art. 7 f. BVE - zumindest vorläufig oder unter Auflagen (siehe Art. 8 Abs. 2
Satz 2 BVE) - vom Richter genehmigt worden ist. Die richterliche Genehmigung
der Ernennung zum verdeckten Ermittler ist notwendig (Art. 7 Abs. 1 BVE).
Solange die Ernennung nicht
BGE 134 IV 266 S. 284
richterlich genehmigt worden ist, ist der Polizeiangehörige nicht rechtsgültig
zum verdeckten Ermittler bestellt und darf er daher keinen Einsatz in der Form
einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE durchführen. Es kann nicht in
Betracht kommen, dass Polizeiangehörige verdeckt ermitteln und erst
nachträglich, nach dem Beginn eines solchen Einsatzes - unter Umständen gar
nach Massgabe der dabei bereits gewonnenen nützlichen Erkenntnisse -
rechtsgültig mit richterlicher Genehmigung zu verdeckten Ermittlern ernannt
werden. Für eine solche nachträgliche Ernennung beziehungsweise richterliche
Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler besteht auch kein Bedürfnis,
da ein Polizeiangehöriger, solange er nicht zum verdeckten Ermittler ernannt
und diese Ernennung nicht richterlich genehmigt worden ist, gar nicht verdeckt
ermitteln darf und daher auch nicht in eine Lage kommen sollte, in welcher er
unverhofft und unerwartet einen Einsatz in der Form einer verdeckten Ermittlung
im Sinne des BVE leisten muss.

4.5 Soweit die kantonalen Behörden die verdeckte polizeiliche Beteiligung an
der Kommunikation im Chat als sinnvoll und zweckmässig erachten, ist dabei im
Grundsatz wie folgt zu verfahren.
Die zuständige Behörde ernennt bestimmte Polizeiangehörige zu verdeckten
Ermittlern zwecks Abklärung von gewissen strafbaren Handlungen. Die Ernennung
wird von der zuständigen richterlichen Behörde genehmigt. Nach der
richterlichen Genehmigung, die unter Umständen vorläufig oder unter Auflagen
erteilt wird, kann der verdeckte Ermittler im Vorfeld eines Strafverfahrens
nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen und im Rahmen der Ernennungs-
beziehungsweise Genehmigungsverfügung an der Kommunikation im Chat teilnehmen.
Dabei ist namentlich darauf zu achten, dass das Mass der unzulässigen
Einwirkung (Art. 10 BVE) nicht überschritten wird.

4.6.

4.6.1 Die polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation im Chat hatte im
vorliegenden Fall - wie auch in anderen Fällen - offenbar im Wesentlichen den
Zweck abzuklären, ob der Chatpartner, der ausweislich seiner schriftlichen
Äusserungen im Chat als eine erwachsene Person mit pädosexuellen Neigungen
erschien, gewillt und bereit war, mit dem vermeintlichen Kind im realen Leben
sexuelle Handlungen vorzunehmen und zu diesem Zweck ein Treffen zu vereinbaren.
Es ging mithin um die Aufklärung einer Straftat, die voraussichtlich begangen
werden sollte (siehe E. 3.9 hiervor).
BGE 134 IV 266 S. 285

4.6.2 Die kantonalen Behörden gehen offenbar unter anderem aufgrund von BGE 131
IV 100 davon aus, dass der Chatpartner, der zwecks Vornahme von sexuellen
Handlungen mit dem (vermeintlichen) Kind am vereinbarten Treffen erscheint,
sich dadurch des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern
schuldig macht, beziehungsweise dass zumindest ein hinreichender
diesbezüglicher Verdacht besteht, welcher die Eröffnung eines Strafverfahrens
erlaubt. Das Bundesgericht hat in der Tat in BGE 131 IV 100 E. 8 das Erscheinen
des Chatpartners am vereinbarten Treffen unter den gegebenen konkreten
Umständen mit der Vorinstanz als (untauglichen) Versuch der sexuellen
Handlungen mit Kindern qualifiziert (kritisch PETER ALBRECHT, AJP 2005 S. 751
ff.). Aus BGE 131 IV 100 lässt sich indessen nicht ableiten, dass das
Erscheinen des Chatpartners am vereinbarten Treffen mit dem (vermeintlichen)
Kind in jedem Fall und ohne weiteres schon als (untauglicher) Versuch der
sexuellen Handlungen mit Kindern qualifiziert werden kann. Vielmehr sind
insoweit, wie sich aus dem Bundesgerichtsentscheid (E. 8.2) ergibt, die
gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles massgebend.

4.7

4.7.1 Im Rahmen des Chats mit dem verdeckten Ermittler machte der
Beschwerdegegner verschiedene schriftliche Äusserungen mit sexuellen Bezügen.
Diese Äusserungen werden zwar in der Anklageschrift aufgeführt, doch geschah
dies offenbar lediglich zur Begründung des Vorsatzes des Beschwerdegegners zur
Vornahme von sexuellen Handlungen mit einem Kind im realen Leben. Wegen der
fraglichen Äusserungen ist gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid
allem Anschein nach keine Anklage erhoben worden. Dies unterblieb
möglicherweise deshalb, weil es der Anklagebehörde als höchst zweifelhaft
erschien, dass die lediglich schriftlichen Äusserungen des Beschwerdegegners im
Chat - über eine allfällige Qualifizierung als (bloss auf Antrag strafbare)
sexuelle Belästigung (Art. 198 StGB) hinausgehend - als sexuelle Handlungen mit
Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB) - begangen etwa durch Verleiten eines Kindes zu
einer sexuellen Handlung beziehungsweise durch Einbeziehen eines Kindes in eine
sexuelle Handlung - oder als pornografische Vorführungen (Art. 197 StGB)
qualifiziert werden könnten.

4.7.2 Der Beschwerdegegner äusserte im Chat mit dem verdeckten Ermittler
ausserdem, er habe bereits einmal Sex mit einem
BGE 134 IV 266 S. 286
13-jährigen Mädchen gehabt. Die zuständigen Behörden haben diese Äusserung
nicht zum Anlass genommen, eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der
sexuellen Handlungen mit Kindern zu eröffnen. Dies unterblieb offenbar auch
deshalb, weil die Aussage des Beschwerdegegners anlässlich seiner Einvernahme,
es habe sich bei der fraglichen Äusserung im Chat um eine unwahre Behauptung
gehandelt, die seiner Phantasie entsprungen sei, nicht widerlegbar war.

4.7.3 Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber immerhin
auf Folgendes hinzuweisen. Der Beschwerdegegner machte die fraglichen
Äusserungen mit sexuellen Bezügen sowie seine Äusserung betreffend sexuelle
Handlungen mit Kindern in der Vergangenheit im Rahmen der Kommunikation im Chat
mit dem verdeckten Ermittler. Die diesbezüglichen Erkenntnisse, die allenfalls
auf strafbare Handlungen hinweisen, sind somit durch eine verdeckte Ermittlung
im Sinne des BVE gewonnen worden. Sie wären daher, falls insoweit Anklage
erhoben worden wäre, nur unter den im BVE genannten Voraussetzungen verwertbar.

5.

5.1 Eine allfällige Ernennung der am Chat beteiligten Polizeiangehörigen zu
verdeckten Ermittlern ist jedenfalls nicht - wenigstens vorläufig oder unter
Vorbehalten - gemäss Art. 7 f. BVE richterlich genehmigt worden. Dieses
Prozedere ist im Übrigen auch nicht nachträglich durchgeführt worden, was
allerdings ohnehin nicht genügen würde. Zu prüfen ist somit, welche
Konsequenzen sich daraus ergeben. Es stellt sich mithin die Frage, ob daraus
ein Beweisverwertungsverbot resultiert und wie weit dieses wirkt.

5.2 Gemäss Art. 18 Abs. 5 BVE dürfen die durch die verdeckte Ermittlung
gewonnenen Erkenntnisse weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer
beschuldigten Person verwendet werden, wenn der Einsatz nicht genehmigt oder
keine Genehmigung eingeholt wurde. Diese Bestimmung bezieht sich angesichts
ihrer Stellung im Gesetz auf den Einsatz des verdeckten Ermittlers in einem
Strafverfahren (Art. 14 ff. BVE) und somit auf die gemäss Art. 17 BVE für
diesen Einsatz notwendige richterliche Genehmigung. Welche Folgen sich
hinsichtlich der Verwertbarkeit von Erkenntnissen bei Einsätzen im Vorfeld
eines Strafverfahrens ergeben, wenn es an der insoweit allein notwendigen
richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler (Art. 7 BVE)
fehlt, ist im
BGE 134 IV 266 S. 287
Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Daraus folgt indessen entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass die aus einer verdeckten
Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens gewonnenen Erkenntnisse auch bei
Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten
Ermittler im Sinne von Art. 7 BVE ohne weiteres oder jedenfalls dann verwertet
werden dürfen, wenn die Abwägung der auf dem Spiel stehenden öffentlichen und
privaten Interessen dies rechtfertigt. Das Fehlen einer Art. 18 Abs. 5 BVE
entsprechenden Regelung betreffend das Beweisverwertungsverbot in Art. 8 BVE
beruht nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers (so aber HAENNI, a.a.O., S.
250/251). Vielmehr ist es damit zu erklären, dass der Gesetzgeber als
selbstverständlich voraussetzt, dass als verdeckte Ermittlungen zu
qualifizierende Einsätze im Vorfeld eines Strafverfahrens, die als solche
keiner richterlichen Genehmigung bedürfen, erst beginnen, nachdem der
ermittelnde Polizeiangehörige vorschriftsgemäss zum verdeckten Ermittler
ernannt (Art. 5 BVE) und die für diese Ernennung notwendige richterliche
Genehmigung (Art. 7 BVE) im hiefür vorgesehenen Genehmigungsverfahren (Art. 8
BVE) erteilt worden ist. Wenn das Fehlen der notwendigen richterlichen
Genehmigung eines Einsatzes im Strafverfahren im Sinne von Art. 17 BVE gemäss
Art. 18 Abs. 5 BVE zu einem Beweisverwertungsverbot führt, dann muss a fortiori
auch das Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum
verdeckten Ermittler im Sinne von Art. 7 BVE diese Konsequenz haben.
Die Erkenntnisse, die ein Polizeiangehöriger durch einen als verdeckte
Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizierenden Einsatz gewinnt, sind somit nur
verwertbar, wenn der Polizeiangehörige vorgängig seines Einsatzes zum
verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung vorgängig des Einsatzes
richterlich genehmigt worden ist. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt
sind, sind die gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar.

5.3

5.3.1 Durch die als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizierende
Teilnahme der Polizeiangehörigen am Chat mit dem Beschwerdegegner wurde die
Erkenntnis gewonnen, dass der Beschwerdegegner gewillt und bereit war, bei
einer sich bietenden Gelegenheit mit einem 13-jährigen Mädchen sexuelle
Handlungen vorzunehmen. Diese Erkenntnis ist mangels einer richterlichen
Genehmigung der allfälligen Ernennung der Polizeiangehörigen zu
BGE 134 IV 266 S. 288
verdeckten Ermittlern nicht verwertbar. Daher kann der Beschwerdegegner nicht
wegen (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind,
angeblich begangen dadurch, dass er zum vereinbarten Treffen mit dem
vermeintlichen Kind erschien, bestraft werden.

5.3.2 Die durch die verdeckte Ermittlung gewonnene Erkenntnis, dass der
Beschwerdegegner zu sexuellen Handlungen mit einem 13-jährigen Mädchen gewillt
und bereit war, durfte auch nicht für weitere Ermittlungen verwendet werden.
Somit war die Hausdurchsuchung unzulässig, da sie nur möglich war, weil der
Beschwerdegegner zum vereinbarten Treffen erschien, was aus der Sicht der
zuständigen Behörde den Verdacht des (untauglichen) Versuchs der sexuellen
Handlungen mit einem Kind begründete und die Eröffnung einer Strafuntersuchung
ermöglichte. Die bei der Hausdurchsuchung gewonnenen Erkenntnisse sind deshalb
nicht verwertbar. Daher darf der Beschwerdegegner nicht wegen der bei der
Hausdurchsuchung sichergestellten Kinderpornografie gemäss Art. 197 Ziff. 3^bis
StGB bestraft werden.