Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 II 272



Urteilskopf

134 II 272

33. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Bundesamt für Landwirtschaft gegen A.X. und B.X. sowie
Milchverwertungsgenossenschaft R. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
2C_234/2008 vom 28. Juli 2008

Regeste

Art. 8 Abs. 1 BV, Art. 86 Abs. 1 BGG, Art. 53 LMG, Art. 33 VGG, Art. 14, 16 und
166 Abs. 2 LwG, GUB/GGA-Verordnung; Massnahmen zur Einhaltung des
Pflichtenheftes für die Benutzung der Bezeichnung "Gruyère" als geschützte
Ursprungsbezeichnung. Zulässiges Rechtsmittel an das Bundesgericht (E. 1).
Grundsätze des Rechts der geschützten Ursprungsbezeichnung und eines
entsprechenden Pflichtenheftes (E. 2). Vorfrageweise Überprüfbarkeit des
Pflichtenheftes auf Verfassungs- und Gesetzmässigkeit (E. 3).
Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung und Anwendung einer
Ausnahmebestimmung, namentlich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit (E.
4). Tragweite der Zertifizierungspflicht bzw. einer entsprechenden konkreten
Anordnung zur Umsetzung derselben (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 273

BGE 134 II 272 S. 273
Auf Gesuch der Interprofession du Gruyère trug das Bundesamt für Landwirtschaft
mit Verfügung vom 6. Juli 2001 die Bezeichnung "Gruyère" als geschützte
Ursprungsbezeichnung im Register gemäss Art. 13 der Verordnung vom 28. Mai 1997
über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben für
landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche
Erzeugnisse (GUB/GGA-Verordnung; SR 910.12) ein. Die Interkantonale
Zertifizierungsstelle (Organisme intercantonal de certification, OIC) erteilte
A.X. und B.X., welche Inhaber der Käserei R. sind, am 2. Mai 2002 das
Zulassungszertifikat für Gruyère, befristet bis zum 30. April 2004. Dies hatte
unter anderem zur Folge, dass die Interprofession du Gruyère ihnen, unter
Aufsicht der Zertifizierungsstelle, Kaseinmarken als Identitätsmarken abgab,
die auf den zertifizierten Käsen angebracht werden.
A.X. und B.X. sowie die Milchverwertungsgenossenschaft R. stellten am 16. Juli
2004 beim Kantonalen Laboratorium Bern den Antrag, es sei festzustellen, dass
sie für den in der Käserei R. aus den täglich einmal eingelieferten Milchen
hergestellten Gruyèrekäse die Bezeichnung "Gruyère AOC" oder "Gruyère" bzw.
"Greyerzer" verwenden dürfen. Das Kantonale Laboratorium verfügte am 7.
Dezember 2004, dass die Käserei bis Ende Juli 2005 im Besitz des Zertifikats
der zuständigen Zertifizierungsstelle zur Verwendung der eingetragenen
Ursprungsbezeichnung sein müsse und dass ab Ende Juli 2005 nur noch Gruyère
abgegeben werden dürfe, der die Voraussetzungen von Art. 18 und 40 des
Pflichtenheftes für Greyerzerherstellung erfülle. Unter anderem ist dafür
vorgeschrieben, dass die verwendete Milch zweimal pro Tag eingeliefert wird
unter Vorbehalt des einmaligen Milchbezugs pro Tag bei Erfüllung bestimmter
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Voraussetzungen. Das Kantonale Laboratorium bestätigte seine Verfügung mit
Einspracheentscheid vom 4. Januar 2005. Am 24. November 2005 wies die
Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern eine gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat.
A.X. und B.X. sowie die Milchverwertungsgenossenschaft R. gelangten am 27.
Dezember 2005 mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
Mit Verfügung vom 30. März 2006 hiess der Instruktionsrichter der
verwaltungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts das Gesuch um
vorsorgliche Massnahmen gut und verpflichtete die Interprofession du Gruyère,
für die Dauer des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht weiterhin
Identitätsmarken (Kaseinmarken) an A.X. und B.X. abzugeben. Mit Urteil vom 10.
Juli 2006 wies das Bundesgericht eine von der Interprofession du Gruyère
erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren
2A.223/2006). Im Übrigen verzichtete die Interprofession du Gruyère auf eine
Beteiligung am Beschwerdeverfahren in der Sache selbst.
Mit Zwischenentscheid vom 3. Juli 2007 bezeichnete das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern den bei ihm hängigen Rechtsstreit als solchen von vorab
lebensmittelrechtlicher Natur und bejahte gestützt darauf seine Zuständigkeit.
Dieser Entscheid blieb unangefochten. Am 20. November 2007 fällte das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern in der Sache im Wesentlichen das folgende
Urteil:
"Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid der Gesundheits- und
Fürsorgedirektion des Kantons Bern vom 24. November 2005 wird aufgehoben. Es
wird festgestellt, dass die Mitglieder der Milchverwertungsgesellschaft R. ihre
Milch zwecks Produktion von Greyerzerkäse einmal täglich in die Käserei R.
einliefern dürfen. Es wird angeordnet, dass die Käserei R. bis drei Monate nach
Rechtskraft des vorliegenden Urteils im Besitz des Zertifikats der zuständigen
Zertifizierungsstelle zur Verwendung der eingetragenen Ursprungsbezeichnung
sein muss. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist."
Mit als Verwaltungsbeschwerde bezeichneter Eingabe vom 7. Januar 2008 an das
Bundesverwaltungsgericht beantragt das Bundesamt für Landwirtschaft, das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern in den wesentlichen Teilen aufzuheben;
gleichzeitig sei festzustellen, dass A.X. und B.X. die in der Käserei R.
hergestellten Käselaibe aus Milch, die einmal täglich geliefert wird, nicht als
Gruyère
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bezeichnen dürfen, solange dies nicht von der zuständigen Zertifizierungsstelle
erlaubt sei; überdies sei festzustellen, dass A.X. und B.X. die in der Käserei
R. hergestellten Käselaibe nicht als Gruyère bezeichnen dürfen, solange sie von
der zuständigen Zertifizierungsstelle nicht zertifiziert sei. In formeller
Hinsicht wird ersucht, den Meinungsaustausch mit dem Bundesgericht einzuleiten,
falls das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss gelangen sollte, das
Bundesgericht sei zuständig.
Mit Schreiben vom 13. März 2008 überwies das Bundesverwaltungsgericht die
Eingabe des Bundesamts für Landwirtschaft an das Bundesgericht bzw. eröffnete
mit diesem den Meinungsaustausch über die Zuständigkeit. Am 18. März 2008
teilte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts dem Bundesverwaltungsgericht mit, das Bundesgericht werde
gestützt auf die erfolgte Überweisung der Angelegenheit ein förmliches
Beschwerdeverfahren eröffnen.
A.X. und B.X. sowie die Käserei R. stellen Antrag, auf die als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu behandelnde Eingabe sei nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
könne.
Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern hat auf eine
Vernehmlassung verzichtet. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern schliesst
auf Nichteintreten auf die Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde
ab aus den folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

1.

1.1 Das Bundesgericht überprüft von Amtes wegen und mit freier Kognition die
Zulässigkeit der ihm unterbreiteten Beschwerden (BGE 133 III 439 E. 2; BGE 132
III 747 E. 4 S. 748).

1.2 Nach Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Entscheide in
Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Gemäss Art. 83 lit. s BGG ist die
Beschwerde unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet der Landwirtschaft
betreffend die Milchkontingentierung oder die Abgrenzung der Zonen im Rahmen
des Produktionskatasters. Die Regelung des Schutzes von Ursprungsbezeichnungen
gehört zum öffentlichen Recht (Urteil des Bundesgerichts 2A.515/2006 vom 1.
Februar 2007, E. 1.2) und fällt nicht unter die Ausnahmen von Art. 83 lit. s
BGG.
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1.3 Gemäss Art. 86 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde insbesondere zulässig gegen
Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts (lit. a) oder letzter kantonaler
Instanzen, sofern nicht die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig
ist (lit. d).

1.3.1 Der angefochtene Entscheid wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern
getroffen und enthält als Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, es stehe die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
offen. Dabei nimmt das Verwaltungsgericht des Kantons Bern an, es handle sich
um einen schwergewichtig lebensmittelrechtlichen Streit. Das beschwerdeführende
Bundesamt ist demgegenüber der Ansicht, das Urteil des bernischen
Verwaltungsgerichts sei beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten, weshalb es
seine Beschwerdeschrift bei diesem eingereicht hat. Im Unterschied zum
bernischen Verwaltungsgericht geht das Bundesamt von einer
landwirtschaftsrechtlichen Angelegenheit aus.

1.3.2 Gemäss Art. 53 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel
und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0) regeln die Kantone
das Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach kantonalem Recht im Rahmen des
Lebensmittelgesetzes, wobei sie eine Beschwerdeinstanz einsetzen, die
Verfügungen nach dem Lebensmittelgesetz überprüfen kann. Nach Art. 54 LMG
richten sich das Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach den allgemeinen
Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Diese Regelung schliesst die
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich des Lebensmittelrechts
grundsätzlich aus, da gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. a VGG (SR 173.32) die
Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unzulässig ist gegen Verfügungen,
die nach einem anderen Bundesgesetz durch Beschwerde an eine kantonale Behörde
anfechtbar sind.

1.3.3 Nach Art. 33 lit. i VGG ist die Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht zulässig gegen Verfügungen kantonaler Instanzen,
soweit ein Bundesgesetz dies vorsieht. Gemäss Art. 166 Abs. 2 des
Bundesgesetzes vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft
(Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1) kann beim Bundesverwaltungsgericht
Beschwerde erhoben werden gegen Verfügungen der Bundesämter, Departemente und
letzter kantonaler Instanzen in Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes und
seiner Ausführungsbestimmungen mit Ausnahme von kantonalen Verfügungen über
Strukturverbesserungen, die mit Beiträgen unterstützt werden. Die
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GUB/GGA-Verordnung stützt sich auf das Landwirtschaftsgesetz. Verfügungen, die
in Anwendung dieser Verordnung ergehen, fallen nicht unter die
Ausnahmetatbestände von Art. 166 Abs. 2 LwG. Nach Art. 21 Abs. 2 und 3 der
Verordnung vollziehen die Organe der kantonalen Lebensmittelkontrolle den 3.
Abschnitt über den Schutz der geschützten Bezeichnungen, d.h. Art. 16-17a GUB/
GGA-Verordnung, gemäss der Lebensmittelgesetzgebung, wobei sie dem Bundesamt,
den Zertifizierungsstellen und den Gruppierungen die festgestellten
Unregelmässigkeiten melden (sog. Sanktionsverfahren).

1.3.4 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist das
Bundesverwaltungsgericht mangels abweichender Regelung gemäss Art. 166 Abs. 2
LwG sachlich zuständig, wenn ein Hersteller eines mit einer geschützten
Ursprungsbezeichnung versehenen Lebensmittels einen Entscheid einer kantonalen
Behörde anficht, der sich auf die im 3. Abschnitt der GUB/GGA-Verordnung
enthaltene Regelung bezieht, auch wenn insoweit der Vollzug den Organen der
kantonalen Lebensmittelkontrolle übertragen wurde; daran ändert nichts, dass
auch hygienische Gesichtspunkte eine Rolle spielen können (Urteil des
Bundesgerichts 2A.515/2006 vom 1. Februar 2007, E. 3, publ. in: sic! 6/2007 S.
455).

1.3.5 Das Bundesamt für Landwirtschaft reichte die Beschwerde zwar beim
Bundesverwaltungsgericht ein, beantragte diesem aber subsidiär, den
Meinungsaustausch mit dem Bundesgericht einzuleiten, falls es zum Schluss
gelangen sollte, nicht zuständig zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies
denn auch getan, und das Bundesgericht hat die Beschwerde übernommen. Im
Übrigen war dieser Rechtsmittelweg bereits seit dem Zwischenentscheid des
bernischen Verwaltungsgerichts vom 3. Juli 2007 über dessen Zuständigkeit
vorgezeichnet. Auch das Bundesamt, dem der Entscheid eröffnet worden war, focht
diesen nicht an. Wegen dieser besonderen prozessualen Ausgangslage ist auf die
Beschwerde einzutreten, obwohl aufgrund der Sachlage und des Erkenntnisses des
angefochtenen Entscheides an sich davon auszugehen ist, dass inhaltlich
landwirtschafts- und nicht lebensmittelrechtliche Fragen im Vordergrund stehen.
Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass der zu beurteilende
Streitgegenstand durch den Rahmen des Sanktionsverfahrens und des
Lebensmittelrechts definiert wird. In Zukunft werden die beteiligten Behörden
freilich solche Fälle gemäss der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung
im landwirtschaftsrechtlichen Verfahren zu behandeln haben. Auch das
Bundesgericht selbst wird sich künftig daran halten.
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2.

2.1 Nach Art. 14 Abs. 1 lit. d LwG kann der Bundesrat im Interesse der
Glaubwürdigkeit und zur Förderung von Qualität und Absatz Vorschriften über die
Kennzeichnung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und deren
Verarbeitungsprodukten erlassen, die sich unter anderem aufgrund ihrer Herkunft
auszeichnen. Er schafft ein Register für Ursprungsbezeichnungen und regelt dazu
die Eintragungsberechtigung, die Voraussetzungen für die Registrierung,
insbesondere die Anforderungen an das Pflichtenheft, das Einsprache- und
Registrierungsverfahren sowie die Kontrolle (vgl. Art. 16 LwG). Er erlässt die
dafür erforderlichen Ausführungsbestimmungen (vgl. Art. 177 Abs. 1 LwG). Die
GUB/GGA-Verordnung stützt sich auf diese Bestimmungen des
Landwirtschaftsgesetzes (dazu J. DAVID MEISSER/DAVID ASCHMANN, Herkunftsangaben
und andere geographische Bezeichnungen, in: Roland von Büren/Lucas David
[Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III/2, 2.
Aufl., Basel/Genf/München 2005, S. 295 ff.).
Geschützte Ursprungsbezeichnungen beruhen auf einer entsprechenden Eintragung
beim Bundesamt für Landwirtschaft, deren Voraussetzungen in einem spezifischen
Pflichtenheft definiert werden (vgl. Art. 5 ff. GUB/GGA-Verordnung). Sie können
grundsätzlich von jeder Person verwendet werden, die landwirtschaftliche
Erzeugnisse oder verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse vermarktet,
welche dem betreffenden Pflichtenheft entsprechen (Art. 1 Abs. 2 GUB/
GGA-Verordnung). Gemäss Art. 16 ff. GUB/GGA-Verordnung darf unter anderem der
Vermerk "geschützte Ursprungsbezeichnung" nicht für landwirtschaftliche
Produkte und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse benützt werden, deren
Bezeichnung nicht vorschriftsgemäss eingetragen wurde; zudem ist die
kommerzielle Verwendung einer geschützten Bezeichnung für vergleichbare
Erzeugnisse verboten, die das Pflichtenheft nicht erfüllen (vgl. insbes. Art.
17 Abs. 1 lit. a und Art. 17a GUB/GGA-Verordnung). Wer eine eingetragene
Ursprungsbezeichnung verwendet, muss eine der im Pflichtenheft aufgeführten
Zertifizierungsstellen mit der Kontrolle der Erzeugung, Verarbeitung oder
Veredelung des fraglichen Produktes betreuen (Art. 18 GUB/GGA-Verordnung).

2.2 Am Ursprung des vorliegenden Falles standen mehrere Taxationsmeldungen des
Kantonalen Laboratoriums Bern, die offenbar Fragen nach der zulässigen
Bezeichnung der Produkte der Beschwerdegegner aufwarfen. Auf Gesuch derselben
hin traf das
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Laboratorium eine Feststellungsverfügung, worin es unter anderem festhielt, die
Beschwerdegegner müssten zur weiteren Verwendung der eingetragenen
Ursprungsbezeichnung für Gruyère bis Ende Juli 2005 im Besitz des
entsprechenden Zertifikats sein; ab diesem Zeitpunkt dürfe nur noch Gruyère
abgegeben werden, der Art. 18 und 40 des entsprechenden Pflichtenheftes
erfülle. Während Art. 40 des Pflichtenheftes vor allem unter
Qualitätsgesichtspunkten die Taxationskriterien umschreibt, was vorliegend
nicht Streitgegenstand bildet, lautet Art. 18, dessen Tragweite hier vor allem
strittig ist, wie folgt:
"Art. 18 Lieferung
1 Die Milch muss zweimal im Tag an die Käserei geliefert werden, und zwar
sofort nach dem Melken, zu den von der Käserei und der Produzentenorganisation
vereinbarten Zeiten.
2 Eine einmalige Lieferung pro Tag wird ausnahmsweise bei Genossenschaften
erlaubt, die:
a) schon vor dem 22. Januar 1998 nur einmal im Tag lieferten;
b) regelmässig qualitativ guten Gruyère herstellen;
c) Milch guter Qualität produzieren;
d) die Milch nicht während mehr als 1½ Stunden transportieren, und
e) sie bei einer Temperatur von 12 bis 18° C lagern.
3 Die betreffenden Genossenschaften dürfen auf keinen Fall andere Milch nur
einmal im Tag einsammeln.
4 Diese Regeln gelten analog für einzelne Produzenten."

2.3 In der Sache geht es im Wesentlichen darum, ob die Voraussetzungen von Art.
18 des Pflichtenheftes erfüllt sind, namentlich ob die Beschwerdegegner die
erforderliche Qualität angesichts der Umstände der Milchsammlung in der
fraglichen Käserei gewährleisten bzw. ob sie weiterhin von der Ausnahme von der
Pflicht zur täglich zweimaligen Milchlieferung profitieren können. Bezeichnend
ist insoweit die Formulierung des Dispositivs im angefochtenen Entscheid des
bernischen Verwaltungsgerichts.

3.

3.1 Das beschwerdeführende Bundesamt ist der Auffassung, die Vorinstanz habe
die Verhältnismässigkeit der Regelung im Pflichtenheft nicht vorfrageweise
überprüfen dürfen. Es handle sich um eine direkt umsetzbare Allgemeinverfügung,
über deren Rechtmässigkeit im Einspracheverfahren endgültig entschieden worden
sei. Darauf könne nun nicht mehr im Einzelfall zurückgekommen werden.
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3.2 Es erscheint fraglich, ob es sich beim Pflichtenheft um eine
Allgemeinverfügung handelt. Allgemeinverfügungen sind Anordnungen, die einen
Einzelfall regeln, sich dabei aber an eine individuell nicht bestimmte Vielzahl
von Adressaten richten (PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 28 Rz. 49). Sie kennzeichnen sich
mithin durch ihre direkte Anwendbarkeit für eine mögliche Mehrheit von
Betroffenen aufgrund einer genügend konkreten Tatbestandserfassung, ohne dass
es eines weiteren umsetzenden Hoheitsaktes bedarf. Diese Voraussetzungen sind
hier nicht erfüllt. Der Umstand, dass die Verwendung einer geschützten
Ursprungsbezeichnung eine Zertifizierung voraussetzt, belegt deren
Abstraktheit. Die Zertifizierungsstelle kontrolliert die Erzeugung,
Verarbeitung oder Veredelung des fraglichen Produkts (vgl. Art. 18 Abs. 1 GUB/
GGA-Verordnung). Das Pflichtenheft bestimmt in allgemeiner Weise, was bei der
Käseherstellung erlaubt oder verboten ist (vgl. STÉPHANE BOISSEAUX/DOMINIQUE
BARJOLLE, Geschützte Ursprungsbezeichnungen bei Lebensmitteln, Bern/Stuttgart/
Wien 2006, S. 31), und bedarf in diesem Sinne der Umsetzung durch einen
Zertifizierungsentscheid. Daran ändert nichts, wenn dieser, wie hier, einer
privaten Organisation übertragen wird.
Das Pflichtenheft hat demnach eher den Gehalt einer generell-abstrakten
Regelung, die der Umsetzung im Einzelfall bedarf. Damit kann es, grundsätzlich
gleich wie Verordnungen, vorfrageweise und unabhängig vom Ergebnis des
Einspracheverfahrens, auf seine Gesetz- und Verfassungsmässigkeit hin überprüft
werden. Dem Einspracheverfahren kommt damit eine vergleichbare Tragweite zu wie
der abstrakten Normenkontrolle bei der Überprüfung eines Erlasses.

3.3 Selbst wenn angenommen würde, es handle sich beim Pflichtenheft um eine
Allgemeinverfügung, schlösse dies deren vorfrageweise Überprüfung auf
Verfassungsmässigkeit nicht aus. Gemäss der Rechtsprechung ist die
vorfrageweise Kontrolle der Rechtmässigkeit von Allgemeinverfügungen im
Anwendungsfall zulässig, wenn der Kreis der Adressaten offen ist und diese
durch die Anordnung der Allgemeinverfügung nur virtuell betroffen werden (BGE
125 I 313 E. 2b S. 317). Als typisches Beispiel gelten Verkehrszeichen (vgl.
TSCHANNEN/ZIMMERLI, a.a.O., § 28 Rz. 50), bei denen eine inzidente Überprüfung
als zulässig erachtet wird, wenn dadurch die Verkehrssicherheit nicht leidet
(vgl. die Erwägungen und Hinweise im Urteil des Bundesgerichts 6P.47/2002 vom
29. Mai 2002, E. 4.2). Analoges muss generell bei Allgemeinverfügungen gelten,
solange die
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Rechtssicherheit nicht in Frage gestellt wird. Das fragliche Pflichtenheft für
die geschützte Ursprungsbezeichnung von Greyerzerkäse richtet sichzwar nur an
die Produzenten von solchem Käse; deren Kreis ist aber offen, da sich im
betreffenden Produktionsgebiet grundsätzlich jeder Käsehersteller dem
Pflichtenheft unterstellen kann. Ausserdemleidet die Rechtssicherheit nicht
unter einer vorfrageweisen Überprüfung des Pflichtenheftes.

3.4 Sodann braucht es nicht widersprüchlich zu sein, das Pflichtenheft nicht
abstrakt im Einspracheverfahren anzufechten, sondern dessen Rechtmässigkeit
erst nachträglich in Frage zu stellen. Nicht anders als bei der Normenkontrolle
kann die entsprechende Einsicht erst nachträglich reifen. Ohnehin muss es
Neueinsteigern, die an der Erstellung des Pflichtenheftes noch nicht beteiligt
waren bzw. dannzumal keine Gelegenheit hatten, sich gegen dessen Inhalt zur
Wehr zu setzen, möglich bleiben, diesen auf Gesetz- und Verfassungsmässigkeit
überprüfen zu lassen. Im Übrigen folgen die abstrakte und die konkrete
Kontrolle von Rechtsregeln nicht zwingend immer den genau gleichen Grundsätzen.
Schliesslich findet sich in diesem Sinne auch im Schrifttum die Auffassung, die
Rechtmässigkeit des Pflichtenheftes müsse im Rahmen eines allfälligen
Sanktionsverfahrens vorfrageweise überprüft werden können (SIMON HOLZER,
Geschützte Ursprungsbezeichnungen [GUB] und geschützte geographische Angaben
[GGA] landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Bern 2005, S. 316 und 335).

3.5 Die Vorinstanz durfte demnach das fragliche Pflichtenheft vorfrageweise auf
dessen Verfassungsmässigkeit überprüfen.

4.

4.1 Die Vorinstanz ging davon aus, dass der Ausnahmetatbestand von Art. 18 Abs.
2 des Pflichtenheftes vorab der Bevorzugung von bisherigen Produzenten von
Greyerzerkäse diene und sich kaum lebensmittelrechtlich bzw. mit hygienischen
Argumenten begründen lasse. Das beschwerdeführende Bundesamt wendet dagegen
ein, die Qualitätsanforderungen eines landwirtschaftlichen Produkts mit
geschützter Ursprungsbezeichnung gingen über die lebensmittelrechtlichen
Mindestanforderungen hinaus, weshalb eine allfällige Prüfung der
Verhältnismässigkeit der Voraussetzungen des Pflichtenheftes, soweit dies
überhaupt zulässig sei, nach diesem erhöhten Qualitätsmassstab zu erfolgen
habe.

4.2 Art. 18 Abs. 1 des Pflichtenheftes schreibt grundsätzlich vor, dass die
Milch zur Herstellung von Greyerzerkäse mit geschützter
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Ursprungsbezeichnung zwei Mal am Tag einzuliefern ist. Die einmalige tägliche
Milchlieferung wird nach Art. 18 Abs. 2 des Pflichtenheftes ausnahmsweise bei
jenen Herstellern erlaubt, die nebst der Erfüllung weiterer Voraussetzungen
schon vor dem 22. Januar 1998 nur einmal am Tag lieferten. Dieser
Ausnahmetatbestand ist nicht als Übergangsregelung formuliert, sondern auf
Dauer ausgerichtet. Es wird denn auch von keiner Seite geltend gemacht, es
stehe vorliegend eine Übergangslösung in Frage, wie sie etwa in Art. 17a GUB/
GGA-Verordnung vorgesehen ist. Gemäss Art. 18 Abs. 3 des Pflichtenheftes darf
sodann keine andere Milch, d.h. solche, die für die Herstellung anderer
Produkte verwendet wird, nur einmal am Tag eingesammelt werden.

4.3 Die unteren kantonalen Instanzen verneinten vorliegend einen
Ausnahmetatbestand, obwohl die Milch der fraglichen Käserei schon vor dem
Stichtermin (22. Januar 1998) nur einmal am Tag eingeliefert wurde. Sie
begründeten dies im Wesentlichen, gestützt auf Art. 18 Abs. 3 des
Pflichtenheftes, damit, die Milchproduzenten hätten ihre Milch teilweise nicht
zur Herstellung von Greyerzerkäse in der Käserei R., sondern zur Produktion von
Emmentalerkäse in andere Käsereien geliefert. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern hat sich nicht eindeutig dazu geäussert, ob die Voraussetzungen
eines Ausnahmetatbestandes vorliegen würden, wenn Art. 18 Abs. 2 des
Pflichtenheftes uneingeschränkt anwendbar wäre. Es verweist insofern lediglich
auf die Auffassung seiner Vorinstanzen, die keine Ausnahme anerkannt hätten,
ohne dazu in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das
Verwaltungsgericht stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass die
Verpflichtung zur zweimaligen täglichen Milcheinlieferung zur Gewährleistung
einer bestimmten Qualität von Greyerzerkäse aus milchhygienischen Gründen nicht
erforderlich und daher unzulässig sei.

4.4 Grundsätzlich ist es bei der Erstellung eines Pflichtenheftes für eine
geschützte Ursprungsbezeichnung zulässig, Qualitätsanforderungen zu stellen,
die strenger sind als diejenigen des Lebensmittelrechts. Die mit geschützter
Ursprungsbezeichnung versehenen Produkte beruhen regelmässig auf den jeweiligen
spezifischen regionalen Verhältnissen und verwerten die besonderen Ressourcen
einer bestimmten Gegend wie Relief, Klima, Böden, Vegetation sowie lokale
Ökosysteme und Traditionen (vgl. BOISSEAUX/BARJOLLE, a.a.O., S. 55). Das
Pflichtenheft dient auch dazu, solche Ziele umzusetzen. Für sich allein führt
die Voraussetzung von lebensmittelhygienisch nicht
BGE 134 II 272 S. 283
zwingend erforderlichen Qualitätsansprüchen daher nicht zur Unzulässigkeit
eines Pflichtenheftes. Dessen Bestimmungen dürfen aber nicht sinn- und zwecklos
und damit willkürlich sein (vgl. HOLZER, a.a.O., S. 322 f.), und sie müssen
rechtsgleich angewendet werden.

4.5 Gemäss den unbestrittenen und für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 97 BGG) bildet bei den Herstellern von
Greyerzerkäse im Kanton Bern die ausschliesslich zweimalige tägliche
Milchlieferung die Ausnahme. Von insgesamt 16 fraglichen Käsereien mit einer
Jahresproduktion von rund 500 Tonnen lassen sich nur sieben durch 65 Landwirte
ausschliesslich zweimal pro Tag beliefern. Fünf Käsereien mit einer
Gesamtproduktion von etwa 720 Tonnen verfolgen eine gemischte Praxis, d.h. sie
werden von 64 Landwirten zweimal, von 31 Landwirten aber nur einmal beliefert.
Die restlichen vier Käsereien mit einer Produktion von rund 700 Tonnen beziehen
ihre Milch lediglich einmal täglich von 84 Landwirten. Zwar liefern insgesamt
knapp mehr Landwirte zweimal als einmal am Tag, nämlich 129 gegenüber 115.
Sowohl bei der Anzahl der betroffenen Käsereien (neun gegenüber sieben) als
auch bei der Menge des hergestellten Käses (1420 Tonnen gegenüber 500 Tonnen)
überwiegt aber die Produktion mit ausschliesslicher oder zumindest teilweise
einmaliger täglicher Lieferung. Damit erweist sich das Verhältnis zwischen
Grundsatz und Ausnahme bei der Regelung des Pflichtenheftes für die
Greyerzerproduzenten im Kanton Bern als vertauscht: Die Ausnahme wird zum
hauptsächlichen Anwendungsfall, und der Grundsatz bildet für den Kanton Bern
die Ausnahme.

4.6 Allerdings wird Greyerzerkäse nicht vorrangig im Kanton Bern, sondern
vorwiegend in verschiedenen Kantonen der Romandie, insbesondere im Kanton
Freiburg, hergestellt (vgl. BOISSEAUX/BARJOLLE, a.a.O., S. 46). Vor diesem
Hintergrund lässt sich nicht zwingend folgern, Art. 18 Abs. 1 und 3 des
Pflichtenheftes seien sinn- und zwecklos. Rein milchhygienisch lässt sich das
Erfordernis der zweimaligen täglichen Milchlieferung zwar nicht begründen, was
vor Bundesgericht an sich nicht mehr wirklich strittig ist. Als zusätzliche,
über die lebensmittelrechtlichen Anforderungen hinausgehende Voraussetzung
könnte sich dieses Erfordernis gemessen an den regionalen Verhältnissen aber
durchaus rechtfertigen lassen, wobei es im vorliegenden Verfahren an
entsprechenden tatsächlichen Feststellungen fehlt, um dies verbindlich
beurteilen zu können. Die Voraussetzung von Art. 18 Abs. 3 des Pflichtenheftes
wiederum steht in engem
BGE 134 II 272 S. 284
Zusammenhang mit Abs. 1, d.h. sie ist sinnvoll, wenn tatsächlich zweimal am Tag
geliefert wird, weil sie diesfalls garantiert, dass es nicht zu Verwechslungen
zwischen einmalig und möglicherweise beim Milchproduzenten zwischengelagerter
und zweimalig und damit unmittelbar nach dem Melken gelieferter Milch kommt.
Greift hingegen der Ausnahmetatbestand von Art. 18 Abs. 2 des Pflichtenheftes,
dann erscheint die Anforderung von Art. 18 Abs. 3 unbedeutend, da der
Milchproduzent ohnehin zu gewährleisten hat, dass er die Milch
vorschriftsgemäss, insbesondere gekühlt und hygienisch einwandfrei,
zwischenlagert. Ob die Anforderungen von Art. 18 Abs. 1 und 3 des
Pflichtenheftes sinnvoll und damit verfassungsmässig sind, lässt sich somit im
vorliegenden Verfahren nicht abschliessend beurteilen. Dies kann allerdings
auch offenbleiben.

4.7 Als entscheidend erweist sich nämlich das Rechtsgleichheitsgebot nach Art.
8 Abs. 1 BV. Solange der im Pflichtenheft vorgesehene Grundsatz im Kanton Bern
die Ausnahme und die Ausnahme den Hauptanwendungsfall bildet, darf im gleichen
Kanton nicht in Einzelfällen eine strengere Praxis verfolgt werden. Den
Beschwerdegegnern dürfen daher nicht strengere Rahmenbedingungen gestellt
werden als der Mehrheit der Hersteller von Greyerzerkäse im Kanton Bern. Im
vorliegenden Sanktionsverfahren ist einzig die bernische Praxis zu beurteilen,
weshalb es auch ausschliesslich auf die bernischen Verhältnisse ankommt. Obwohl
sich die Begründung des angefochtenen Entscheides insofern als nicht ganz
stichhaltig erweist, verstösst dieser im Ergebnis somit nicht gegen
Bundesrecht.

5.

5.1 Das beschwerdeführende Amt macht überdies geltend, die Verwendung der
geschützten Ursprungsbezeichnung setze nicht nur die Vereinbarkeit der
Produktion mit dem Pflichtenheft voraus, sondern unterliege auch der
Zertifizierungspflicht. Die von den Beschwerdegegnern hergestellten Käse
dürften daher nicht als Gruyère bezeichnet werden, solange sie von der
zuständigen Zertifizierungsstelle nicht zertifiziert seien.

5.2 Die entsprechende Passage des Urteilsdispositivs des bernischen
Verwaltungsgerichts lautet wie folgt:
"Es wird angeordnet, dass die Käserei R. bis drei Monate nach Rechtskraft des
vorliegenden Urteils im Besitz des Zertifikats der zuständigen
Zertifizierungsstelle zur Verwendung der eingetragenen Ursprungsbezeichnung
sein muss."
BGE 134 II 272 S. 285
In der Begründung des angefochtenen Entscheids wird dazu ausgeführt, die
Käserei R. bedürfe eines Zertifikats der zuständigen Zertifizierungsstelle und
es sei ihr dazu eine neue Frist einzuräumen. Abgewiesen wurde gleichzeitig ein
Antrag der Beschwerdegegner, es sei ihnen zu gestatten, ihren Käse als
Greyerzer zu bezeichnen, da dies noch von der Qualität bzw. der Taxation der
einzelnen Käselaibe abhänge.

5.3 Was das Verwaltungsgericht genau anordnete, ist nicht völlig eindeutig. Die
Frist von drei Monaten kann zweierlei bedeuten: Entweder bildet sie eine
Anweisung an die Zertifizierungsstelle, das Zertifikat innert drei Monaten zu
erteilen, was mit einer maximal gleich langen Wartefrist für die
Beschwerdegegner verbunden wäre, die strittige Ursprungsbezeichnung zu
verwenden. Dafür spricht der Wortlaut des Urteilsdispositivs. Oder die
Anordnung des Verwaltungsgerichts enthält die Ermächtigung an die
Beschwerdegegner, die strittige Ursprungsbezeichnung bereits vor Fristablauf zu
verwenden, sofern sie noch die dafür erforderlichen Taxationen erhalten, danach
aber nur noch, wenn sie bis dahin das Zertifikat bezogen haben. Für dieses
Verständnis spricht an sich eher die Urteilsbegründung, wobei die Abweisung des
Antrags, die produzierten Käse als Greyerzer zu bezeichnen, Zweifel daran
erweckt. In ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht bezeichnen die
Beschwerdegegner die Frist als Nachfrist, die ihnen eingeräumt worden sei. Für
die Dauer des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht wurde die
zuständige Zertifizierungsstelle mit vorsorglicher Verfügung angewiesen, den
Beschwerdegegnern weiterhin Identitätsmarken (Kaseinmarken) abzugeben. Ob dies
auch weiterhin so geschah, nachdem das Urteil des Verwaltungsgerichts ergangen
war, wird, soweit ersichtlich, von den Verfahrensbeteiligten nicht dargelegt
und ist nicht bekannt. Vorsorgliche Massnahmen zur Klarstellung der Rechtslage
während des bundesgerichtlichen Verfahrens wurden von keiner Seite beantragt.

5.4 Im vorliegenden Sanktionsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GUB/ GGA-Verordnung
ist das Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht berechtigt, einer Käserei das
nötige Zertifikat selbst direkt zuzusprechen. Zwar kann hier offenbleiben, ob
es sich beim Zertifizierungsverfahren, das einer privaten Organisation
übertragen ist, um ein Verwaltungsverfahren handelt oder nicht, wobei die
entsprechenden Zertifizierungsstellen immerhin gemäss Art. 19 Abs. 1 GUB/
GGA-Verordnung für das jeweilige Erzeugnis akkreditiert sein müssen und
insofern auch eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Das
BGE 134 II 272 S. 286
Verwaltungsgericht war aber so oder so nicht befugt, Massnahmen zu treffen, die
nicht unter die Zuständigkeit der Organe der kantonalen Lebensmittelkontrolle
im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GUB/GGA-Verordnung fallen. Der Vollzug der
Verordnung mit Ausnahme des dritten Abschnittes sowie die Überwachung der
Zertifizierungsstellen obliegen dem Bundesamt für Landwirtschaft, das insoweit
im Übrigen die landwirtschaftliche Gesetzgebung anzuwenden hat (vgl. Art. 21,
insbes. Abs. 1 und 4, GUB/GGA-Verordnung; vgl. auch HOLZER, a.a.O., S. 364 f.).
Das Verwaltungsgericht verfügte somit im vorliegenden Sanktionsverfahren nicht
über die Kompetenz, der hier zuständigen Zertifizierungsstelle Weisungen zu
erteilen, weshalb seiner Anordnung ein solcher Sinn nicht zukommen kann.

5.5 Das Verwaltungsgericht war im vorliegenden Sanktionsverfahren hingegen
zuständig, die Schutzregelung nach Art. 16-17a GUB/ GGA-Verordnung
durchzusetzen (vgl. Art. 21 Abs. 2 der Verordnung; dazu HOLZER, a.a.O., S. 365
ff.; MEISSER/ASCHMANN, a.a.O., S. 302 f.). Nach Art. 16 Abs. 3 der Verordnung
gelten die Verbote der Verwendung von geschützten oder von verwechselbaren
Vermerken auch für landwirtschaftliche und verarbeitete landwirtschaftliche
Erzeugnisse, deren Bezeichnung zwar eingetragen, aber nicht nach Art. 18 GUB/
GGA-Verordnung zertifiziert wurde. Die Zertifizierung ist für die
Käseproduzenten zwar fakultativ, wer aber von einer geschützten
Ursprungsbezeichnung profitieren will, muss sich vorweg zertifizieren lassen
(vgl. Art. 14 Abs. 2 LwG; MEISSER/ASCHMANN, a.a.O., S. 308). Aufgrund dieser
Rechtslage kann Sinn der fraglichen Anordnung somit einzig sein, dass die
Käserei R. bis zu höchstens drei Monaten nach Rechtskraft des angefochtenen
Entscheids in Abweichung von Art. 16 Abs. 3 GUB/GGA-Verordnung und unter
Vorbehalt der entsprechenden Taxation Greyerzerkäse herstellen und als solchen
bezeichnen darf, ohne über das an sich erforderliche Zertifikat zu verfügen.
Nach Ablauf dieser Frist wird sie jedoch im Besitz des Zertifikats sein müssen,
um dies weiterhin tun zu dürfen.

5.6 Die Anordnung dient mithin der beschleunigten Durchsetzung der
grundsätzlich als rechtmässig erkannten Berechtigung der Beschwerdegegner, ihr
Produkt als Greyerzerkäse zu bezeichnen, und verfolgt namentlich die privaten
Interessen der Beschwerdegegner. Dagegen sprechen keine überwiegenden
öffentlichen Interessen, und der Grundsatz der gesetzlichen Regelung wird
dadurch nicht in Frage gestellt. Angesichts des bisher durchlaufenen Verfahrens
erscheint die Massnahme auch verhältnismässig. So verstanden liegt sie
BGE 134 II 272 S. 287
überdies im Zuständigkeitsbereich der Vorinstanz. Sie verletzt demnach
Bundesrecht nicht.