Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 II 244



Urteilskopf

134 II 244

29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Stockwerkeigentümergemeinschaft A.A. und Mitb. gegen X. AG und Bausektion der
Stadt Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_380/2007 vom 19. Mai 2008

Regeste

Nichteintreten auf eine ungenügend begründete Beschwerde (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Art. 42 Abs. 2 BGG setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz
mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Dies ist
nicht der Fall, wenn vor Bundesgericht dieselbe Beschwerdebegründung
eingereicht wird wie schon im kantonalen Verfahren (E. 2.1-2.3). Kein Anspruch
auf Nachfristansetzung nach Art. 42 Abs. 5 oder 6 BGG oder nach allgemeinen
Grundsätzen (E. 2.4).

Sachverhalt ab Seite 244

BGE 134 II 244 S. 244
Mit Beschluss vom 9. November 2004 bewilligte die Bausektion der Stadt Zürich
der X. AG die Erstellung einer Basisstation für die Mobilfunknetze GSM-1800 und
UMTS-2100 auf dem Gebäude Y.-Strasse 5. Diese soll die bisherigen
Antennenelemente und technischen Einrichtungen ersetzen.
BGE 134 II 244 S. 245
Gegen diese und frühere Bewilligung rekurrierten die
Stockwerkeigentümergemeinschaften A.A. und A.B. und weitere Personen. Sie
beantragten, sämtliche Entscheide der Baupolizei und der Bausektion der Stadt
Zürich betreffend die Mobilfunkanlage auf dem Gebäude Y-Strasse 5 seien für
nichtig zu erklären und aufzuheben. Am 1. Juli 2005 wies die
Baurekurskommission I des Kantons Zürich die Rekurse ab, soweit darauf
einzutreten war.
Dagegen erhoben die Rekurrenten Beschwerde an das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich. Dieses hiess die Beschwerde am 12. September 2007 insoweit gut,
als die Bauherrschaft verpflichtet wurde, die bewilligte Mobilfunkanlage in ihr
Qualitätssicherungssystem einzubeziehen. Im Übrigen wurde die Beschwerde
abgewiesen.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erhoben die
Stockwerkeigentümergemeinschaften A.A. und A.B. und die weiteren im Rubrum
genannten Personen am 31. Oktober 2007 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht.
Die X. AG beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei
sie abzuweisen.
Am 30. April 2008 nahmen die Beschwerdeführer zu den Vernehmlassungen Stellung
und reichten neue Unterlagen ein. Sie machen geltend, das von der
Beschwerdegegnerin beantragte Nichteintreten auf die Beschwerde wegen
ungenügender Begründung wäre überspitzt formalistisch und würde das
Rechtsverweigerungsverbot verletzen. Es sei weder nötig noch gesetzlich
gefordert, das Rad neu zu erfinden und zu jedem Gegenargument des Gerichts in
neuen Worten Stellung zu nehmen. Dies würde lediglich das Budget der
Beschwerdeführer übermässig belasten. Im Übrigen gelte nach wie vor der
Grundsatz "iura novit curia".
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Näher zu prüfen ist, ob die Beschwerde den Begründungsanforderungen
entspricht.

2.1 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus,
dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids
BGE 134 II 244 S. 246
auseinandersetzt. Genügt die Beschwerdeschrift diesen Begründungsanforderungen
nicht, so ist darauf nicht einzutreten, bei offensichtlichen Begründungsmängeln
im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG. Zwar wendet das
Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG);
dies setzt aber voraus, dass auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden
kann, diese also wenigstens die minimalen Begründungsanforderungen von Art. 42
Abs. 2 BGG erfüllt.

2.2 Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten
(einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür
bei der Sachverhaltsfeststellung - BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255) geltend
gemacht wird. Dies prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur
insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Für derartige Rügen gelten die gleichen
Begründungsanforderungen, wie sie gestützt auf Art. 90 Abs. 1 lit. b OG für die
staatsrechtliche Beschwerde gegolten haben (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit
Hinweisen). Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz
gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw.
welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid
verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene
und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Wird eine Verletzung des
Willkürverbots geltend gemacht, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im
Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und
offensichtlichen Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 mit Hinweisen).

2.3 Die beim Bundesgericht eingereichte Beschwerdebegründung unterscheidet sich
nur in wenigen untergeordneten Punkten von derjenigen, welche der
Rechtsvertreter der Beschwerdeführer vor Verwaltungsgericht eingereicht hatte:
An einer Stelle wurden zwei Sätze hinzugefügt (S. 11 Ziff. 6: "Überall [...]
erkannt werden") und an einer anderen Stelle ein Satz weggelassen (S. 48 Ziff.
73 a.E.); in Ziff. 66 (S. 45/46) und Ziff. 75 (S. 50) wurden gewisse Zusätze
aufgenommen (z.B. "in Verletzung der einschlägigen gesetzlichen und
verfassungsrechtlichen Bestimmungen, namentlich Art. 29 BV und Art. 6 Ziff. 1
EMRK"). An einigen Stellen finden sich redaktionelle Anpassungen (z.B.
"Vorinstanzen" statt "Baurekurskommission"). Am Ende der Ausführungen zum
angeblich willkürlichen
BGE 134 II 244 S. 247
Kostenentscheid der Baurekurskommission (Ziff. 75 S. 51 f.) wurde der Satz
angefügt: "Dasselbe gilt analog für das verwaltungsgerichtliche Verfahren".
Im Übrigen deckt sich die Beschwerdebegründung wortwörtlich mit der schon vor
Verwaltungsgericht eingereichten. Sie setzt sich in keiner Weise mit den
Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander und legt nicht - auch nicht in
gedrängter Form - dar, inwiefern diese Bundesrecht verletzen. Insofern genügt
die Beschwerdeschrift schon den Mindestanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG
nicht. Erst recht sind die strengeren Begründungsanforderungen von Art. 106
Abs. 2 BGG nicht erfüllt, soweit Sachverhalts- und Verfassungsrügen erhoben
werden.

2.4 Zu prüfen ist, ob den Beschwerdeführern eine Nachfrist zur Verbesserung
ihrer Beschwerde einzuräumen ist.

2.4.1 Die Beschwerdeführer haben beantragt, ihnen sei nach Zustellung
sämtlicher Akten bezüglich der Mobilfunkanlage Y.-Strasse 5, insbesondere aller
Baubewilligungsakten der Stadt Zürich, Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung
einzuräumen. Sie legen allerdings nicht dar, weshalb sie diese Akten im
kantonalen Verfahren nicht einsehen konnten bzw. weshalb sie auf eine erneute
Einsichtnahme angewiesen sind, um ihre Beschwerdeschrift zu vervollständigen.
Der Antrag ist daher abzuweisen.

2.4.2 Eine Nachfristansetzung zur Ergänzung der Beschwerdebegründung ist auch
nicht nach Art. 42 BGG oder nach allgemeinen Grundsätzen geboten.
Gemäss Art. 42 Abs. 5 BGG wird beim Fehlen von Unterschriften, Vollmachten und
vergleichbaren formellen Mängeln eine angemessene Frist zur Behebung des
Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet
bleibt. Sodann können unverständliche Rechtsschriften gemäss Art. 42 Abs. 6 BGG
in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden. Nicht genannt werden in
diesen Bestimmungen Beschwerden, die (offensichtlich) nicht hinreichend
begründet sind. Auf diese ist vielmehr nicht einzutreten, wie sich klar aus
Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG ergibt.
Der in Art. 42 Abs. 5 BGG (vorher: Art. 30 Abs. 2 OG) enthaltene Anspruch des
Rechtsuchenden auf eine Nachfristansetzung ist Ausdruck eines aus dem Verbot
des überspitzten Formalismus fliessenden allgemeinen prozessualen
Rechtsgrundsatzes (BGE 120 V 413 E. 6a
BGE 134 II 244 S. 248
S. 419 f.; Urteil 1P.254/2005 vom 30. August 2005, E. 2.5, publ. in: Pra 95/
2006 Nr. 51 S. 362). Wie das Bundesgericht immer wieder betont, stellt nicht
jede prozessuale Formstrenge einen überspitzten Formalismus dar, sondern nur
jene, die durch kein schutzwürdiges Interesse mehr gerechtfertigt ist und zum
blossen Selbstzweck wird. Prozessuale Formen sind unerlässlich, um die
ordnungsgemässe Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des
materiellen Rechts zu gewährleisten (BGE 118 V 311 E. 4 S. 315; BGE 114 Ia 34
E. 3 S. 40). Eingaben an Behörden, vor allem Rechtsmittelschriften, haben daher
im Allgemeinen bestimmten formellen Anforderungen zu genügen: Es soll aus ihnen
hervorgehen, dass und weshalb der Rechtsuchende einen Entscheid anficht und
inwieweit dieser geändert oder aufgehoben werden soll. Wird daher die
Gültigkeit eines Rechtsmittels kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung
davon abhängig gemacht, dass es eine minimale Begründung enthält, so liegt
darin weder eine Verweigerung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch kann
darin ein überspitzter Formalismus gesehen werden (BGE 116 II 745 E. 2b S. 748;
BGE 113 Ia 225 E. 1b S. 228; Urteile 1C_89/2007 vom 13. Juli 2007, E. 3.1, und
5P.405/2000 vom 8. Februar 2001, E. 3c).

2.4.3 Im vorliegenden Fall sind die Beschwerdeführer anwaltlich vertreten.
Ihrem Rechtsvertreter mussten die Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 2
und 106 Abs. 2 BGG bekannt sein, zumal diese mit den bisherigen
Begründungsanforderungen nach Art. 108 OG für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
und Art. 90 OG für die staatsrechtliche Beschwerde übereinstimmen. Der
Rechtsvertreter der Beschwerdeführer war im Übrigen schon vom
Verwaltungsgericht gerügt worden, weil er bereits im verwaltungsrechtlichen
Verfahren eine weitgehend mit der Rekursschrift übereinstimmende
Beschwerdeschrift eingereicht hatte, ohne auf die Erwägungen der
Baurekurskommission einzugehen. Wenn er vor Bundesgericht erneut eine
gleichlautende Beschwerdeschrift einreichte, ohne sich im Geringsten mit dem
ausführlich begründeten Entscheid des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen,
so läuft dies auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten hinaus. Insofern wäre
auch nach Art. 42 Abs. 7 BGG auf die Beschwerde nicht einzutreten.