Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 II 182



Urteilskopf

134 II 182

21. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Politische Gemeinde Opfikon-Glattbrugg gegen unique zurich airport Flughafen
Zürich AG und Kanton Zürich sowie Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
1E.23/2007 vom 17. April 2008

Regeste

Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche infolge Fluglärms sowie von
Abwehrrechten gegen den direkten Überflug; Bemessung der Entschädigung für eine
Baurechtsliegenschaft. Bei der Teilenteignung einer Baurechtsliegenschaft sind
die etwaigen Auswirkungen der Immissionen auf den Baurechtszins, den Wert der
Liegenschaft nach Ablauf des Baurechtes und auf die Höhe der
Heimfallentschädigung zu prüfen (E. 11).

Sachverhalt ab Seite 182

BGE 134 II 182 S. 182
Für den Sachverhalt kann auf BGE 134 II 49 verwiesen werden. Vorliegend hatte
die Schätzungskommission über die Entschädigung für ein Baurechtsgrundstück zu
befinden. Der Baurechtsvertrag wurde am 20. Mai 1960 abgeschlossen, am 26.
Oktober 1993 verlängert und dauert bis Ende 2048. Baurechtsgeberin ist die
Politische Gemeinde Opfikon-Glattbrugg.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

11. Die von der Schätzungskommission vorgenommene Verkehrswertschätzung basiert
auf der Lageklassemethode (unter Abzinsung infolge der Dauer des Baurechts) und
berücksichtigt den Barwert des Baurechts. Die Schätzungskommission führt dazu
aus, der Wert
BGE 134 II 182 S. 183
der Liegenschaft sei massgeblich bestimmt durch den Ertrag aus dem
langfristigen Baurecht. Ein allfälliger Erwerber könne auch ohne Fluglärm
keinen höheren Baurechtszins verlangen. Der Wert der Liegenschaft sei im
Verhältnis zu lagemässig vergleichbaren Objekten aus diesen Gründen und nicht
infolge des Fluglärms beschränkt.
Die Beschwerdeführerin beruft sich demgegenüber auf BGE 132 II 427 E. 6.2 S.
442 und macht geltend, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von konkreten
Ertragszahlen aus. Sie habe keine Erhebungen über ortsübliche Mietzinse an
einer vergleichbaren, unbelasteten Lage in der näheren Umgebung gemacht.
Detaillierte Überlegungen über das Mietzinssteigerungspotenzial würden genauso
fehlen wie der korrekt ermittelte Verkehrswert ohne Fluglärm.
Die Enteigner halten dieser Argumentation entgegen, es handle sich bei den
Mehrfamilienhäusern an der Dammstrasse 29-33 um sozialen Wohnungsbau, weshalb
nur sehr tiefe Mieten verlangt würden. Der Baurechtsvertrag sei jedoch am 26.
Oktober 1993 bis ins Jahr 2048 verlängert worden. Eine Vertragsanpassung sei
nicht vorgesehen. Entsprechend sei der Baurechtszins nicht abänderbar,
unabhängig vom Fluglärm. Daher liege kein Minderwert vor. Selbst wenn von einem
Minderwert ausgegangen würde, wäre der Verkehrswert nach Auffassung der
Enteigner vom Jahr 2048 bis zum dies aestimandi abzuzinsen. Aus dem daraus
resultierenden Betrag ergebe sich, dass sicherlich kein schwerer Schaden im
Sinne der Rechtsprechung vorliege.

11.1 Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass das Bundesgericht für dieselbe
Liegenschaftenart jeweils nur eine einzige Schätzungsmethode anwende, trifft in
dieser Absolutheit zwar nicht zu (vgl. etwa BGE 113 Ib 39 E. 4a-c S. 44 ff.;
BGE 128 II 74 E. 4 S. 77), bedarf aber hier keiner weiteren Ausführungen.
Zum Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer Neuschätzung durch die
Eidgenössische Oberschätzungskommission gilt es festzuhalten, dass letztere
kein Gremium ist, das als solches Schätzungen anstellen würde. Sie besteht
vielmehr aus einer Reihe von Fachleuten aus verschiedenen Berufen, die vom
Bundesgericht nach Bedarf zur fachtechnischen Beratung beigezogen werden können
(vgl. Art. 80 und 82 EntG [SR 711]; BGE 128 II 74 E. 3 S. 77). Vor
Bundesgericht fällt aber die Wiederholung von Schätzungsverfahren in einer
Vielzahl von Fällen ausser Betracht.
BGE 134 II 182 S. 184

11.2 Bei der Enteignung einer Baurechtsliegenschaft hat der Grundeigentümer in
der Regel Anspruch auf den Barwert der für die Restvertragsdauer geschuldeten
Baurechtszinse sowie auf den diskontierten Wert des ihm nach Ablauf des
Baurechts wieder zur Verfügung stehenden Grundstücks, wobei einer allenfalls
dem Bauberechtigten für die Bauten zu leistenden Entschädigung angemessen
Rechnung zu tragen ist (BGE 112 Ib 514 E. 4a S. 521). Vorliegend handelt es
sich um eine Teilenteignung, bei welcher sich die Minderwertentschädigung aus
der Gegenüberstellung der Situation mit und ohne Fluglärm berechnet. Zu prüfen
sind demnach die etwaigen Auswirkungen der Immissionen auf den Baurechtszins,
den Wert der Liegenschaft nach Ablauf des Baurechtes und die Höhe der
Heimfallentschädigung, da diese drei Faktoren bei der Entschädigungsberechnung
ausschlaggebend sind.
Bis zum Ablauf des Baurechtsvertrags Ende 2048 hat der Fluglärm keinerlei
Einfluss auf die Höhe des vertraglich festgelegten Baurechtszinssatzes. Die
Beschwerdeführerin macht denn auch nicht geltend, der Baurechtszins sei seit
dem dies aestimandi wegen des Fluglärms reduziert worden. Nicht zu
berücksichtigen ist, dass die Beschwerdeführerin ihrer Vertragspartnerin mit
dem tiefen Zins eine verdeckte Subvention gewährt haben will. Wie die Enteigner
zu Recht anführen und wie sich auch aus dem Baurechtsvertrag ergibt, bezweckte
die Beschwerdeführerin mit der Einräumung der Dienstbarkeit, den sozialen
Wohnungsbau zu fördern. Damit hat sie den tiefen Zins freiwillig in Kauf
genommen. Ein Käufer des Baurechtsgrundstückes könnte aufgrund des
Baurechtsvertrages keinen höheren Baurechtszins realisieren, sondern wäre an
den vereinbarten Satz gebunden. Der Wert der Liegenschaft lässt sich darum kaum
mit demjenigen von ähnlich gelagerten Objekten vergleichen.
Der Heimfall erfolgt unentgeltlich. Infolgedessen kann sich die
Beeinträchtigung durch den Fluglärm auch nicht in der Höhe einer etwaigen
Heimfallentschädigung widerspiegeln.
Was die Wertberechnung des nach Ablauf des Baurechts wieder zur Verfügung
stehenden Grundstückes anbelangt, ist dieser wie erwähnt auf den
Schätzungszeitpunkt zu diskontieren. Dabei fragt sich, welcher Zinssatz bzw.
Abzinsungsfaktor zu wählen ist. Die Enteigner halten den Satz von 4,5 % für
anwendbar, doch dürfte dieser angesichts des schon längere Zeit anhaltenden
tiefen Zinsniveaus wohl auch niedriger angesetzt werden. Die Frage braucht
BGE 134 II 182 S. 185
nicht abschliessend beantwortet zu werden, da sich der auf den
Bewertungsstichtag abgezinste Wert auch bei Wahl eines Zinses von 3 % nur auf
einen Fünftel des Wertes im Jahre 2048 beläuft (vgl. Das Schweizerische
Schätzerhandbuch, Bewertung von Immobilien, Ausgabe 2005, Schweiz. Vereinigung
kantonaler Grundstücksbewertungsexperten SVK und Schweiz.
Schätzungsexpertenkammer/Schweiz. Verband der Immobilien-Treuhänder SEK/SVIT
[Hrsg.], S. 266, Abzinsungsfaktor für eine Dauer von 50 Jahren: 0.223107).
Ausgehend von einem Zins von 4,5 %, sinkt der heutige Wert bzw. derjenige am
dies aestimandi auf einen Zehntel (Abzinsungsfaktor 0.110710). Beläuft sich
somit der diskontierte, für die Schadensermittlung massgebende Wert des
Grundstückes nur noch auf einen Bruchteil des vollen Bodenwertes, so kann der
im gleichen Masse verminderte Vergleichswert keinen schweren Schaden im Sinne
der Rechtsprechung darstellen.

11.3 Daraus folgt, dass die Schätzungskommission die Entschädigungsforderung
der Beschwerdeführerin mangels eines schweren Schadens zu Recht abgewiesen hat.