Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 452



Urteilskopf

134 III 452

74. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. SAirGroup in
Nachlassliquidation gegen Zürcher Kantonalbank (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_29/2007 vom 29. Mai 2008

Regeste

Art. 288 SchKG; Absichtsanfechtung; Rückzahlung eines Bankdarlehens in
Teilbeträgen. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung von
Darlehensrückzahlungen (E. 2-8).

Sachverhalt ab Seite 452

BGE 134 III 452 S. 452

A. Die SAirGroup ging im Jahre 1997 durch Änderung der Firma aus der Swissair
Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft hervor. Sie war eine
Holdinggesellschaft mit Anteilen an verschiedenen im Fluggeschäft tätigen
Firmen, unter anderem der SAirLines
BGE 134 III 452 S. 453
mit der neu gegründeten, für den eigentlichen Flugbetrieb zuständigen Swissair
Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft. Die SAirGroup musste am 2. April
2001 einen Konzernverlust für das Geschäftsjahr 2000 von rund 2,8 Milliarden
Franken öffentlich bekannt geben.

B. Die Zürcher Kantonalbank stand mit der einstigen "Swissair" wie auch mit der
SAirGroup und ihren Tochtergesellschaften über Jahre hinweg in
Geschäftsbeziehungen. Am 17./19. August 1999 gewährte sie der SAirGroup einen
Kredit von 100 Mio. Franken (Blankolimite). Der Kredit wurde voll in Anspruch
genommen und mehrfach verlängert. Am 2. Juli 2001 vereinbarten die
Geschäftspartner, dass die SAirGroup die Zürcher Kantonalbank umgehend
informiere, wenn eine Bank ihr Kreditengagement bzw. ihre bestätigten
Kreditlimiten gegenüber der SAirGroup reduzieren oder vollständig aufheben
sollte, und dass die Zürcher Kantonalbank den festen Vorschuss zur sofortigen
Rückzahlung fällig stellen könne bei ausbleibender Information wie auch bei
einer Reduktion eines Kreditengagements bzw. einer Reduktion oder Aufhebung
einer bestätigten Kreditlimite durch Drittbanken. Gestützt auf die
Kreditvereinbarungen zahlte die SAirGroup die folgenden Beträge an die Zürcher
Kantonalbank:
- 21.08.2001 (Valuta 22.08.2001) CHF 30 Mio. plus CHF 234'222.20 Zins;
- 05.09.2001 (Valuta 06.09.2001) CHF 30 Mio. plus CHF 153'708.35 Zins;
- 27.09.2001 (Valuta 27.09.2001) CHF 20 Mio. plus CHF 128'333.35 Zins,
insgesamt also CHF 80'516'263.90. Am 2. Oktober 2001 musste die SAirGroup ihren
Flugbetrieb einstellen (sog. Grounding).

C. Am 5. Oktober 2001 wurde der SAirGroup die provisorische Nachlassstundung
bewilligt. Das Bezirksgericht Zürich bestätigte den vorgeschlagenen
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung am 20. Juni 2003. Die Verfügung wurde am
26. Juni 2003 rechtskräftig.

D. Mit Klage vom 17. Juni/16. November 2005 beantragte die SAirGroup in
Nachlassliquidation, es sei die Zürcher Kantonalbank gerichtlich zu
verpflichten, ihr CHF 80'516'263.90 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 8. Juni 2005
zu bezahlen. Ihre Ansprüche stützte sie auf den Tatbestand der
Absichtsanfechtung gemäss Art. 288 SchKG. Die Zürcher Kantonalbank schloss auf
Abweisung. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage ab (Urteil vom
10. Januar 2007).
BGE 134 III 452 S. 454

E. Dem Bundesgericht beantragt die SAirGroup in Nachlassliquidation, ihre Klage
gutzuheissen, eventuell die Sache zur Neubeurteilung an das Handelsgericht
zurückzuweisen. Ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde abgewiesen, das
Verfahren aber bis zum Entscheid des kantonalen Kassationsgerichts über die
gleichzeitig gegen das handelsgerichtliche Urteil erhobene
Nichtigkeitsbeschwerde sistiert (Präsidialverfügung vom 16. Februar 2007). Das
Kassationsgericht trat auf die Beschwerde nicht ein (Zirkulationsbeschluss vom
15. November 2007). Die SAirGroup in Nachlassliquidation hat ihre Beschwerde
mit den gleichen Sachanträgen erneuert und ergänzt. Die Zürcher Kantonalbank
schliesst auf Abweisung, soweit auf die Beschwerde eingetreten werden könne.
Das Handelsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht
heisst die Beschwerde und die Klage gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Anfechtbar sind gemäss Art. 288 SchKG alle Rechtshandlungen, welche der
Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder
Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat,
seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer
zu begünstigen. Der "Absichtsanfechtung" (Marginalie zu Art. 288 SchKG)
unterliegen gemäss Art. 331 Abs. 1 SchKG auch Rechtshandlungen, die der
Schuldner vor der Bestätigung des Nachlassvertrages vorgenommen hat. Obwohl das
Gesetz sie nicht ausdrücklich erwähnt, ist - neben der Schädigungsabsicht und
deren Erkennbarkeit - weitere Voraussetzung der Absichtsanfechtung, dass die
angefochtene Handlung des Schuldners die Gläubiger oder einzelne von ihnen
tatsächlich schädigt. Denn mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der
Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung gemäss
Art. 286-288 SchKG entzogen worden sind (Art. 285 Abs. 1 SchKG). Die
Anfechtungsklage dient der Wiedergutmachung eines den Gläubigern oder einem
Teil davon zugefügten Nachteils. Sie setzt eine Gläubigerschädigung sowie die
Schädigungsabsicht des Schuldners und die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht
für den Dritten voraus (vgl. BGE 29 II 747 E. 6 S. 753; BGE 99 III 27 E. 3 S.
32 f.). Alle drei Voraussetzungen hat zu beweisen, wer aus der Erfüllung des
Tatbestandes gemäss Art. 288 SchKG Rechte ableitet (vgl. Art. 8 ZGB), in der
Regel also der Anfechtungskläger und hier die Beschwerdeführerin (BGE 24 II 918
E. 7 S. 926; BGE 33 II 665 E. 4 S. 668 und die seitherige Rechtsprechung).
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3. Die Voraussetzung der Gläubigerschädigung hat das Handelsgericht nicht
eigens erörtert und als offenkundig angenommen.

3.1 Eine Schädigung der Gläubiger tritt in der Regel nicht ein, wenn die
angefochtene Rechtshandlung im Austausch gleichwertiger Leistungen besteht, es
sei denn, der Schuldner habe mit dem Geschäft den Zweck verfolgt, über seine
letzten Aktiven zum Schaden der Gläubiger verfügen zu können, und sein
Geschäftspartner habe das erkannt oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit
erkennen müssen (BGE 130 III 235 E. 2.1.2 S. 238). Die Rückzahlung eines
Darlehens ist nicht die (gleichwertige) Gegenleistung für dessen Gewährung,
sondern die Erfüllung der mit der Darlehensaufnahme eingegangenen Pflicht zu
späterer Rückzahlung. Die Darlehensrückzahlung an Gläubiger, denen weder ein
Konkursprivileg noch ein dingliches Vorrecht zusteht, schädigt die übrigen
Gläubiger, indem sie das Vollstreckungsergebnis oder ihren Anteil daran
vermindert, und begünstigt die befriedigten gegenüber den verbleibenden
Gläubigern (vgl. BGE 99 III 27 E. 3-5 S. 32 ff.).

3.2 Den angefochtenen Rückzahlungen von insgesamt 80 Mio. Franken nebst Zins
hat ein ungesicherter Kredit zugrunde gelegen. Die Teilrückzahlungen dieses
Kredits haben die Beschwerdegegnerin begünstigt und zumindest die anderen
Drittklassgläubiger durch Verminderung des der Vollstreckung unterliegenden
Vermögens geschädigt. Im Lichte der Rechtsprechung ist der Einwand
unberechtigt, die Teilrückzahlungen seien die Gegenleistung für die teilweise
Verlängerung des bestehenden Kredits. Zwischen der Gewährung eines neuen
Darlehens und der Verlängerung eines früher gewährten Darlehens bestehen keine
Unterschiede. Die Rückzahlung des Darlehens stellt in beiden Fällen keine
Gegenleistung dar. Sie ist die Erfüllung der vertraglich begründeten
Verpflichtung und als solche unabhängig von der Aufnahme oder Verlängerung des
Darlehens anfechtbar. Der Zweck des Darlehens, einem Schuldner in finanziellen
Schwierigkeiten zu helfen, ist für die Gläubigerschädigung - anders als für die
Schädigungsabsicht und deren Erkennbarkeit (E. 5 hiernach) - nicht entscheidend
(vgl. BGE 99 III 27 E. 5 S. 37 f.).

3.3 Aus den dargelegten Gründen muss die Voraussetzung der Gläubigerschädigung
durch die Darlehensrückzahlung von insgesamt 80 Mio. Franken nebst Zins als
erfüllt betrachtet werden.

4. Der Tatbestand gemäss Art. 288 SchKG setzt weiter voraus, dass der Schuldner
die anfechtbare Handlung in der dem andern Teile
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erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder
einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.

4.1 Schädigungsabsicht liegt vor, wenn der Schuldner voraussehen konnte und
musste, dass die angefochtene Handlung Gläubiger benachteiligt oder einzelne
Gläubiger gegenüber anderen bevorzugt. Nicht erforderlich ist, dass der
Schuldner mit seiner Handlung die Benachteiligung von Gläubigern oder die
Begünstigung einzelner Gläubiger geradezu bezweckt hat. Es genügt vielmehr,
wenn sich der Schuldner darüber hat Rechenschaft geben können und müssen und
gleichsam in Kauf genommen hat, dass als natürliche Folge seiner Handlung
Gläubiger geschädigt werden (BGE 21 I 660 E. 4 S. 669; BGE 83 III 82 E. 3a S.
85). Die direkte oder indirekte Schädigungsabsicht des Schuldners betrifft
zunächst eine innere Tatsache und lässt sich unmittelbar nur durch die
Parteiaussage beweisen, im Übrigen aber bloss durch Schlussfolgerungen aus dem
äusseren Verhalten der betreffenden Person und den äusseren Gegebenheiten, die
auf sie eingewirkt haben (Tatfrage). Gestützt darauf ist zu beurteilen, ob
begrifflich eine Schädigungsabsicht im Sinne von Art. 288 SchKG vorgelegen hat
(Rechtsfrage; vgl. zur Abgrenzung: BGE 26 II 617 E. 4 S. 620, abweichend von
BGE 21 I 279 E. 6 S. 286, und die seitherige Rechtsprechung, z.B. BGE 33 II 665
E. 3 S. 667; BGE 55 III 80 E. b S. 87).

4.2 Voraussetzung des Tatbestandes gemäss Art. 288 SchKG ist schliesslich die
Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht für den Dritten. Als erkennbar zu gelten
hat alles, was bei Anwendung der durch die konkreten Verhältnisse gebotenen
Aufmerksamkeit ohne Fahrlässigkeit erkannt werden konnte (vgl. BGE 21 I 279 E.
6 S. 286 f.; BGE 30 II 160 E. 5 S. 164). Es genügt, wenn der Dritte bei der ihm
nach den Umständen zumutbaren Aufmerksamkeit die Gläubigerschädigung als
natürliche Folge der angefochtenen Handlung hätte vorhersehen können und müssen
(BGE 83 III 82 E. 3b S. 86; BGE 99 III 89 E. 4b S. 91 f.). Eine unbeschränkte
Erkundigungspflicht wird damit nicht aufgestellt. Vielmehr kann Sorgfalt nur
verlangt werden, wenn und soweit dazu Anlass besteht. Im Allgemeinen braucht
sich niemand darum zu kümmern, ob durch ein Rechtsgeschäft die Gläubiger seines
Kontrahenten geschädigt werden oder nicht. Nur wenn deutliche Anzeichen dafür
sprechen, dass eine Schädigung beabsichtigt ist, darf vom Begünstigten eine
sorgfältige Prüfung verlangt werden, ob jene Absicht wirklich bestehe oder
nicht (BGE 30 II 160 E. 5 S. 165; BGE 37 II 303
BGE 134 III 452 S. 457
E. 6 S. 310). Die Pflicht oder - genauer - Obliegenheit, den Schuldner zu
befragen und die notwendigen Erkundigungen einzuziehen, setzt nicht bloss
"Anzeichen" für eine Benachteiligung voraus (BGE 99 III 89 E. 4b S. 92),
sondern weiterhin "deutliche Anzeichen" (Urteil 5C.3/2007 vom 9. August 2007,
E. 3.4). In Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu
beurteilen, ob der Dritte die Schädigungsabsicht des Schuldners im Zeitpunkt
der Vornahme der anfechtbaren Handlung wirklich erkannt hat (Tatfrage) oder bei
pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen (Rechtsfrage;
vgl. zur Abgrenzung: BGE 21 I 279 E. 6 S. 286 f. und die seitherige
Rechtsprechung, z.B. BGE 33 II 665 E. 4 S. 668).

4.3 Schädigungsabsicht und deren Erkennbarkeit durch Organe oder
rechtsgeschäftlich bestellte Stellvertreter sind der juristischen Person bzw.
dem Vertretenen anzurechnen (vgl. SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires,
Basel 1997, N. 83-85, und A. STAEHELIN, Basler Kommentar, 1998, N. 17, je zu
Art. 288 SchKG; seither: Urteil 5P.143/2000 vom 2. Oktober 2000, E. 3).

5. Das Handelsgericht hat die Rechtslage zutreffend dargestellt, dann aber
angenommen, das monatelange, von der Öffentlichkeit verfolgte und diskutierte
Bemühen zur Sanierung der SAirGroup müsse bei der Würdigung der
Schädigungsabsicht und deren Erkennbarkeit massgeblich berücksichtigt werden.
Streitig ist vor Bundesgericht, nach welchem Massstab die Schädigungsabsicht
und deren Erkennbarkeit zu beurteilen sind, wenn anfechtbare Rechtshandlungen
während und im Rahmen einer Sanierung des Schuldners erfolgen.

5.1 Das Handelsgericht hat festgehalten, die SAirGroup habe in erkennbarer
Weise mit Beginn des Jahres 2001 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt
und sei Anfang April 2001 in die Sanierungsphase getreten. Es ist davon
ausgegangen, in einer Sanierungsphase sei allen bewusst, dass kurzfristig,
während der folgenden Monate, positive Lösungen gesucht und negative
Entwicklungen vermieden oder eingedämmt werden müssten, wobei auf längere
Sicht, ein Jahr und mehr, ein Scheitern nicht ausgeschlossen werden könne. Die
Legitimation für Sanierungsbemühungen in Bezug auf eine nicht überschuldete
Gesellschaft stehe ausser Frage. Die anderen Lösungen, z.B. eine freiwillige
Liquidation, erschienen gerade bei Publikumsgesellschaften mit ihren vielen
Mitarbeitern, Verpflichtungen und Verflechtungen als völlig unpraktikabel, weil
sie von vornherein massivste Wertverluste für die Aktionäre und die Gläubiger
zur Folge
BGE 134 III 452 S. 458
hätten. Sanierungsbemühungen würden somit in aller Regel - und davon dürfe auch
vorliegend ausgegangen werden - im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger und
auch der Aktionäre unternommen. Sie setzten grundsätzlich die Fortsetzung des
Geschäftsbetriebs mit Fortführungswillen mehr oder weniger im Sinne eines
"courant normal" voraus. Zur Führung eines Geschäftsbetriebs gehörten die
Generierung von Einnahmen und die Geltendmachung von Rechten, aber auch die
Erfüllung von Verpflichtungen, insbesondere die Bezahlung von Schulden. Erstere
Verhaltensweisen bildeten die Voraussetzung der Gewinnerzielung, letztere
schafften Vertrauen, was wiederum ersteren diene. Das Handelsgericht hat daraus
gefolgert, es könne nun nicht der Zweck der Anfechtungsklage sein, echte
Sanierungsbemühungen mit der Gefahr einer späteren Rückgängigmachung von
Rechtshandlungen zu belasten. Die Geschäftspartner der zu sanierenden
Gesellschaft dürften in der Regel davon ausgehen, diese sei mindestens auf
absehbare Zeit in der Lage, ihren fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen,
weshalb man auch von ihr ohne Risiko Erfüllungshandlungen entgegennehmen könne.
Von daher gesehen dürfe für die Anwendung von Art. 288 SchKG nicht einfach das
Wissen um die "schlechte Lage" genügen. Es müsse vielmehr zur Bejahung der
Anfechtungsklage um die Erkenntnis (beim Schuldner auch um das Erkennenmüssen,
beim Gläubiger um das Erkennensollen) gehen, dass die Sanierung mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich sei, dass nur mehr die Liquidation
bleibe. In der Sanierungsphase sei eine Gleichbehandlung der Gläubiger - wie
sie dem Anfechtungsrecht zugrunde liege - per definitionem nicht möglich, in
der Liquidationsphase, die aus Sicht von Art. 288 SchKG schon mit besagter
Erkenntnis beginne, sei sie Pflicht.

5.2 Nach der Rechtsprechung hat die Anfechtungsklage nicht zum Zweck, alle
Versuche zur Rettung des Schuldners unmöglich oder sehr gefährlich zu machen.
Es liegt im Interesse der Gläubiger, dass Dritte versuchen, dem Schuldner zu
Hilfe zu kommen, ohne Gefahr zu laufen, im Falle der Nutzlosigkeit der
Bemühungen das Entgelt für ihre Leistungen zurückzahlen zu müssen (BGE 78 III
83 E. 2 S. 87/ 88). Die Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass es
erlaubt ist, dem Schuldner "aus der Klemme zu helfen" (BGE 33 II 345 E. 6 S.
349), und demzufolge die Anfechtungsklage nicht verhindern will, dass einem
bedrängten Schuldner durch Gewährung von Zahlungsmitteln geholfen wird, sofern
nur diese Hilfe ernstlich als erfolgverheissend betrachtet werden kann (BGE 53
III 78 S. 80; BGE 74 III 48
BGE 134 III 452 S. 459
E. 4 S. 52 ff.; BGE 79 III 78 E. 4 S. 83 ff.). Diese Zahlungsmittel müssen
dabei zum besonderen Zweck der Sanierung gewährt worden sein und nicht bloss
mit der Absicht, Geld kurzfristig und zu hohem Zins anzulegen (BGE 99 III 27 E.
5 S. 37).

5.3 Die Lehre hat der Praxis mehrheitlich zugestimmt. Wenn versucht wird, einem
bedrängten, aber noch nicht in gänzlich aussichtsloser Lage befindlichen
Schuldner das Durchhalten zu ermöglichen, dann soll der besondere
Entstehungsgrund der Rückzahlungsverpflichtung berücksichtigt werden mit der
Folge, die Begünstigungsabsicht auf Seiten des Schuldners und ihre
Erkennbarkeit für den Dritten zu verneinen (vgl. MERZ, Die Rechtsprechung des
Bundesgerichts in den Jahren 1949-1952, ZBJV 90/1954 S. 168; CASTELLA, La
connivence du bénéficiaire de l'acte révocable d'après l'art. 288 LP, JdT 1956
II S. 67, 79 f.). Damit ein besonderer Behandlung würdiges Sanierungsdarlehen
angenommen werden kann, müssen berechtigte, die Wahrscheinlichkeit einer
günstigen Prognose hinsichtlich der Vermögensentwicklung des Schuldners
eindeutig rechtfertigende Hoffnungen gegeben sein. Ist diese Voraussetzung
erfüllt, liegt die Abwicklung des ganzen Geschäfts, umfassend Gewährung und
Rückzahlung des Darlehens, nicht nur im Interesse des Darlehensgebers, sondern
im Interesse auch aller anderen Gläubiger des Schuldners. In einem solchen Fall
darf deshalb die Frage nach einer Schädigungsabsicht und deren Erkennbarkeit
nicht isoliert, bezogen bloss auf die Rückzahlung gestellt werden. Aufnahme und
Rückzahlung des Darlehens sind vielmehr als Einheit zu würdigen. Nur auf diese
Weise kann die Schutzwürdigkeit der Interessen des Darlehensgebers und der
übrigen Gläubiger in ein richtiges Verhältnis gebracht werden (vgl. HINDERLING,
Aspekte der Absichtsanfechtung nach Art. 288 SchKG, in: Ausgewählte Schriften,
Zürich 1982, S. 257 ff., 264 f.; vgl. zum fehlgeschlagenen Sanierungsversuch,
z.B. für das deutsche Recht: GOTTWALD/HUBER, Insolvenzrechts-Handbuch, 3.
Aufl., München 2006, § 48 N. 18 S. 844 f.; BAUR/STÜRNER, Zwangsvollstreckungs-,
Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. II, 12. Aufl., Heidelberg 1990, § 19 N. 13 S.
262).

5.4 Die weitergehende Rechtsauffassung des Handelsgerichts kann nicht geteilt
werden. Sie schränkt den Anwendungsbereich der Absichtsanfechtung ein und führt
zu einer Ungleichbehandlung der Gläubiger, je nachdem, ob die anfechtbare
Handlung des Schuldners in der - zeitlich schwer eingrenzbaren -
Sanierungsphase erfolgt ist oder vor Beginn der Sanierungsphase, aber noch
innerhalb der
BGE 134 III 452 S. 460
gesetzlichen Frist von fünf Jahren vor der Bewilligung der Nachlassstundung
oder des Konkursaufschubs (Art. 288 i.V.m. Art. 331 Abs. 2 SchKG). In Anwendung
der Art. 285 ff. SchKG können zwar Bemühungen um die Sanierung von Unternehmen
berücksichtigt werden, doch nicht in einer Weise, dass jegliche
Anfechtungsklage ab einem bestimmten Zeitpunkt faktisch ausgeschlossen wäre.
Die SchKG-Revision von 1994/97 sah von der Schaffung eines eigentlichen
Sanierungsrechts für Unternehmen ausdrücklich ab (vgl. Botschaft vom 8. Mai
1991 über die Änderung des SchKG, BBl 1991 III 1, S. 8 f.) und beschränkte sich
diesbezüglich auf punktuelle Änderungen und Ergänzungen im Rahmen des geltenden
Rechts (vgl. die Voten in AB 1993 N 43 f. und S 631 f.). Die als Folge des
Zusammenbruchs der "Swissair" im Sommer 2003 eingesetzte Expertengruppe
"Nachlassverfahren" hat das Problem der Sanierungsdarlehen erörtert (vgl.
Bericht vom April 2005, S. 43), auf einen Vorschlag für eine gesetzliche
Regelung aber verzichtet (vgl. Bericht vom Juni 2008, S. 29).

5.5 Insgesamt besteht kein sachlicher Grund, von der bisherigen Rechtsprechung
abzuweichen und künftigen Lösungen des Gesetzgebers vorzugreifen. Eine weniger
strenge Beurteilung der Schädigungsabsicht und der Erkennbarkeit der
Schädigungsabsicht rechtfertigt deshalb nicht schon die Tatsache, dass sich ein
Schuldner in wirtschaftlichen Schwierigkeiten um Sanierung bemüht.
Vorausgesetzt ist vielmehr, dass die Sanierungsbemühungen als
erfolgversprechend erscheinen und dass das Darlehen, dessen Rückzahlung
angefochten wird, zum Zweck der Sanierung und damit auch im Interesse der
übrigen Gläubiger gewährt wurde.

6. Bei objektiver Betrachtungsweise kann auf Grund des festgestellten
Sachverhalts nicht von einem Sanierungsdarlehen ausgegangen werden.

6.1 Ein Beitrag zur Sanierung muss zwar nicht zwingend in der Gewährung neuer
Zahlungsmittel bestehen. Es kann auch die blosse Verlängerung eines früher
gewährten Darlehens zur Sanierung beitragen, wenn wie hier die
Beschwerdegegnerin auf Grund der Kreditvereinbarung berechtigt war, das
Darlehen jederzeit nach freiem Ermessen sofort zur Rückzahlung fällig zu
stellen. Dass die Beschwerdegegnerin davon absah und das Darlehen im März 2001
um drei Monate verlängerte, entsprach indessen lediglich ihrer bisherigen
Praxis und hatte nicht den Zweck, die ab Beginn des Jahres 2001 erkennbar in
wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende
BGE 134 III 452 S. 461
SAirGroup bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Die späteren
Absprachen zwischen der Beschwerdegegnerin und der SAirGroup, insbesondere die
Vereinbarung vom 2. Juli 2001, belegen, dass es der Beschwerdegegnerin vorab um
die Gleichstellung mit anderen Kreditgebern gegangen ist. Sie wollte informiert
werden und Darlehensrückzahlungen erhalten, wenn die SAirGroup Kredite anderer
Darlehensgeber bedienen musste ("pari passu"-Klausel). Die Beschwerdegegnerin
hat im Vergleich mit anderen Kreditgebern weder Sonderleistungen versprochen
noch ein eigentliches Entgegenkommen gezeigt noch die Sanierung direkt
unterstützt, sondern nach der Mitteilung von Zahlungen an andere Kreditgeber
ihrerseits Teilbeträge des Darlehens nebst Zins sofort fällig gestellt und ohne
Rücksicht auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der SAirGroup eingefordert.
Dass die Beschwerdegegnerin zu diesem Vorgehen mit Rücksicht auf ihre
Anteilseigner und Gläubiger berechtigt war, steht ausser Diskussion. Unter dem
Blickwinkel der zu prüfenden Frage aber unterscheidet sich die
Beschwerdegegnerin mit ihrem Verhalten nicht von anderen gewöhnlichen
Kreditgebern.

6.2 Die Darlehensrückzahlungen standen für die SAirGroup nicht im Zusammenhang
mit der Sanierung, sondern entsprachen ihrer gegenüber den Banken und auch der
Beschwerdegegnerin bekannt gegebenen Kreditpolitik. Sie erfolgten somit weder
vor dem Hintergrund, die eingeleitete Sanierung nicht zu gefährden, noch unter
dem Druck, einen drohenden Konkurs abzuwenden. Sie waren vielmehr Teil der bis
zum Schluss verfolgten Kreditpolitik, mit ein paar wenigen Kreditgebern
zusammenzuarbeiten ("key relationship banks") und die Schulden, namentlich die
ungesicherten Bankschulden bei den übrigen Kreditgebern mittelfristig
zurückzuzahlen ("accelerated debt repayment programme"). Die Beschwerdegegnerin
sollte nicht zu diesen Hauptkreditgebern gehören und ihre Darlehen
zurückbezahlt erhalten. Die SAirGroup könnte die Darlehensrückzahlungen deshalb
nicht unter dem Hinweis auf ihre Sanierungsbemühungen rechtfertigen. Es kann
deshalb dahingestellt bleiben, ob die SAirGroup über ein taugliches
Sanierungskonzept verfügt hat. Mit einer Sanierung sind die
Darlehensrückzahlungen nicht in Zusammenhang gestanden.

6.3 Aus den dargelegten Gründen kann nicht auf die Rechtsprechung zum
Sonderfall der Sanierungsdarlehen abgestellt werden (E. 5 hiervor). Ob die
SAirGroup das Darlehen an die Beschwerdegegnerin in der dieser erkennbaren
Absicht zurückbezahlt hat, ihre Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne
Gläubiger zum Nachteil anderer
BGE 134 III 452 S. 462
zu begünstigen, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen (E. 4
hiervor).

7. Das Handelsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob und ab wann auf Seiten
der SAirGroup eine Schädigungsabsicht bestand. Es hat direkt geprüft, ob die
Beschwerdegegnerin eine allenfalls vorhandene Schädigungsabsicht hätte erkennen
können und müssen.

7.1 Die Vorgehensweise des Handelsgerichts ist zwar nicht unzulässig (z.B. BGE
30 II 133 E. 4 S. 138). Der festgestellte Sachverhalt erlaubt aber die
Beurteilung der Schädigungsabsicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren (E. 4.1
hiervor). Beide Parteien haben die Gelegenheit wahrgenommen, sich dazu vor
Bundesgericht zu äussern.

7.2 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass sich die SAirGroup ihrer
finanziellen und strukturellen Schwierigkeiten ab Beginn des Jahres 2001
bewusst war. Sie musste im April 2001 einen Rekordverlust von 2,8 Milliarden
Franken für das Vorjahr bekannt geben, ihre oberste Geschäftsleitung
auswechseln und die Liquidität durch eine neue Kreditlinie über eine Milliarde
Franken absichern. Sie stellte den Bankenvertretern am 11. Juli 2001 einen
"Restructuring Plan" vor, worin eine Verringerung der Schulden um 550 Mio.
Franken zwischen 31. März 2001 und 30. Juni 2001 verzeichnet und eine
Reduzierung der Verschuldung um 2 Milliarden Franken bis Ende 2002 angekündigt
wurde. Am 18./19. Juli 2001 übergab sie den Banken ein Informationspaket
("Interim Information Disclosure for Lenders"). Danach sollten die Erlöse aus
Verkäufen von Unternehmensteilen der Rückzahlung der Darlehen dienen. Am 30.
August 2001 musste die SAirGroup eine Halbjahresbilanz bekannt geben, die ein
düsteres Bild zeichnete. Gleichzeitig orientierte sie über konkrete Schritte zu
Verkäufen in den Bereichen "Swissport" und "Nuance Group". Am 11. September
2001 ereignete sich der Terroranschlag in New York, der zwangsläufig
Auswirkungen auf das Fluggeschäft hatte.

7.3 In Kenntnis der schwierigen Finanzlage verfolgte die SAirGroup eine
beständige Kreditpolitik. Die Beschwerdegegnerin sollte nicht zu den
Hauptkreditgebern der SAirGroup gehören und ihre Darlehen mittelfristig
zurückbezahlt erhalten (vgl. E. 6.2 hiervor). Gestützt auf die Vereinbarung vom
2. Juli 2001 (vgl. E. 6.1 hiervor) und in Übereinstimmung mit ihrer
Kreditpolitik teilte die SAirGroup der Beschwerdegegnerin jeweilen mit, wenn
andere Kredite bedient werden mussten, und zahlte die von der
Beschwerdegegnerin fällig gestellten Teilbeträge am 21. August, am 5. September
und
BGE 134 III 452 S. 463
27. September 2001 zurück. Dabei ersuchte sie zwar förmlich um Verlängerung des
Darlehens im bisherigen Umfang; besondere Anstrengungen, die Beschwerdegegnerin
im Sinne eines Beitrags zur Sanierung zu weitergehendem Entgegenkommen zu
bewegen, unternahm die SAirGroup im Zusammenhang mit dem Kredit über 100 Mio.
Franken jedoch nicht. Sie beglich die fällig gestellten Darlehensbeträge
jeweilen auf erste Aufforderung hin anstandslos.

7.4 Für die Beurteilung der Schädigungsabsicht ist insgesamt entscheidend, dass
die SAirGroup bereits vor der ersten angefochtenen Darlehensrückzahlung am 21.
August 2001 über ihre finanzielle Notlage im Bilde war. Sie hatte Schulden in
der Höhe von mehr als zwei Milliarden Franken und konnte ihre Liquidität
praktisch nur über Fremdmittel sicherstellen (Verlautbarungen vom April und
Juli 2001). Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verbesserten sich auch in den
Monaten August und September 2001 nicht, zumal der beabsichtigte Verkauf von
Unternehmensteilen noch nicht stattgefunden hatte und ihr deshalb keine neuen
Eigenmittel zugeflossen waren. Gleichwohl bezahlte sie der Beschwerdegegnerin
rund 80,5 Mio. Franken an Darlehensschulden in drei Teilbeträgen zurück. In
Anbetracht ihres Wissens um die schlechte finanzielle Lage muss davon
ausgegangen werden, dass die SAirGroup zumindest in Kauf genommen hat, durch
ihre drei Zahlungen an die Beschwerdegegnerin könnten andere Gläubiger
geschädigt werden.

7.5 Aus den dargelegten Gründen muss die Voraussetzung der Schädigungsabsicht
im Sinne von Art. 288 SchKG als erfüllt betrachtet werden.

8. Das Handelsgericht hat die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht verneint,
seiner Beurteilung aber einen unzutreffenden Massstab zugrunde gelegt (E. 5 und
6 hiervor). Nach allgemeinen Grundsätzen ergibt sich Folgendes:

8.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die SAirGroup in erkennbarer
Weise jedenfalls mit Beginn des Jahres 2001 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
steckte und nicht bloss vor konjunkturellen, sondern vor strukturellen
Problemen stand. Gleichwohl verlängerte die Beschwerdegegnerin das Darlehen im
März 2001 um drei Monate, wie sie das bis anhin bereits viermal getan hatte.
Sie äusserte gegenüber der SAirGroup an deren Bonität zwar Zweifel, unterliess
aber weitere Abklärungen. Spätestens im April 2001 erhielt die
Beschwerdegegnerin davon Kenntnis, dass die SAirGroup im Vorjahr
BGE 134 III 452 S. 464
einen Verlust von 2,8 Milliarden Franken erlitten hatte, ihre oberste
Geschäftsleitung erneuerte und ihre Liquidität durch eine zusätzliche
Kreditlinie von einer Milliarde Franken bei drei Grossbanken absichern musste.
Nachdem sie von der Verpfändung eines Aktienpakets durch die SAirGroup an eine
Drittbank im Mai 2001 aus der Presse erfahren hatte, verlängerte die
Beschwerdegegnerin das Darlehen ab 1. Juni 2001 nur noch um einen Monat statt
um drei Monate und trat mit der SAirGroup in Verhandlungen, die mit der
Vereinbarung vom 2. Juli 2001 endeten. Danach war die SAirGroup verpflichtet,
die Beschwerdegegnerin insbesondere über die Rückzahlung von Krediten an andere
Banken zu informieren, und die Beschwerdegegnerin berechtigt, im Falle
derartiger Rückzahlungen ihrerseits das gewährte Darlehen gegenüber der
SAirGroup mit sofortiger Wirkung fällig zu stellen. Den Vertretern mehrerer
Banken, unter anderem der Beschwerdegegnerin, wurde am 11. Juli 2001 von Seiten
der SAirGroup ein "Restructuring Plan" vorgestellt und am 18./19. Juli 2001 ein
Informationspaket mit dem Titel "Interim Information Disclosure for Lenders"
übergeben. Danach sollten die Erlöse aus Verkäufen von Unternehmensteilen der
Rückzahlung der Darlehen dienen. Auf Grund der Mitteilung der SAirGroup, dass
eine Drittbank einen Kredit von 30 Mio. Franken nicht mehr verlängere,
verlangte die Beschwerdegegnerin die sofortige Rückzahlung von 30 Mio. Franken
nebst Zins per 22. August 2001.

8.2 Für die Zeit nach der ersten Darlehensrückzahlung steht weiter verbindlich
fest, dass die SAirGroup am 30. August 2001 einen Halbjahresabschluss bekannt
geben musste, der ein düsteres Bild zeichnete. Das schlechte Halbjahresergebnis
wurde gegenüber den Kreditgebern kommentiert und in einem Medienbulletin vom
gleichen Tag der Öffentlichkeit erläutert. Darin hiess es, die SAirGroup habe
Vereinbarungen, um Verluste bei anderen Fluggesellschaften zu stoppen,
erfolgreich abgeschlossen und konkrete Schritte zu den bereits angekündigten
Verkäufen von Unternehmensteilen in den Bereichen "Swissport" und "Nuance
Group" unternommen. Aus dem Erlös sollten insbesondere ungesicherte
Bankschulden zurückbezahlt werden, um - im Sinne der erwähnten Kreditpolitik
(E. 6.2 hiervor) - die Zahl der Kreditgeber zu vermindern und mit einer
kleineren Gruppe von Kreditgebern die Geschäftsbeziehungen fortzusetzen. Per
Ende August 2001 lehnte die Beschwerdegegnerin es ab, der SAirGroup einen
Hypothekarkredit von 100 Mio. Franken gegen Belehnung eines unbelasteten
Grundstücks einzuräumen. Auf Grund der
BGE 134 III 452 S. 465
Mitteilung der SAirGroup, dass ein Kredit von 80 Mio. Franken an eine Drittbank
zurückbezahlt werden müsse, stellte die Beschwerdegegnerin das Darlehen
umgehend im Teilbetrag von 30 Mio. Franken nebst Zins per 6. September 2001
fällig.

8.3 Zwischen der zweiten und der dritten Darlehensrückzahlung vom 27. September
2001 verstrichen lediglich drei Wochen. Eine weitere Woche danach stellte die
SAirGroup am 4. Oktober 2001 ihr Gesuch um Nachlassstundung. Im Fall der
dritten Darlehensrückzahlung von 20 Mio. Franken nebst Zins musste das
Handelsgericht zusätzlich die Folgen und Auswirkungen des Terroranschlags vom
11. September 2001 in New York berücksichtigen, der zwangsläufig Auswirkungen
auf das Fluggeschäft hatte. Ab Mitte September 2001 ersuchte die SAirGroup die
Bundesbehörden um finanzielle Unterstützung bei der Lösung der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten. Die Presse und die SAirGroup in einer Medienmitteilung vom 24.
September 2001 berichteten über die Verhandlungen. In einem Begleitschreiben
zur Medienmitteilung wurde bestätigt, die SAirGroup werde fällige
Verbindlichkeiten begleichen und die früher angekündigten Verkäufe von
Unternehmensteilen seien im Oktober zu erwarten ("Swissport") bzw. bis Ende
2001 durchführbar ("Nuance Group"). Am 25. September 2001 teilte die SAirGroup
der Beschwerdegegnerin erneut mit, dass ein Darlehen von einer Drittbank nicht
verlängert werde. Die Beschwerdegegnerin verlangte daraufhin sofort die
Rückzahlung von 20 Mio. Franken nebst Zins per 27. September 2001.

8.4 Neben vielen einzelnen Indizien, die rechtlich so oder anders gewürdigt
werden können, ist für die Beurteilung der Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht
entscheidend, dass die Beschwerdegegnerin auch dann noch passiv geblieben ist
und keine weitergehenden Erkundigungen eingezogen hat, als auf Grund der
wirtschaftlichen Gesamtlage bereits deutliche Anzeichen dafür bestanden, die
SAirGroup könnte mit den jeweiligen Darlehensrückzahlungen eine Schädigung
anderer Gläubiger zumindest in Kauf nehmen. Vor der ersten Darlehensrückzahlung
per 22. August 2001 hat die Beschwerdegegnerin alarmieren müssen, dass die
SAirGroup nach Mitteilung des massiven Vorjahresverlustes und der ersten
einschneidenden Massnahmen (Auswechseln der Führungsspitze) ihre Liquidität
bereits im April 2001 nur mehr durch die erfolgreiche Aushandlung eines Kredits
von einer Milliarde Franken sicherstellen konnte und im Juli 2001 den Verkauf
von Unternehmensteilen ankündigen musste. Hängt aber die jederzeitige
Zahlungsbereitschaft des Schuldners vom Erfolg der
BGE 134 III 452 S. 466
Verhandlungen mit Kreditgebern oder dem Verkauf von Unternehmensteilen ab, darf
sich ein Gläubiger nicht darauf beschränken, seine Gleichbehandlung mit anderen
Gläubigern von Bankdarlehen abzusichern, wie das die Beschwerdegegnerin getan
und erreicht hat. Unter den gegebenen Voraussetzungen muss vom Gläubiger
vielmehr eine sorgfältige Prüfung verlangt werden, ob durch Zahlungen des
Schuldners die Schädigung anderer Gläubiger als möglich erscheint oder vom
Schuldner gar gewollt sein könnte. Gleicherweise deutliche Alarmzeichen haben
vor der zweiten Darlehensrückzahlung per 6. September 2001 darin bestanden,
dass der am 30. August 2001 bekannt gegebene Halbjahresabschluss die äusserst
schlechte Finanzlage der SAirGroup bestätigt hat und dass es sich bei den zu
veräussernden Unternehmensteilen um die Bereiche "Swissport" und "Nuance Group"
handeln sollte. Ihre Untätigkeit muss sich die Beschwerdegegnerin auch mit
Blick auf die dritte Darlehensrückzahlung per 27. September 2001 vorhalten
lassen, hat doch die SAirGroup Mitte September 2001 die Bundesbehörden um
finanzielle Unterstützung bei der Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten
ersucht. Ein Schuldner, der die werthaltigen und gewinnträchtigen
Unternehmensteile veräussern muss und sogar den Staat um finanzielle Hilfe
angeht, kämpft erkennbar um sein wirtschaftliches Überleben, so dass jeder
Gläubiger, der von ihm noch Zahlungen entgegennimmt, damit rechnen muss, sein
Schuldner könnte dadurch andere Gläubiger schädigen. Insgesamt gilt für alle
drei Darlehensrückzahlungen, dass die Beschwerdegegnerin praktisch blind darauf
vertraut hat, die mögliche und auf Grund ihres Wissensstandes auch nahe
liegende Gläubigerschädigung, die die SAirGroup zumindest in Kauf zu nehmen
bereit gewesen sein könnte, würde ausbleiben. Selbst wenn der
Beschwerdegegnerin somit ein allenfalls bloss fahrlässiges Verhalten anzulasten
ist, genügt dies für die Bejahung der Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht.

8.5 Aus den dargelegten Gründen muss die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht
im Sinne von Art. 288 SchKG bejaht werden.