Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 42



Urteilskopf

134 III 42

  6. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG in
Liquidation gegen Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Beschwerde in
Zivilsachen)
  5A_375/2007 vom 4. Oktober 2007

Regeste

  Art. 9 und 99 VZG; Neuschätzung einer Liegenschaft.

  Frage der anwendbaren Methode, um den mutmasslichen Verkehrswert einer
Liegenschaft zu schätzen (E. 3 und 4).

Sachverhalt ab Seite 42

  Am 5. Juli 2006 zeigte das Betreibungsamt Zürich 4 der X. AG in
Liquidation in der gegen sie laufenden Betreibung auf Grundpfandverwertung
Nr. x die betreibungsamtliche Schätzung des Grundstücks GBBl. y, Kat. Nr. z,
Plan 10, Geschäftshaus an der Strasse S. in Zürich, an. Der Wert wurde vom
Experten auf Fr. 1'900'000.- festgesetzt. Am 17. Juli 2006 verlangte die X.
AG in Liquidation eine Neuschätzung ihres Grundstückes, welchem Gesuch das
Bezirksgericht (untere Aufsichtsbehörde) nach Leistung des Kostenvorschusses
am 2. Oktober 2006 stattgab. Das Bezirksgericht schlug V. als
Sachverständigen vor, wogegen keine Einwendungen erhoben wurden. In seinem
Schätzungsbericht vom 6. Dezember 2006 setzte dieser den Verkehrswert der
Liegenschaft auf Fr. 1'666'000.- fest. Dagegen erhob die X. AG in
Liquidation verschiedene Einwendungen und verlangte, den Verkehrswert auf
Fr. 2'998'500.- festzulegen. Der Experte wurde vom Bezirksgericht zur
Stellungnahme und allfälligen Ergänzung seines Berichtes aufgefordert,
worauf er an seiner bisherigen Schätzung festhielt. Mit
Zirkulationsbeschluss vom 5. März 2007 wies das Bezirksgericht das
Betreibungsamt Zürich 4 an, die Verkehrswertschätzung vom 6. Dezember 2006
zu übernehmen. Es erkannte keinen triftigen Grund, eine Ergänzung des
Gutachtens anzuordnen oder davon abzuweichen.

  Die X. AG in Liquidation gelangte daraufhin an das Obergericht des Kantons
Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen und verlangte, den Schätzungswert der Liegenschaft auf Fr.
2'998'500.- festzusetzen und ein Obergutachten zur Festlegung des
Verkehrswertes zu erstellen. Das Obergericht

wies den Rekurs am 15. Juni 2007 ab und bestätigte den angefochtenen
Beschluss.

  Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 6. Juli 2007 beantragt die X. AG in
Liquidation dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Beschluss aufzuheben
und eine Oberexpertise anzuordnen.

  Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.  Nach Eingang des Verwertungsbegehrens ordnet der Betreibungsbeamte die
Schätzung des grundpfandbelasteten Grundstückes an. Diese soll den
mutmasslichen Verkehrswert des Grundstückes und seiner Zugehör bestimmen,
unabhängig von einer allfälligen Kataster- oder Brandassekuranzschätzung
(Art. 9 Abs. 1 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die
Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42] in Verbindung mit Art. 99
Abs. 1 VZG). Gegen Vorschuss der Kosten kann jeder Beteiligte innert zehn
Tagen bei der Aufsichtsbehörde eine Neuschätzung durch einen
Sachverständigen verlangen. Streitigkeiten über die Höhe der Schätzung
werden endgültig durch die kantonale Aufsichtsbehörde beurteilt (Art. 9 Abs.
2 VZG in Verbindung mit Art. 99 Abs. 2 VZG). Den Beteiligten steht kein
Anspruch auf Einholung einer Oberexpertise zu. Das Bundesgericht kann
lediglich prüfen, ob das massgebende Verfahren eingehalten sei und ob die
kantonale Aufsichtsbehörde das ihr zustehende Ermessen überschritten oder
missbraucht habe. Letzteres trifft dann zu, wenn Kriterien mitberücksichtigt
worden sind, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn umgekehrt
rechtserhebliche Umstände ausser Acht geblieben sind (BGE 110 III 69 E. 2 S.
71; 120 III 79 E. 1 S. 80 f., 135 E. 2 S. 136). Erfasst die Schätzung ein
Grundstück, welches im konkreten Fall nicht der Zwangsverwertung unterliegt,
so ist die Beschwerde auf jeden Fall gegeben (BGE 133 III 537 E. 4.2 S.
538).

Erwägung 4

  4.  Die Schätzung des zu verwertenden Grundstückes sagt nichts über den an
der Versteigerung tatsächlich erzielten Erlös aus, sondern gibt dem
Interessenten allenfalls einen Anhaltspunkt über das vertretbare Angebot.
Deshalb soll die Schätzung nicht "möglichst hoch" sein, sondern den
mutmasslichen Verkehrswert des Grundstücks bestimmen. Diesem Zweck dient das
Recht der Beteiligten, ohne nähere Begründung eine Neuschätzung zu verlangen
(BGE 129 III 595 E. 3.1

S. 597). Wie bei der Schätzung des Verkehrswertes vorzugehen ist, legt das
Gesetz nicht fest. Aus dem angefochtenen Urteil und der in kantonalen Akten
liegenden Neuschätzung geht hervor, dass der Sachverständige den
Verkehrswert aus dem gewichteten Mittel aus Ertrags- und Realwert ermittelt
hat, was als Methode anerkannt und verbreitet ist (vgl. NAEGELI/WENGER, Der
Liegenschaftenschätzer, 4. Aufl., Zürich 1997, S. 99 f.; CANONICA, Die
Immobilienschätzung, Schweiz. Immobilienschätzer-Verband [Hrsg.], Bern 2000,
S. 119). Aus diesem Grunde kann der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden,
wenn sie dem Sachverständigen in allgemeiner Weise vorwirft, er gehe von
einer veralteten Schätzungsmethode aus. Zudem ist fraglich, ob die von ihr
als massgebend angeführte hedonische Methode im vorliegenden Fall überhaupt
sachgerecht wäre. Zur Verwertung steht hier ein Wohn- und Geschäftshaus im
Zentrum von Zürich. Die hedonische Methode, welche anhand von Datenbanken
ein Bündel von Eigenschaften berücksichtigt, wird indessen in der Praxis für
die Schätzung von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern angewendet (vgl.
WIPFLI, Bemessung immissionsbedingter Minderwerte von Liegenschaften, Diss.
Zürich 2007, S. 44 f.; FIERZ, Der Schweizer Immobilienwert, 5. Aufl., Zürich
2005, S. 264). Vor diesem Hintergrund kann der Vorinstanz weder ein
Verfahrensfehler noch eine Überschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens
vorgeworfen werden, weil sie die der Neuschätzung zugrunde liegende Methode
geschützt hat. Was die von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den
Ertragswert der Liegenschaft als einzig massgeblich erachteten Nettomieten
ihrer Liegenschaft betrifft, hat die Vorinstanz in einlässlicher Weise
dargelegt, dass diese nicht nachhaltig und nicht quartierüblich seien und
daher die vom Experten beigezogenen Vergleichswerte an der Strasse S. und in
unmittelbarer Umgebung vorzuziehen sind. Mit diesen Ausführungen setzt sich
die Beschwerdeführerin nicht in rechtsgenüglicher Weise auseinander, weshalb
auf ihre diesbezügliche Kritik nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Schliesslich ist der Antrag der Beschwerdeführerin auf Anordnung eines
Obergutachtens unzulässig, da gemäss Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 99
Abs. 2 VZG nur Anspruch auf eine neue Schätzung durch Sachverständige
besteht (E. 3).