Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 186



Urteilskopf

134 III 186

33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.C. SE und
Mitb. gegen K. SAS (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_468/2007 vom 22. Januar 2008

Regeste

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Art. 77 BGG; Art. 190 Abs. 2 IPRG. Art.
77 Abs. 3 BGG statuiert eine der Regelung von Art. 106 Abs. 2 BGG entsprechende
Rügepflicht (E. 5). Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinn von Art.
190 Abs. 2 lit. d IPRG ergibt sich auch unter der Geltung von Art. 77 BGG kein
Anspruch auf Begründung des Entscheids (E. 6).

Auszug aus den Erwägungen: ab Seite 187

BGE 134 III 186 S. 187
Aus den Erwägungen:

5. Gemäss Art. 190 IPRG kann der Entscheid nur aus bestimmten Gründen
angefochten werden. Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG
abschliessend aufgezählt sind (BGE 128 III 50 E. 1a S. 53; BGE 127 III 279 E.
1a S. 282). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die
in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in
Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (vgl. dazu BGE 133 II 249 E.
1.4.2 S. 254). Dabei gelten nach wie vor die strengen Begründungsanforderungen,
die das Bundesgericht unter der Herrschaft von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG stellte
(vgl. BGE 128 III 50 E. 1c S. 53), da das BGG insofern keine Änderungen
vornehmen wollte.

6. Die Beschwerdeführerinnen sehen eine Verletzung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör darin, dass das Schiedsgericht ihren Antrag nicht
ausdrücklich behandelt habe, es sei das Verhalten der Beschwerdegegnerin
verfahrensrechtlich zu sanktionieren, nachdem diese zwei Rechtsschriften je
einen Tag verspätet dem Schiedsgericht eingereicht hatte.

6.1 Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit.
d IPRG ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung kein Anspruch auf Begründung
des Entscheids (BGE 133 III 235 E. 5.2 S. 248 mit Hinweisen). Daran hat sich
unter der Geltung von Art. 77 BGG nichts geändert. Denn danach ist die
Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide von Schiedsgerichten unter den
Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG zulässig. Während sich die Anforderungen
für kantonale Entscheide, die der Beschwerde unterliegen, nach Art. 112 BGG
richten, werden Schiedsentscheide im Sinne von Art. 190 IPRG in Art. 189 IPRG
geregelt. Sie ergehen danach im Verfahren und in der Form, welche die Parteien
vereinbart haben (Abs. 1), eventuell sind sie schriftlich abzufassen, zu
begründen, zu datieren und zu unterzeichnen (Abs. 2). Aus der Möglichkeit des
Verzichts auf die Begründung des Entscheids hat aber die Rechtsprechung trotz
gewisser Kritik in der Lehre abgeleitet, dass dieser Anspruch nicht zu den
unverzichtbaren Grundsätzen des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 182 Abs. 3
IPRG gehört, deren Verletzung nach Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG gerügt werden
kann (kritisch HEINI, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 33 zu
BGE 134 III 186 S. 188
Art. 190 IPRG und N. 13 zu Art. 189 IPRG; Berti/Schnyder, Basler Kommentar zum
IPRG, 2. Aufl. 2007, N. 65 zu Art. 190 IPRG; zustimmend dagegen DUTOIT, Droit
international privé suisse: Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987,
3. Aufl. 2001, N. 6 zu Art. 182 IPRG).

6.2 Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass die Parteien in den von ihnen
vereinbarten Verfahrensregeln (Terms of Reference) als Rechtsfolge vorgesehen
hätten, dass die Nichteinhaltung von Fristen zur Nichtberücksichtigung der
entsprechenden Eingaben durch das Schiedsgericht führen müsse. Es ist nicht
erkennbar und wird in der Beschwerde nicht dargetan (vgl. E. 5), inwiefern das
Schiedsgericht Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG verletzt haben könnte, wenn es dem
entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerinnen nicht statt gab. Dass das
Schiedsgericht zum Antrag der Beschwerdeführerinnen, wonach das Verhalten der
Beschwerdegegnerin verfahrensrechtlich zu sanktionieren sei, nicht ausdrücklich
Stellung genommen hat, verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
Denn das Schiedsgericht hat die entsprechenden Eingaben der Beschwerdegegnerin
in seinem Entscheid berücksichtigt, wie die Beschwerdeführerinnen selbst
darlegen, und damit den Antrag sinngemäss abgelehnt. Einer ausdrücklichen
Begründung bedurfte die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerinnen durch
das Schiedsgericht nicht. Die Rüge ist unbegründet, soweit darauf einzutreten
ist.