Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 112



Urteilskopf

134 III 112

20. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen
Y. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_421/2007 vom 13. Dezember 2007

Regeste

Art. 64 und 65 SchKG; Zustellung von Betreibungsurkunden. Betreibungsurkunden
können den in Art. 65 Abs. 1 SchKG als Vertreter genannten Personen unmittelbar
auch ausserhalb des Geschäftslokals der betriebenen juristischen Person oder
Gesellschaft zugestellt werden (E. 3.1). Wenn der betreffende Vertreter nicht
persönlich angetroffen wird, ist für die Ersatzzustellung Art. 64 SchKG
anzuwenden (E. 3.2).

Sachverhalt ab Seite 113

BGE 134 III 112 S. 113
Das Betreibungsamt Schaffhausen stellte am 23. März 2007 in der gegen die X. AG
laufenden Betreibung Nr. x (Gläubigerin: Y. GmbH) die Konkursandrohung zu.
Gegen die Konkursandrohung erhob die X. AG am 30. März 2007 Beschwerde beim
Obergericht Schaffhausen als kantonaler Aufsichtsbehörde über das
Schuldbetreibungs- und Konkurswesen und machte geltend, sie habe nie einen
Zahlungsbefehl erhalten, weshalb die Konkursandrohung nichtig sei. Mit
Entscheid vom 17. Juli 2007 wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde
unter Kostenfolgen (Fr. 600.-) ab.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. Juli 2007 beantragt die X. AG dem
Bundesgericht, der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und
es sei die Nichtigkeit der Konkursandrohung festzustellen; eventuell sei diese
aufzuheben.
Das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörde haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Die Gläubigerin als Beschwerdegegnerin schliesst sinngemäss auf
Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Ist die Betreibung gegen eine juristische Person gerichtet, so erfolgt die
Zustellung an den Vertreter derselben; als solcher gilt u.a. für eine
Aktiengesellschaft jedes Mitglied der Verwaltung (Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2
SchKG). Soweit die Beschwerdeführerin - eine Aktiengesellschaft - unter Hinweis
auf den Wortlaut der Bestimmung in Frage stellt, dass der Zahlungsbefehl ihrem
Verwaltungsratspräsidenten direkt ausserhalb des Geschäftslokals zugestellt
werden könne, geht sie fehl. Das Bundesgericht hat in BGE 125 III 384 ff. nach
Auseinandersetzung mit den Lehrmeinungen und unter Hinweis auf seine
Rechtsprechung (BGE 72 III 71 mit Hinweis auf BGE 44 III 21) entschieden, dass
Betreibungsurkunden den in Art. 65 Abs. 1 SchKG genannten Personen auch
ausserhalb des Geschäftslokals der betriebenen juristischen Person oder
Gesellschaft zugestellt werden können, ohne dass vorgängig die Zustellung im
Geschäftslokal versucht werden muss (BGE 125 III 384 E. 2b S. 385). Diese
Rechtsprechung wird in der Lehre bestätigt (JEANNERET/LEMBO, in: Commentaire
romand, Poursuite et faillite, Basel 2005, N. 18 zu Art. 65 SchKG mit
Hinweisen; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat,
BGE 134 III 112 S. 114
4. Aufl., Basel 2005, Rz. 491). Entgegen den Ausführungen der
Beschwerdeführerin ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten.

3.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass eine Ersatzzustellung gemäss Art.
64 Abs. 1 SchKG - hier an die Ehefrau des Verwaltungsratspräsidenten der
Aktiengesellschaft - unzulässig sei, wenn der betreffende Vertreter einer
juristischen Person oder Gesellschaft in seiner Wohnung nicht angetroffen
werde. Der Einwand geht fehl. In der Lehre ist anerkannt, dass bei einer
direkten Zustellung der Betreibungsurkunden an die in Art. 65 Abs. 1 SchKG
genannten Personen ausserhalb des Geschäftslokals der betriebenen juristischen
Person oder Gesellschaft für die Ersatzzustellung Art. 64 SchKG anzuwenden ist,
wenn der betreffende Vertreter nicht persönlich angetroffen wird (JEANNERET/
LEMBO, a.a.O.). Die kantonale Aufsichtsbehörde hat zu Recht festgehalten, dass
Art. 64 SchKG, der die Zustellung an natürliche Personen regelt, einen
allgemeinen Grundsatz enthält, der - soweit nötig - die Bestimmungen des Art.
65 SchKG zu ergänzen hat (BGE 72 III 71 S. 72; BGE 44 III 21 S. 23). Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin ändert nichts daran, dass die
Ersatzzustellung hier nicht an einen Angestellten, sondern an die Ehefrau,
welche nichts mit der Beschwerdeführerin zu tun habe, erfolgt ist. Bereits in
BGE 44 III 21 (S. 22 f.) hat das Bundesgericht für den Fall, dass der Vertreter
einer Gesellschaft in seiner Wohnung nicht angetroffen wird, entschieden, dass
eine zur Haushaltung des Schuldners gehörende erwachsene Person die gleichen
Garantien für eine Übermittlung an den eigentlichen Schuldner bietet wie ein
Angestellter. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche die auf diese
Überlegung gestützte Praxis in Frage stellen würden. Vor diesem Hintergrund
liegt keine Rechtsverletzung vor, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde zum
Ergebnis gelangt ist, dass die Zustellung des Zahlungsbefehls am 5. Dezember
2006 an den Verwaltungsratspräsidenten der Beschwerdeführerin an dessen
privatem Wohnsitz und dort ersatzweise an dessen Ehefrau wirksam sei. Der
Einwand der Beschwerdeführerin, die kantonale Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht
angenommen, dass sich die Konkursandrohung auf einen wirksam zugestellten
Zahlungsbefehl stütze, geht fehl und die Beschwerde erweist sich insoweit als
unbegründet.