Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 V 642



Urteilskopf

133 V 642

  83. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Hotela
Unfallversicherung gegen Z. sowie Kantonales Versicherungsgericht des Wallis
(Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
  8C_158/2007 vom 13. November 2007

Regeste

  Art. 66 Abs. 4 BGG.

  Unfallversicherer fallen nicht unter die Befreiung von Gerichtskosten im
Rahmen von Art. 66 Abs. 4 BGG (E. 5).

Auszug aus den Erwägungen: ab Seite 642

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

  5.

  5.1  Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 f. des Bundesgesetzes vom
17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]). Nach Art. 66 Abs. 1
BGG werden die Gerichtskosten in der Regel der unterliegenden Partei
auferlegt. Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie den mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel
keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen
Wirkungskreis und, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das
Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen
Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist (Art. 66 Abs. 4 BGG). Es
stellt sich demnach die Frage, ob dem unterliegenden Unfallversicherer die
Gerichtskosten aufzuerlegen sind.

  5.2  Bereits unter dem alten Recht durften gemäss Art. 156 Abs. 2 des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG; BS 3 S. 531) "dem Bund, Kantonen oder Gemeinden, die
in ihrem amtlichen Wirkungskreis und ohne dass es sich um ihr
Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen, oder gegen
deren Verfügungen in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt wird", in
der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden. Dieser Text findet sich
bereits als Art. 156 Abs. 2 in der Botschaft des Bundesrates zum OG vom 9.
Februar 1943 (BBl 1943 S. 97, 208). Er wurde mit geringen sprachlichen
Änderungen aus Art. 221 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 übernommen (BBl 1893 I 1107, S. 1165).
Nach der Rechtsprechung hatten Unfallversicherer unter der Herrschaft des OG
in Streitigkeiten zwischen Versicherungsträgern über Leistungen aus
Unfallfolgen für eine gemeinsam versicherte Person allfällige Gerichtskosten
zu tragen (BGE 126 V 183 E. 6 S. 192 mit Hinweisen).

  5.3  Die Grundsätze der Kostentragungspflicht vor Bundesgericht (Art. 66
BGG) sind weitgehend vom bisherigen Recht übernommen worden (Botschaft des
Bundesrates vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4202, 4305). Kostenpflichtig
ist gemäss Art. 66 BGG grundsätzlich die unterliegende (Abs. 1) oder die
unnötig Kosten verursachende (Abs. 3) Partei. Diese Regelung kennt
ausdrücklich erwähnte Ausnahmen: Von den Gerichtskosten befreit sind Bund,
Kantone und Gemeinden sowie - neu - die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben
betrauten Organisationen, sofern sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis
handeln und es nicht um ihr Vermögensinteresse geht (Abs. 4). Das
Bundesgericht kann die Gerichtskosten anders verteilen oder auf die
Kostenerhebung verzichten, wenn es die Umstände rechtfertigen (Abs. 1
zweiter Satz). Zudem kann es auf die Erhebung der Gerichtskosten ganz oder
teilweise verzichten, wenn ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich
erledigt wird (Abs. 2). Aus dem Vergleich des Wortlauts von Art. 156 Abs. 2
OG und Art. 66 Abs. 4 BGG wird deutlich, dass die bisher für Bund, Kantone
und Gemeinden geltende Kostenbefreiung auf die Organisationen mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben erweitert werden sollte. Dieser Begriff fand
sich bisher bereits in Art. 159 Abs. 2 OG, so dass die zu dieser Bestimmung
ergangene Rechtsprechung übernommen werden kann (vgl. SEILER/VON
WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 46 zu Art. 66
BGG).

  5.4  In Abweichung vom bisherigen Art. 134 OG hat der Gesetzgeber
sämtliche Verfahren vor Bundesgericht für kostenpflichtig erklärt und für
das Sozialversicherungsrecht lediglich einen reduzierten Gebührenrahmen
vorgesehen (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG).

  5.5  Die Hotela zählt bezüglich ihrer Tätigkeit im Rahmen der
obligatorischen Unfallversicherung zu den mit öffentlich-rechtlichen
Aufgaben betrauten Organisationen (Art. 68 UVG; vgl. für die SUVA Art. 61
ff. UVG, die als öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes jedoch dem
Gemeinwesen Bund zuzuordnen ist [SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 45
zu Art. 66 BGG]). Bei Leistungsstreitigkeiten erfüllt sie demnach Aufgaben
in ihrem amtlichen Wirkungskreis (Art. 70 UVG; vgl. für die SUVA Art. 66
UVG). Dabei verfolgt sie aber eigene Vermögensinteressen; denn die
obligatorische Unfallversicherung finanziert sich durch Prämien, Erträge aus
Kapitalanlagen sowie durch Einnahmen aus Regress gegen haftpflichtige Dritte
und erhält von der öffentlichen Hand keine Zuschüsse, sodass jeder
Versicherungsträger für sein finanzielles Gleichgewicht selbst
verantwortlich ist (Art. 89 ff. UVG, insbesondere Art. 89 Abs. 3 UVG; vgl.
auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S.
569 ff. und SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 54 zu Art. 66 BGG). Dies
gilt ungeachtet der Leistungsart, da das Vermögen des Versicherers sowohl
bei der Ausrichtung von Geld- wie auch von Sachleistungen belastet wird und
deshalb ein eigenes Vermögensinteresse zu bejahen ist. Somit fallen die
Unfallversicherer im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung nicht
unter den Ausnahmetatbestand von Art. 66 Abs. 4 BGG. Die unterliegende
Hotela hat daher die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).