Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 V 488



Urteilskopf

133 V 488

  60. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
BVG-Stiftung X. in Liquidation gegen F. und Mitb. sowie Verwaltungsgericht
von Appenzell Ausserrhoden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  B 8/07 vom 28. Juni 2007

Regeste

  Art. 52 und 73 Abs. 3 BVG; Art. 7 Abs. 1 GestG.

  Richtet sich die Schadenersatzklage gegen mehrere Personen, ist das für
eine beklagte Partei nach Art. 73 Abs. 3 BVG örtlich zuständige Gericht für
alle Beklagten zuständig (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 488

  A.- Die BVG-Stiftung X. in Liquidation erhob am 30. Dezember 2003 beim
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Schadenersatzklage nach Art. 52
BVG gegen ihre ehemaligen Stiftungsräte W., F. (bzw. dessen Erben N. und M.)
und A. sowie gegen die Firma B. und die V. AG in Liquidation als
Kontrollstelle. Am 16. Juni 2004 lud das Versicherungsgericht die T. AG zum
Verfahren bei. Mit unangefochten gebliebenem Entscheid vom 11. Juli 2005
trat es auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein und überwies
sie samt den seit der Einreichung produzierten Akten dem
Versicherungsgericht (recte: Verwaltungsgericht) von Appenzell Ausserrhoden.

  B.- Mit Urteil vom 27. September 2006 trat das Verwaltungsgericht von
Appenzell Ausserrhoden auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht
ein.

  C.- Die BVG-Stiftung X. hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem
Begehren, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei das
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden zu verpflichten, auf die Klage
einzutreten; das Verfahren sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Eventuell sei festzustellen, dass das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen zur materiellen Beurteilung der Klage zuständig sei.
Subeventuell sei festzustellen, welches Gericht zur materiellen Beurteilung
der Klage gegen welche Beklagte örtlich zuständig sei.

  Das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und A. beantragen
Abweisung der Beschwerde. N. (als Erbe von F. sowie M.), W., die V. AG, die
Firma B. und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf
einen Antrag. Die T. AG teilt mit, dass sie sich am Verfahren nicht
beteilige. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen äussert sich,
ohne einen Antrag zu stellen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Streitig ist einzig, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Klage nicht
eingetreten ist.

  2.1  Die Beschwerdeführerin hat eine Klage auf Schadenersatz gemäss Art.
52 BVG erhoben. Zuständig für solche Klagen sind die Gerichte gemäss Art. 73
BVG (Art. 73 Abs. 1 Satz 2 BVG in der bis Ende 2004 geltenden Fassung; Art.
73 Abs. 1 lit. c BVG in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung). Der
Gerichtsstand ist gemäss Art. 73 Abs. 3 BVG der schweizerische Sitz oder
Wohnsitz des Beklagten oder der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte
angestellt wurde. Diese Bestimmung räumt der klagenden Partei für den
örtlichen Gerichtsstand eine Wahlmöglichkeit ein (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 93/04 vom 9. August 2005, publ. in: SVR 2006 BVG Nr.
17 S. 61). Entschliesst sich der Kläger, am Wohnsitz des Beklagten zu
klagen, so kann die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nicht mit dem
Argument verneint werden, der Gerichtsstand am Ort des Betriebes wäre auch
möglich gewesen.

  2.2  Die Beschwerdeführerin hat ursprünglich in St. Gallen geklagt, aber
in der Folge den Nichteintretensentscheid des Versicherungsgerichts

St. Gallen vom 11. Juli 2005 nicht angefochten und die Überweisung an das
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden ausdrücklich akzeptiert. Die
Klage gilt damit als dort eingereicht. Zu entscheiden ist deshalb einzig, ob
die Klage beim Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden zulässig ist.
Ist dies zu bejahen, ist der Nichteintretensentscheid aufzuheben, unabhängig
davon, ob - was die Vorinstanz gestützt auf das erwähnte Urteil vom 9.
August 2005 (B 93/04) annimmt - daneben der Gerichtsstand St. Gallen (auch)
möglich und zulässig gewesen wäre.

Erwägung 3

  3.

  3.1  Die Beschwerdeführerin hat ihren Sitz im Kanton St. Gallen.
Stifterfirmen und angeschlossene Arbeitgeber waren verschiedene Firmen mit
Sitz in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden. Die Beklagten N.
und A. haben Wohnsitz im Kanton Appenzell Ausserrhoden, der Beklagte W. im
Kanton Zürich. Die Firma B. und die V. AG haben ihren Sitz im Kanton Zürich.
Die beigeladene T. AG hat ihren Sitz im Kanton St. Gallen.

  3.2  Demnach haben zwei der Beklagten ihren Wohnsitz im Kanton Appenzell
Ausserrhoden. Für diese beiden ist der dortige Gerichtsstand aufgrund von
Art. 73 Abs. 3 BVG grundsätzlich gegeben.

  3.3  Die Vorinstanz hat jedoch erwogen, die Statuten der
Beschwerdeführerin sähen deren Sitz (also St. Gallen) als Gerichtsstand vor.
Da gemäss dem inzwischen ergangenen, bereits erwähnten Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 93/04 vom 9. August 2005 eine Klage am Sitz des
Betriebs (also St. Gallen) zulässig gewesen wäre, sei diese reglementarische
Gerichtsstandsklausel gesetzeskonform. Sie schliesse den Gerichtsstand
Appenzell Ausserrhoden in Bezug auf alle Beklagten aus.

  3.4  Die von der Vorinstanz zitierten Gerichtsstandsbestimmungen befinden
sich entgegen der vorinstanzlichen Darstellung nicht in den Statuten der
Beschwerdeführerin, sondern in den Reglementen und beziehen sich nach
Wortlaut und Sinn einzig auf Streitigkeiten über die in den Reglementen
geregelten Leistungen, nicht jedoch auf die gesetzlichen
Verantwortlichkeitsansprüche der Stiftung gegen ihre Organe. Eine
Gerichtsstandsvereinbarung, welche für die vorliegend zu beurteilende
Verantwortlichkeitsklage den Gerichtsstand Appenzell Ausserrhoden
ausschliessen würde, liegt damit nicht vor. Es braucht daher nicht weiter
auf die Frage eingegangen

zu werden, ob die Reglementsbestimmungen die an eine Gerichtsstandsklausel
gestellten Anforderungen erfüllen würden und ob eine solche überhaupt
zulässig wäre. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass Lehre und
Rechtsprechung die Rechtsprechungszuständigkeiten nach Art. 73 BVG mit
Einschluss der Gerichtsstandsvorschriften nach Abs. 3 im Allgemeinen als
zwingend erachten (erwähntes Urteil B 93/04 vom 9. August 2005, E. 2.3;
Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 126/05 vom 24. Mai 2006, E. 3.3,
und B 18/91 vom 13. Oktober 1992, E. 3b, publ. in: SZS 1994 S. 58; JÜRG
BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, S. 2071
Rz. 189 und S. 2075 Rz. 202; ULRICH MEYER, Die Rechtswege nach dem
Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge [BVG], ZSR 1987 I 601 ff., 617; derselbe, 1990-1994: Die
Rechtsprechung von Eidgenössischem Versicherungsgericht und Bundesgericht
zum BVG, in: SZS 1995 S. 81 ff., 110; HANS-ULRICH STAUFFER, Rechtsprechung
des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht: Die berufliche Vorsorge, 2.
Aufl., Zürich 2006, S. 201; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen
Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006, S. 166 f. Rz. 17).

  3.5  In Bezug auf die im Kanton Appenzell Ausserrhoden wohnhaften
Beschwerdegegner N. und A. ist daher die Beschwerde gutzuheissen.

Erwägung 4

  4.  Zu prüfen bleibt, ob auch für die übrigen Beklagten der Gerichtsstand
Appenzell Ausserrhoden gegeben ist.

  4.1  Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 73 Abs. 3 BVG
jedenfalls nicht ausdrücklich. Die Beschwerdeführerin ist jedoch der
Ansicht, sie ergebe sich aus dem direkt oder durch Lückenfüllung anwendbaren
Art. 7 des Bundesgesetzes vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in
Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG; SR 272).

  4.2  Richtet sich die Klage gegen mehrere Streitgenossen, so ist gemäss
Art. 7 Abs. 1 GestG das für eine beklagte Partei zuständige Gericht für alle
beklagten Parteien zuständig. Diese subjektive Klagenhäufung gilt nicht nur
bei notwendiger, sondern auch bei einfacher passiver Streitgenossenschaft,
sofern sich die Ansprüche gegen die verschiedenen Beklagten im Wesentlichen
auf die gleichen Tatsachen und Rechtsgründe stützen (Botschaft des
Bundesrates

vom 18. November 1998 zum Gerichtsstandsgesetz, BBl 1999 S. 2848; BGE 129
III 80 E. 2.2 S. 83 mit weiteren Hinweisen).

  4.3  Die letztere Voraussetzung ist erfüllt. Die Klage stützt sich darauf,
dass die Beklagten bei der Geschäftsführung und Kontrolle der
Beschwerdeführerin und ihrer Rechtsvorgängerin rechtswidrig Schaden zugefügt
haben sollen. Rechtliches Klagefundament ist Art. 52 BVG.

  4.4  Fraglich ist indessen, ob das GestG auf die Klagen im Verfahren
gemäss Art. 73 in Verbindung mit Art. 52 BVG anwendbar ist.

  4.4.1  Das GestG regelt gemäss seinem Art. 1 Abs. 1 die örtliche
Zuständigkeit in Zivilsachen, wenn kein internationales Verhältnis vorliegt.
Der Begriff der Zivilsache ist nach den üblichen Kriterien zur
Unterscheidung von Zivil- und öffentlichem Recht zu verstehen, wobei auch
die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu der Abgrenzung der Rechtsmittel
(früher: Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde vs.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde; heute: Beschwerde in Zivilsachen vs.
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) heranzuziehen ist
(FELIX DASSER, in: Müller/Wirth [Hrsg.], Kommentar Gerichtsstandsgesetz,
Zürich 2001, N. 17 f. zu Art. 1 GestG; YVES DONZALLAZ, Commentaire de la loi
fédérale sur les fors en matière civile, Bern 2001, S. 107 ff.).
Sozialversicherungssachen sind grundsätzlich nicht Zivilsachen im Sinne des
GestG (DONZALLAZ, a.a.O., N. 5 zu Art. 1 GestG).

  4.4.2  Vor dem Inkrafttreten des BVG war die berufliche Vorsorge für die
Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft zivilrechtlich, für diejenigen im
öffentlichen Dienstrecht verwaltungsrechtlich geregelt. Entsprechend waren
auch die verfahrensrechtlichen Regelungen. Das BVG hat eine grundsätzlich
für privatwirtschaftliche und öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen
einheitliche Regelung aufgestellt. Dementsprechend wurden auch die früher
privatrechtlichen Klageverfahren aus der Personalvorsorge durch ein
spezielles sozialversicherungsrechtliches Klageverfahren abgelöst (MEYER,
a.a.O., S. 623 f.). Im Sinne der bundesrechtlichen Rechtsmittelordnung gilt
das Recht der beruflichen Vorsorge als öffentliches Recht, obwohl es
teilweise privatautonome Züge enthält (SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Kommentar
zum BGG, Bern 2007, N. 35 zu Art. 82 BGG).

  4.4.3  Die Verantwortlichkeitsansprüche gemäss Art. 52 BVG nehmen
allerdings eine Sonderstellung ein: Die Stiftungsorgane haften grundsätzlich
nach Privatrecht (Auftrags- oder Arbeitsvertragsrecht)

für den Schaden, den sie der Stiftung verursachen (Urteil des Bundesgerichts
5C.205/1988 vom 14. Dezember 1989, E. 6b nicht publiziert in BGE 115 II 415,
aber publ. in: SZS 1990 S. 193; RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 57; MARTIN
TH. MARIA EISENRING, Die Verantwortlichkeit für Vermögensanlagen von
Vorsorgeeinrichtungen, Zürich 1999, S. 173). Das BVG hat mit seinem Art. 52
zwar diese Verantwortlichkeit spezialgesetzlich geregelt. Dabei handelt es
sich um eine unmittelbar gesetzliche Haftung, die über Vertragsverletzungen
hinausgeht (EISENRING, a.a.O., S. 175). Die Lehre geht aber mehrheitlich
davon aus, dass die Verantwortlichkeit nach Art. 52 BVG nur die vorher
aufgrund des OR geltende Rechtslage kodifizieren will und nach wie vor eine
vertragliche oder privatrechtliche ist (HANS MICHAEL RIEMER,
Urteilsanmerkung zu BGE 128 V 124-134, in: SZS 2003 S. 368 f.; BRÜHWILER,
a.a.O., S. 2015 Rz. 41; DOMENICO GULLO, Die Verantwortlichkeit des
Stiftungsrats in der Vorsorgeeinrichtung und die Delegation von Aufgaben,
in: SZS 2001 S. 40 ff., 42; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge,
Zürich 2005, S. 535; ROLAND A. MÜLLER, Die Haftung der Stiftungsräte in der
Vorsorgeeinrichtung, in: Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts,
Festschrift für Heinz Rey zum 60. Geburtstag, Zürich 2003, S. 265 ff., 267;
ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 169) oder
jedenfalls derjenigen nach Art. 754 bzw. 755 OR gleichkommt (RITA TRIGO
TRINDADE, Fondations de prévoyance et responsabilité: développements
récents, in: Trigo Trindade/Anderson [Hrsg.], Institutions de prévoyance:
devoirs et responsabilité civile, Zürich 2006, S. 141 ff., 149).

  4.4.4  Dementsprechend galt auch nach dem Inkrafttreten des BVG für
Verantwortlichkeitsansprüche nach dessen Art. 52 bis Ende 1996 der
Zivilrechtsweg (BGE 128 V 124 E. 2 S. 126; Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 93/03 vom 27. April 2004, E. 2.3; BRÜHWILER, a.a.O.,
S. 2073 Rz. 196; EISENRING, a.a.O., S. 220 f.; MARCO LANTER, Die
Verantwortlichkeit von Stiftungsorganen, Diss. Zürich 1984, S. 236). Erst
mit der per 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Ergänzung von Art. 73 BVG
wurde die Zuständigkeit der BVG-Gerichte auf die
Verantwortlichkeitsansprüche gemäss Art. 52 BVG ausgedehnt. Diese
prozessuale Regelung bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass damit auch die
Rechtsnatur der Verantwortlichkeitsansprüche geändert hat. Im Allgemeinen
richtet sich die Abgrenzung zwischen Zivil- und öffentlichem Recht nicht
oder jedenfalls nicht in erster Linie nach den anwendbaren
Verfahrensregelungen;

im Gegenteil richten sich diese grundsätzlich nach der Rechtsnatur der
Rechtsverhältnisse. Doch sind materiellrechtliche und verfahrensrechtliche
Regelungen nicht zwingend kongruent: So gelten gewisse Staatshaftungsklagen
als zivilrechtlich im Sinne des GestG (DASSER, a.a.O., N. 20 zu Art. 1
GestG), unabhängig davon, ob dafür nach kantonalem Recht Zivil- oder
Verwaltungsgerichte zuständig sind. Umgekehrt gelten gewisse andere
Ansprüche als öffentlich-rechtlich (DASSER, a.a.O., N. 19 zu Art. 1 GestG),
auch wenn sie vor Zivilgerichten verfolgt werden. Dass die
Verantwortlichkeitsansprüche nach Art. 52 BVG heute im Verfahren nach Art.
73 BVG geltend zu machen sind, schliesst daher nicht aus, sie als
zivilrechtlich im Sinne von Art. 1 GestG zu betrachten.

  4.4.5  Die Rechtspflegebestimmungen des Art. 73 BVG beruhen auf dem
Gedanken, eine Aufsplitterung des Rechtsweges nach Möglichkeit zu vermeiden
(MEYER, a.a.O., S. 629 f.). Insbesondere hatte auch die
Zuständigkeitsübertragung der Verantwortlichkeitsklagen von den
Zivilgerichten an die Gerichte gemäss Art. 73 BVG zum Ziel, die Durchsetzung
von Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber haftpflichtigen Organen der
Vorsorgeeinrichtungen prozessual zu vereinfachen (Bericht der Kommission für
soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 24. August 1995 zur
parlamentarischen Initiative Verbesserung der Insolvenzdeckung in der
beruflichen Vorsorge [Initiative Rechsteiner], BBl 1996 I 576; BGE 128 V 124
E. 2 S. 126; BRÜHWILER, a.a.O., S. 2073 Rz. 196). Dass damit auch die
Rechtsnatur der Ansprüche hätte geändert werden sollen, lässt sich den
Materialien nicht entnehmen.

  4.4.6  Weiter ist entstehungsgeschichtlich zu beachten, dass Art. 73 Abs.
3 BVG auf die ursprüngliche Fassung von Art. 73 Abs. 1 BVG zugeschnitten
war, welche erst die Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen,
Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten enthielt. Als auch die
Schadenersatzansprüche nach Art. 52 BVG in Art. 73 BVG aufgenommen wurden,
wurde dessen Abs. 3 nicht angepasst. Der Gesetzgeber hat offensichtlich
nicht bedacht, dass die dort enthaltene Gerichtsstandsregelung jedenfalls in
der Variante "Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde",
für Verantwortlichkeitsklagen der Vorsorgeeinrichtung gegen ihre Organe
nicht passend ist, hat doch der Ort des Betriebes oft überhaupt keinen Bezug
zum Sitz der Vorsorgeeinrichtung oder zum Wohnsitz der beklagten Organe. Die
Nichtanpassung der Gerichtsstandsbestimmungen an die neu auch die Ansprüche
nach Art. 52 BVG umfassende

Zuständigkeitsregelung stellt ein offensichtliches gesetzgeberisches
Versehen dar, das auf dem Wege der Lückenfüllung korrigiert werden kann.

  4.4.7  Die Zielsetzung der Verfahrensvereinfachung spricht klar dafür, auf
die vorliegenden Ansprüche Art. 7 GestG anzuwenden: Die Durchsetzung von
Verantwortlichkeitsansprüchen wird wesentlich vereinfacht, wenn eine
subjektive Klagenhäufung für alle Beklagten möglich ist. Dies war im
Zivilprozess vor Inkrafttreten des GestG im interkantonalen Verhältnis für
nicht notwendige passive Streitgenossen grundsätzlich nicht möglich (Art. 30
Abs. 2 BV bzw. 59 aBV und Hinweise auf die Praxis dazu bei LEUCH/MARBACH/
KELLERHALS/STERCHI, Kommentar zur ZPO des Kantons Bern, 5. Aufl. 2000, S.
100 f.). Mit Art. 7 GestG sollte diese Erleichterung ermöglicht werden.
Wären für Verantwortlichkeitsprozesse gemäss Art. 52 BVG weiterhin - wie bis
Ende 1996 - die Zivilgerichte zuständig, wäre heute die passive
Klagenhäufung am Gerichtsstand eines der beklagten Streitgenossen ohne
weiteres zulässig. Es wäre nun sinnwidrig, wenn die zwecks
Verfahrensvereinfachung ab 1997 erfolgte Zuständigkeitsübertragung auf die
BVG-Gerichte sich dahingehend auswirken würde, dass eine
Prozessvereinfachung nicht besteht, die heute bestünde, wenn diese
Kompetenzübertragung nicht erfolgt wäre.

  4.4.8  Auch in anderen Konstellationen war für die Rechtsprechung das
Anliegen wegleitend, wenn möglich Verfahren zu konzentrieren und unnötige
Verzögerungen oder widersprüchliche Urteile zu verhindern. So wurde auch
unter dem früheren Recht, als Schadenersatzansprüche gemäss Art. 52 AHVG
noch auf dem Klageweg geltend zu machen waren, ein einheitlicher
Gerichtsstand für alle Beklagten angenommen; dies wurde begründet mit dem
Anliegen, widersprüchliche Urteile zu vermeiden, und mit der Analogie zu
aArt. 761 OR (in der bis zum Inkrafttreten des GestG geltenden Fassung),
wonach für Schadenersatzklagen nach Art. 754 OR ein einheitlicher
Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft galt (BGE 109 V 97 E. 3b S. 100;
Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 110/01 vom 18. Dezember 2001, E.
1d). Auch im Rahmen der Staatshaftung nach dem Bundesgesetz vom 14. März
1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder
und Beamten (VG; SR 170.32) hat das Bundesgericht unter der früheren
Rechtslage, wonach der Anspruch gegen den Bund mit verwaltungsrechtlicher
Klage geltend zu machen war, in Ausfüllung einer Gesetzeslücke

angenommen, dass auch die Klage gegen eine nach Art. 19 VG haftende
Drittorganisation beim Bundesgericht anzuheben sei; das ergebe sich aus dem
Sachzusammenhang, aus prozessökonomischen Gründen und aus dem Anliegen,
widersprechende Urteile zu vermeiden (BGE 94 I 628 E. 1 S. 637; 108 Ib 389
E. 1 S. 390; vgl. freilich zur heutigen Rechtslage, welche diese Lösung
nicht mehr zulässt, Urteil des Bundesgerichts 2A.253/2002 vom 13. November
2002, E. 2.3).

  4.4.9  Diese Überlegungen sprechen dafür, auch im Rahmen der
Gerichtsstandsregelung von Art. 73 Abs. 3 BVG die Klagenhäufung gemäss Art.
7 GestG zuzulassen. In der Literatur wird zwar die Anwendung von Art. 7
GestG verneint, wenn für einen der objektiv oder subjektiv zu häufenden
Ansprüche eine andere zwingende Zuständigkeitsregelung besteht (THOMAS
MÜLLER, in: Müller/Wirth, a.a.O., N. 47 zu Art. 7; DONZALLAZ, a.a.O., N. 15
zu Art. 7 GestG). Daraus wird gefolgert, dass für Schadenersatzansprüche
nach Art. 52 BVG Art. 7 GestG nicht anwendbar sei, da Art. 73 Abs. 3 BVG dem
GestG vorgehe (DASSER, a.a.O., N. 45 zu Art. 1 GestG; EDITH BLUNSCHI, in:
Müller/Wirth, a.a.O., N. 10 Fn. 14 zu Art. 29 GestG; RIEMER/RIEMER-KAFKA,
a.a.O., S. 166 Rz. 16). Da sich aber die Zulässigkeit der Klagenhäufung
bereits aus der Auslegung von Art. 73 BVG ergibt, entsteht hier kein
Normenwiderspruch. Aus dem gleichen Grund kann auch offen bleiben, ob die
Bestimmungen des GestG integral anwendbar sind, was auch z.B. die
Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 9 GestG) zur Folge
hätte.

  4.5  Der Gerichtsstand Appenzell Ausserrhoden ist somit für sämtliche
Beklagten gegeben.