Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 IV 97



Urteilskopf

133 IV 97

  11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
  6S.561/2006 vom 17. Mai 2007

Regeste

  Art. 286 und 305 Abs. 1 StGB; Hinderung einer Amtshandlung;
Selbstbegünstigung.

  Wer in der Absicht, sich der Strafverfolgung zu entziehen, eine
Polizeikontrolle vereitelt, ohne in den Gang einer hinreichend konkreten
Amtshandlung einzugreifen, macht sich nicht nach Art. 286 StGB strafbar
(Präzisierung der Rechtsprechung; E. 6).

Sachverhalt ab Seite 97

  A.- Am 7. März 2006 erliess das Bezirksamt Zurzach gegen X. einen
Strafbefehl wegen Hinderung einer Amtshandlung und Führens eines Fahrzeuges
in nicht vorschriftsgemässem Zustand mit folgendem Wortlaut:

   "Durch zwei Beamte der Mobilen Einsatzpolizei wurde festgestellt, dass am
    Personenwagen des Beschuldigten die Fahrer- und die Beifahrerscheibe
    stark abgedunkelt waren. Als der Beschuldigte in der Folge angehalten

    wurde, senkte er die zuvor hochgefahrene Fahrer- und Beifahrerscheibe.
    Anlässlich der Kontrolle verhielt sich der Beschuldigte äusserst
    unkooperativ, jähzornig und erbost. Er weigerte sich zudem die
    Fensterscheibe hochzufahren, damit durch die Polizei eine Fotografie
    hätte erstellt werden können. Mit einer Mängelkarte wurde der
    Beschuldigte aufgefordert, sein Fahrzeug in vorschriftsgemässen Zustand
    zu versetzen. Die Mängelkarte wurde bei der Weiterfahrt aus dem Fenster
    geworfen. Der Beschuldigte war bereits mit Strafbefehl vom 4. Juli 2005
    wegen mit Folie getönter Seitenscheiben, vorne links und rechts, mit
    Busse bestraft worden."

  Gegen diesen Strafbefehl erhob X. Einsprache.

  B.- Das Bezirksgericht Zurzach erklärte X. mit Urteil vom 8. Juni 2006
wegen Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) sowie Führens eines
Fahrzeuges in nicht vorschriftsgemässem Zustand (Art. 29 SVG, Art. 57 Abs. 1
VRV [SR 741.11] und Art. 71 Abs. 4 VTS [SR 741.41] i.V.m. Art. 93 Ziff. 2
Abs. 1 SVG) schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von 1'000 Franken als
Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksamtes Zurzach vom 15. November 2005.

  C.- Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X. - in teilweiser
Gutheissung einer von ihm erhobenen Berufung - vom Vorwurf des Führens eines
Fahrzeuges in einem nicht vorschriftsgemässem Zustand frei, verurteilte ihn
hingegen nach Art. 286 StGB wegen Hinderung einer Amtshandlung zu einer
Busse von 800 Franken als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksamtes Zurzach
vom 15. November 2005.

  D.- X. führt gegen das Urteil des Obergerichts vom 20. Oktober 2006
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut, soweit darauf
einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.

  3.1  In tatsächlicher Hinsicht führt die Vorinstanz Folgendes aus: Am 4.
Oktober 2005 liess der Beschwerdeführer die abgedunkelten Fahrer- und
Beifahrerscheiben seines Personenwagens herunter, nachdem er eine
Polizeipatrouille erblickt hatte. Den beiden Polizeibeamten im Dienst war
die Abdunklung der Fensterscheiben (vorerst noch oben) aufgefallen, weshalb
sie dem Fahrzeug des Beschwerdeführers folgten und ihn zum Anhalten
aufforderten, was er

auch tat. Als die Beamten zur Kontrolle schritten, waren die beiden vorderen
Fensterscheiben unten. Der Aufforderung, die Scheiben wieder hochzukurbeln,
um das Fahrzeug auf seinen vorschriftsgemässen Zustand hin zu überprüfen und
mittels Fotografie eine Beweisaufnahme durchzuführen, kam der
Beschwerdeführer nicht nach. Aus dieser Weigerung und dem Umstand, dass er
bereits vor drei Monaten wegen abgedunkelter Fahrer- und Beifahrerscheiben
gebüsst worden war, zieht die Vorinstanz den tatsächlichen Schluss, dass er
die Fensterscheiben nicht - wie von ihm behauptet - zum Lüften, sondern
einzig zur Verhinderung der Beweiserstellung herunterliess und einer
erneuten Verzeigung unbedingt entgehen wollte.

  Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten
eine Amtshandlung im Sinne von Art. 286 StGB gehindert. Unter Verweis auf
das Urteil der ersten kantonalen Instanz führt sie zur Begründung aus, seine
Weigerung anlässlich der konkreten Kontrolle sei als passiver Widerstand zu
qualifizieren, dem ein Tätigwerden - namentlich das Herunterlassen der
Fensterscheiben - vorausgegangen sei. Da feststehe, dass er einzig zum
Zwecke der Verhinderung bzw. Erschwerung der Beweisaufnahme tätig geworden
sei, habe er den Tatbestand von Art. 286 StGB objektiv und subjektiv
erfüllt. Das blosse Motiv der Selbstbegünstigung vermöge weitere, mit der
Selbstbegünstigung einhergehende Delikte nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen.

  3.2  Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Polizeibeamten durch
sein Verhalten nicht gehindert. Die Weigerung (bei der konkreten Kontrolle),
die Scheiben auf Geheiss wieder hochzufahren, stelle eine Unterlassung dar,
die mangels Garantenstellung gegenüber dem Staat nicht strafbar sein könne.
Demgegenüber sei das Herunterlassen der Fensterscheiben (vor der Kontrolle)
eine "straflose Vorbereitungshandlung", weil die Beamten im Zeitpunkt seines
Handelns noch gar nicht den Entschluss gefasst hätten, eine Fotografie zu
erstellen. Die Widersetzung sei gerechtfertigt. Das staatliche Interesse der
Strafverfolgung habe vor seinem Selbstbegünstigungsinteresse zurückzutreten,
was sich aus der bundesgerichtlichen Praxis und Art. 6 EMRK bzw. dem
allgemeinen Rechtsgrundsatz "nemo tenetur se ipse accusare" ergebe.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Gemäss Art. 286 StGB wird wegen Hinderung einer Amtshandlung mit
Gefängnis bis zu einem Monat oder mit Busse bestraft, wer

eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten an einer
Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt.

  4.2  Der Täter hindert im Sinne von Art. 286 StGB, wenn er eine
Amtshandlung ohne Gewalt beeinträchtigt, so dass diese nicht reibungslos
durchgeführt werden kann (BGE 103 IV 186 E. 2). Dabei ist nicht
erforderlich, dass er die Handlung einer Amtsperson gänzlich verhindert.
Vielmehr genügt, dass er deren Ausführung erschwert, verzögert oder
behindert (BGE 127 IV 115 E. 2 mit Hinweisen). In Bezug auf die Art der
bereiteten Hindernisse oder die verwendeten Tatmittel enthält der
Gesetzestext keinerlei Einschränkung (BGE 85 IV 142 E. 2 S. 143 mit Verweis
auf die Gesetzesmaterialien).

  Ob und inwieweit eine Amtshandlung auch durch Unterlassen gehindert werden
kann, ist umstritten. Die Lehre nimmt überwiegend an, dass grundsätzlich nur
ein aktives Störverhalten den Tatbestand erfüllt. Eine Ausnahme dürfte nur
dort gelten, wo eine Garantenpflicht bestehe, die Amtshandlung zu fördern
und ein zuvor geschaffenes Hindernis zu beseitigen (siehe GÜNTER
STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., Bern
2000, § 50 N. 10; DONATSCH/WOHLERS, Strafrecht IV, 3. Aufl., Zürich 2004, S.
309 f. und 318; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 286 N. 4).

  Das Bundesgericht hat in seiner älteren Praxis ein tatbestandsmässiges
Verhalten etwa erkannt in der Weigerung des Täters, den die Radarkontrolle
störenden Wagen wegzustellen (BGE 95 IV 172). Jüngere Entscheide heben
hervor, der Tatbestand erfordere eine Widersetzlichkeit, die sich in
gewissem Umfang in einem aktiven Tun ausdrücke. Der blosse Ungehorsam
scheide aus. Wer sich darauf beschränke, einer amtlichen Aufforderung nicht
Folge zu leisten oder am Ort der Ausführung gegen die Art der Amtshandlung
Einsprache zu erheben, ohne in dieselbe einzugreifen, werde nicht nach Art.
286 StGB bestraft (BGE 127 IV 115 E. 2; 124 IV 127 E. 3a; 120 IV 136 E. 2a
mit zahlreichen Hinweisen). Im zuletzt genannten Entscheid prüfte das
Bundesgericht, ob eine Amtshandlung auch durch rein passives Verhalten, also
ein Unterlassen, gehindert werden kann, und hat dies mangels Rechtspflicht
zum Handeln verneint für den untätig gebliebenen Passagier eines Fahrzeuges,
dessen Lenker eine Polizeisperre durchbrach (E. 2b).

  4.3  Im hier zu beurteilenden Fall hat der Beschwerdeführer im Hinblick
auf die Polizeikontrolle eine Handlung vorgenommen, indem

er die Fensterscheiben senkte, und verhielt sich alsdann passiv, indem er
der Aufforderung zum Hochkurbeln der Scheiben nicht Folge leistete. Das
zweite Verhalten in Form des Unterlassens war letztlich der Grund dafür,
dass die beabsichtigte Beweisaufnahme durch die Polizei nicht durchgeführt
werden konnte. Da deren Anweisung, die Fensterscheiben wieder hochzukurbeln,
der Kontrolle der Betriebssicherheit des Fahrzeuges und damit der
Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit im
Strassenverkehr diente, stellt sie eine polizeiliche Weisung im Sinne von
Art. 27 Abs. 1 SVG dar (vgl. BGE 114 IV 154 E. 2c S. 158). Aus der genannten
Rechtsnorm und deren Zweck liesse sich aber wohl kaum ableiten, dass der
Verkehrsteilnehmer allgemein verpflichtet ist, die Polizei bei der
Fahrzeugkontrolle zu unterstützen und zuvor geschaffene Hindernisse zu
beseitigen (vgl. TRECHSEL, a.a.O., Art. 286 N. 4), doch kommt der Frage hier
keine entscheidende Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, dass der
Beschwerdeführer bewusst im Hinblick auf die bevorstehende Kontrolle tätig
geworden ist, um die Beweisaufnahme zu verhindern, und sich mit der
Aufrechterhaltung des dadurch geschaffenen Zustandes begnügen konnte. Liegt
ein solch gezieltes Tätigwerden vor, ist nach den allgemeinen Grundsätzen
über die Abgrenzung von Handlung und Unterlassung (vgl. dazu BGE 120 IV 265
E. 2b S. 271; 115 IV 199 E. 2a S. 203 f.) von einem aktiven Tun auszugehen
(im gleichen Sinn ROBERT SCHNETZER, Die Abgrenzung der Hinderung einer
Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB vom blossen Ungehorsam, Diss. Basel 1979,
S. 88 ff.). Dem Beschwerdeführer ist somit nicht ein passives Verhalten
vorzuwerfen, sondern ein Aktivwerden, nämlich das vorgängige Senken der
Fensterscheiben, und nur daran knüpft der strafrechtliche Vorwurf an, der
nachfolgend zu prüfen ist.

Erwägung 5

  5.  Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, eine Hinderung
der Beweisaufnahme könnte nur angenommen werden, wenn er nach dem Entschluss
der Polizei, die Fensterscheiben zu fotografieren, gehandelt hätte. Das
vorgängige Herunterlassen der Scheiben sei eine "straflose
Vorbereitungshandlung", da es ihm möglich gewesen wäre, diese wieder
hochzufahren. Mit diesem Vorbringen macht er geltend, die Deliktsausführung
sei nicht einmal bis in das Stadium des Versuchs gediehen.

  5.1  Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter, nachdem er mit der Ausführung
eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht
zu Ende führt (Art. 21 StGB), oder wenn der

zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörende Erfolg nicht
eintritt (Art. 22 StGB).

  5.2  Der Tatbestand von Art. 286 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet.
Der tatbestandsmässige Erfolg liegt darin, dass die Amtshandlung unterbleibt
oder ihre Durchführung erschwert, verzögert oder behindert wird. Insoweit
genügt, dass sich das (vorgängige) Verhalten des Täters auf die Ausführung
der amtlichen Handlung bzw. die Amtsperson tatsächlich auswirkt (vgl. BGE
127 IV 115 E. 2). Ein weitergehender Erfolg wird nicht vorausgesetzt. Der
Täter ist deshalb auch wegen vollendeter und nicht nur versuchter Hinderung
strafbar, wenn er den Beamten erfolglos gehindert hat (BGE 103 IV 186 E. 4
mit Hinweisen). Für eine versuchte Tatbegehung bleibt praktisch kaum Raum
(vgl. BGE 105 IV 48 E. 3; ERNST HAFTER, Schweizerisches Strafrecht,
Besonderer Teil, Berlin 1943, S. 713).

  Umgekehrt wird nach Art. 286 StGB nicht bestraft, wer den mit der
Amtshandlung angestrebten Zweck vereitelt, ohne die amtliche Handlung als
solche zu behindern (BGE 103 IV 186 E. 4). Denn bei der blossen
Zweckvereitelung zielen weder die Absicht noch das Verhalten des Täters auf
eine Hinderung der Amtshandlung hin, so dass auch von Versuch keine Rede
sein kann (vgl. BGE 103 IV 186 E. 5; SCHNETZER, a.a.O., S. 37).

  5.3  Der Beschwerdeführer senkte die Fensterscheiben einzig zur
Verhinderung der Beweisaufnahme, was ihm auch gelang, da eine Begutachtung
durch die Polizei in der Folge unterblieb. Das Verhalten war objektiv somit
gerade auf die Hinderung der Polizeikontrolle gerichtet und wirkte sich
tatsächlich aus, weshalb weder eine versuchte Hinderung einer Amtshandlung
noch eine Vorbereitungshandlung dazu angenommen werden kann. Dass er
vorsätzlich handelte und überdies in der Absicht, eine erneute Verzeigung
wegen abgedunkelter Fahrzeugscheiben abzuwenden, stellt der Beschwerdeführer
angesichts der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid zu
Recht nicht in Abrede.

Erwägung 6

  6.  Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz verkenne die Praxis
zum Verhältnis zwischen strafloser Selbstbegünstigung und Hinderung einer
Amtshandlung. Die generelle Annahme der Strafbarkeit gemäss Art. 286 StGB
widerspreche dem aus Art. 6 EMRK abgeleiteten Verbot der Selbstbelastung
(nemo-tenetur-Grundsatz). Es müsse eine konkrete Interessenabwägung
vorgenommen werden. Bei wertender Abwägung ergebe sich unzweifelhaft,

dass sein eigenes Selbstbegünstigungsinteresse den mit der Beschlagnahme
verbundenen Mehraufwand der Polizei aufwiege.

  6.1  Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug
einer gesetzlich vorgesehenen Massnahme entzieht, macht sich wegen
Begünstigung strafbar (Art. 305 Abs. 1 StGB). Aus dem Wortlaut dieser
Bestimmung ergibt sich, dass der Täter einen anderen als sich selbst
begünstigen muss. Selbstbegünstigung ist nach Art. 305 Abs. 1 StGB nicht
strafbar, was einhelliger Rechtsauffassung entspricht. Ebenso besteht
Einigkeit darüber, dass das blosse Motiv der Selbstbegünstigung nicht
strafbefreiend wirken kann und der Täter der Strafe nicht entgeht, wenn die
Selbstbegünstigung in einer anderen strafbaren Handlung besteht (so bereits
BGE 73 IV 237 E. 1; 74 IV 54 S. 56; 96 IV 155 E. 6 S. 168 mit weiteren
Hinweisen; zuletzt BGE 124 IV 127 E. 3b/dd S. 132 mit Hinweis auf die
Literatur).

  6.2
  6.2.1  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts findet die straflose
Selbstbegünstigung ihre Grenze auch am Tatbestand der Hinderung einer
Amtshandlung. So bildet seit BGE 85 IV 142 der Umstand, dass der Täter
versucht, durch Flucht sich selber einer Strafverfolgung zu entziehen, unter
dem Gesichtspunkt des Art. 286 StGB keinen Grund für Straffreiheit. Zwar
trifft zu, dass derjenige, der sich der Strafverfolgung oder dem Vollzug
einer Strafe entzieht, nicht nach Art. 305 StGB bestraft wird. Das bedeutet
indes nicht, dass er in jedem Fall in den Genuss der Straffreiheit kommt.
Denn seine Handlung kann zusätzlich einen anderen Straftatbestand erfüllen,
was insbesondere der Fall ist, wenn die Flucht - vom Flüchtigen beabsichtigt
- bewirkt, dass ein Beamter an der Vornahme einer ihm obliegenden
Amtshandlung gehindert wird. Die Gründe, die in einem solchen Fall der
Anwendung von Art. 305 StGB entgegenstehen, gelten im Hinblick auf Art. 286
StGB nicht (BGE 85 IV 142 E. 2; 120 IV 136 E. 2a a.E.).

  Diese Rechtsprechung ist von der Lehre teilweise kritisiert worden im
Wesentlichen mit dem Argument, das Verbot der Hinderung einer Amtshandlung
(Art. 286 StGB) erfasse kein deutlich unterscheidbares Rechtsgut im
Vergleich zum Begünstigungsverbot (Art. 305 StGB). Wenn die
Selbstbegünstigung straflos sein solle, dürfe Art. 286 StGB folglich auf die
Erschwerung von derartigen Amtshandlungen, wie der Zuführung zum
Strafvollzug, der Durchsuchung eines Autos auf

Deliktsspuren oder einer der Strafverfolgung dienenden Ausweiskontrolle,
durch den Betroffenen gerade nicht Anwendung finden (so namentlich
STRATENWERTH, a.a.O., § 50 N. 12; TRECHSEL, a.a.O., Art. 286  N. 6). Das
Bundesgericht hat sich unlängst mit der Kritik der Lehre ausführlich
auseinandergesetzt und seine Rechtsprechung bestätigt (BGE 124 IV 127 E.
3b). Es hat in wertender Abwägung geklärt, ob das Widersetzungsverbot für
den Selbstbegünstiger nicht gilt oder ob die Straflosigkeit der
Selbstbegünstigung ihre Grenze am Tatbestand des Art. 286 StGB findet. Dabei
wurde insbesondere berücksichtigt, dass nach der Systematik des
Strafgesetzbuches die beiden Tatbestände der Hinderung einer Amtshandlung
und der Begünstigung verschiedene Rechtsgüter - nämlich Art. 286 StGB den
Schutz der öffentlichen Gewalt und Art. 305 StGB den Schutz der
Strafrechtspflege - schützen, zwischen den Tatbeständen echte
Idealkonkurrenz angenommen werden kann, die Begünstigung den Unrechtsgehalt
der Widersetzung nicht abdeckt und Art. 305 StGB nicht als Schutznorm des
Selbstbegünstigers missverstanden werden darf (BGE 124 IV 127 E. 3b/dd unter
Bezugnahme auf ANDREAS HAUSWIRTH, Die Selbstbegünstigung im schweizerischen
Strafrecht, Diss. Bern 1984, S. 163 ff.).

  6.2.2  Wenn im genannten Entscheid ausgeführt wird, die Grenze der
straflosen Selbstbegünstigung sei "in wertender Abwägung" (S. 132) zu
klären, so heisst das nicht, dass eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden
Interessen im konkreten Einzelfall vorzunehmen wäre. Das Gesetz ist vielmehr
als generell-abstrakte Regel auszulegen. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers kann es deshalb für die Frage der Strafbarkeit nach Art.
286 StGB nicht darauf ankommen, wie stark das jeweilige
Selbstbegünstigungsinteresse des Täters im Einzelfall zu gewichten wäre.
Unbehelflich ist der Hinweis auf den strafprozessualen Grundsatz "nemo
tenetur" sowie Art. 6 EMRK, wonach der Beschuldigte das Recht hat, zu
schweigen und sich nicht belasten muss (BGE 130 I 126 E. 2.1 mit Hinweisen).
Das nemo-tenetur-Prinzip berührt den Straftatbestand von Art. 286 StGB
nicht. Dem Beschuldigten werden dadurch keine Mitwirkungspflichten
auferlegt, deren Missachtung sanktioniert würde, sondern es wird die
Hinderung rechtmässiger Amtshandlungen unter Strafe gestellt. Was der
Beschwerdeführer daher unter dem Titel einer verfassungs- bzw.
konventionskonformen Auslegung und Anwendung vorbringt, geht fehl.

  6.2.3  Gleichwohl ist richtig, dass die Abgrenzung zwischen strafloser
Selbstbegünstigung und strafbarer Hinderung einer Amtshandlung nicht immer
leicht vorzunehmen ist. Das gilt vorab für die Frage, ab wann der Täter eine
amtliche Handlung im Sinne von Art. 286 StGB tatbestandsmässig hindern kann,
was es anhand des geschützten Rechtsgutes zu verdeutlichen gilt.

  Der Schutz von Art. 286 StGB bezieht sich auf die staatliche Autorität,
die sich auf Verfassung und Gesetz stützt, und die zur Ausübung des
Staatswillens berufenen Organe (DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 305; HANS
WIPRÄCHTIGER, Gewalt und Drohung gegenüber Beamten oder Angestellten im
öffentlichen Verkehr unter besonderer Berücksichtigung des Bahnpersonals,
SJZ 93/1997 S. 210). Wird die rechtmässige Konkretisierung des Staatswillens
geschützt, so folgt daraus, dass die Amtsperson zunächst einmal physisch
anwesend sein und bestimmte Anordnung getroffen haben muss, damit der Täter
sich strafbar machen kann (HAUSWIRTH, a.a.O., S. 162 f.). Nicht erfasst
werden demnach Verhaltensweisen, die keine hinreichend konkrete Amtshandlung
behindern, mögen sie auch geeignet sein, sich auf die Amtsführung im
Allgemeinen auszuwirken. So bleibt der Täter nach Art. 286 StGB straflos,
wenn er die Flucht ergreift, bevor sich ihm die Polizei mit ihren Absichten
entgegenstellt. Der Flüchtige kommt der Amtsgewalt lediglich zuvor, ohne in
den Ablauf einer amtlichen Handlung einzugreifen (HAUSWIRTH, a.a.O., S. 163;
vgl. auch DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 310). Ebenso verhält es sich, wenn
der Täter vor dem Erscheinen der Polizei Deliktsspuren vernichtet,
Beweismittel zur Seite schafft oder anderweitig die Tat verheimlicht.
Schliesslich muss es auch gelten, wenn der Täter im Hinblick auf eine
unmittelbar bevorstehende Polizeikontrolle tätig wird, um diese zu
vereiteln, ihm aber die Kontrollabsichten noch nicht angezeigt worden sind.
Denn der Umstand, dass er wegen der Präsenz der Polizei mit einer Kontrolle
ernsthaft rechnen muss, fügt dem selbstbegünstigenden Verhalten für sich
allein noch kein wesentliches Element hinzu.

  Wenn der Täter hingegen in eine Amtshandlung eingreift, die sich bereits
in Gang befindet und sich in klar erkennbarer Weise gegen ihn richtet,
erschöpft sich sein Verhalten nicht mehr in blosser Selbstbegünstigung und
vermag ihn die entsprechende Absicht nicht von Strafe nach Art. 286 StGB zu
befreien. Das war in BGE 124 IV 127 der Fall, als der Fahrzeuglenker sich
weigerte, der Aufforderung zur Vorlegung von Ausweispapieren nachzukommen
und davonfuhr,

und es traf auch zu auf den Lenker in BGE 85 IV 142, der angehalten wurde
und sich durch Flucht entzog, nachdem er von der Absicht der Polizei
erfahren hatte, den Inhalt des Kofferraumes zu durchsuchen. In solchen
Konstellationen verübt der Täter in Selbstbegünstigung einen zusätzlichen
Rechtsbruch, indem er sich einer konkreten amtlichen Anordnung widersetzt
und die Durchführung der Amtshandlung hindert.

  Zusammenfassend ergibt sich, dass die Abgrenzung zwischen strafbarer
Hinderung einer Amtshandlung und strafloser Selbstbegünstigung mit Rücksicht
auf die Schutzrichtung von Art. 286 StGB danach vorzunehmen ist, ob der
Täter in eine hinreichend konkretisierte Amtshandlung eingreift oder aber
einer solchen nur zuvorkommt.

  6.3  Im hier zu beurteilenden Fall bestand die Amtshandlung, deren
Hinderung dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, in der Überprüfung des
Fahrzeuges auf seinen vorschriftsgemässen bzw. betriebssicheren Zustand.
Nachdem den Polizeibeamten die Abdunklung der Fensterscheiben aufgefallen
war, fuhren sie ihm nach, veranlassten ihn zum Anhalten, schritten zur
konkreten Kontrolle und forderten ihn auf, die Fensterscheiben
hochzukurbeln. Alle diese Teilakte zur Vorbereitung der Fahrzeugkontrolle
fallen unter den Begriff der Amtshandlung im Sinne von Art. 286 StGB und
sind notwendige Begleithandlungen für den Entscheid darüber, ob eine
Verzeigung zu erfolgen hat oder nicht (BGE 90 IV 137 S. 139; 124 IV 127 E.
3b/dd S. 133).

  Zum Verhalten des Beschwerdeführers hält die Vorinstanz in tatsächlicher
Hinsicht fest, er habe beabsichtigt, die Polizeikontrolle zu verhindern, um
einer weiteren Verzeigung wegen abgedunkelter Fensterscheiben zu entgehen.
Einzig zu diesem Zwecke habe er die Scheiben gesenkt, als er die
Polizeipatrouille wahrgenommen habe. Wann genau und unter welchen Umständen
er dazu tätig geworden ist, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht
entnehmen. Die Vorinstanz trifft insbesondere keinerlei Feststellungen dazu,
ob sein Handeln zeitlich vor die polizeiliche Aufforderung zum Anhalten fiel
oder erst danach erfolgte. Diesem Zeitpunkt kommt indes rechtserhebliche
Bedeutung zu. Die Verurteilung gemäss Art. 286 StGB setzt nach dem Gesagten
voraus, dass der Beschwerdeführer in eine konkret in Gang befindliche und
gegen ihn gerichtete Amtshandlung eingegriffen hat, was hier nur angenommen
werden kann,

wenn ihm bereits befohlen war, das Fahrzeug anzuhalten. Daher ist
entscheidend, ob er die Fensterscheiben vor oder nach dem Anhaltebefehl
gesenkt hat. Die Sache ist deshalb im Verfahren nach Art. 277 BStP zur
Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.