Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 IV 36



Urteilskopf

133 IV 36

  5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Oberstaatsanwaltschaft
des Kantons Zürich gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
  6S.156/2006 vom 24. November 2006

Regeste

  Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung.

  Das Hochtreiben des Börsenkurses einer Aktie durch künstliche Eingriffe in
den Preisbildungsprozess durch Angestellte einer Bank führt weder zu einem
unwahren Depotauszug für die Kunden noch zu einer unrichtigen Buchführung
der Bank (E. 4.2).

Sachverhalt ab Seite 36

  A.- Die Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich verurteilte X. mit
Strafbefehl vom 7. Oktober 2004 wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher
Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 25 StGB zu
10 Tagen Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2
Jahren.

  Auf Einsprache des Beurteilten hin erklärte der Einzelrichter in
Strafsachen des Bezirks Zürich X. am 7. April 2005 als nicht schuldig und
sprach ihn frei. Eine hiegegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung
blieb ohne Erfolg. Mit Urteil vom 6. Februar 2006 bestätigte das Obergericht
des Kantons Zürich das erstinstanzliche Urteil.

  B.- Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei
aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an diese Instanz
zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.

  1.1  Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof folgenden verbindlichen
Sachverhalt fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP):
  Der Beschwerdegegner war Ende 2000 als Leiter Aktienhandel Schweiz bei der
Bank A. AG in Zürich tätig und als Verantwortlicher für den Geschäftsbereich
Schweizer Aktien unter anderem für den börsenmässigen Handel der an der SWX
Swiss Exchange kotierten Namenaktie der B. Holding zuständig, insbesondere
für das Market Making. Die B. Holding AG wurde damals von der A. Gruppe
verwaltet. Da der Kurs der Namenaktien der Firma B. seit April 2000,
namentlich seit August 2000, stetig fiel, trieb der Beschwerdegegner am 29.
Dezember 2000, dem letzten Handelstag des Jahres 2000, auf Veranlassung
seiner Vorgesetzten deren Kurs durch gezielte Massnahmen in die Höhe.
Insbesondere in der Schlussauktion bewirkte er durch 9 Kaufabschlüsse ohne
Vorliegen von Kundenaufträgen im Umfang von 910 Aktien für das Nostro der
Bank und durch das Löschen von durch seine Mitarbeiter ins System
eingegebenen Verkaufsaufträgen in diesen Aktien einen Kursanstieg von 8,4 %
gegenüber dem letzten Kurs vor der Schlussauktion. Dabei nützte er den
Umstand aus, dass in der Schlussauktion, die während der letzten 10
Handelsminuten stattfindet, eine Aktie auch bei grösseren Kursausschlägen
nicht in eine Stop-Trading-Phase fällt. Insgesamt trat der Beschwerdegegner
bzw. die Bank A. von 30 Abschlüssen an jenem Börsentag, welche die B.-Aktien
betrafen, 27 Mal als Käuferin in Erscheinung. Durch seine Machenschaften
trieb der Beschwerdegegner den Kurs der Aktien von CHF 442 (Eröffnungskurs)
auf den Monatsspitzenwert von CHF 490 hinauf, was einer Kurssteigerung von
10,86 % entsprach.

  Dieser Börsenkurs wurde zur Jahresendbewertung der Namenaktien der Firma
B. in den Nostrokonten der A. Gruppe und damit als Bewertungsgrundlage für
den Jahresabschluss des Konzerns sowie in den Jahresendbewertungen der
Portefeuilles aller Bankkunden herangezogen, die diesen Titel in ihren
Depots hielten. Der vom Beschwerdegegner

hochgetriebene Kurs war vom Markt nicht getragen, weshalb es am nächsten
Handelstag bei Handelseröffnung bei einem Eröffnungskurs von CHF 459 zu
einem Stop Trading kam.

  1.2  Die Strafverfolgungsbehörden sahen davon ab, die vom Beschwerdegegner
betriebene Beeinflussung der Aktienkurse als Kursmanipulation im Sinne von
Art. 161bis StGB anzuklagen, da keine Scheingeschäfte vorlagen. Indes warfen
sie dem Beschwerdegegner vor, er habe Gehilfenschaft zu mehrfacher
Urkundenfälschung geleistet, indem er durch die Kurssteigerung zu einer
überhöhten Bewertung der B.-Namenaktien in den Nostrokonten und im
Jahresabschluss der A. Gruppe sowie in den Kundendepots beigetragen habe.
  (...)

Erwägung 4

  4.  (...)

  4.2  Die unrichtige Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache setzt
voraus, dass sich die Urkunde dazu überhaupt äussert. Insofern erbringt die
Schrift nur Beweis für den in ihr selbst unmittelbar bezeugten Sachverhalt
(BGE 131 IV 125 E. 4.5 S. 130 f. mit Hinweisen). Die Angabe von
Börsenkurswerten in den Depotauszügen erlaubt von vornherein keine Aussage
über den inneren Wert einer Effekte, weil die Kurse nicht den wahren Wert
wiedergeben und sich ein solcher auch gar nicht genau feststellen lässt. Der
Kurs eines Wertpapiers bildet den Börsen- oder Marktpreis ab, der je nach
Angebot und Nachfrage ständig Schwankungen unterworfen ist. Der im
Depotauszug aufgeführte Kurs besagt nichts anderes, als dass die Effekte am
angeführten Datum zum angegebenen Kurs gehandelt worden ist. Ob dieser Kurs
vom Markt getragen ist oder - wie im zu beurteilenden Fall - durch
künstliche Eingriffe in den Preisbildungsprozess verfälscht wurde, bleibt
dabei ohne Bedeutung. Der Depotauszug bezeugt nur, dass die Effekte zum
genannten Wert gehandelt wurde. Zu keinem anderen Ergebnis führt entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin auch der Umstand, dass in den
Depotauszügen zusätzlich ein "Kurswert" aufgeführt ist. Denn dieser bildet
nicht das Resultat einer Bewertung oder Einschätzung, sondern dasjenige
einer blossen Rechenoperation, nämlich der Multiplikation des Bestands der
einzelnen Titel mit dem jeweiligen Kurs. Das bedeutet, dass die Angabe des
Börsenkurses der B.-Namenaktien in den Depotverzeichnissen keine definitive
Bewertung der fraglichen Effekten darstellt.

  Dasselbe gilt im Hinblick auf die Buchhaltung der A. Gruppe. Art. 667 OR
sieht vor, dass Wertschriften mit Kurswert höchstens zum Durchschnittskurs
des letzten Monats vor dem Bilanzstichtag bewertet werden dürfen. Auch wenn
die Banken nach den vorinstanzlichen Feststellungen offenbar teilweise nach
dem Kurs am Stichtag bewerten, so gilt dies nur für einfache und
unproblematische Fälle. Die Revisionsstelle der A. Gruppe erklärt im
Schreiben vom 4. Februar 2005, die Schlusskurse am Bilanzstichtag würden nur
bei liquiden Titeln ohne vertiefte Abklärungen als Bewertungsgrundlage
akzeptiert. Im vorliegenden Fall habe die A. Gruppe selber wegen des
überhöhten Schlusskurses der B.-Namenaktien eine Wertberichtigung von CHF 5
Mio. vorgenommen, was sie als vertretbar angesehen habe. Aus dem erwähnten
Schreiben ergibt sich weiter, dass der Schlusskurs der B.-Namenaktie
lediglich den Ausgangspunkt für die Bewertung in der Konzernrechnung
bildete, aber gerade keine definitive Bewertung darstellte. Somit wurde auch
die Buchführung nicht verfälscht. Auch die Steuerbehörden haben den Wert der
B.-Namenaktien am Ende des Jahres 2000 nicht einfach anhand des
Börsenschlusskurses von CHF 490 bestimmt. Vielmehr setzte die Eidgenössische
Steuerverwaltung den steuerbaren Wert der B.-Aktien anhand des
Durchschnittswerts im Monat Dezember 2000 auf CHF 425 fest.

  Aus dem von der Beschwerdeführerin angerufenen Entscheid des
Bundesgerichts, bei dem unzutreffende Gutschriften auf einem Bankkonto zu
beurteilen waren (BGE 108 IV 25; vgl. auch BGE 116 IV 52), ergibt sich
nichts anderes. Wohl besagt die zitierte Rechtsprechung, dass die
kaufmännische Buchhaltung und die dazugehörigen Belege über die tatsächliche
wirtschaftliche Situation des Buchführenden Aufschluss zu geben haben. Im
Unterschied zu jenem Entscheid wird dem Beschwerdegegner hier vorgeworfen,
durch das Hinauftreiben des Kurses der B.-Namenaktien auf CHF 490 bewirkt zu
haben, dass in den Nostrokonten der A. Gruppe und in den Depotverzeichnissen
der Kunden bei den B.-Namenaktien Kurse verzeichnet wurden, die nicht der
wirtschaftlichen Situation entsprochen hätten. Soweit die Beschwerdeführerin
die Verbuchung von Börsenkurswerten derjenigen einer Gutschrift auf einem
Bankkonto gleichsetzen will, übersieht sie, wie sich aus den obstehenden
Erwägungen ergibt, dass diesen beiden Vorgängen nach der Vorstellung des
Gesetzgebers und in der Praxis nicht die gleiche Bedeutung zukommt.

  Insgesamt ist der Ausweis über die Schlusskurse der Börse zwar nicht ohne
Einfluss auf die Bewertung der Wertschriften. Doch erfolgt damit noch keine
Bewertung der Effekten selber. Die Beschwerdeführerin geht daher zu weit,
wenn sie verlangt, dass die in den Depotauszügen angegebenen Kurse nicht nur
den tatsächlich verzeichneten Börsenkursen entsprechen müssten, sondern auch
den wirtschaftlichen Wert der Wertschriften richtig wiedergeben müssten. Die
Vorinstanz erklärt deshalb zu Recht, die fraglichen Auszüge seien nicht
geeignet, den wirtschaftlichen Wert der B.-Namenaktien zu beweisen, weshalb
eine Verurteilung wegen Falschbeurkundung ausscheide.