Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 IV 21



Urteilskopf

133 IV 21

  3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft sowie Kantonsgericht St. Gallen (Staatsrechtliche
Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde)
  6P.176/2006 / 6S.404/2006 vom 16. Februar 2007

Regeste

  Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 StGB; qualifizierte Veruntreuung
anvertrauter Vermögenswerte.

  Täuschungsbedingte Gegenleistungen für die versprochene vertragliche
Leistung aus vollkommen zweiseitigen Verträgen begründen keine
Werterhaltungspflicht. Der Freispruch von der Anklage des Betruges in einem
Fall schwindelhaften Verkaufs von angeblichen Bankgarantien erlaubt daher
keine ersatzweise Verurteilung wegen Veruntreuung (E. 6 und 7).

Sachverhalt ab Seite 21

  A.

  A.a Das Bezirksgericht Werdenberg sprach X. mit Urteil vom 5. Juli 2001
des gewerbsmässigen Betruges schuldig und verurteilte ihn zu 3 Jahren
Gefängnis. Ferner verurteilte es ihn zur Zahlung von DM 1'450'000.-
Schadenersatz an die Geschädigten. Auf Berufung des Beurteilten hin erklärte
das Kantonsgericht St. Gallen X. mit Entscheid vom 2. Juni 2004 der
Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug schuldig und verurteilte ihn zu 2
1/2 Jahren Gefängnis.

Von der Anklage des gewerbsmässigen Betruges in einem Fall sprach es ihn
frei. Die Zivilforderungen verwies es auf den Weg des Zivilprozesses.

  A.b Eine gegen diesen Entscheid geführte eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 25. Februar
2005 gemäss Art. 277 BStP gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die
Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Die gleichzeitig
erhobene staatsrechtliche Beschwerde schrieb es als gegenstandslos am
Geschäftsverzeichnis ab.

  B.- Das Kantonsgericht St. Gallen sprach daraufhin X. mit Urteil vom 2.
Mai 2006 von der Anklage der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug frei.
Hingegen erklärte es ihn nunmehr der qualifizierten Veruntreuung schuldig
und verurteilte ihn zu 18 Monaten Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug bei
einer Probezeit von 2 Jahren. In einem Fall sprach es ihn von der Anklage
der qualifizierten Veruntreuung frei. Die Zivilforderungen gemäss Ziff. 5
des Urteils des Bezirksgerichts Werdenberg vom 5./6. Juli 2001 verwies es
auf den Weg des Zivilprozesses.

  C.- X. führt erneut sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen er je beantragt, die
Ziffern 2 und 4, soweit sich die Letztgenannte auf die Verfahrenskosten
beziehe, sowie die Ziffern 5 und 6 des angefochtenen Urteils seien
aufzuheben und die Angelegenheit sei zu seinem Freispruch von Schuld und
Strafe bzw. zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

  I. Nichtigkeitsbeschwerde

  4.

  4.1  Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender, für den Kassationshof
verbindlich festgestellter Sachverhalt (Art. 277bis Abs. 1 BStP) zugrunde:
  Die deutschen Staatsangehörigen A., B. und C. boten in Zeitungsinseraten
und persönlichen Werbeaktionen die Vermittlung von Bankgarantien
(Zahlgarantien, letters of intent) in Millionenhöhe an, welche unter anderem
zur Sicherstellung von Krediten, Finanzierungen von Immobilien, als
Kapitaleinlagen usw. dienen sollten. Mit diesen Werbeaktionen sprachen sie
in erster Linie Personen an, die Kreditbedarf hatten, jedoch in der Regel
von deutschen Banken keine Kredite

erhielten. Circa im Sommer 1995 trat A. mit dem Beschwerdeführer, der damals
Geschäftsführer der D. AG war, in Verbindung, um ihn für die treuhänderische
Entgegennahme und Weiterleitung der Gebühren für die Vermittlung der
Bankgarantien zu gewinnen.

  Mit der angebotenen Bankgarantie (Zahlgarantie) erklärte sich die Bank
unwiderruflich und unbedingt bereit, dem Vertragspartner nach Ablauf von 5
Jahren und einem Tag (gerechnet ab Datum der Garantieerklärung) ohne weitere
Aufforderung einen Betrag von USD 49 Mio. zu zahlen. Die Garantien sollten
durch die Firma E. Inc., welche die vom Beschwerdeführer geführte
Treuhandgesellschaft im Juni 1995 an A. verkauft hatte, bzw. durch den
seitens der E. Inc. beauftragten deutschen Rechtsanwalt C. gegen eine Gebühr
von DM 200'000.- vermittelt werden. Die Verpflichtung bestand ohne
Gegenleistung, namentlich ohne Leistung von Sicherheiten. Der von den Kunden
zu bezahlende Betrag von DM 200'000.- floss nicht an die Bank, sondern ging
an die Vermittler. Keiner der Kunden unterhielt zudem bei der entsprechenden
Bank ein Konto oder ein Depot, auf welches diese im Falle der
Inanspruchnahme hätte zurückgreifen können. Die Bank klärte auch die Bonität
der Kunden nicht ab.

  Zur Erlangung einer solchen Zahlgarantie mussten die Kunden einen "Auftrag
für die Vermittlung einer Bankgarantie" sowie einen "Treuhandauftrag"
abschliessen. Die Verträge wurden neben den Kunden als Auftraggeber von der
E. Inc. als Beauftragter sowie vom Beschwerdeführer unterzeichnet. Die
Vermittlungsgebühr hatten die Kunden auf dem Konto der vom Beschwerdeführer
geführten Treuhandgesellschaft zu hinterlegen.

  In der Folge unterzeichneten in der Zeit vom 21. September bis zum 23.
November 1995 neun Kunden in den Räumlichkeiten der D. AG insgesamt 18
Verträge für die Vermittlung einer Bankgarantie, in der Regel von der Bank
F. oder der G. Bank. Die Kunden überwiesen dabei Gebühren von insgesamt DM
3,6 Mio. auf das Konto der D. AG. Der Beschwerdeführer überwies jeweils DM
105'000.- pro Vertrag an Rechtsanwalt C. sowie einen Betrag von DM 20'000.-
entsprechend dem vereinbarten Honorar an die E. Inc., über deren Konto er im
Übrigen verfügungsberechtigt war. Den restlichen Betrag überwies er an die
E. Inc., sobald er von Rechtsanwalt C. benachrichtigt worden war, dass die
"unwiderrufliche Bereitschaftserklärung" der Bank bei ihm eingegangen sei.
Pro abgeschlossenem Vertrag

erhielt der Beschwerdeführer eine Treuhandkommission von DM 14'000.-.

  Die in den einzelnen Fällen in Umlauf gebrachten Bankpapiere erwiesen sich
in der Folge allesamt als plumpe Fälschungen. Die von den Kunden
einbezahlten Beträge wurden von den Verantwortlichen für die
Geschäftsabwicklung nicht zurückerstattet, wodurch die Anleger zu Schaden
gekommen sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.124/2004 vom 25. Februar
2005, E. 4/6.4.1).

  4.2  Der Kassationshof gelangte in seinem Rückweisungsentscheid vom 25.
Februar 2004 bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Arglist im Rahmen
der Anklage wegen Betruges zum Schluss, es könne auch einem Laien in
Finanzangelegenheiten nicht verborgen bleiben, dass ein Geschäft, in welchem
sich eine Bank unwiderruflich und bedingungslos verpflichte, Kunden, welche
bei ihr weder ein Konto noch ein Depot unterhielten, nach Ablauf von 5
Jahren und einem Tag einen Betrag von USD 49 Mio. auszuzahlen, vollkommen
realitätsfremd sei und mit den Gegebenheiten des üblichen
Wirtschaftsverkehrs nichts gemein habe. Den Geschädigten habe klar sein
müssen, dass ein solcher Handel nicht existieren könne, zumal sie in ihrer
Mehrheit jedenfalls nicht völlig branchenunkundig gewesen seien (E. 6.4.1).
Da das Kantonsgericht St. Gallen indes in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit
der einzelnen Geschädigten keine umfassenden Feststellungen getroffen hatte,
war der Kassationshof nicht in der Lage, abschliessend zu prüfen, ob das
Merkmal der Arglist in den angeklagten Einzelfällen erfüllt war. Er wies
daher den angefochtenen Entscheid zur weiteren Abklärung an das
Kantonsgericht zurück (E. 6.4.3).

  4.3  Die Vorinstanz gelangte anlässlich ihrer Beratung vom 9. Dezember
2005 zum Schluss, dass am Tatbestand des Betruges nicht mehr festgehalten
werden könne. Den Parteien wurde das Ergebnis der Beratung zur Kenntnis
gebracht und es wurde ihnen mitgeteilt, dass das Verhalten des
Beschwerdeführers, wie es sich aus der Anklageschrift ergebe, nunmehr unter
dem Gesichtspunkt der Veruntreuung geprüft werde.

Erwägung 5

  5.

  5.1
  5.1.1  Die Vorinstanz nimmt in rechtlicher Hinsicht an, die von den
Geschädigten überwiesenen Beträge von DM 200'000.- oder einem Vielfachen
davon seien den Tätern anvertraut gewesen. Jene seien

durch ein Konglomerat von Täuschungshandlungen dazu bewogen worden, die
Vermögenswerte auf das Konto der vom Beschwerdeführer geführten
Treuhandgesellschaft einzuzahlen. Zu diesen Täuschungen hätten die
verschiedenen Versprechungen und Ausführungen der Finanzverwalter aus
Deutschland, die schriftlichen Verträge und nicht zuletzt auch das Verhalten
des Beschwerdeführers sowie das Umfeld seiner Geschäftsräumlichkeiten
gehört. Das Verhalten der Beteiligten habe dazu gedient, die Opfer dazu zu
motivieren, ihnen die Vermögenswerte anzuvertrauen. Insbesondere die
schriftlichen Verträge hätten dabei eine nicht existierende Sicherheit
vorgespiegelt, indem zwei Treuhänder - der Beschwerdeführer und Rechtsanwalt
C. - zwischen die Kunden und den sogenannten Supervisor geschaltet worden
seien. Dabei sei unerheblich, dass der Beschwerdeführer selber nicht alle
bzw. nur den kleineren Teil der Täuschungshandlungen vorgenommen habe.
Wesentlich sei, dass die Opfer ihm den Betrag von DM 200'000.- aufgrund
einer Täuschung übergeben hätten.

  Erfüllt seien auch die übrigen Tatbestandsmerkmale der Veruntreuung. Der
Beschwerdeführer habe aufgrund des von ihm unterzeichneten
Vermittlungsvertrages die Aufgabe gehabt, die anvertrauten Vermögenswerte im
Sinne der vertraglichen Vereinbarung mit den Treugebern treuhänderisch zu
verwalten. Zweck des mit den Opfern geschlossenen Vertrages sei die
Hinterlegung eines Betrages von DM 200'000.- für die Beschaffung einer
Bankgarantie gewesen. Dem Beschwerdeführer und den weiteren Tätern sei indes
klar gewesen, dass dieses Ziel nicht zu erreichen gewesen sei. Der
Beschwerdeführer sei Glied einer die Anleger täuschenden Tätergruppe
gewesen, die gewillt gewesen sei, den obligatorischen Anspruch der
Investoren zu vereiteln. Diese Vereitelungshandlung habe darin bestanden,
dass er die ihm anvertrauten Beträge zwar dem Wortlaut der Verträge
entsprechend verwendet habe, dies aber im Wissen darum, dass die Anleger
bzw. Treugeber weder die versprochene Gegenleistung erhalten noch je wieder
in den Genuss des investierten Geldes kommen würden. Eine
Veruntreuungshandlung stelle auch der Umstand dar, dass der Beschwerdeführer
für die E. Inc. und die D. AG das vertraglich vereinbarte Honorar von DM
20'000.- entgegengenommen habe, weil er wegen der Unrechtmässigkeit der
abgeschlossenen Geschäfte keinen Anspruch auf Honorar habe erheben können.
Dabei habe es ihm offensichtlich an der Ersatzfähigkeit und auch an der
Bereitschaft zum Ersatz der unrechtmässig eingenommenen Beträge gefehlt.

  5.1.2  In subjektiver Hinsicht nimmt die Vorinstanz an, der
Beschwerdeführer habe gewusst, dass die Anleger über die wahre Natur des
abgeschlossenen Geschäfts getäuscht worden seien. Er habe daher zumindest
mit Eventualvorsatz gehandelt. In Bezug auf die unrechtmässige Bereicherung
führt sie aus, das Handlungsziel des Beschwerdeführers habe in der
Vereinnahmung des verabredeten Honorars bestanden. Die Unrechtmässigkeit der
Bereicherung ergebe sich daraus, dass es sich beim ganzen Geschäft um eine
täuschende Handlung der Täter gehandelt habe und der versprochene Erfolg des
Geschäfts gar nicht zu erreichen gewesen sei. Der Vertrag sei daher von
Beginn weg unmöglich gewesen bzw. mangels Konsens nicht zustande gekommen,
womit das Honorar des Beschwerdeführers und die übrigen Gebühren gemäss
Vertrag nicht geschuldet gewesen seien.

  5.2  Der Beschwerdeführer macht geltend, der Schuldspruch der Veruntreuung
verletze Bundesrecht. Ein aufgrund einer Täuschung übertragener
Vermögenswert könne nicht als im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
anvertraut gelten, so dass ein Schuldspruch wegen Veruntreuung von
vornherein ausser Betracht falle. Wollte man im vorliegenden Fall die
Vermögenswerte dennoch als anvertraut betrachten, verletze der Schuldspruch
deshalb Bundesrecht, weil er auch nach der Auffassung der Vorinstanz die ihm
überwiesenen Gelder dem Wortlaut der Verträge entsprechend verwendet habe.
So habe er vertragsgemäss aus der Hinterlegungssumme von DM 200'000.- pro
Vertrag die Kosten der E. Inc. in der Höhe von DM 20'000.-, welche mit dem
Eintreffen der Hinterlegungssumme fällig geworden seien, ausbezahlt.
Ausserdem habe er Rechtsanwalt C., welcher die Bereitschaftserklärungen
beizubringen gehabt habe, jeweils den Betrag von DM 105'000.- zur Verfügung
gestellt. Aufgrund der Verträge habe der Rechtsanwalt erst nach Eingang
dieser Summe auf dem Anderkonto tätig werden müssen. Nach Vorliegen der
Bereitschaftserklärungen habe er über die Restbeträge disponieren müssen.
Die Geldüberweisungen seien den Kunden jeweils angezeigt worden. Dass die
Haupttäter die Ansprüche der Geschädigten letztendlich nicht erfüllt hätten,
treffe ihn nicht als Vorwurf.

Erwägung 6

  6.

  6.1
  6.1.1  Gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB wird wegen Veruntreuung mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer ihm
anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder

eines anderen Nutzen verwendet (Delikt gegen den Vermögenswert). Der
qualifizierten Veruntreuung macht sich schuldig, wer die Tat u.a. als
berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufs begeht, zu
der er durch eine Behörde ermächtigt ist.

  Die tatbestandsmässige Handlung besteht bei der Veruntreuung von
Vermögenswerten in einem Verhalten, durch welches der Täter eindeutig seinen
Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln
(BGE 121 IV 23 E. 1c mit Hinweisen).

  6.1.2  Der subjektive Tatbestand erfordert für beide Tatvarianten der
Veruntreuung Vorsatz und ein Handeln in unrechtmässiger
Bereicherungsabsicht. Nach der Rechtsprechung bereichert sich bei der
Veruntreuung von Vermögenswerten unrechtmässig, wer die Vermögenswerte, die
er dem Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten hat, in seinem Nutzen
verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, sie jederzeit sofort zu ersetzen
(BGE 118 IV 27 E. 3a, 32 E. 2a S. 34).

  6.2  Nach der Rechtsprechung gilt als anvertraut, was jemand mit der
Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse des Treugebers
zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder einem anderen
abzuliefern (BGE 120 IV 117 E. 2b). Dabei genügt nach der Rechtsprechung,
dass der Täter ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann,
ihm mithin Zugriff auf das fremde Vermögen eingeräumt worden ist (BGE 119 IV
127; 117 IV 429 E. 3b/cc; 109 IV 27 E. 3; kritisch hiezu MARCEL ALEXANDER
NIGGLI/CHRISTOF RIEDO, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Art. 138 StGB
N. 91; GÜNTER STRATENWERTH/GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Bes.
Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 13 N. 57; MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum
Schweizerischen Strafrecht, Bes. Teil, 2. Bd., Art. 140 StGB N. 24/45; GUIDO
JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 124/1988
S. 403 ff.; vgl. auch GUNTHER ARZT, Vom Bargeld zum Buchgeld als
Schutzobjekt im neuen Vermögensstrafrecht, recht 13/1995 S. 137).

  Der Tatbestand von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfasst Fälle, in denen -
anders als bei der Veruntreuung von Sachen gemäss Abs. 1 derselben
Bestimmung - zivilrechtlich die Fremdheit der anvertrauten Werte nicht
gegeben oder zumindest zweifelhaft ist. Voraussetzung ist aber, dass der
Fall mit der Veruntreuung von Sachen vergleichbar ist. Abs. 2 soll nur jenes
Unrecht erfassen, das mit dem in Abs. 1 umschriebenen strukturell
gleichwertig ist. In den Fällen,

in denen Abs. 2 zur Anwendung kommt, erwirbt der Treuhänder an den
erhaltenen Werten Eigentum. Er erlangt daher nicht nur eine tatsächliche,
sondern auch eine rechtliche Verfügungsmacht. Die ins Eigentum des
Treuhänders übergegangenen Werte sind jedoch bestimmt, wieder an den
Berechtigten zurückzufliessen. In diesem Sinne sind sie wirtschaftlich
fremd. Der Treuhänder ist deshalb verpflichtet, dem Treugeber den Wert des
Empfangenen ständig zu erhalten. Nur wo diese besondere
Werterhaltungspflicht besteht, befindet sich der Treuhänder in einer
vergleichbaren Stellung mit demjenigen, der eine fremde bewegliche Sache
empfangen und das Eigentum des Treugebers daran zu wahren hat (BGE 124 IV 9
E. 1a; 120 IV 117 E. 2e; JENNY, a.a.O., S. 402 f.; vgl. auch JÖRG REHBERG,
Aktuelle Fragen beim Veruntreuungstatbestand, ZStrR 98/1981 S. 363).

  Die Werterhaltungspflicht, d.h. das Anvertrauen eines Vermögenswerts im
Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, kann auf ausdrücklicher oder
stillschweigender Abmachung beruhen (BGE 120 IV 117 E. 2b). Massgeblich ist,
ob dem Täter die Verfügungsmacht über den Vermögenswert von einem anderen
bewusst und freiwillig übertragen wird (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches
Strafrecht, Kurzkommentar, Art. 138 StGB N. 8). Nach der Rechtsprechung
genügt für die Werterhaltungspflicht die Begründung eines "faktischen" oder
"tatsächlichen" Vertrauensverhältnisses (BGE 86 IV 160 E. 4a; 92 IV 174 E.
2; kritisch NIGGLI/RIEDO, a.a.O., Art. 138 StGB N. 82/94; ferner
STRATENWERTH/JENNY, a.a.O., § 13 N. 50 in Bezug auf gemäss Art. 20 OR
nichtige Verträge; ebenso REHBERG/SCHMID/DONATSCH, Strafrecht III, 8. Aufl.
2003, S. 102; TRECHSEL, a.a.O., Art. 138 StGB N. 7; differenzierend
SCHUBARTH, a.a.O., Art. 140 StGB N. 8). In der Lehre wird demgegenüber für
das Anvertrautsein von Vermögenswerten verschiedentlich verlangt, dass die
Begründung der Verfügungsmacht des Täters, d.h. das Grundgeschäft zwischen
Treugeber und Treuhänder rechtlich gültig zustande kommt. Dem Täter soll
nicht bloss tatsächliche Verfügungsmacht, sondern Verfügungsberechtigung
eingeräumt werden. Nach dieser Auffassung genügt es namentlich nicht, wenn
die Verfügungsmacht durch Täuschung erlangt wird (NIGGLI/RIEDO, a.a.O.,
Art. 138 StGB N. 86 f./94; vgl. auch JENNY, a.a.O., S. 406 f. Fn. 30; anders
FELIX BOMMER, Grenzen des strafrechtlichen Vermögensschutzes bei rechts- und
sittenwidrigen Geschäften, Diss. Bern 1996, S. 240; ders., Zum Verhältnis
von Betrug und Veruntreuung, Urteilsanmerkung, ZBJV 141/2005 S. 125 ff.;
JÜRG-BEAT ACKERMANN, Wirtschaftsstrafrecht 2003-2005, Aktuelle
Rechtsprechung,

Aktuelle Anwaltspraxis, Bern 2005, S. 661). In diesem Sinne hat das
Bundesgericht in einem früheren Entscheid erkannt, ein Vermögenswert sei
nicht anvertraut, wenn zur Erlangung der Verfügungsmöglichkeit eine
Täuschung oder ein Gewahrsamsbruch notwendig war (BGE 111 IV 130 E. 1a).
Bezieht sich die Täuschung indes gerade darauf, dass der Getäuschte dem
Täter die Verfügungsmacht einräumt, ist die Sache bzw. der Vermögenswert
nach der Rechtsprechung anvertraut (BGE 117 IV 429 E. 3c S. 436).

Erwägung 7

  7.  Die Vorinstanz geht davon aus, soweit aus prozessualen Gründen eine
Verurteilung wegen Betruges ausscheide, gelange der Tatbestand der
Veruntreuung zur Anwendung. Es könne nicht die Meinung des Gesetzgebers
gewesen sein, denjenigen straflos zu lassen, der sich das Vertrauen
erschlichen habe und der sich über seine wahren Absichten hinsichtlich der
Verwendung der anvertrauten Sache oder des Vermögenswertes bereits bei
Übergabe bzw. beim Vertragsschluss im Klaren gewesen sei. Dies setzt indes
voraus, dass die durch Täuschung erlangten Vermögenswerte im Sinne von Art.
138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut sind.

  7.1  Im vorliegenden Fall ist dem unter dem Gesichtspunkt der Veruntreuung
zu beurteilenden Sachverhalt ein Geschehen vorausgegangen, das als Betrug
angeklagt war, mangels genügender Abklärung der Opfermitverantwortung im
Rahmen der Arglist aber nicht als Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB
gewürdigt werden konnte. Zu prüfen ist somit zunächst, ob die Geldbeträge,
welche die Geschädigten aufgrund der Täuschung über die Natur des Geschäfts
überwiesen haben, dem Beschwerdeführer im Sinne des
Veruntreuungstatbestandes anvertraut waren, d.h. ob ihn in Bezug auf diese
Vermögenswerte eine Werterhaltungspflicht traf. Soweit dies zuträfe, wäre im
Weiteren zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die anvertrauten Vermögenswerte
unrechtmässig verwendet, d.h. seinen Willen bekundet hat, die
obligatorischen Ansprüche der Treugeber zu vereiteln.

  7.2  Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest, dass
die Geschädigten für die Erlangung der Zahlgarantie einen "Auftrag für die
Vermittlung einer Bankgarantie" und einen "Treuhandauftrag" abschlossen und
dass sie hiefür eine Vermittlungsgebühr in der Höhe von DM 200'000.- je
Vertrag auf dem Konto der vom Beschwerdeführer geführten
Treuhandgesellschaft zu hinterlegen hatten (vgl. E. 3.1).

  Im "Auftrag für die Vermittlung einer Bankgarantie" beauftragten die
Kunden die E. Inc., ihnen eine Bankgarantie einer italienischen Bank über
USD 49 Mio. zu vermitteln und zu diesem Zweck in ihrem Namen mit einem
deutschen Rechtsanwalt einen Treuhandvertrag zu schliessen. Für die
Beschaffung der Garantie hatte der Auftraggeber einen Betrag von DM
200'000.- zu hinterlegen, welcher treuhänderisch durch die
Treuhandgesellschaft des Beschwerdeführers verwaltet wurde. Nach dieser
vertraglichen Regelung stellten die von den geschädigten Kunden übertragenen
Vermögenswerte reine Vermittlungsgebühren, d.h. Gegenleistungen für die
versprochene vertragliche Leistung dar (Urteil des Bundesgerichts 6P.124/
2004 vom 25. Februar 2005, E. 6.4.1). Es handelte sich namentlich nicht um
eine Einlage, die in fremdem Interesse in einer bestimmten Weise hätte
investiert werden müssen. Die Gelder waren demnach nicht dazu bestimmt,
später wieder - allenfalls mit einer bestimmten Rendite - an die
Geschädigten zurückzufliessen. Diese waren mithin keine Investoren, sondern
Kunden, die gegen eine Vermittlungsgebühr ein Bankpapier erwerben wollten.
Im Übrigen wäre die Annahme einer Werterhaltungspflicht selbst dann
fraglich, wenn die Vermögenswerte als Anlage in ein bestimmtes Projekt
geflossen wären, da solche Investitionen in der Regel mit Risiken verbunden
sind, die im Extremfall zu einem Totalverlust der angelegten Beträge führen
können. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann hier indes
offenbleiben, da der Beschwerdeführer vertraglich jedenfalls nicht
verpflichtet war, die ihm übertragenen Gelder in ein bestimmtes Projekt zu
investieren. Er hat die Gelder als Gebühren, mithin als Gegenleistung für
die von ihm bzw. den Mitbeteiligten vorgetäuschten Bemühungen für sich
selbst bzw. für die Mitbeteiligten eingenommen (BGE 118 IV 239 E. 2b S. 241;
vgl. auch NIGGLI/RIEDO, a.a.O., Art. 138 StGB N. 45). Aus gegenseitigen
Zuwendungen aus synallagmatischen Verträgen entstehen denn auch nur
Ansprüche auf Gegenleistungen, nicht aber auf Werterhaltung (REHBERG,
a.a.O., S. 367). Die von den Kunden überwiesenen Vermögenswerte waren daher
nicht anvertraut.

  Selbst wenn man hier nach den Rollen der Tatbeteiligten unterscheiden und
annehmen wollte, der Beschwerdeführer habe die Gelder als Stellvertreter der
Geschädigten entgegengenommen, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes, da er
- wie er zu Recht einwendet und auch die Vorinstanz anerkennt - die Gelder
dem Wortlaut der Verträge entsprechend weitergeleitet hat.

  Im Grunde nimmt die Vorinstanz hier nur deshalb Veruntreuung an, weil der
Beschwerdeführer und die übrigen Tatbeteiligten die Gelder, die ihnen
aufgrund der nicht arglistigen Täuschungen überwiesen worden waren, für eine
Gegenleistung entgegennahmen, die gar nicht erbracht werden konnte. Dabei
geht es der Sache nach aber nicht um die Verletzung eines
Werterhaltungsanspruchs, sondern um die Verleitung zum Abschluss eines
unmöglichen Vertrages und zur Erbringung der eigenen Leistung der
Geschädigten, die nur unter dem Gesichtspunkt des Betruges von Bedeutung
ist. Die strafrechtlich relevante Handlung erschöpft sich bei dieser
Konstellation in der Motivierung zu einer schädigenden Vermögensverfügung.
Auf die weitere Verwendung der Gelder kommt es nicht an. Fehlt es dabei an
der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der Arglist, kann daher nicht
ersatzweise ein Schuldspruch wegen Veruntreuung eingreifen.

  Die Beschwerde erweist sich daher als begründet.