Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 IV 1



Urteilskopf

133 IV 1

  1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Generalprokurator sowie Obergericht des Kantons Bern (Staatsrechtliche
Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde)
  6P.141/2006 / 6S.307/2006 vom 28. Dezember 2006

Regeste

  Versuchte Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 StGB); Gefährdung des Lebens
(Art. 129 StGB).

  Versuchte Tötung mangels Eventualvorsatzes verneint im Fall der von einem
Fahrzeuglenker auf der Autobahn absichtlich herbeigeführten seitlichen
Kollision mit einem andern Fahrzeuglenker. Der Beschuldigte durfte im
konkreten Fall darauf vertrauen, dass der Betroffene - wie es auch geschah -
den infolge der Kollision leicht ins Schleudern geratenen Personenwagen
rasch wieder stabilisieren könne, so dass die seitliche Kollision, von einem
geringfügigen Sachschaden abgesehen, folgenlos blieb (E. 4).

  Gefährdung des Lebens hingegen bejaht (E. 5).

Sachverhalt

  A.- Am 1. Februar 2004, um 05.50 Uhr, kam es auf der Autobahn A5 zwischen
Grenchen und Solothurn, bei Leuzigen, zu einer seitlichen Kollision zwischen
dem überholenden Personenwagen Renault 19 des X. und dem Personenwagen VW
Golf von A., welche von X. absichtlich herbeigeführt wurde. Infolge der
seitlichen Kollision gerieten beide Fahrzeuge ins Schleudern, doch konnten
ihre Lenker sie auffangen. Verletzt wurde niemand. Der Personenwagen VW Golf
wies als Folge der Kollision Beschädigungen am linken Aussenspiegel, am
linken Kotflügel, an der linken Fahrertür sowie an der Stossstange auf; der
Sachschaden belief sich auf ca. Fr. 3'000.-. Der Personenwagen Renault 19
wies einen Schaden am rechten Aussenspiegel sowie Farb- und Lackschäden am
rechten Kotflügel und an der rechten hinteren Tür auf; der Sachschaden
betrug ca. Fr. 600.-.

  B.- Das Kreisgericht III des Gerichtskreises Aarberg-Büren-Erlach sprach
X. am 30. Mai 2005 der versuchten vorsätzlichen Tötung, der groben
Verletzung von Verkehrsregeln und des pflichtwidrigen Verhaltens nach einem
Unfall schuldig und verurteilte ihn zu 2 ½ Jahren Zuchthaus.

  Der Generalprokurator des Kantons Bern erhob die Appellation mit dem
Antrag, X. sei in Bestätigung der erstinstanzlichen Schuldsprüche zu 4 ½
Jahren Zuchthaus zu verurteilen. X. erklärte seinerseits die Appellation und
beantragte, er sei statt der versuchten vorsätzlichen Tötung lediglich der
Gefährdung des Lebens schuldig zu sprechen und deshalb sowie wegen der
unangefochtenen Schuldsprüche der groben Verkehrsregelverletzung und des
pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Verkehrsunfall zu einer
Gefängnisstrafe von 6 Monaten zu verurteilen.

  Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X. am 6. April 2006 wegen
versuchter vorsätzlicher Tötung, grober Verkehrsregelverletzung und
pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Verkehrsunfall zu 4 ½ Jahren
Zuchthaus.

  C.- X. erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei

aufzuheben. Zudem ersucht er in beiden Verfahren um unentgeltliche
Rechtspflege.

  Das Obergericht und der Generalprokurator haben auf Gegenbemerkungen
verzichtet.

  Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut und weist die
Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

  II. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde

  4.

  4.1  Gemäss Art. 18 Abs. 2 StGB verübt ein Verbrechen oder ein Vergehen
vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Diese Bestimmung
erfasst auch den Eventualvorsatz. Das künftige Recht, das am 1. Januar 2007
in Kraft treten wird, bestimmt in Art. 12 Abs. 2 nStGB: "Vorsätzlich verübt
ein Verbrechen oder ein Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen
ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für
möglich hält und in Kauf nimmt". Durch Art. 12 Abs. 2 Satz 2 nStGB wird der
Eventualvorsatz definiert (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998, BBl 1999 S. 1979
ff., 2002 f.).

  Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs
beziehungsweise die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält, aber
dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf
nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 131 IV 1
E. 2.2 mit Hinweisen).

  Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann
im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der
bewusst fahrlässig handelnde Täter weiss um die Möglichkeit des
Erfolgseintritts beziehungsweise um das Risiko der
Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide
Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede
bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter
vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als
möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der
Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber
nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich
erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer

den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, "will" ihn im Sinne von Art. 18 Abs. 2
StGB. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den Erfolg "billigt" (eingehend
BGE 96 IV 99 S. 101; 130 IV 58 E. 8.3 mit Hinweisen).

  Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf
genommen hat, muss der Richter - bei Fehlen eines Geständnisses des
Beschuldigten - aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse
des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere
der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der
Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung
ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt
die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf
genommen. Der Richter darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen,
wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich
aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen,
vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE
130 IV 58 E. 8.4; 125 IV 242 E. 3c mit Hinweisen). Eventualvorsatz kann
indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs
nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch
darf nicht allein aus dem Wissen des Beschuldigten um die Möglichkeit des
Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssen
weitere Umstände hinzukommen (BGE 131 IV 1 E. 2.2; 125 IV 242 E. 3f).

  Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere
Tatsachen, ist damit Tatfrage und kann daher im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt
werden. Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen
der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist. Es ist allerdings nicht zu
übersehen, dass sich insoweit Tat- und Rechtsfragen teilweise überschneiden.
Der Sachrichter hat daher die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen
möglichst erschöpfend darzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen
Umständen er auf Eventualvorsatz geschlossen hat. Denn der Sinngehalt der
zum Eventualdolus entwickelten Formeln lässt sich nur im Lichte der
tatsächlichen Umstände des Falles erschliessen. Das Bundesgericht kann daher
in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick
auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen (BGE 130 IV 58 E.
8.5; 125 IV 242 E. 3c, je mit Hinweisen).

  4.2  Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der Annahme der
Vorinstanz sei nicht jedes seitliche "Rammen" mit einer Geschwindigkeit von
ca. 120 km/h grundsätzlich geeignet, Todesfolgen zu verursachen.
Entscheidend sei, wie heftig sich die beteiligten Fahrzeuge berührt hätten.
Aus dem Schadensbild und dem geringfügigen Sachschaden an den beiden
Fahrzeugen sei auf eine bloss leichte Streifkollision zu schliessen. Zwar
sprächen einzelne Umstände für den Eventualvorsatz in Bezug auf allfällige
Todesfolgen, so etwa, dass er die seitliche Kollision absichtlich und aus
Wut über den Beifahrer im Personenwagen VW Golf herbeigeführt habe. Bei der
gebotenen Abwägung aller relevanten Umstände seien indessen der Schluss auf
Inkaufnahme einer allfälligen Todesfolge und somit die Annahme eines
diesbezüglichen Eventualvorsatzes unzulässig.

  4.3  Der Vorfall ereignete sich nach den Feststellungen der Vorinstanz auf
einer geraden, übersichtlichen und ebenen Strecke. Die Fahrbahn war trocken.
Es war dunkel; eine künstliche Beleuchtung gab es nicht. Die Atemlufttests,
die wenige Stunden nach dem Vorfall durchgeführt wurden, waren sowohl beim
Beschwerdeführer als auch beim Lenker des Personenwagens VW Golf negativ.
Der Beschwerdeführer fuhr auf dem Überholstreifen der Autobahn mit einer
Geschwindigkeit von ca. 120 km/h. Die Geschwindigkeit des Personenwagens VW
Golf betrug etwas über 100 km/h.

  Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nicht, mit welcher Wucht der
Personenwagen des Beschwerdeführers mit dem Personenwagen VW Golf seitlich
kollidierte. Im angefochtenen Urteil wird einerseits mehrfach festgehalten,
dass der Beschwerdeführer den Personenwagen VW Golf seitlich "rammte", wobei
unklar bleibt, ob mit diesem Begriff eine Feststellung über die Wucht der
seitlichen Kollision getroffen wird. Im angefochtenen Entscheid wird
andererseits auch festgestellt, worin die Schäden an den beiden Fahrzeugen
bestanden und dass sie geringfügig waren, was sich auch aus den in den
kantonalen Akten enthaltenen Fotos ergibt. Fest steht, dass einerseits der
Personenwagen VW Golf durch den Wagen des Beschwerdeführers, ein Renault 19,
nicht gleichsam von der Fahrbahn wegkatapultiert wurde, dass andererseits
aber beide Fahrzeuge infolge der seitlichen Kollision ins Schleudern
gerieten. Unklar blieb jedoch, wie genau beziehungsweise wie stark die
beiden Fahrzeuge schleuderten. Der Lenker des Personenwagens VW Golf konnte
gemäss seinen Zeugenaussagen das ins Schleudern geratene Fahrzeug nach ein
paar Sekunden wieder unter Kontrolle bringen.

  4.4  Nach der Auffassung der Vorinstanz musste sich dem Beschwerdeführer
bei seinem halsbrecherischen Fahrmanöver die Verwirklichung der Gefahr als
so wahrscheinlich aufdrängen, dass die Bereitschaft, sie als Erfolg
hinzunehmen, ihm vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt
und angerechnet werden kann.

  Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Bei der vom
Beschwerdeführer herbeigeführten seitlichen Kollision mit einer
Geschwindigkeit von über 100 km/h lag es zweifellos nahe, dass der
Personenwagen VW Golf irgendwie ins Schleudern geriet. Der weitere Verlauf
des Geschehens war aber offen. Wohl war es möglich, dass der ins Schleudern
geratene Personenwagen aus irgendwelchen Gründen nicht stabilisiert werden
konnte und dass es daher zu einem Unfall mit schwerwiegenden Konsequenzen
einschliesslich Todesfolgen kam. Es kann indessen nicht gesagt werden, ein
solcher Verlauf der Ereignisse habe sich dem Beschwerdeführer als so
wahrscheinlich aufgedrängt, dass aus diesem Grunde sein Verhalten, die
Herbeiführung der seitlichen Kollision, vernünftigerweise nur als
Inkaufnahme des Tötungserfolgs im Falle seines Eintritts gewertet werden
kann. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit wesentlich von den in
BGE 130 IV 58 und im Urteil 6S.114/2005 vom 28. März 2006 beurteilten
Sachverhalten. Dort waren Unfälle mit schwerwiegenden Folgen für Fahrer,
Passagiere und andere Verkehrsteilnehmer aufgrund der mit sehr hohen
Geschwindigkeiten durchgeführten Fahrmanöver sowie der örtlichen
Verhältnisse höchstwahrscheinlich und selbst durch grosses fahrerisches
Können nicht mehr zu verhindern. Demgegenüber bestand im vorliegenden Fall
die reelle Möglichkeit, dass das ins Schleudern geratene Fahrzeug, wie es
tatsächlich geschah, etwa durch eine zweckmässige Reaktion beziehungsweise
durch fahrerisches Geschick des Lenkers auf dem geraden und ebenen
Streckenabschnitt der Autobahn stabilisiert und dadurch ein Unfall
respektive jedenfalls ein Unfall mit schwerwiegenden Konsequenzen
einschliesslich Todesfolgen verhindert werden konnte. Weil vorliegend diese
reelle Möglichkeit bestand, konnte der Beschwerdeführer darauf vertrauen,
dass sich die Gefahr von Todesfolgen nicht verwirkliche.

  4.5  Eventualvorsatz kann allerdings nicht nur angenommen werden, wenn
sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs infolge seines Verhaltens als so
wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als
Inkaufnahme des Erfolgs im Falle seines Eintritts gewertet werden kann.
Eventualvorsatz kann unter Umständen

auch gegeben sein, wenn der Eintritt des Erfolgs sowohl objektiv als auch
nach den subjektiven Vorstellungen des Täters bloss möglich ist. Nach der
Rechtsprechung kann etwa bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr einer
HIV-infizierten Person mit einem (nicht informierten) Partner
Eventualvorsatz in Bezug auf die als schwere Körperverletzung zu
qualifizierende allfällige Infizierung des anderen gegeben sein, obschon das
Risiko der Übertragung des HI-Virus beim einzelnen Geschlechtsverkehr
statistisch gesehen relativ gering ist. Dies wurde unter anderem damit
begründet, dass jeder einzelne ungeschützte Sexualkontakt und schon ein
einziger und der erste das Risiko einer Übertragung des HI-Virus in sich
birgt, dass der Täter das ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren
und dosieren kann und dass sein Partner keinerlei Abwehrchancen hat (siehe
BGE 131 IV 1 E. 2.2; 125 IV 242 E. 3f). Von jenen Fällen unterscheidet sich
der vorliegende Sachverhalt unter anderem darin, dass der Lenker des
Fahrzeugs, mit welchem der Beschwerdeführer seitlich kollidierte, sehr wohl
eine Abwehrchance hatte. Es bestand nämlich eine reelle Möglichkeit, dass er
das infolge der seitlichen Kollision ins Schleudern geratene Fahrzeug etwa
durch fahrerisches Geschick stabilisieren konnte, was ihm tatsächlich auch
in wenigen Sekunden gelang. Der Nichteintritt des tatbestandsmässigen
Erfolgs, d.h. der Todesfolge, hing damit nicht ausschliesslich oder
überwiegend von Glück und Zufall ab.

  4.6  Für die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster
Fahrlässigkeit können nach der Rechtsprechung auch die Art der Tathandlung
und die Beweggründe des Täters von Bedeutung sein. Der Beschwerdeführer fuhr
mit seinem Personenwagen auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von über
100 km/h mit Absicht seitlich gegen den Personenwagen VW Golf. Er tat dies
aus Wut über den Beifahrer in jenem Wagen, um sich für einen Faustschlag zu
rächen, den er zuvor im Albaner-Club von jenem Beifahrer erhalten hatte. Er
hatte vor dem Club-Lokal rund eine Stunde lang gewartet, bis diese Person
das Club-Lokal verliess und als Beifahrer im Personenwagen VW Golf
davonfuhr, und er folgte diesem Fahrzeug mit seinem Wagen. In der
polizeilichen Einvernahme sagte er aus, zu zweit (d.h. er und sein Bruder)
hätten sie gegen die grössere Gruppe keine Chance gehabt. So habe er es halt
auf diese Weise machen müssen. Umstände dieser Art können für die Abgrenzung
zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit relevant und in
Grenzbereichen entscheidend sein. Sie sind im vorliegenden

Fall aber nicht ausschlaggebend. Auch unter Berücksichtigung der genannten
Umstände kann nicht gesagt werden, dass sich der Beschwerdeführer gegen das
Leben des Beifahrers im Personenwagen VW Golf entschieden habe. Denn es
bestand - was im vorliegenden Fall ausschlaggebend ist - auch für den
Beschwerdeführer erkennbar die reelle Möglichkeit, dass der Lenker des
Personenwagens VW Golf das ins Schleudern geratene Fahrzeug stabilisieren
und dadurch jedenfalls einen Unfall mit schwerwiegenden Folgen verhindern
konnte. Daher durfte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass die von ihm
aus Wut und Rache absichtlich geschaffene Gefahr für das Leben der Insassen
im Personenwagen VW Golf sich nicht verwirklichen werde.

  4.7  Der Beschwerdeführer hat daher in Bezug auf allfällige Todesfolgen
nicht mit Eventualvorsatz gehandelt. Seine Verurteilung wegen versuchter
vorsätzlicher Tötung verstösst demnach gegen Bundesrecht.

Erwägung 5

  5.  Gemäss Art. 129 StGB wird wegen Gefährdung des Lebens mit Zuchthaus
bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer einen Menschen in
skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt.

  5.1  Vorausgesetzt ist eine Gefahr für das Leben; eine Gefahr bloss für
die Gesundheit genügt nicht. Unmittelbar ist die Gefahr, wenn sich aus dem
Verhalten des Täters direkt die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der
Todesfolge ergibt. Skrupellos ist ein in schwerem Grade vorwerfbares, ein
rücksichts- oder hemmungsloses Verhalten. Subjektiv ist zudem - wie nach dem
früheren Recht ("... wissentlich ...") - direkter Vorsatz in Bezug auf die
unmittelbare Lebensgefahr erforderlich; Eventualvorsatz genügt nicht (siehe
zum Ganzen BGE 121 IV 67 E. 2b/aa; Urteil 6S.563/1995 vom 24. November 1995,
E. 2, publ. in: Pra 85/1996 Nr. 173 S. 638; Urteile 6S.426/2003 vom 1. März
2004, E. 2.2; 6S.164/2005 vom 20. Dezember 2005, E. 2.1).

  5.2  Der Beschwerdeführer hat durch das inkriminierte Verhalten den
Tatbestand der Lebensgefährdung im Sinne von Art. 129 StGB offensichtlich
erfüllt, was er im Übrigen im kantonalen Appellationsverfahren ausdrücklich
anerkannt hat. Die Vorinstanz wird ihn daher im neuen Verfahren im Rahmen
der prozessualen Möglichkeiten wegen Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB)
verurteilen.