Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 II 209



Urteilskopf

133 II 209

  19. Entscheid der Internen Rekurskommission des Bundesgerichts i.S. X.
gegen Generalsekretär des Schweizerischen Bundesgerichts
(Verwaltungsbeschwerde)
  13Y_1/2007 vom 25. Mai 2007

Regeste

  Art. 28 BGG; Art. 15, 54 und 64 BGerR; Art. 1-4, 7 und 8 BGÖ; Anspruch auf
Einsichtnahme in die Protokolle des Gesamtgerichts und der
Verwaltungskommission.

  Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen gemäss Art. 28 BGG (E. 1).

  Eine Einsichtnahme in amtliche Dokumente der Leitungsorgane des
Bundesgerichts ist unter den allgemeinen Voraussetzungen des Bundesgesetzes
über das Öffentlichkeitsprinzip gestützt auf Art. 28 BGG möglich, wenn ein
Verwaltungsakt zur Diskussion steht, der nicht unmittelbar die
Kernkompetenzen des Gerichts berührt (E. 2 und 3).

  Die Bestellung der einzelnen Abteilungen ist ein mit der Rechtsprechung
verbundener Organisationsakt, weshalb kein Anspruch auf Einsichtnahme in die
entsprechenden Unterlagen besteht; die Grundlagen und Diskussionen über das
Gerichtsreglement haben hingegen als Gesetzgebung zu gelten und sind deshalb
gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz auf Gesuch hin zugänglich zu machen,
da und soweit keine schutzwürdigen Interessen im Sinne von Art. 7 BGÖ
hiergegen sprechen (E. 4).

  Die Rekurskommission erhebt für Verfahren über Ansprüche gemäss Art. 28
BGG nur bei Mutwilligkeit Kosten (E. 5).

Sachverhalt

  Ein Journalist ersuchte am 6. Dezember 2006 den Generalsekretär des
Schweizerischen Bundesgerichts gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz
(Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der
Verwaltung [BGÖ; SR 152.3]), in die Protokolle des Gesamtgerichts bzw. der
Verwaltungskommission bezüglich der Zuteilung der Richter auf die einzelnen
Abteilungen sowie der Verabschiedung des Organisationsreglements Einsicht
nehmen zu können.

  Mit Verfügung vom 4. Januar 2007 wies der Generalsekretär das Gesuch im
Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das Öffentlichkeitsgesetz auf das
Bundesgericht nur sinngemäss Anwendung finde und die gerichtlichen
Leitungsorgane (Gesamtgericht, Verwaltungskommission und
Präsidentenkonferenz) - wie der Bundesrat - von dessen Geltungsbereich
ausgenommen seien; durch die Öffentlichkeit würde deren freie Meinungs- und
Willensbildung beeinträchtigt; zudem beträfen die den Gesuchsteller
interessierenden Geschäfte den Kernbereich der institutionellen Organisation
der obersten richterlichen Staatsgewalt, weshalb kein Zugangsrecht zu den
entsprechenden Protokollen bestehe.

  Die Rekurskommission des Bundesgerichts heisst die vom Gesuchsteller
hiergegen eingereichte Beschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                               Erwägungen:

Erwägung 1

  1.

  1.1  Das Öffentlichkeitsgesetz gilt für das Bundesgericht "sinngemäss",
soweit es "administrative Aufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit der
Aufsicht über das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesstrafgericht
erfüllt" (Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110; AS 2006 S. 1205 ff.]).
Das Gericht bezeichnet ein Organ, das über Beschwerden gegen seine
Verfügungen betreffend den Zugang zu amtlichen Dokumenten entscheidet (Art.
28 Abs. 2 Satz 1 BGG). Es kann vorsehen, dass kein Schlichtungsverfahren
durchgeführt wird (Art. 28 Abs. 2, 2. Halbsatz BGG; vgl. zum
Schlichtungsverfahren: Art. 13 und 14 BGÖ; Bundesamt für Justiz,
Erläuterungen zur Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung
vom 24. Mai 2006, Ziff. 5). In diesem Fall erlässt es seine Stellungnahme
unmittelbar in der Form einer beschwerdefähigen Verfügung (Art. 28 Abs. 2,
3. Halbsatz BGG).

  1.2  Nach Art. 64 des Reglements vom 20. November 2006 für das
Bundesgericht (BGerR; SR 173.110.131; AS 2006 S. 5635) kann der zuständige
Verwaltungsdienst des Gerichts für ein amtliches Verwaltungsdokument den
Zugang nach dem Öffentlichkeitsgesetz gewähren (Abs. 1). Soll der Zugang
beschränkt, aufgeschoben oder verweigert werden, ist das Gesuch unverzüglich
dem Generalsekretariat zu übermitteln (Abs. 3), welches hierüber entscheidet
(Abs. 5). Ein Schlichtungsverfahren findet nicht statt (Abs. 4; so bereits
Art. 31bis der Ergänzung des Reglements vom 14. Dezember 1978 für das

Schweizerische Bundesgericht [AS 2006 S. 2343]). Beschwerdeinstanz bildet
die interne Rekurskommission des Bundesgerichts (vgl. Art. 64 Abs. 6 i.V.m.
Art. 54 ff. BGerR), wobei sich deren Verfahren nach den Vorschriften des
Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren richtet
(Art. 56 BGerR) und ihr Entscheid endgültig ist (Art. 64 Abs. 6 BGerR).

  1.3  Der Generalsekretär des Bundesgerichts hat am 4. Januar 2007 das
Gesuch des Rekurrenten abgewiesen bzw. zu diesem negativ Stellung genommen.
Das Bundesgerichtsreglement schliesst das im Öffentlichkeitsgesetz
vorgesehene Schlichtungsverfahren ausdrücklich aus. Auf die frist- (Art. 50
VwVG) und formgerecht (Art. 52 VwVG) eingereichte Beschwerde ist somit
einzutreten.

Erwägung 2

  2.

  2.1  Das am 1. Juli 2006 in Kraft getretene Bundesgesetz über das
Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung kehrt den Grundsatz der Geheimhaltung
der Verwaltungstätigkeit ("Geheimhaltung mit Öffentlichkeitsvorbehalt") zu
Gunsten des Öffentlichkeitsprinzips ("Grundsatz der Öffentlichkeit mit
Geheimhaltungsvorbehalt") um (vgl. LUZIUS MADER, Das Öffentlichkeitsgesetz
des Bundes - Einführung in die Grundlagen, in: Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.],
Das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes, St. Gallen 2006, S. 9 ff., dort S. 15;
STEPHAN C. BRUNNER, Vom Öffentlichkeitsprinzip zur transparenten Verwaltung,
in: Ehrenzeller [Hrsg.], a.a.O., S. 75 ff., dort S. 76 f.). Jede Person, die
amtliche Dokumente einsehen möchte, hat im persönlichen und sachlichen
Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes einen subjektiven, individuellen
Anspruch hierauf, welchen sie gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen kann
(Bundesamt für Justiz, Erläuterungen zur Verordnung über das
Öffentlichkeitsprinzip, a.a.O., Ziff. 1; MADER, a.a.O., S. 16 f.). Für das
Bundesgericht gilt das Gesetz im Hinblick auf seine Organisationsautonomie
und die Gewaltentrennung (Art. 188 Abs. 3 BV; Art. 13 BGG) "sinngemäss",
soweit es "administrative Aufgaben" oder "Aufgaben im Zusammenhang mit der
Aufsicht über das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesstrafgericht"
erfüllt (Art. 28 BGG; MADER, a.a.O., S. 19).

  2.2  Entscheidend für die Anwendung des Öffentlichkeitsprinzips am
Bundesgericht ist somit, welche Aktivitäten - neben den Aufsichtsaufgaben
über die anderen Bundesgerichte - unter den unbestimmten Rechtsbegriff der
"administrativen Aufgaben" im Sinne von Art. 28 BGG fallen: Nach der
Botschaft des Bundesrats vom

12. Februar 2003 sind damit amtliche Dokumente gemeint, welche "die
Verwaltung" des Gerichts betreffen, "z.B. interne Weisungen, Evaluationen
bezüglich administrativer Belange oder Dokumente betreffend
Informatikprojekte" (BBl 2003 S. 1963 ff., dort S. 1985). Die Urteile und
die diesen zugrundeliegenden Verfahrensakten, d.h. Unterlagen im
Zusammenhang mit der rechtsprechenden Funktion als Kernaufgabe des Gerichts,
werden vom Öffentlichkeitsgesetz hingegen nicht erfasst (vgl. Art. 3 BGG;
BBl 2003 S. 1985; MADER, a.a.O., S. 19); diesbezüglich erfolgt die
Information des Publikums im Rahmen von Art. 27 BGG (HANSJÖRG SEILER, in:
Seiler/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007,
N. 2 zu Art. 28 BGG; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Kurzkommentar zum
Bundesgerichtsgesetz, Zürich/St. Gallen 2006, N. 1 zu Art. 28 BGG). Die
bloss "sinngemässe" Geltung des Öffentlichkeitsgesetzes erlaubt es dem
Bundesgericht in erster Linie, von dessen Verfahrensbestimmungen abzuweichen
(SEILER, a.a.O., N. 4 zu Art. 28 BGG; BBl 2003 S. 1985), gestatten es ihm
jedoch nicht, im Rahmen der ihm eingeräumten Organisations- und
Verwaltungsautonomie seine Verwaltungsaktivitäten dem Anwendungsbereich des
Öffentlichkeitsprinzips gänzlich zu entziehen.

  2.3
  2.3.1  Hierzu besteht auch keine Veranlassung: Das Öffentlichkeitsprinzip
dient der Transparenz der (Justiz-)Verwaltung und soll das Vertrauen des
Bürgers in die staatlichen Institutionen und ihr Funktionieren fördern; es
bildet zudem eine wesentliche Voraussetzung für eine sinnvolle demokratische
Mitwirkung am politischen Entscheidfindungsprozess und für eine wirksame
Kontrolle der staatlichen Behörden (Art. 1 BGÖ; LUZIUS MADER, a.a.O., S. 14;
SEILER, a.a.O., N. 1 zu Art. 28 BGG; KURT NUSPLIGER, Bernisches Staatsrecht,
2. Aufl., Bern 2006, S. 68; MARKUS SIEGENTHALER, Öffentlichkeit der
Verwaltung, in: Baeriswyl/Rudin [Hrsg.], Perspektive Datenschutz, Zürich
2002, S. 203 ff., dort S. 204 ff.). Soweit konkrete überwiegende öffentliche
oder private Interessen einem unbeschränkten Zugang zu amtlichen Dokumenten
entgegenstehen (vgl. hierzu MADER, a.a.O., S. 25 ff.; SIEGENTHALER, a.a.O.,
S. 221 ff.), sieht das Öffentlichkeitsgesetz selber geeignete
Beschränkungsmöglichkeiten vor, so dass es sich nicht rechtfertigt, den
Begriff der "administrativen Aufgaben" im Rahmen von Art. 28 BGG allzu eng
zu verstehen.

  2.3.2  Bereits nach dem BGÖ gelten nicht als amtliche Dokumente Texte, die
nicht fertig gestellt oder zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind bzw.
solche, die unter eine spezialgesetzliche Geheimnis- oder Zugangsregelung
fallen (Art. 3-5 BGÖ; MADER, a.a.O., S. 20 f.). Evaluationsberichte sind
zwar grundsätzlich frei zugänglich, dies gilt indessen nicht, soweit sie die
Leistungen einzelner Personen betreffen (Bundesamt für Justiz,
Öffentlichkeitsgesetz: Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, Bern
2006, Ziff. 2.3). Amtliche Dokumente, welche die Grundlage für einen
"politischen oder administrativen" Entscheid bilden, müssen bzw. dürfen erst
zugänglich gemacht werden, wenn dieser getroffen ist; der Entscheid kann
dabei eine rechtliche oder politische Position oder eine Vorgehensweise zum
Inhalt haben, sich auf Fragen der Verwaltungsorganisation oder der
Personalführung oder auf den Beizug Dritter zur Erfüllung von
Verwaltungsaufgaben beziehen. In diesen Fällen rechtfertigt es sich
regelmässig, den Zugang bloss aufzuschieben, doch darf der Zugriff
nötigenfalls gestützt auf Art. 7 BGÖ auch gänzlich ausgeschlossen werden
(Bundesamt für Justiz, Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, a.a.O.,
Ziff. 4.1).

  2.3.3  Nach dieser Bestimmung kann aufgrund einer Güterabwägung im
Einzelfall der Zugang zu amtlichen Dokumenten im öffentlichen Interesse
"eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert" werden, um die freie Meinungs-
und Willensbildung einer Behörde (Art. 7 Abs. 1 lit. a), die zielkonforme
Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen (Art. 7 Abs. 1 lit. b), die
innere und äussere Sicherheit (Art. 7 Abs. 1 lit. c), die aussenpolitischen
Interessen (Art. 7 Abs. 1 lit. d; vgl. hierzu die Empfehlung des
Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten [EDÖB] vom 27.
November 2006 i.S. X. gegen Eidgenössisches Departement für auswärtige
Angelegenheiten), die Beziehungen zwischen Bund und Kantonen oder Kantonen
unter sich (Art. 7 Abs. 1 lit. e) oder die wirtschafts-, geld- und
währungspolitischen Interessen des Landes zu schützen (Art. 7 Abs. 1 lit.
f). Das Öffentlichkeitsgesetz verpflichtet die zuständige Behörde auch,
schutzwürdigen privaten Interessen Rechnung zu tragen, etwa wenn Berufs-,
Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse betroffen sind (Art. 7 Abs. 1 lit.
g; vgl. hierzu die Empfehlung des EDÖB vom 12. März 2007 i.S. X. gegen
Bundesamt für Gesundheit), Informationen unter Vertraulichkeitsvorbehalt
freiwillig zur Verfügung gestellt wurden (Art. 7 Abs. 1 lit. h BGÖ) oder die
Privatsphäre Dritter berührt ist (Art. 7 Abs. 2 BGÖ).

Die Verletzung der jeweiligen öffentlichen oder privaten Interessen muss
aufgrund der Zugänglichkeit des betreffenden Dokuments wahrscheinlich
erscheinen. Als Beeinträchtigung kann zudem nicht jede geringfügige oder
unangenehme Konsequenz des Zugangs zum gewünschten amtlichen Dokument gelten
(zusätzliche Arbeit, unerwünschte öffentliche Aufmerksamkeit usw.).
Schliesslich ist das Verhältnismässigkeitsgebot zu beachten: Erweist sich
eine Beschränkung als gerechtfertigt, soll die Behörde hierfür die möglichst
mildeste, das Öffentlichkeitsprinzip am wenigsten beeinträchtigende Form
wählen (Bundesamt für Justiz, Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste,
a.a.O., Ziff. 2.4; MADER, a.a.O., S. 25 ff.).

Erwägung 3

  3.  Die Auslegung von Art. 28 BGG im angefochtenen Entscheid erweist sich
demnach als zu streng; sie trägt dem vom Gesetzgeber auch bezüglich der
Justizverwaltung gewünschten Paradigmenwechsel zu wenig Rechnung:

  3.1  Entgegen den Ausführungen des Generalsekretärs ist die Unterstellung
unter das Öffentlichkeitsgesetz von Bundesgericht und Bundesrat parallel
erfolgt: Der Bundesrat wurde als Regierung, d.h. im Kernbereich seines
Handelns als oberste leitende und vollziehende, im Kollegium entscheidende
(Art. 177 Abs. 1 BV) Behörde des Bundes (Art. 174 BV; Art. 1 des Regierungs-
und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 [RVOG; SR 172.010]) -
wie das Bundesgericht bezüglich der Rechtsprechung - dem Geltungsbereich des
Öffentlichkeitsgesetzes entzogen. Der Bundesrat befindet über zahlreiche
Sachgeschäfte und ist dem Kollegialitätsprinzip verpflichtet; seine
Entscheide sind in erster Linie politisch motiviert; das Bundesgericht nimmt
seinerseits indessen die höchste Rechtsprechung wahr; in diesem Rahmen
unterliegt es dem Öffentlichkeitsgesetz - wie der Bundesrat bei seinen
Regierungsgeschäften - nicht (vgl. MADER, a.a.O., S. 19). Soweit es sich
selber verwaltet, geschieht dies gestützt auf formell- oder
materiellrechtliche Vorgaben, welche die Führungsorgane des Gerichts in
ihren Entscheiden konkretisieren. Sein Zuständigkeitsspektrum ist damit
wesentlich beschränkter als jenes des Bundesrats, weshalb die
Verwaltungstätigkeit des Bundesgerichts nicht mit den Befugnissen des
Bundesrats verglichen werden kann.

  3.2  Bereits von ihrer Anlage her ist die Judikative eher dem Mehrheits-
als dem - durch den Ausschluss des Mitberichtsverfahrens vom
Öffentlichkeitsprinzip (Art. 8 BGÖ) geschützten - Kollegialitätsprinzip

(vgl. MADER, a.a.O., S. 28) verpflichtet: Im Rahmen der Rechtsprechung sind
Anträge und Gegenanträge regelmässig an öffentlichen Sitzungen darzulegen
und zu diskutieren (vgl. Art. 58 und 59 BGG), womit im Kernbereich der
Aktivitäten der Dritten Gewalt die öffentliche Diskussion und der
entsprechende Austausch von Argumenten die Regel bildet, auch wenn der
begründete Entscheid in der Folge von der Abteilung als solcher getragen
wird. Für den Ausschluss des Zugangsrechts zu den amtlichen Dokumenten des
Mitberichtsverfahrens besteht - im Gegensatz zur Verwaltungstätigkeit des
Bundesgerichts - im Organisationsrecht des Bundesrats zudem mit Art. 21 RVOG
eine ausdrückliche formell-gesetzliche Grundlage, die vorsieht, dass die
Verhandlungen des Bundesrats und das Mitberichtsverfahren "nicht öffentlich"
sind. Für das Parlament gilt Art. 4 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002
über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10), der
grundsätzlich festhält, dass das Parlament öffentlich tagt. Den Zugang zu
den Protokollen der Kommissionen und zu den entsprechenden Unterlagen regeln
die Art. 4 ff. der Verordnung der Bundesversammlung vom 3. Oktober 2003 zum
Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung
(Parlamentsverwaltungsverordnung, ParlVV; SR 171.115) wiederum
spezialgesetzlich: Die Präsidentin oder der Präsident der zuständigen
Kommission entscheidet hierüber aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Art.
7 ParlVV). Dass die Kommissionen, in denen wichtige gesetzgeberische
Vorarbeit geleistet wird, nicht dem Öffentlichkeitsprinzip unterliegen,
entspricht damit dem Grundsatz, wonach die Ausübung der in die jeweilige
primäre Zuständigkeit der drei Staatsgewalten fallenden Tätigkeiten vom
Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen und eigenen Regeln unterworfen ist. Für
die Parlamentsdienste, welche als Stabsstelle der Bundesversammlung dienen
(Art. 17 ff. ParlVV), gilt das Öffentlichkeitsgesetz unbeschränkt (vgl. Art.
2 Abs. 1 lit. c BGÖ).

  3.3
  3.3.1  Nach Art. 13 BGG regelt das Bundesgericht seine Organisation und
Verwaltung selbst. In diesem Rahmen hat es verschiedene Bestimmungen in sein
Reglement aufgenommen, welche die Vertraulichkeit der
Entscheidfindungsprozesse sicherstellen: Nach Art. 5 Abs. 1 BGerR
entscheidet das Gesamtgericht über den Vorschlag an die Bundesversammlung
für die Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin und des Vizepräsidenten
oder der Vizepräsidentin des Bundesgerichts einzeln und durch geheime
Stimmabgabe; in gleicher

Weise wählt es alsdann das dritte Mitglied der Verwaltungskommission. Gemäss
Art. 8 BGerR werden Wahlen und Abstimmungen an den Sitzungen des
Gesamtgerichts geheim durchgeführt, wenn die Verwaltungskommission oder
mindestens fünf Mitglieder des Gesamtgerichts dies verlangen; schliesslich
stehen nach Art. 15 BGerR die "Protokolle der Sitzungen des Gesamtgerichts,
der Verwaltungskommission und der Präsidentenkonferenz" nur "den
ordentlichen Richtern und Richterinnen jederzeit zur Einsicht offen", woraus
e contrario geschlossen werden könnte, dass eine Einsichtnahme in diese
gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz ausgeschlossen werden sollte. Demnach
wären im Rahmen von Art. 28 BGG allein Rapporte und Berichte des
Generalsekretariats in administrativen Belangen der Öffentlichkeit
zugänglich, indessen nicht auch die entsprechenden Sitzungsprotokolle der
leitenden Organe (Gesamtgericht, Präsidentenkonferenz und
Verwaltungskommission).

  3.3.2  Eine solche Auslegung trüge den Anliegen des
Öffentlichkeitsgesetzes indessen wiederum zu wenig Rechnung: Dieses setzt im
Hinblick auf die weitgespannten Befugnisse und Zuständigkeiten der
verschiedenen Leitungsorgane (vgl. Art. 14 ff. BGG) eine Prüfung der Frage
voraus, ob sich das betroffene amtliche Dokument jeweils auf einen
Organisations- oder Verwaltungsakt bezieht (vgl. den Titel des 3. Abschnitts
des BGG "Organisation und Verwaltung"); nur im letzten Fall besteht im
Rahmen einer Interessenabwägung gestützt auf Art. 28 BGG bzw. auf das
Öffentlichkeitsgesetz gegebenenfalls ein Anspruch auf Zugang zu den
entsprechenden Unterlagen. Entscheidend ist das materielle Kriterium, ob für
das Gericht eine administrative Tätigkeit ausgeübt worden ist, welche nicht
in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner vom Anwendungsbereich des
Öffentlichkeitsgesetzes ausgeschlossenen Kernkompetenz - der Rechtsprechung
- steht (so auch die Empfehlung des EDÖB vom 22. September 2006 hinsichtlich
des Berichts des Bundesstrafgerichts "zu den Vorwürfen betreffend die
geringe Anzahl der von der Bundesanwaltschaft erhobenen Anklagen", dort S. 5
f.). Art. 15 BGerR kann im Lichte des Öffentlichkeitsgesetzes somit nicht
als absoluter Ausschlussgrund verstanden werden: Dem Publikum steht der
Zugang zwar nicht wie den ordentlichen Richtern und Richterinnen immer und
voraussetzungslos offen, aber immerhin, soweit es um Verwaltungsfragen geht
und das entsprechende Verfahren abgeschlossen ist.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Der Gesuchsteller hat Einsicht in die Protokolle des Gesamtgerichts
und der Verwaltungskommission betreffend die Entstehung des
Gerichtsreglements (Ziff. II des Protokolls des 41er-Plenums vom 20.
November 2006 mit Anhang 1 [Fahne: Antrag der Arbeitsgruppe BGG mit
Abänderungsanträgen der Präsidentenkonferenz, der Gerichtsleitung EVG und
einzelner Mitglieder]) sowie hinsichtlich der Bestellung der verschiedenen
Abteilungen und "weiterer personeller Entscheide" verlangt (Ziff. IV und V
des Protokolls des 41er-Plenums vom 20. November 2006 sowie Protokoll der
Sitzung der Verwaltungskommission 07 vom 6. November 2006). Die Besetzung
der verschiedenen Abteilungen und die damit verbundenen personellen Fragen
stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Kernfunktion der
Rechtsprechung des Bundesgerichts und gehen als Frage der Selbstorganisation
des Gerichts über reine Administrativaufgaben im Sinne von Art. 28 BGG
hinaus. Art. 18 Abs. 1 BGG sieht vor, dass die Zusammensetzung der
Abteilungen "öffentlich bekannt gemacht" wird, was inzwischen geschehen ist;
gestützt hierauf und auf die für das Publikum allgemein zugänglichen
Informationen betreffend die einzelnen Gerichtsmitglieder kann ohne Weiteres
beurteilt werden, ob und wie den Vorgaben von Art. 18 Abs. 2 BGG bzw. Art.
26 Abs. 4 BGerR nachgekommen wurde; im Übrigen steht es
Verfahrensbeteiligten jeweils frei, die richtige Besetzung der urteilenden
Abteilung durch ein Ausstands- bzw. Ablehnungsgesuch richterlich überprüfen
zu lassen (vgl. Art. 34 ff. BGG), was den engen Bezug dieses Geschäfts zur
Primärfunktion der Rechtsprechung des Gerichts unterstreicht. Der
Generalsekretär durfte das Einsichtsgesuch des Beschwerdeführers
diesbezüglich deshalb ohne Interessenabwägung im konkreten Einzelfall
abweisen; der angefochtene Entscheid verletzt insofern kein Bundesrecht.

  4.2  Anders verhält es sich in Bezug auf den Antrag, in die Protokolle des
Gesamtgerichts und die entsprechenden Unterlagen bezüglich des
Gerichtsreglements Einsicht nehmen zu können: Das Reglement bildet Grundlage
der Selbstorganisation des höchsten Rechtsprechungsorgans des Landes; es
handelt sich dabei aber um einen Justizverwaltungsakt, der als materielle
Gesetzgebung in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur
Rechtsprechungsfunktion des Gerichts und damit zu seiner vom
Öffentlichkeitsgesetz ausgenommenen Primäraufgabe steht. Das Reglement ist
in Kraft; inwiefern ein auf das entsprechende Thema beschränkter Zugang zum
Protokoll

des Gesamtgerichts (das Transparenzgebot überwiegende) schutzwürdige
öffentliche oder private Interessen beeinträchtigen könnte, ist nicht
ersichtlich. Zwar weist der Generalsekretär allgemein darauf hin, dass durch
die Möglichkeit, in die Protokolle der gerichtlichen Leitungsorgane Einblick
nehmen zu können, deren freie Meinungs- und Willensbildung berührt wird;
diese Gefahr besteht vorliegend indessen nicht, da das entsprechende
Geschäft abgeschlossen ist und es den Mitgliedern des Gerichts als
Magistratspersonen zugemutet werden darf, zu ihren Anträgen, Ausführungen
und Ansichten zu stehen. Als "wesentlich" gefährdet kann die freie Meinungs-
und Willensbildung nur gelten, wenn sie sich als Folge der Veröffentlichung
weitgehend nicht mehr verwirklichen liesse oder sie noch beeinflusst werden
könnte, nachdem der Entscheid bereits getroffen ist (vgl. Bundesamt für
Justiz, Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, a.a.O., Ziff. 2.4.1);
hiervon kann im Zusammenhang mit dem Bundesgerichtsreglement nicht die Rede
sein. Da auch keine privaten Interessen ersichtlich sind, welche gegen die
beantragte Einsicht in die entsprechenden Materialien sprechen und weitere
Abklärungen nötig machen würden, rechtfertigt es sich, die Beschwerde des
Gesuchstellers in diesem Punkt gutzuheissen und ihm insofern den Zugang zu
den gewünschten Unterlagen zu gewähren. Es wird am Generalsekretär liegen,
gegebenenfalls noch über die Kosten der Einsichtnahme zu befinden. Diese
richten sich nach dem Reglement vom 31. März 2006 über die
Verwaltungsgebühren des Bundesgerichts (SR 173.110.210.2; Art. 64 Abs. 8
BGerR) und subsidiär nach dem Gebührentarif gemäss der
Öffentlichkeitsverordnung (SR 152.31).

Erwägung 5

  5.  Die Kosten für das vorliegende Beschwerdeverfahren bestimmen sich
ihrerseits nach Art. 63 VwVG (vgl. Art. 13 BGG i.V.m. Art. 56 BGerR), womit
dem teilweise unterliegenden Beschwerdeführer an sich eine reduzierte
Spruchgebühr aufzuerlegen wäre. Es ist hiervon jedoch abzusehen: Das
Bundesgerichtsreglement schliesst das im Öffentlichkeitsgesetz vorgesehene
kostenlose Schlichtungsverfahren aus und zwingt einen Gesuchsteller damit
praktisch, eine Beschwerde an die interne Rekurskommission zu richten, um
abklären zu lassen, ob ein amtliches Dokument der Gerichtsverwaltung
tatsächlich unter einen der Ausnahmegründe von Art. 7 BGÖ fällt oder nicht.
Unter diesen Umständen muss die Erhebung einer Spruchgebühr für Verfahren
wie das vorliegende die Ausnahme bilden; sie hat sich auf mutwillig
angehobene Verfahren zu beschränken. Eine Parteientschädigung ist nicht
geschuldet (Art. 64 VwVG).