Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 II 169



Urteilskopf

133 II 169

  17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X.
und Y. gegen Gemeindeverband ARA Region unteres Kiesental, Einwohnergemeinde
Kiesen, Regierungsstatthalter von Konolfingen sowie Bau-, Verkehrs- und
Energiedirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  1A.135/2006 vom 2. Mai 2007

Regeste

  Art. 9, 11, 16 ff. USG; Abwasserreinigungsanlage, teilweise
Nutzungsänderung (Co-Vergärung von Speiseöl- und Speisefettabfällen mit
Klärschlamm). Schutz vor Geruchs- und Lärmimmissionen.
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Sanierungspflicht.

  Nachträglicher Verzicht auf die Vervollständigung einer mangelhaften UVP
(E. 2 und 3). Zulässigkeit eines solchen Verzichts nur im Ausnahmefall (E.
2.2). Tragweite des Vorsorgeprinzips bei geringfügigen Emissionen
(Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3.2). Prüfung der Verhältnismässigkeit
einer Abluftreinigungsanlage zur Bekämpfung der Geruchsemissionen
aus der Fettverwertung (E. 3.3 und 3.4). Ablehnung einer Sanierungspflicht
für die betroffene Gesamtanlage (E. 4).

Sachverhalt

  Die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Kiesen besteht seit 1977. Sie wird vom
Gemeindeverband ARA Region Unteres Kiesental (im Folgenden: Gemeindeverband)
betrieben. In der Anlage wird das Abwasser aus dem Einzugsgebiet gereinigt.
Seit den neunziger Jahren wurden dort auch Speiseöl- und Speisefettabfälle
aus der Speisefettindustrie sowie ab dem Jahr 2000 zusätzlich Flotatschlämme
(Schlachtabfälle) aus Schlachthäusern, teilweise von Betrieben ausserhalb
des Einzugsgebiets, verwertet. Diese Abfälle werden nach Bedarf bei der
Vergärung von Klärschlämmen aus der Abwasserreinigung beigegeben. Bei der
sog. Co-Vergärung entsteht Biogas, das zur Stromerzeugung in
Blockheizkraftwerken genutzt wird. 1998 erhielt der Gemeindeverband die
Baubewilligung zur Errichtung eines Blockheizkraftwerks, zwei Silos à 50 m3
Fettverwertung und eines Silos à 50 m3 Trübwasserstapel. 2002 wurde der
Neubau eines weiteren Blockheizkraftwerks und eines Warmwasserspeichers
bewilligt.

Die bewilligten Anlagen für die Vergärung und Stromerzeugung sind gebaut und
in Betrieb.

  Auf Klagen aus der Nachbarschaft über Geruchs- und Verkehrsprobleme im
Zusammenhang mit dem Betrieb der Kläranlage traf die Einwohnergemeinde
Kiesen am 3. September 2003 eine Verfügung zur Wiederherstellung des
rechtmässigen Zustands. Dabei ordnete sie an, dass die besonders
geruchsintensiven Flotate aus Schlachthäusern nur noch in kleineren Mengen
und von Schlachthäusern aus dem Einzugsgebiet der ARA angenommen werden
dürften. Zusätzlich wurde die Verwertung von fetthaltigen Abfällen auf
insgesamt 1000 Tonnen pro Jahr begrenzt.

  In der Folge reichte der Gemeindeverband beim Regierungsstatthalteramt
Konolfingen drei Baugesuche ein; gegen alle drei Bauvorhaben gingen
zahlreiche Einsprachen von Nachbarn und Bewohnern von Kiesen ein.
- Das erste Gesuch betraf die Sanierung und Erneuerung der Abwasserstrasse
  (Biologie) der Kläranlage. Der Regierungsstatthalter bewilligte das
  Baugesuch am 8. Juli 2004; dieser Entscheid ist rechtskräftig.
- Mit dem zweiten Gesuch strebte der Gemeindeverband die Annahme von 1600
  Tonnen Flotaten aus Schlachthäusern in der Kläranlage an; das entsprechende
  Begehren wurde jedoch am 8. Oktober 2004 zurückgezogen.
- Das dritte Gesuch bezweckte eine Verwertung von Speiseöl- und
  Speisefettabfällen im Umfang von 2000 Tonnen pro Jahr. Dabei geht es um eine
  Erhöhung der zuvor zugelassenen Menge um 1000 Tonnen pro Jahr; bauliche
  Massnahmen sind nicht geplant. Der Regierungsstatthalter erteilte hierfür
  am 20. Dezember 2004 die Gesamtbewilligung.

  X., Ehepaar Z. sowie Y., die mit ihren Einsprachen unterlegen waren,
fochten die Bewilligung vom 20. Dezember 2004 mit gemeinsamer Beschwerde bei
der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (im Folgenden:
BVE) an. Die BVE hiess die Beschwerde am 11. August 2005 gut, soweit sie
darauf eintrat. Die Behörde erwog, die erforderliche
Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht für die ganze Kläranlage
durchgeführt worden, sondern lediglich isoliert für das betreffende
Vorhaben. Demzufolge hob die BVE die Bewilligung vom 20. Dezember 2004 auf
und wies die Angelegenheit an den Regierungsstatthalter zurück.

  Der Gemeindeverband zog den Entscheid der BVE an das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern weiter. Das Gericht hiess seine Beschwerde mit Urteil vom
29. Mai 2006 teilweise gut. Es hob den Entscheid der BVE auf und schützte
die Bewilligung des Regierungsstatthalters vom 20. Dezember 2004 unter
Ergänzung bzw. Änderung von zwei Auflagen.

  Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben X. sowie Y. beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.

  2.1  Das Verwaltungsgericht hielt eine Rückweisung des Verfahrens zur
Vervollständigung der bereits erfolgten Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
für unverhältnismässig. Es nahm aufgrund der vorhandenen Daten der einzelnen
Anlageteile und der entsprechenden Fachbeurteilungen selbst eine
entsprechende Gesamtbeurteilung vor. Dass im angefochtenen Urteil keine
Ergänzung der UVP für nötig befunden worden ist, erachten die
Beschwerdeführer als bundesrechtswidrig. Das Verwaltungsgericht habe zu
wenig berücksichtigt, dass sie unter penetranten Geruchs- und
Lärmimmissionen der Kläranlage in ihrem bisherigen Zustand zu leiden hätten.

  2.2  Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass das hier umstrittene
Bauvorhaben der UVP-Pflicht im Sinne von Art. 9 des Bundesgesetzes vom 7.
Oktober 1983 über den Umweltschutz (USG; SR 814.01) unterliegt (vgl. Art. 1
und Anhang Nr. 40.7 der Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung [UVPV; SR 814.011]). Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise auf eine
nachträgliche UVP im förmlichen Sinne verzichtet werden, wenn die
vorgenommenen Sachverhaltsabklärungen materiell genügen, um die
Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Umweltschutzvorschriften beurteilen zu
können (BGE 124 II 460 E. 3a S. 469; Urteile 1E.8/2002 vom 4. November 2002,
E. 2.3, publ. in: URP 2003 S. 655; 1A.136/2004 vom 5. November 2004, E. 2.5,
publ. in: URP 2005 S. 1). Immerhin ist eine derartige Ausnahmesituation
nicht leichthin anzunehmen. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, bei denen
ein Bauvorhaben in verschiedene Teilschritte und Bewilligungsverfahren
aufgeteilt wird, besteht die Gefahr, dass die Gesamtauswirkungen
möglicherweise

zumindest zum Teil ungeprüft bleiben (vgl. BGE 124 II 293 E. 26b S. 347).
Auch bei einem nachträglichen Verzicht auf eine formelle UVP bzw. auf die
Vervollständigung einer mangelhaften UVP muss Gewähr geboten sein, dass der
Massstab einer im Ergebnis umfassenden und korrekten Ermittlung des
umweltrechtlich relevanten Sachverhalts durch Fachpersonen (Ingenieure und
Naturwissenschafter) keinesfalls unterschritten wird.

  2.3  Der Beschwerdegegner, d.h. der Trägerverband der
Abwasserreinigungsanlage, hatte in Reaktion auf die ihm gegenüber getroffene
Wiederherstellungsverfügung vom 3. September 2003 parallel drei Baugesuche
eingereicht. Diese betrafen unterschiedliche Anliegen. Einerseits sollte der
Teilbereich der Abwasserstrasse saniert werden; anderseits wurde mittels
nachträglicher Baugesuche die Erlaubnis für die Verwertung einer markant
höheren Menge an Flotaten (Schlachtabfällen) und Speisefettabfällen
angestrebt. Die Kapazitäten für die Vergärung derartiger Abfallmengen waren
baulich bereits geschaffen worden; die baulichen Massnahmen hatten sich auf
eine rechtskräftige Baubewilligung gestützt. Die Rechtmässigkeit jener
Bewilligung war im Nachhinein nicht in Zweifel zu ziehen. Mit den beiden
nachträglichen Baugesuchen ging es vielmehr um eine teilweise
Nutzungsänderung, um die geschaffenen Kapazitäten auch ausschöpfen zu
können. Bezüglich Flotaten und Fettverwertung wurden zwei getrennte Gesuche
gestellt, namentlich weil nur beim ersteren eine Biofilteranlage zur
Reinigung der Abluft vorgesehen war. Umweltverträglichkeitsberichte sind
zudem bloss für die Projekte Flotate und Fettverwertung erstellt worden,
indessen nicht im Hinblick auf die Sanierung der Abwasserstrasse. Immerhin
sind alle drei Baugesuche erstinstanzlich je für sich im koordinierten
Verfahren behandelt worden.

  2.4  Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die mangelhafte Koordination der
Verfahren untereinander gerügt. Die UVP, die für das hier betroffene
Baugesuch bezüglich Fettverwertung erfolgt ist, erweist sich als mangelhaft,
weil sie auf diese Fragestellung beschränkt war, statt sich mit der
Umweltbelastung der gesamten Kläranlage zu befassen. Wenn das
Verwaltungsgericht die vorhandenen Abklärungen dennoch materiell für
genügend erachtete, konnte es sich für seine Gesamtbeurteilung auf eine
Mehrzahl von Fachberichten stützen, die punktuell Angaben zur
Umweltverträglichkeit der gesamten Kläranlage liefern. Für jedes der drei
Bauvorhaben liegen Fachberichte der zuständigen Amtsstellen vor, die sich
mit Umweltschutzfragen

auseinander setzen. Hier interessieren besonders die Fachberichte zum
Immissionsschutz, die von der unter anderem für Luftreinhaltung und
betrieblichen Lärmschutz zuständigen Stelle des kantonalen Amts für Berner
Wirtschaft (beco) verfasst worden sind. Die Berichte dieser Stelle zu den
drei Bauprojekten nehmen aufeinander Bezug. Zusätzlich hat sich diese
Fachstelle im vorliegenden Beschwerdeverfahren vor der BVE am 1. Februar
2005 vernehmen lassen. Es wird im Folgenden zu prüfen sein, ob sich gestützt
darauf der Schluss rechtfertigt, das Verwaltungsgericht habe zu Recht von
einer nachträglichen, vollständigen UVP abgesehen. Ein solcher Schluss wäre
dann nicht zulässig, wenn weiterer Abklärungsbedarf besteht.

  2.5  Die Beschwerdeführer kritisieren, dass die Klagen von Anwohnern über
Geruchs- und Lärmimmissionen aus dem Betrieb der gesamten Kläranlage weder
im Fachbericht Immissionsschutz des beco vom 2. April 2004 zum Gesuch
betreffend Speisefettabfälle noch in der darauf gestützten Gesamtbeurteilung
der kantonalen Koordinationsstelle für Umweltschutz (KUS) vom 11. Mai 2004
erwähnt worden sind.

  Dieser Vorwurf scheint zwar vordergründig zuzutreffen. Die
Beschwerdeführer blenden aber aus, dass die Geruchsklagen bereits im
Fachbericht Immissionsschutz des beco vom 4. Februar 2004 zum Gesuch
betreffend Sanierung Abwasserstrasse in differenzierter Weise angesprochen
worden sind. Wie diese Fachstelle in ihrer Vernehmlassung vom 1. Februar
2005 näher erläuterte, hatte sie in ihrem Bericht vom 2. April 2004 vor dem
ihr bekannten Hintergrund Auflagen aus Sicht der Lufthygiene aufgestellt, um
übermässige Geruchsimmissionen zu vermeiden. Im Rahmen der Vernehmlassung
vom 1. Februar 2005 machte die Fachstelle auch Ausführungen zur
Geruchsproblematik der Kläranlage als Ganzes und insbesondere zur Behandlung
von Klärschlamm mit oder ohne Fettabfälle.

  Weiter befasste sich der erwähnte Fachbericht vom 2. April 2004 mit der
Lärmschutzproblematik und verwies dabei auf den diesbezüglich eingehenden
Bericht vom 4. Februar 2004. In der Gesamtbeurteilung der KUS vom 11. Mai
2004 ist im Übrigen auch die Stellungnahme des kantonalen Tiefbauamtes
aufgeführt, welches das Vorhaben aus Sicht des Strassenlärms für
unproblematisch erachtet hat.

  Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) pflichtet in seiner Vernehmlassung dem
Verwaltungsgericht bei, dass die vorhandenen Angaben

zu den Gesamtauswirkungen der Kläranlage genügen. Eine Ergänzung der UVP im
Zusammenhang mit den von den Beschwerdeführern angesprochenen Geruchs- und
Lärmklagen zum Betrieb der Gesamtanlage erweist sich folglich nicht als
notwendig.

Erwägung 3

  3.  Hingegen wendet das BAFU ein, in einem Einzelaspekt seien die
bisherigen Abklärungen ungenügend. Eine genauere Untersuchung sei geboten im
Hinblick auf allfällige Massnahmen zur Verringerung der Geruchsemissionen
beim Betanken der Fettsilos mit den angelieferten Speiseölen und -fetten.
Insofern kommen nach Auffassung des BAFU Biofilter oder Bio-Abluftwäscher in
Betracht.

  3.1  Nach Art. 11 Abs. 2 USG sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge
unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen, als
dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Wenn
feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung
der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden, sind die
Emissionsbegrenzungen zu verschärfen (Art. 11 Abs. 3 USG). Solche
Begrenzungen werden gemäss Art. 12 Abs. 2 USG durch Verordnungen oder,
soweit diese nichts vorsehen, durch unmittelbar auf das Umweltschutzgesetz
abgestützte Verfügungen vorgeschrieben. Schutzmassnahmen nach Art. 12 Abs. 2
USG sind nicht erst zu ergreifen, wenn die Umweltbelastung schädlich oder
lästig wird, sondern es müssen gestützt auf das Vorsorgeprinzip die
unnötigen Emissionen vermieden werden (BGE 126 II 366 E. 2b S. 368; 124 II
517 E. 4b S. 522).

  3.2  Diese Grundsätze sind allerdings nicht so zu verstehen, dass jeder im
strengen Sinne unnötige Lärm völlig untersagt werden müsste. Es gibt keinen
Anspruch auf absolute Ruhe; vielmehr sind geringfügige, nicht erhebliche
Störungen hinzunehmen (Art. 15 USG; BGE 126 II 300 E. 4c/bb S. 307, 366 E.
2b S. 368). Ebenso wenig besteht ein Recht darauf, dass eine Anlage absolut
geruchsfrei funktionieren müsste; auch insofern ist eine geringfügige
Belästigung der Umgebung zumutbar (vgl. Urteile 1A.214/2005 vom 31. Januar
2006, E. 6.3.1; 1A.65/2005 vom 20. Dezember 2005, E. 5.3 nicht publ. in BGE
132 I 82). Das Vorsorgeprinzip hat nach der Konzeption des
Umweltschutzgesetzes emissionsbegrenzenden und nicht -eliminierenden
Charakter (BGE 126 II 399 E. 4c S. 406 mit Hinweis).

  In der bisherigen Rechtsprechung wurde diesbezüglich der Satz verwendet,
das Vorsorgeprinzip finde in umweltrechtlichen Bagatellfällen keine
Anwendung (vgl. BGE 124 II 219 E. 8b S. 233 mit Hinweis).

Eine solche Aussage greift indessen zu kurz. Daraus könnte abgeleitet
werden, bei niedrigen Emissionswerten müssten Massnahmen der Vorsorge von
vornherein weder geprüft noch ergriffen werden (vgl. ALAIN GRIFFEL, Die
Grundprinzipien des schweizerischen Umweltrechts, Zürich 2001, Rz. 87;
BEATRICE WAGNER PFEIFER, Umweltrecht I, 2. Aufl., Zürich 2002, S. 36).
Richtig besehen muss das Verhältnismässigkeitsprinzip als
Verfassungsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 BV) auch bei niedrigen Emissionswerten
zur Anwendung gelangen. Es hat aber dort zur Folge, dass sich besondere
Anordnungen im Sinne der Vorsorge in der Regel nicht rechtfertigen (so ANDRÉ
SCHRADE/THEO LORETAN, in: Kommentar USG, 2. Aufl. 1998, Rz. 35 zu Art. 11
USG).

  In diesem Sinne ist zu präzisieren: Sofern sich geringfügige Emissionen
mit kleinem Aufwand erheblich verringern lassen, so dürfte es grundsätzlich
verhältnismässig sein, entsprechende Massnahmen zu verlangen. Wenn sich eine
Reduktion bei derartigen Emissionen hingegen als unverhältnismässig oder
sogar als unmöglich erweist, so ist dahingehend zu entscheiden, dass solche
Immissionen von den Betroffenen hinzunehmen sind. Gestützt auf eine solche
Interessenabwägung ist auch die generell-abstrakte Festlegung eines unteren
Schwellenwerts denkbar, bei dem - vorbehältlich neuer Erkenntnisse - keine
zusätzlichen Massnahmen mehr gefordert werden können (vgl. z.B. Art. 4
i.V.m. Anhang 1 der Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor
nichtionisierender Strahlung [NISV; SR 814.710] und dazu BGE 126 II 399 E.
4c S. 407 f.).

  3.3  Die vom BAFU angesprochenen geruchsbekämpfenden Massnahmen beziehen
sich hier hauptsächlich auf die Verdrängungsluft, die beim Befüllen der
Silos ungefiltert entweicht. Kurzzeitige Geruchsemissionen können auch bei
allfälligen Betriebsstörungen (Leckagen) auftreten; im Übrigen erfolgt die
Fettverwertung in einem geschlossenen System. Nach den verbindlichen
Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind die entsprechenden
Geruchsbelästigungen geringfügig. Diese Würdigung bezieht sich auf das
Geruchspotential von Speiseölen und -fetten - in der hier interessierenden
Form als Abfälle - an sich wie auch auf die begrenzte Zeitdauer einzelner
Immissionen. Der Beschwerdegegner hat im bundesgerichtlichen Verfahren
erläutert, dass das Betanken im Schnitt einmal pro Arbeitstag erfolgt und
jeweils rund eine halbe Stunde dauert. Wie bereits aus dem
Umweltverträglichkeitsbericht im Zusammenhang mit dem Baugesuch für die
Erhöhung der Fettverwertung folgt,

beträgt die Anliefermenge pro Lastwagentransport jeweils 8 bzw. 16 Tonnen.

  3.4  Bei dieser Sachlage ist zu prüfen, ob es verhältnismässig ist, die
vom BAFU zur Diskussion gestellten Biofilter bzw. Bio-Abluftwäscher zur
Auflage der Baubewilligung zu machen. Bei den angeführten Massnahmen handelt
es sich um Anlagen zur biologischen Abluftreinigung. Beim Biofilter wird die
Abluft - nach einer Vorbehandlung, insbesondere nach einer Vorbefeuchtung -
durch eine Filterschicht aus organischem Material geleitet. Beim sog.
Biowäscher werden die Geruchsstoffe in einer Waschflüssigkeit absorbiert und
anschliessend durch Mikroorganismen abgebaut (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie
in 30 Bänden, 21. Aufl. 2006, Bd. 4, Stichworte "Biofilter" und
"Biowäscher"). Der Einbau einer Biofilteranlage war beim zurückgezogenen
Projekt bezüglich der Flotate aus Schlachthäusern vorgesehen gewesen. Im
Vergleich dazu müsste eine Abluftreinigungsanlage für die Fettverwertung
nicht dieselbe Behandlungskapazität aufweisen; namentlich bestehen bei der
hier umstrittenen Fettverwertung weniger Emissionsquellen. Dennoch geht es
um eine technisch anspruchsvolle Anlage mit erheblichen Investitionskosten.
Es ist offensichtlich, dass die Forderung nach einer Abluftreinigungsanlage
im vorliegenden Zusammenhang in keinem angemessenen Verhältnis zur
Geringfügigkeit der Geruchsimmissionen steht. Entgegen der Auffassung des
BAFU ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht im Sinne einer
antizipierten Beweiswürdigung auf eine genauere Untersuchung zum Einsatz von
Biofiltern oder Biowäschern verzichtet hat.

Erwägung 4

  4.

  4.1  In einer weiteren Rüge bestreiten die Beschwerdeführer die
Umweltverträglichkeit der Gesamtanlage wie auch des konkreten Bauvorhabens.
Die Kläranlage sei vielmehr in ihrem bisherigen Zustand namentlich aufgrund
der Geruchsemissionen des Betriebs wie auch wegen des Verkehrslärms der
betrieblichen Lastwagen-Transporte sanierungsbedürftig. Die Bewilligung des
Vorhabens, mit der die bestehende Gesamtanlage wesentlich geändert werde,
verstosse ohne gleichzeitige Anordnung einer Sanierung dieser Anlage gegen
Art. 16 ff. USG.

  4.2  Nach dem angefochtenen Entscheid ist die bestehende Gesamtanlage
nicht sanierungsbedürftig. Mit Abschluss der Sanierung der Abwasserstrasse
(Biologie), die am 8. Juli 2004 bewilligt wurde,

gelte die Kläranlage gemäss dem kantonalen Sachplan Siedlungsentwässerung
als saniert. Ausserdem stellte das Gericht bei seiner Würdigung - mit
besonderem Bezug auf die Lufthygiene - auf die im
Umweltverträglichkeitsbericht wiedergegebene Messung der Geruchsemissionen
der Gesamtanlage im Ist-Zustand ab. Danach hatte der entsprechende Wert
weniger als 100 Geruchseinheiten pro m3 (GE/m3) betragen. Ferner
berücksichtigte das Gericht die Auskunft der Standortgemeinde, dass vor dem
Jahr 2003 keine Reklamationen über Geruchsbelästigungen eingegangen seien.
Das Gericht nahm an, selbst wenn nach der Wiederherstellungsverfügung vom 3.
September 2003 weiterhin kleinere Mengen von Flotaten aus Schlachthäusern im
Einzugsgebiet der Kläranlage behandelt werden dürften, seien keine
übermässigen Geruchsemissionen der Gesamtanlage zu befürchten. Das BAFU
schliesst sich dieser Beurteilung in seinem Schreiben vom 4. November 2006
im Wesentlichen an. Es ortet bei der Gesamtanlage, mit Ausnahme der bereits
bei E. 3 behandelten Geruchsemissionen, keinen umweltrechtlichen
Handlungsbedarf.

  4.3  Bei den umstrittenen Geruchsemissionen müsste - wenn überhaupt - eine
Begrenzung im Einzelfall angeordnet werden. Insofern stellte das
Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil einen Vergleich mit der in seinem
Urteil vom 14. Juni 2005 behandelten Emissionsbegrenzung für eine andernorts
gelegene Entsorgungsanlage von tierischen Abfällen an. Dort war ein
Grenzwert von 300 GE/m3 festgelegt worden (Bernische
Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 2006 S. 335, E. 6.1 S. 339; vgl. dazu Urteil
des Bundesgerichts 1A.214/2005 vom 23. Januar 2006, E. 5). Im
Umweltverträglichkeitsbericht zu dem hier zurückgezogenen Gesuch für die
Verwertung von Flotatschlämmen aus Schlachthäusern wird der bei E. 4.2
genannte Messwert unter Bezugnahme auf den Expertenbericht von M. HANGARTNER
(Grundlagen zur Beurteilung von Geruchsproblemen, Expertenbericht des
Instituts für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich, Hrsg. BUWAL
[heute: BAFU], Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 115, Bern 1989, S. 30) wie
folgt erläutert: Bei einer Geruchskonzentration unter 100 GE/m3 seien die
Geruchsemissionen in der Umgebung nicht wahrnehmbar. Bei einer Konzentration
von 100-300 GE/m3 sei die Wahrnehmung dann nicht negativ, wenn das
Belästigungspotenzial des Geruchs klein sei und ein genügender Abstand zum
Wohngebiet von über 300 Metern eingehalten werde.

  Mit der Bedeutung des Werts von 100 GE/m3 setzen sich die Beschwerdeführer
nicht auseinander. Die Beschwerdeführer stellen auch nicht in Zweifel, dass
seit der Wiederherstellungsverfügung vom 3. September 2003 lediglich geringe
Mengen an Flotatschlämmen aus Schlachthäusern in die Kläranlage gelangen;
das vorliegende Bauvorhaben bringt insofern keine Veränderung. Zwar hat die
Standortgemeinde im bundesgerichtlichen Verfahren eingeräumt, dass bei ihr
sehr selten Geruchsklagen von Anwohnern eingehen. Auch vor diesem
Hintergrund lässt sich aber annehmen, dass der bestehende Anlagenbetrieb im
Allgemeinen keine nennenswerten Geruchsimmissionen in der Umgebung
verursacht. Wesentlich ist, dass die Gesamtanlage dem heutigen Stand der
Technik und den einschlägigen Vorschriften entspricht. Es wird weder von den
Beschwerdeführern dargetan noch ist ersichtlich, inwiefern dies hier nicht
der Fall sein sollte.

  Dass die geplante Erhöhung der Fettverwertung vorliegend ohne Einbau einer
Abluftreinigungsanlage umweltverträglich ist, wurde bereits bei E. 3
dargelegt. Insgesamt steht zu erwarten, dass die Gesamtanlage auch nach der
Verwirklichung des geplanten Vorhabens in aller Regel für die
Wohnbevölkerung in der Umgebung keine rechtsrelevante Geruchsbelästigung mit
sich bringt. Punktuelle und kurzzeitige Ausnahmen gebieten keine
weitergehenden umweltschutzrechtlichen Massnahmen in dieser Hinsicht.

  4.4  Was den Lärm der betrieblichen Lastwagentransporte betrifft, wird von
den Beschwerdeführern nicht einmal ansatzweise aufgezeigt, inwiefern sie
dadurch konkret gestört werden. Es kann offenbleiben, ob die
Beschwerdeschrift in diesem Punkt den Anforderungen von Art. 108 Abs. 2 OG
entspricht (vgl. dazu BGE 131 II 449 E. 1.3 S. 452 mit Hinweisen). Die
entsprechende Rüge vermöchte ohnehin nicht durchzudringen. Nach den
Feststellungen des Verwaltungsgerichts bewirkt die zusätzliche Verwertung
von Speisefettabfällen eine Verkehrszunahme um einen Lastwagentransport bzw.
zwei Vorbeifahrten pro Arbeitstag. Dem Umweltverträglichkeitsbericht und den
bei E. 2.5 erwähnten Ausführungen der Fachstelle Immissionsschutz des beco
ist zu entnehmen, dass für den Kläranlagen-Betrieb insgesamt weniger als 600
Lastwagentransporte pro Jahr benötigt werden. Bei derartigen Zahlenwerten,
zu denen sich die Beschwerdeschrift wiederum nicht äussert, brauchte das
Verwaltungsgericht keine diesbezüglichen Lärmvorkehren zu fordern.

  4.5  Zusammengefasst lässt sich dem Verwaltungsgericht keine Verletzung
von Bundesrecht vorwerfen, wenn es die Umweltverträglichkeit der
umstrittenen Erhöhung bei der Speiseöl- bzw. Speisefettverwertung bejaht und
einen Sanierungsbedarf der Gesamtanlage verneint hat. Die vom Gericht
zusätzlich verlangten Auflagen beziehen sich nicht auf die von den
Beschwerdeführern kritisierten Gerüche und Betriebstransporte, sondern auf
die gewässerschutzrechtliche Koordination der Bewilligungen vom 8. Juli und
vom 20. Dezember 2004; dieses Anliegen ist unbestritten. Wie das kantonale
Gericht in seiner Vernehmlassung ausgeführt hat, genügt es auch zur Wahrung
der betroffenen öffentlichen Interessen, dass die zuständigen kantonalen und
kommunalen Instanzen die Einhaltung der Bewilligungsauflagen bzw. der
umweltschutzrechtlichen Vorschriften überwachen. Die Einrichtung eines
zusätzlichen Monitoring-Systems im Hinblick auf Geruchsimmissionen, wie von
der Standortgemeinde vorgeschlagen, kann sich zwar als vertrauensbildende
Massnahme für die offenbar sensibilisierte Anwohnerschaft eignen, ist aber
umweltrechtlich nicht geboten.