Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 II 104



Urteilskopf

133 II 104

  11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Wettbewerbskommission gegen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) und
Mitb. sowie Rekurskommission für Wettbewerbsfragen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  2A.325/2006 vom 13. Februar 2007

Regeste

  Art. 10 Abs. 2 KG, Art. 11 Abs. 3 der Fusionskontrollverordnung, Art. 105
Abs. 2 OG; kartellrechtliche Kontrolle des Zusammenschlusses mehrerer
Elektrizitätsunternehmungen zum gemeinsamen Betrieb des schweizerischen
Höchstspannungsnetzes (Swissgrid AG).

  Der Gesichtspunkt der Beseitigung von aktuellem oder wenigstens
potentiellem Wettbewerb stellt eine eigenständige rechtliche Voraussetzung
der behördlichen Fusionskontrolle dar (E. 6).

  Auf dem schweizerischen Höchstspannungsnetz besteht weder aktuell noch
potentiell Wettbewerb, weshalb die Voraussetzungen für einen Eingriff
der Wettbewerbsbehörden im Rahmen der Fusionskontrolle nicht vorliegen (E. 7
und 8).

  Allfällige Auflagen oder Bedingungen werden auch bei der Fusionskontrolle
verfügt und bedürfen keines Konsenses zwischen der Wettbewerbskommission und
den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen (E. 9).

Sachverhalt

  Die Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel), die BKW FMB Energie AG, die
Centralschweizerische Kraftwerke AG, die Elektrizitäts-Gesellschaft
Laufenburg AG, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ), die Energie
Ouest Suisse (EOS) SA und die Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) sind
alle als Unternehmungen im Elektrizitätsbereich tätig. Unter anderem
betreiben sie jeweils in ihrem Gebiet das bisher lediglich tatsächlich,
nicht aber rechtlich zusammengeschlossene schweizerische Netz für die
Übertragung von Höchstspannungsstrom. Im Jahre 2004 einigten sich die sieben
Unternehmungen,

die Aktiengesellschaft Swissgrid AG zu gründen, deren Zweck der Betrieb des
schweizerischen Übertragungsnetzes und die Erbringung damit
zusammenhängender Dienstleistungen ist. Mit diesem zentralen schweizerischen
Netzbetreiber sollen das schweizerische Übertragungsnetz der Stromordnung
der Europäischen Union angepasst und die in der politischen Diskussion des
schweizerischen Gesetzgebers geplante nationale Netzgesellschaft vorgespurt
werden (vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 2004 zur
Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz, BBl 2004
S. 1611 ff.).

  Am 29. November 2004 meldeten die sieben Unternehmungen das
Zusammenschlussvorhaben bei der Wettbewerbskommission (Weko) an. Mit
Verfügung vom 7. März 2005 stellte die Wettbewerbskommission in Anwendung
von Art. 10 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere
Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) fest, dass das
Zusammenschlussvorhaben eine marktbeherrschende Stellung der Swissgrid AG
auf dem Markt für Stromübertragung in verschiedenen Gebieten der Schweiz
begründe bzw. verstärke, durch welche der wirksame Wettbewerb beseitigt
werden könne (Dispositiv-Ziff. 1). Die Wettbewerbskommission genehmigte das
Zusammenschlussvorhaben daher lediglich unter Auflagen, namentlich zur
Zugangsgewährung an Dritte, zur Erstellung von Kostenrechnungen, zur
Veröffentlichung von Netznutzungstarifen, zum Verbot der Erzeugung, des
Verkaufs von und des Handels mit Elektrizität sowie zum Betreiben oder
Halten von Stromverteilungseinrichtungen und zur Entflechtung zwischen der
Swissgrid AG und anderen Unternehmungen im Bereich der Erzeugung, des
Verkaufs und des Handels mit Strom (Dispositiv-Ziff. 2). Für
Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung wurden Sanktionen nach dem
Kartellgesetz angedroht (Dispositiv-Ziff. 3).

  Dagegen erhoben die sieben betroffenen Unternehmungen am 2. Mai 2005
Beschwerde bei der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen (Reko/Wef). Am 1.
Mai 2006 hiess die Rekurskommission die Beschwerde in der Sache im Sinne der
Erwägungen gut, hob die Ziffern 1-3 des Dispositivs der Verfügung vom 7.
März 2005 auf und liess das Zusammenschlussvorhaben Swissgrid AG zu. In der
Begründung, auf die das Dispositiv verweist, wird in Erwägung 5.5
klargestellt, dass die fusionswilligen Unternehmen zwischenzeitlich
verschiedene Massnahmen getroffen hätten, die nunmehr integrierenden
Bestandteil des Zusammenschlussvorhabens bilden würden;

genannt werden insbesondere die Entflechtung der Tätigkeiten der Swissgrid
AG und der beteiligten Unternehmen, die personelle Entflechtung auf Stufe
Geschäftsleitung der Swissgrid AG sowie die Unzulässigkeit der Einflussnahme
von Verwaltungsratsmitgliedern der Swissgrid AG auf das operative Geschäft.

  Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 31. Mai 2006 an das Bundesgericht
beantragt die Wettbewerbskommission hauptsächlich, der Beschwerdeentscheid
vom 1. Mai 2006 sei aufzuheben und es sei ihre Verfügung vom 7. März 2005 zu
bestätigen; in verschiedenen Eventualbegehren stellt die
Wettbewerbskommission den Antrag, ihre Verfügung sei mit mehreren
(unterschiedlichen) Änderungen, die sich an den Beschwerdeanträgen der
sieben beteiligten Unternehmungen in deren Beschwerde vom 2. Mai 2005
ausrichten, zu bestätigen.

  Die sieben betroffenen Unternehmungen schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Die Rekurskommission hat sich zur Sache vernehmen lassen, ohne
einen ausdrücklichen Antrag zu stellen; aus ihren Bemerkungen geht jedoch
hervor, dass sie an ihrem Entscheid festhält.

  Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

  6.

  6.1  Gemäss Art. 10 Abs. 2 KG kann die Wettbewerbskommission einen
meldepflichtigen Zusammenschluss untersagen oder ihn lediglich mit
Bedingungen und Auflagen zulassen, wenn die Prüfung ergibt, dass der
Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt,
durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann (lit. a), und dass der
Zusammenschluss keine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse in einem
anderen Markt bewirkt, welche die Nachteile der marktbeherrschenden Stellung
überwiegt (lit. b).

  6.2  Strittig ist im vorliegenden Fall zunächst die Tragweite von Art. 10
Abs. 2 lit. a KG, namentlich des darin enthaltenen Nebensatzes "durch die
wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann". Die Wettbewerbskommission ist
im Wesentlichen der Auffassung, diesem Einschub komme keine entscheidende
selbständige Bedeutung zu; es genüge, wenn ein Zusammenschlussvorhaben zu
einer beherrschenden Stellung in einem spezifischen Markt führe oder eine

solche ausbaue; ob bereits vorher kein wirksamer Wettbewerb bestanden habe,
sei unerheblich. Die Rekurskommission geht demgegenüber davon aus, ein
Zusammenschluss dürfe nicht verboten oder lediglich mit Auflagen oder
Bedingungen genehmigt werden, wenn es bereits vorher keinen wirksamen
Wettbewerb auf dem fraglichen Markt gegeben habe und sich insoweit durch das
Fusionsprojekt nichts ändere.

  6.3  Ein Unternehmenszusammenschluss muss sich auf die Wettbewerbslage
auswirken, damit die Wettbewerbsbehörde ihn untersagen oder lediglich unter
Auflagen oder Bedingungen zulassen kann. Marktbeherrschung gemäss Art. 10
Abs. 2 lit. a KG liegt in diesem Sinne nur dann vor, wenn ein Unternehmen
auf dem fraglichen Markt wirksamen Wettbewerb beseitigen kann. Es muss
demnach über die Möglichkeit verfügen, bereits vorhandene Konkurrenten aus
dem Wettbewerb zu drängen oder zu verhindern, dass sich solche ihm gegenüber
weiterhin als Konkurrenten verhalten oder dass neue Wettbewerber auftreten
(ROGER ZÄCH, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl., Bern 2005, Rz. 783).
Die entstandene oder verstärkte marktbeherrschende Stellung muss somit die
Gefahr der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs mit sich bringen. Ein
wettbewerbsrechtliches Eingreifen bei der Zusammenschlusskontrolle setzt in
diesem Sinne eine mögliche Wettbewerbsbeseitigung durch das Fusionsprojekt
voraus (vgl. JÜRG BORER, Kartellgesetz, Zürich 2005, Rz. 17 ff. zu Art. 10
KG; ders., Unternehmenszusammenschlüsse, in: Roger Zäch [Hrsg.], Das neue
schweizerische Kartellgesetz, Zürich 1996, S. 83; DUCREY/DROLSHAMMER, in:
Homburger/Schmidhauser/Hoffet/Ducrey [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Kartellgesetz, Zürich 1997, Rz. 26 ff. zu Art. 10 KG; Franz Hoffet,
Unternehmenskonzentration, in: Geiser/Krauskopf/Münch [Hrsg.],
Schweizerisches und europäisches Wettbewerbsrecht, Basel/Genf/München 2005,
Rz. 10.39 ff.; SILVIO VENTURI, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la
concurrence, Genf/Basel/München 2002, N. 17 ff. zu Art. 10 KG). Gerade auf
dieses Kriterium legte der Gesetzgeber grosses Gewicht (vgl. BBl 1995 I 583
f.). Art. 10 Abs. 2 lit. a KG verwendet mithin bei der Fusionskontrolle im
Vergleich mit Art. 7 Abs. 1 KG, wo es um die Verhaltenskontrolle
marktbeherrschender Unternehmen durch die Wettbewerbskommission geht, einen
strengeren Begriff der Marktbeherrschung, der höhere Hürden für ein
behördliches Eingreifen stellt (BBl 1995 I 584; ZÄCH, a.a.O., Rz. 784).

  6.4  Besteht auf dem fraglichen Markt weder vor noch nach dem
Zusammenschluss Wettbewerb und wäre vermehrter Wettbewerb auch nicht zu
erwarten, fehlt es an der erforderlichen Wettbewerbswirkung des
Fusionsvorhabens. Eine Verweigerung des Zusammenschlusses oder die Anordnung
von Nebenbestimmungen sind diesfalls unzulässig. Entscheidend ist demnach,
ob im massgebenden sachlichen und gegebenenfalls räumlichen Markt aktueller
oder doch - aus einer dynamischen Sichtweise - wenigstens potentieller
Wettbewerb besteht.

  6.5  Nach Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (VKU; SR 251.4) umfasst der
sachliche Markt alle Waren oder Leistungen, die von der Marktgegenseite
hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks
als substituierbar angesehen werden. Der räumliche Markt umfasst das Gebiet,
in dem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder
Leistungen nachfragt oder anbietet (Art. 11 Abs. 3 lit. b VKU).

Erwägung 7

  7.

  7.1  Die Vorinstanz hat die tatsächlichen Verhältnisse betreffend die
Nutzung des schweizerischen Übertragungsnetzes vertieft abgeklärt. Die
entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Entscheid beruhen auf diesen
Abklärungen. Da keine qualifizierten Mängel bei der Erhebung des
Sachverhaltes im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG vorliegen, ist das
Bundesgericht daran gebunden.

  7.2  Die Feststellungen der Rekurskommission lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
  7.2.1  Alle Höchstspannungsanlagen der gleichen Spannungsebene in der
Schweiz sind direkt miteinander und mit entsprechenden ausländischen
Höchstspannungsanlagen verbunden. Das hier fragliche Übertragungsnetz der
Schweiz entspricht diesem Höchstspannungsnetz. Es bildet ein einheitliches
integrales Netz ohne isolierte Bereiche und wird von den sieben
Beschwerdegegnerinnen (und einzig von diesen) gemeinsam genutzt und
betrieben. Der elektrische Strom fliesst frei über dieses Netz; es lässt
sich nicht feststellen, über wessen Leitungen Strom fliesst, der an einem
bestimmten Punkt ins Netz eingespiesen oder vom Netz bezogen wird.

  7.2.2  Ins Höchstspannungsnetz eingespiesen wird der Strom aus den
ausländischen Übertragungsnetzen und aus den grössten schweizerischen
Kraftwerken. Als Strombezüger direkt am Übertragungsnetz

angeschlossen sind die überregionalen (teils auch regionalen) Verteilnetze
(Hochspannungsnetze), die untereinander nur indirekt über das
Übertragungsnetz verbunden sind, sowie einzelne sehr grosse Endverbraucher
wie das CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire) in Genf. Auf
unterer Stufe sind an die Hochspannungsnetze Mittelspannungsnetze als
regionale Verteilnetze und wiederum daran Niederspannungsnetze als lokale
Verteilnetze angeschlossen. Während die Verteilnetze der überregionalen,
regionalen und lokalen Grob- und Feinverteilung des Stroms dienen, bezweckt
das Übertragungsnetz somit die Stromübertragung über grosse Distanzen.

  7.2.3  Einzig die Betreiber des Übertragungsnetzes bieten auch
Stromübertragungsleistungen auf dem Höchstspannungsnetz an. Die
entsprechenden Dienstleistungen werden einerseits zu einem grossen Teil von
den Eigentümern des Übertragungsnetzes selbst in Anspruch genommen, soweit
diese als integrierte Unternehmen auch Strom produzieren oder damit handeln.
Andererseits beziehen auch andere Unternehmen, die direkt am
Übertragungsnetz angeschlossen sind, Dienstleistungen, insbesondere die
Betreiber der nachgeschalteten Hochspannungsnetze (überregionale und
regionale Verteilnetze). Nicht Nachfrager nach Stromübertragungsleistungen
sind hingegen Unternehmen auf tieferer Netzebene, insbesondere solche, die
an einem Verteilnetz angeschlossen sind.

  7.2.4  Zwischen den Betreibern des Übertragungsnetzes und den
Elektrizitäts- und Industriewerken bestehen in der Regel keine direkten
Marktbeziehungen, da die Letzteren die Stromversorgung und
Verteilungsdienstleistungen auf tieferer Netzebene nachfragen. Sie beziehen
den Strom somit nicht vom Übertragungs-, sondern vom Verteilnetz.

  Unternehmen, die direkt Strom aus dem Übertragungsnetz beziehen, haben
aufgrund der Netztopographie und des Umstands, dass sie in aller Regel nur
an der Übertragungsleitung eines einzelnen Übertragungsnetzbetreibers
angeschlossen sind, keine Möglichkeit, ohne den Bau zusätzlicher
Leitungsanlagen auf einen anderen Übertragungsdienstleister auszuweichen.
Der Bau eigener Anlagen für den Direktanschluss an das Übertragungsnetz
erfordert hohe Investitionen und bedarf einer Umsetzungsdauer von mindestens
etwa fünf Jahren. Überdies ist fraglich, wieweit die Netzbetreiber rechtlich
verpflichtet sind, solche Direktanschlüsse zuzulassen.

  Zurzeit hat, soweit bekannt, nur ein Elektrizitätswerk, die Elektra
Birseck, die Möglichkeit, Strom von mehr als einem Lieferanten aus dem
Übertragungsnetz zu beziehen; nur in diesem Sonderfall besteht mithin die
faktische Möglichkeit, das Übertragungsnetz über mehr als eines der am
vorliegenden Zusammenschlussprojekt Swissgrid AG beteiligten Unternehmen zu
nutzen. Kein anderes Elektrizitätswerk hat diese Möglichkeit, und keines
kann verschiedene Übertragungsstrecken direkt oder indirekt in Anspruch
nehmen.

Erwägung 8

  8.

  8.1  Im vorliegenden Fall handelt es sich beim massgeblichen sachlichen
Markt um denjenigen für Stromübertragung über das Höchstspannungsnetz
(Übertragungsnetz). Es geht um die Stromübertragung als Dienstleistung.
Geografisch deckt das Übertragungsnetz die ganze Schweiz ab. Nachfrager der
Übertragungsleistungen sind die Netzeigentümer selbst sowie diejenigen
Marktteilnehmer, die direkt am Übertragungsnetz angeschlossen sind. Dazu
gehören Produzenten, Verteilnetzbetreiber und einige wenige sehr grosse
Endverbraucher. Als Marktgegenseite scheiden hingegen, wie dargelegt, die
Elektrizitäts- und Industriewerke aus, da sie den Strom von einem
Lieferanten vom nachgelagerten Verteilnetz und nicht von den Betreibern des
Übertragungsnetzes beziehen.

  8.2  Für die Prüfung, ob aktueller oder potentieller Wettbewerb besteht,
ist entscheidend, ob ein Unternehmen, das Strom von einer
Übertragungsleitung bezieht oder allenfalls darin einspeist und damit direkt
die Netznutzungsleistung im Übertragungsnetz beansprucht, auf einen anderen
Übertragungsdienstleistungsanbieter ausweichen kann. Das ist unter den
aktuellen Umständen - mit der einzigen Ausnahme der Elektra Birseck - nicht
der Fall. Das Netz als natürliches Monopol unterliegt in diesem Sinne keinem
direkten Wettbewerb (vgl. BBl 2004 S. 1619). Die Möglichkeit des
Direktanschlusses eines Unternehmens der Marktgegenseite (Produzenten,
Verteilnetzbetreiber, Grösstkunden) besteht lediglich an jeweils einer
spezifischen Stelle des Übertragungsnetzes. Es gibt in der Schweiz nur ein
einziges integrales Übertragungsnetz, dessen Leitungen freilich im Eigentum
verschiedener Unternehmen stehen. Ein an einem bestimmten Punkt
angeschlossener Nachfrager, der das Übertragungsnetz nutzen will, hat keine
Ausweichmöglichkeit. Eine Konkurrenz unter den Betreibern des
Übertragungsnetzes würde die Existenz von verschiedenen
Übertragungsleitungen von und zu denselben Standorten und damit eine
Duplizierung der Netzinfrastruktur

bedingen. Aber selbst dort, wo verschiedene Übertragungsleitungen in
geografischer Nähe vorhanden sind, wären alternative Anschlussleitungen nur
mit hohen Investitionen und in einem aufwendigen Verfahren realisierbar.

  8.3  Demnach besteht zwischen den am Zusammenschluss beteiligten sieben
Unternehmen hinsichtlich der Stromübertragung über das Höchstspannungsnetz
weder aktuell noch in einem absehbaren und damit vernünftigen Zeitraum
potentiell Wettbewerb. Die einzige Ausnahme der Elektra Birseck vermag diese
Ausgangslage nicht wesentlich zu verändern. Die Zusammenführung des
Übertragungsnetzes in einer gemeinsamen Gesellschaft bzw. der einheitliche
Netzbetrieb beseitigt mithin Wettbewerb bereits deshalb nicht, weil ein
solcher gar nicht existiert und nicht innert vernünftiger Frist realisiert
werden kann. Der Zusammenschluss verdrängt keine Konkurrenten vom Markt und
hält auch keine davon fern. Damit liegen die Voraussetzungen nach Art. 10
Abs. 2 lit. a KG für einen Eingriff der Wettbewerbsbehörden im Rahmen der
Zusammenschlusskontrolle schon aus diesem Grunde nicht vor.

Erwägung 9

  9.

  9.1  Erweisen sich behördliche Massnahmen somit bereits gemäss Art. 10
Abs. 2 lit. a KG als ausgeschlossen, verletzt der angefochtene Entscheid
Bundesrecht nicht und braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die übrigen
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und ob gegebenenfalls die von der
Wettbewerbskommission verfügten Auflagen inhaltlich mit dem Bundesrecht
vereinbar wären.

  9.2  Immerhin rechtfertigt sich im Hinblick auf künftige Verfahren ein
ergänzender Hinweis: Der angefochtene Entscheid, der insofern allerdings
nicht mehr vollständig überprüft zu werden braucht, erscheint insoweit
missverständlich, als die Rekurskommission der Wettbewerbskommission unter
Hinweis auf vereinzelte Literaturmeinungen (vgl. etwa DUCREY/DROLSHAMMER,
a.a.O., Rz. 49 und 51 zu Art. 10 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 835 f.) bei der
Festsetzung von Auflagen und Bedingungen ein so genannt "dialogisches
Verfahren" vorschreibt.

  9.2.1  Art. 10 Abs. 2 KG sieht die Möglichkeit vor, eine Fusion lediglich
unter Auflagen oder Bedingungen zu genehmigen. Im Vergleich zu einem Verbot
des Zusammenschlusses handelt es sich bei einer Erlaubnis unter Auflagen
oder Bedingungen um den milderen staatlichen Eingriff. Auflagen oder
Bedingungen zählen zu den Nebenbestimmungen

von Verfügungen. Sie sind Modalitäten einer Verfügung und bilden Bestandteil
derselben (PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht,
2. Aufl., Bern 2005, S. 232 f., Rz. 89). Genauso wie die Hauptbestimmungen
werden sie verfügt, d.h. hoheitlich angeordnet. Das gilt auch für Auflagen
und Bedingungen nach Art. 10 Abs. 2 KG. Sie sind nicht das Ergebnis eines
Verhandlungsprozesses, bilden nicht Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen
Vertrages und bedürfen keines Konsenses zwischen der Wettbewerbskommission
und den am Fusionsvorhaben beteiligten Unternehmen. Ein kooperatives
Verwaltungshandeln liegt nur insoweit vor, als die sich
zusammenschliessenden Unternehmen zur Meldung ihres Vorhabens und zur
Mitwirkung am Prüfungsprozess verpflichtet sind.

  9.2.2  Wieweit die beteiligten Unternehmen die Gelegenheit erhalten
müssen, sich zu den in Aussicht genommenen Nebenbestimmungen zu äussern, ist
eine Frage der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Es mag zudem nützlich sein,
dass die Wettbewerbsbehörde in Erfahrung zu bringen versucht, mit welchen
Auflagen sich die Unternehmen gegebenenfalls abzufinden vermögen. Ein
solches Vorgehen kann sich etwa aus prozessualen Gründen (zwecks rascherer
Prozesserledigung) rechtfertigen. Die Wettbewerbskommission braucht die
Einwilligung der beteiligten Unternehmen zu den vorgesehenen
Nebenbestimmungen jedoch nicht, sondern hat diese nach den im Spiel
stehenden öffentlichen Interessen und unter Wahrung des
Verhältnismässigkeitsgrundsatzes festzulegen. Wollen oder können sich die
Unternehmen nicht an (zulässige) Auflagen und Bedingungen halten, haben sie,
genau gleich wie wenn der Zusammenschluss verboten wird, vom Fusionsprojekt
abzusehen.