Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 97



Urteilskopf

133 III 97

  10. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Y. AG (Berufung)
  4C.270/2006 vom 4. Januar 2007

Regeste

  Börsengesetzliche Informationspflicht des Effektenhändlers;
Konto-/Depot-Beziehung mit einer Bank (Art. 11 BEHG).
  Art. 11 BEHG als Doppelnorm: Auswirkungen auf das privatrechtliche
Verhältnis zwischen dem Effektenhändler oder der Effektenhändlerin und den
Kunden (E. 5 und 6).

  Umstände, bei deren Vorliegen die Bank über die Konto-/Depot-Beziehung
hinaus Verpflichtungen als Anlageberaterin eingeht (E. 7).

Sachverhalt

  A.- Der in Deutschland ansässige X. besass gemäss Vermögensausweis vom 12.
Januar 1999 ein Wertschriftenportefeuille von DM 797'201.11 bei der Bank Z.,
das im Umfang von DM 280'300.- über einen Lombardkredit finanziert war.
Nachdem er am 4. Dezember 1998 eine Depot-/Kontobeziehung mit der Y. AG
eingegangen war, wurde das Portefeuille einschliesslich des Lombardkredites
im Februar 1999 unter Ablösung der Bank Z. auf die Y. AG übertragen. Mit
Schreiben vom 5. Februar 1999 bestätigte ihm diese eine Kreditlinie von Fr.
350'000.-, die später durch einen Lombardkredit-Vertrag ersetzt wurde.
Gemäss dem ersten von der Y. AG ausgestellten Vermögensausweis vom 3. März
1999 betrug das Bruttovermögen von X. DM 1'081'295.-, das Nettovermögen nach
Abzug des Lombardkredites DM 730'021.-.

  Nachdem sich das an der Börse in Aktien angelegte Vermögen zunächst
vermehrt hatte, kam es im Herbst 2001 zu massiven Verlusten, die dazu
führten, dass die Bank am 21. September 2001 nach erfolgter Kontaktnahme mit
dem Kunden die im Depot befindlichen Aktien zur Deckung des sich noch auf
Fr. 54'504.95 belaufenden Lombardkredites veräusserte, woraus sich ein Saldo
zu Gunsten des Kunden von USD 40'389.97 ergab.

  B.- X. betrachtete die Bank als haftbar für die Verluste. Er klagte am 2.
Dezember 2003 beim Kreisgericht St. Gallen auf Zahlung von Fr. 600'000.-.
Die Beklagte widersetzte sich der Klage. In der Replik reduzierte der Kläger
die eingeklagte Forderung auf Fr. 544'300.-. Mit Urteil vom 9. Dezember 2004
wies das Kreisgericht die Klage ab. Es kam zum Ergebnis, dass zwischen den
Parteien nicht bloss eine Konto-/Depotbeziehung bestanden habe, sondern die
Bank auch als Anlageberaterin gehandelt habe. Es verneinte jedoch die
Verletzung einer sich daraus ergebenden Sorgfaltspflicht der Beklagten, weil
sie den - nicht offensichtlich unerfahrenen - Kläger auf die Risiken seiner
hoch spekulativen Aktien-Anlagen hingewiesen habe und dieser sich nicht
davon habe abhalten lassen.

  C.- Der Kläger erhob Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen. Er
verminderte im Laufe des Verfahrens die eingeklagte Forderung auf Fr.
532'300.- nebst 5 % Zins seit 1. Oktober 2001. Die Beklagte beantragte die
Abweisung der Berufung und erhob Anschlussberufung, mit der sie den
erstinstanzlichen Kostenspruch in Bezug

auf die Parteientschädigung anfocht. Mit Entscheid vom 25. April 2006 wies
das Kantonsgericht die Berufung ab und hiess die Anschlussberufung teilweise
gut. Das Kantonsgericht nahm ebenfalls an, dass die Beklagte als
Anlageberaterin tätig gewesen sei, verneinte jedoch in Übereinstimmung mit
der ersten Instanz eine Verletzung der sich sowohl aus der vertraglichen
Bindung wie dem Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den
Effektenhandel (BEHG; SR 954.1) ergebenden Informations- und
Sorgfaltspflicht der Bank.

  D.- Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil des
Kantonsgerichts St. Gallen vom 25. April 2006 aufzuheben und die Beklagte
zur Zahlung von Fr. 380'000.- nebst 5 % Zins seit 1. Oktober 2001 zu
verpflichten, eventuell die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

  In ihrer Berufungsantwort stellt die Beklagte den Antrag, die Berufung
abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei.

  Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

  5.

  5.1  Nach Art. 11 BEHG (Marginale: Verhaltensregeln) hat der
Effektenhändler gegenüber seinen Kunden eine Informationspflicht; er weist
sie insbesondere auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen
Risiken hin (Abs. 1 lit. a). Bei der Erfüllung dieser Pflicht sind die
Geschäftserfahrenheit und die fachlichen Kenntnisse der Kunden zu
berücksichtigen (Abs. 2).

  5.2  Nach herrschender Lehrmeinung kommt der öffentlichrechtlichen
Vorschrift von Art. 11 BEHG insoweit die Funktion einer Doppelnorm zu, als
die damit statuierten Verhaltensregeln auch einen privatrechtlichen Zweck
erfüllen. Die Funktion als Doppelnorm bedeutet, dass Art. 11 BEHG sowohl von
den Vertragsparteien angerufen als auch von den Behörden von Amtes wegen
angewendet werden kann. Privatrechtliche Vereinbarungen sind zulässig,
soweit sie den Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG nicht widersprechen.
Andererseits sind diese Regeln im Bereich des Vertragsrechts auch dann zu
berücksichtigen, wenn der konkrete Vertrag keine entsprechende Vereinbarung
oder Bezugnahme enthält (HERTIG/SCHUPPISSER, in: Vogt/Watter [Hrsg.],
Kommentar zum Schweizerischen Kapitalmarktrecht, Basel 1999, N. 8 ff. zu
Art. 11 BEHG; KÜNG/HUBER/

KUSTER, Kommentar zum Börsengesetz, Bd. II, Zürich 1998, N. 7 zu Art. 11
BEHG; ROLF H. WEBER, Kommentar Börsenrecht, Zürich 2001, N. 3 zu Art. 11
BEHG; URS P. ROTH, in: Hertig/Meier-Schatz [Hrsg.], Kommentar zum
Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel, Zürich 2000, N. 29 zu
Art. 11 BEHG; NOBEL, Schweizerisches Finanzmarktrecht: Einführung und
Überblick, 2. Aufl., Bern 2004, § 10 Rz. 73; ZOBL/KRAMER, Schweizerisches
Kapitalmarktrecht, Zürich 2004, Rz. 796 und 1239 ff.; CHAPPUIS/WERRO, Le
devoir d'information de l'article 11 LBVM et son rôle en droit civil à la
lumière des Règles de conduite de l'ASB, in: AJP 2005 S. 560 ff., 564 ff.;
DE BEER, Die Verantwortlichkeit der Bank gegenüber einem Kunden für
Handlungen eines von diesem eingesetzten Vermögensverwalters - eine Replik,
in: SZW 1998 S. 125 ff., 129 f.; ALEXANDER WYSS, Verhaltensregeln für
Effektenhändler, Diss. Zürich 1999, S. 49 ff.; WIEGAND/WICHTERMANN, Der
Einfluss des Privatrechts auf das öffentliche Bankrecht, in: Die Banken im
Spannungsfeld zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, Berner
Bankrechtstag 1999, S. 119 ff., 146 ff.; CHRISTIAN THALMANN, Von der
vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Bank zur börsengesetzlichen
Informationspflicht des Effektenhändlers, in: Festschrift für Jean Nicolas
Druey, S. 971 ff., 982 f.; DIETZI/LATOUR, Schweizerisches Börsenrecht, Basel
2002, S. 63; abweichend WIEGAND/BERGER, Zur rechtssystematischen Einordnung
von Art. 11 BEHG, in: ZBJV 135/1999 S. 713 ff., 730 ff.).

  5.3  Gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG hat der Effektenhändler den Kunden
auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hinzuweisen.
Das bedeutet nach in der Literatur mehrheitlich vertretener und zutreffender
Auslegung, die sich auf den Willen des Gesetzgebers stützt, dass der
Effektenhändler über die Risiken einer Geschäftsart an sich, dagegen nicht
über die Risiken einer konkreten Effektenhandelstransaktion informieren muss
(WYSS, a.a.O., S. 157 ff.; URS P. ROTH, a.a.O., N. 58 ff. zu Art. 11 BEHG;
ROLF H. WEBER, a.a.O., N. 8 zu Art. 11 BEHG; KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., N.
19 zu Art. 11 BEHG; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 802; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S.
65 f.; abweichend HERTIG/SCHUPPISSER, a.a.O., N. 58 ff. zu Art. 11 BEHG).

  Die Information kann in standardisierter Form erfolgen. In diesem Fall ist
von einem unerfahrenen Kunden auszugehen. Umfang und Inhalt der Information
haben sich nach Kunden mit einem objektiv tiefen Erfahrungs- und
Kenntnisgrad zu richten. Eine Standardisierung

setzt zudem voraus, dass die Information in allgemein verständlicher Form
und für alle Kunden gleich erfolgt. In der Praxis werden standardisierte
Informationen regelmässig mittels Risiko-Informationsschriften (sog. Risk
Disclosure Statements) erteilt, wie das denn auch im vorliegenden Fall
geschehen ist (HERTIG/SCHUPPISSER, a.a.O., N. 64 ff. zu Art. 11 BEHG; URS P.
ROTH, a.a.O., N. 37, 61 und 80 ff. zu Art. 11 BEHG; KÜNG/HUBER/KUSTER,
a.a.O., N. 22 zu Art. 11 BEHG; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 804; WYSS, a.a.O.,
S. 179 f.; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S. 66 f.).

  5.4  Nicht unter die börsengesetzliche Informationspflicht fallen
grundsätzlich die Erforschung der finanziellen Verhältnisse des Kunden sowie
die Beurteilung, ob eine Transaktion für einen bestimmten Kunden geeignet
ist (Suitability-Prüfung). Aus Art. 11 BEHG kann keine entsprechende
Erkundigungs- und Beratungspflicht des Effektenhändlers abgeleitet werden
(ROLF H. WEBER, a.a.O., N. 9 zu Art. 11 BEHG; HERTIG/SCHUPPISSER, a.a.O., N.
67 ff. zu Art. 11 BEHG; CLAUDE BRETTON-CHEVALLIER, Haftung der Bank
gegenüber ihrem Kunden und externe Vermögensverwaltung, in: SZW 2003 S. 254
ff., 261; URS P. ROTH, a.a.O., N. 64 zu Art. 11 BEHG; KÜNG/HUBER/KUSTER, N.
19 zu Art. 11 BEHG; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 802; NOBEL, a.a.O., § 10 Rz.
72; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S. 66). Die anglo-amerikanische
Suitability-Doktrin, die in die Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft
Eingang gefunden hat, ist nach zutreffender Lehrmeinung vom schweizerischen
Gesetzgeber nicht in das BEHG übernommen worden (KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O.,
N. 19 zu Art. 11 BEHG; MAURENBRECHER, Von der Investment Services Directive
zur Markets in Financial Instruments Directive - ein Überblick aus Schweizer
Sicht, in: AJP 2005 S. 19 ff., 29 f. Fn. 109; THALMANN, a.a.O., S. 980 f.;
URS P. ROTH, a.a.O., N. 64 zu Art. 11 BEHG). Zum Teil wird allerdings in der
Lehre die Meinung vertreten, dass der Effektenhändler beim aktiven Vertrieb
von Effekten eine Suitability-Abklärung und -Beratung vornehmen muss, wobei
sich diese Verpflichtung jedoch nicht direkt aus Art. 11 BEHG, wohl aber aus
einem allenfalls konkludent geschlossenen Beratungsvertrag bzw. aufgrund
einer nachträglichen Anpassung des BEHG an das Recht der Europäischen
Gemeinschaft ergeben soll (WYSS, a.a.O., S. 155; CHAPPUIS/WERRO, a.a.O., S.
571; MONIKA ROTH, Die Spielregeln des Private Banking in der Schweiz, 2.
Aufl., Zürich 2003, S. 20; ROLF H. WEBER, a.a.O., N. 9 zu Art. 11 BEHG; vgl.
auch HERTIG/SCHUPPISSER, N. 79 ff. zu Art. 11 BEHG).

Erwägung 6

  6.  Im vorliegenden Fall ist die Beklagte ihrer börsengesetzlichen
Informationspflicht als Effektenhändlerin ausreichend nachgekommen. Sie hat
den Kläger in standardisierter Form - mittels der Broschüre "Besondere
Risiken im Effektenhandel" - betreffend die Risiken informiert, die mit
einer bestimmten Geschäftsart verbunden sind. Der Kläger hat den Erhalt
dieser Broschüre unterschriftlich bestätigt. Nach den Feststellungen der
Vorinstanz hat die Beklagte dagegen die Lebens- und Vermögensverhältnisse
des Klägers nicht abgeklärt, weshalb sie unter diesen Aspekten auch keine
Suitability-Prüfung vornehmen konnte. Nach Art. 11 BEHG war sie dazu wie
festgehalten nicht verpflichtet. Damit bleibt zu erörtern, ob der Beklagten
nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts zum Verhältnis zwischen der
Bank und dem Kunden eine Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen ist.

Erwägung 7

  7.

  7.1  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, auf die sich die
Vorinstanz abstützt, wird hinsichtlich der vertragsrechtlichen Sorgfalts-
und Treuepflicht der Bank bei der Abwicklung von Börsengeschäften für die
Kundschaft zwischen drei verschiedenen Vertragsbeziehungen differenziert:
die Vermögensverwaltung, die Anlageberatung und die blosse
Konto-/Depot-Beziehung (vgl. dazu THALMANN, a.a.O., S. 974 ff.). Die
Vermögensverwaltung fällt im vorliegenden Fall unstreitig ausser Betracht.
BGE 101 II 121, auf welchen der Kläger in der Berufungsschrift Bezug nimmt,
hat die Vermögensverwaltung zum Gegenstand. Dieses Urteil ist für den
vorliegenden Fall nicht einschlägig, weshalb sich eine weitere
Auseinandersetzung damit erübrigt.

  7.1.1  Führt die Bank nur punktuell Börsengeschäfte für den Kunden aus,
ist sie nach der Praxis des Bundesgerichts nicht zu einer generellen
Interessenwahrung verpflichtet und muss diesen deshalb in der Regel nur auf
Verlangen aufklären. Das Ausmass der Aufklärungspflicht richtet sich nach
den Kenntnissen und dem Stand der Erfahrung des Auftraggebers. Kennt dieser
die Risiken der Spekulationstätigkeit, braucht er keine Aufklärung. Ist ohne
weiteres ersichtlich, dass der Kunde von den Risiken keine Ahnung hat, muss
ihn die Bank darauf hinweisen. Die Anforderungen an ihre Aufklärungspflicht
sind jedoch höher, wenn der Auftraggeber nicht nur mit seinem Vermögen,
sondern auch mit von der Bank gewährten Krediten spekuliert (BGE 119 II 333
E. 5a S. 335; Urteil 4C.265/2001 vom

15. Januar 2002, E. 2a; Urteil 4C.108/2002 vom 23. Juli 2002, E. 2b, publ.
in: Pra 92/2003 Nr. 51 S. 244).

  7.1.2  Gemäss der Praxis des Bundesgerichts besteht grundsätzlich keine
Beratungspflicht der Bank im Rahmen gezielter Weisungen des Kunden zu
kontorelevanten Verfügungen, wenn der Kunde durch die unbedingte Erteilung
entsprechender Aufträge oder Weisungen zu erkennen gibt, dass er Aufklärung
und Beratung seitens der Bank weder benötigt noch wünscht. Eine Warnpflicht
besteht hier nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Bank bei pflichtgemässer
Aufmerksamkeit erkennen muss, dass der Kunde eine bestimmte, mit der Anlage
verbundene Gefahr nicht erkannt hat, oder wenn sich in der andauernden
Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden ein besonderes
Vertrauensverhältnis entwickelt hat, aus welchem der Kunde nach Treu und
Glauben auch unaufgefordert Beratung und Abmahnung erwarten darf (Urteil
4C.410/1997 vom 23. Juni 1998, E. 3b, publ. in: Pra 87/1998 Nr. 155 S. 827
und SJ 1999 S. 205; Urteil 4C.45/2001 vom 31. August 2001, E. 4a, publ. in:
SJ 2002 I S. 274; Urteil 4C.166/2000 vom 8. Dezember 2000, E. 5b/dd).

  7.2  Die Vorinstanz ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass im
vorliegenden Fall keine blosse Konto-/Depot-Beziehung bestand, sondern die
Beklagte auch als Anlageberaterin zu betrachten ist, obschon dafür keine
Grundlage in Form eines ausdrücklich geschlossenen Vertrages bestand. Nach
der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine solche formelle
Grundlage entbehrlich, wenn sich wegen einer andauernden Geschäftsbeziehung
zwischen der Bank und dem Kunden ein besonderes Vertrauensverhältnis
entwickelt hat, aus welchem der Kunde nach Treu und Glauben auch
unaufgefordert Beratung und Abmahnung erwarten darf.

  Im vorliegenden Fall dauerte die Vertragsbeziehung rund zweieinhalb Jahre,
wobei der Kläger gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen einen intensiven
und häufigen telefonischen Kontakt mit A. von der Beklagten unterhielt. Es
ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte den Kläger nicht nur
betreffend der mit den Aktienspekulationen verbundenen Risiken aufklären
musste, sondern darüber hinaus grundsätzlich eine Pflicht zur Abmahnung des
Klägers bestand.

  Die Beklagte ist den ihr obliegenden Pflichten indessen in ausreichendem
Masse nachgekommen. Nach dem angefochtenen Urteil kann als erwiesen gelten,
dass A. den Kläger im März sowie im

Juni 2000 bewog, die damals erzielten Gewinne zu realisieren und
abzusichern, was dieser in der Folge auch getan habe. Insofern kann gemäss
dem Kantonsgericht auch davon ausgegangen werden, dass A. den Kläger
mehrfach zur Vorsicht gemahnt hat. Dass der Kläger kurz danach seine Mittel
wieder neu angelegt habe - wiederum vorwiegend in Aktien der IT-Branche -,
worauf er erhebliche Verluste erlitten habe, führe er selbst nicht auf
Empfehlungen der Beklagten zurück. Aus diesen Feststellungen der Vorinstanz
ergibt sich, dass der Kläger von der Beklagten im Sinne einer Abmahnung auf
die Risiken der von ihm gewählten Anlage des Geldes in Aktien von
Unternehmen der Informations-Technologie aufmerksam gemacht worden ist, sich
aber nicht hat davon abhalten lassen, die gleiche spekulative
Anlagestrategie weiter zu verfolgen. Unter diesen Umständen war die
Beklagte, auch soweit sie als Anlageberaterin zu betrachten ist, nicht
verpflichtet, den Kläger erneut auf die Risiken seiner Anlagestrategie
aufmerksam zu machen oder gar die Vertragsbeziehung zu ihm abzubrechen (so
auch MONIKA ROTH, a.a.O., S. 20). Durch sein Verhalten hat der Kläger sodann
gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass er an seinen
Aktien-Spekulationen trotz allenfalls ungünstiger Lebens- und
Vermögensverhältnisse festhalten wollte, weshalb er unter diesem Aspekt der
Beklagten gegenüber nichts aus der unterlassenen Suitability-Prüfung
herleiten kann. Die Vorinstanz hat somit zu Recht eine Haftung der Beklagten
auch insoweit verneint, als diese als Anlageberaterin tätig geworden ist.