Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 634



Urteilskopf

133 III 634

  85. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG
gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
  4A_232/2007 vom 2. Oktober 2007

Regeste

  Voraussetzungen, unter denen die Beschwerde in Zivilsachen gegen
Zwischenentscheide der über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss nationalem
Schiedsverfahren urteilenden Behörde zulässig ist (Art. 36 ff. KSG; Art. 93
Abs. 1 BGG).

  Ein Zwischenentscheid, der nicht die Zuständigkeit oder ein
Ausstandsbegehren betrifft, kann nur nach Massgabe von Art. 93 Abs. 1 BGG
Gegenstand einer Beschwerde in Zivilsachen bilden. Da die
Nichtigkeitsbeschwerde in einem nationalen Schiedsverfahren kassatorischer
Natur ist, kann das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde nur einen
Endentscheid herbeiführen, wenn die für die Nichtigkeitsbeschwerde
zuständige Behörde selbst hätte entscheiden können oder das Schiedsurteil
von der Gutheissung nicht betroffen ist (E. 1.1 und 1.2).

Sachverhalt

  Am 21. Januar 2002 schloss die X. AG (Beschwerdeführerin) mit der Y. AG
(Beschwerdegegnerin) einen bis Ende 2006 gültigen Rahmenlieferungsvertrag.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dieser Vertrag sei per 31.
Dezember 2002 dahingefallen. Die Beschwerdegegnerin bestreitet dies wie auch
eine rechtswirksame Kündigung. Sie gelangte mit einer Schadenersatzklage an
das Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer, welches mit Zwischenentscheid
vom 23. Januar 2007 erkannte, der Rahmenvertrag habe nach dem 31. Dezember
2002 rechtsgültig weiterbestanden und die von der Beschwerdeführerin
ausgesprochene Kündigung sei unwirksam gewesen. Die von der
Beschwerdeführerin ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht
des Kantons Zürich am 14. Mai 2007 ab.

  Das Bundesgericht tritt auf die gegen diesen Zwischenentscheid erhobene
Beschwerde in Zivilsachen nicht ein, da es bei Gutheissung der Beschwerde
keinen Endentscheid fällen könnte und kein nicht wieder gutzumachender
Nachteil dargetan ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  (...)

  1.1  Der angefochtene Entscheid des Obergerichts behandelt den
Zwischenentscheid des Schiedsgerichts über materielle Vorfragen, nämlich
Bestand und Inhalt des abgeschlossenen Vertrages, mit deren Klärung der
Streit zwischen den Parteien nicht beendet ist. Der angefochtene Entscheid
erweist sich damit seinerseits als Zwischenentscheid (BGE 132 III 785 E. 2
S. 789 f.; Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S.
4332 f.; BERGER/KELLERHALS, Internationale und interne
Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Rz. 1755, S. 616 einschliesslich Fn.
80), der nicht die Zuständigkeit oder ein Ausstandsbegehren betrifft. Daher
ist die Beschwerde in Zivilsachen

nur zulässig, wenn der Entscheid entweder einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 17.
Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]) oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die Anwendung
der zuletzt genannten Bestimmung setzt mithin voraus, dass das
Bundesgericht, sollte es der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin folgen,
selbst einen Endentscheid fällen könnte und die Angelegenheit nicht an die
Vorinstanz oder das Schiedsgericht zurückweisen müsste (Urteil des
Bundesgerichts 4A_109/2007 vom 30. Juli 2007, E. 2.4 mit Hinweisen auf die
unter der Geltung des OG ergangene Rechtsprechung). Da es sich um ein
nationales Schiedsgericht handelt, sind zur Beantwortung dieser Frage neben
dem BGG auch die Bestimmungen über das nationale Schiedsverfahren, also des
Konkordats vom 27. März 1969 über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG; AS 1969
S. 1093) zu beachten.

  1.1.1  Ein nationales Schiedsgericht ist keine Vorinstanz des
Bundesgerichts im Sinne von Art. 75 BGG, wohl aber die gemäss Art. 3 lit. f
in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 KSG für Entscheide über
Nichtigkeitsbeschwerden zuständige Behörde (BERGER/KELLERHALS, a.a.O., Rz.
1745, S. 612; vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl
2001 S. 4311). Das Bundesgericht überprüft nur den Entscheid der
Kassationsinstanz, nicht auch den Schiedsspruch selbst (vgl.
RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl. 1993, S.
328).

  1.1.2  Die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 36 ff. KSG ist grundsätzlich
kassatorischer Natur (Art. 40 Abs. 1 KSG). Die Beschwerdeinstanz kann den
Schiedsspruch lediglich bezüglich der vom Schiedsgericht festgesetzten
Entschädigungen der Schiedsrichter reformieren, wenn sie die Entschädigung
als offensichtlich übersetzt erachtet (Art. 40 Abs. 3 KSG). Ferner kann sie
selbst die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellen (BGE 102 Ia 574
E. 4 S. 576 f.). Einen weiteren Sonderfall bildet die Rückweisung des
Entscheides zur Berichtigung oder Ergänzung des Schiedsentscheides (Art. 39
und 40 Abs. 1 KSG).

  1.1.3  Art. 107 Abs. 2 BGG erlaubt dem Bundesgericht an sich, im Rahmen
der Beschwerde in Zivilsachen in der Sache selbst zu entscheiden.

Im Lichte von Art. 40 KSG kann die Entscheidbefugnis des Bundesgerichts im
Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung des Schiedskonkordates aber nicht
weiter gehen, als diejenige der Kassationsinstanz selbst (vgl. HANS PETER
WALTER, Rechtsmittel gegen Entscheide des TAS nach dem neuen Bundesgesetz
über das Bundesgericht und dem Entwurf einer Schweizerischen
Zivilprozessordnung, in: Rigozzi/Bernasconi [Hrsg.], The Proceedings before
the Court of Arbitration for Sport, S. 155 ff., 168). Sonst käme dem
Bundesgericht als Beschwerdeinstanz eine weitere Kognition zu als dem
staatlichen kantonalen Gericht, was der Grundkonzeption des BGG widerspräche
(vgl. Art. 110 und 111 Abs. 3 BGG, die gewährleisten sollen, dass die
Vorinstanz des Bundesgerichts grundsätzlich zumindest die gleiche
Prüfungsbefugnis besitzt wie das Bundesgericht; Botschaft zur Totalrevision
der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4350; vgl. auch BERGER/KELLERHALS,
a.a.O., Rz. 1750, S. 614). Auch aus dem in Art. 99 Abs. 2 BGG enthaltenen
Verbot, neue Begehren zu stellen, ergibt sich, dass vor Bundesgericht
Begehren, über die sich keine kantonale Instanz aussprechen konnte,
unzulässig sind. Von einer Rückweisung an die Vorinstanz oder das
Schiedsgericht bei Gutheissung einer Beschwerde in Zivilsachen wegen
Verletzung des KSG (vgl. Art. 95 lit. e BGG) kann daher nur bei
Unzuständigkeit des Schiedsgerichts oder bezüglich der Entschädigung der
Schiedsrichter abgesehen werden (TAPPY, Le recours en matière civile, in:
Urs Portmann [Hrsg.], La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, S. 51 ff.,
113). Zulässig ist ein reformatorischer Entscheid mit Bezug auf den
Entscheid der Kassationsinstanz überdies, sofern dadurch materiell nicht in
den Schiedsentscheid eingegriffen wird, namentlich, wenn die
Kassationsinstanz den Schiedsentscheid zu Unrecht aufgehoben hat (TAPPY,
a.a.O., S. 113 Fn. 180).

  1.2  Das Schiedsgericht hat in seinem Zwischenentscheid eine materielle
Vorfrage entschieden. Da das Bundesgericht nach dem Gesagten bei Gutheissung
der Beschwerde materiell nicht selbst entscheiden könnte, sondern die
Angelegenheit an die Vorinstanz oder das Schiedsgericht zurückweisen müsste
(TAPPY, a.a.O., S. 113 Fn. 180), kann die Gutheissung der Beschwerde keinen
Endentscheid herbeiführen (vgl. POUDRET, Particularismes du recours en
matière d'arbitrage international, in: Urs Portmann [Hrsg.], La nouvelle loi
sur le Tribunal fédéral, S. 121 ff., 124). Eine Anfechtung des
Zwischenentscheides gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt demnach
ausser Betracht.