Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 189



Urteilskopf

133 III 189

  23. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. Ltd.
gegen Y. GmbH (Berufung)
  4C.344/2006 vom 8. Januar 2007

Regeste

  Eigenart eines Designs; durch die technische Funktion bedingte Merkmale
(Art. 2 und Art. 4 lit. c DesG).

  Eigenart eines Designs (E. 3).

  Für die Beurteilung der Eigenart ist der Gesamteindruck, den das Produkt
bei am Kauf interessierten Personen hinterlässt, massgeblich. Soweit kein
Branchenverständnis spezifischer Verkehrskreise in Frage steht, kann das
Bundesgericht die Beurteilung der Eigenart selbst vornehmen und als
Rechtsfrage überprüfen (E. 5).

  Voraussetzungen, unter denen die Merkmale eines Designs als
ausschliesslich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt
anzusehen sind (E. 6).

Sachverhalt

  Die Y. GmbH (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung
deutschen Rechts, ist Inhaberin eines unter anderem mit Wirkung für die
Schweiz bei der WIPO am 28. November 1994 hinterlegten Designs, das eine
Schmuckschatulle darstellt. Die X. Ltd. (Beklagte) ist eine Gesellschaft mit
Sitz in Hongkong. Sie zeigte an der Uhren- und Schmuckmesse "Baselworld"
Schmuckschatullen, die dem von der Klägerin hinterlegten Design glichen.

  Um dies in Zukunft zu unterbinden, reichte die Klägerin am 8. Juni 2004
beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage ein. Zudem verlangte sie Auskunft über
die Herkunft und die gewerblichen Abnehmer der Schmuckschachteln und über
den mit diesen erzielten Gewinn, dessen Herausgabe und Schadenersatz. Das
Zivilgericht hiess die Klage am 26. April 2006 im Wesentlichen gut und
verbot der Beklagten, Schmuckschatullen mit parallel gewölbtem Boden und
Deckel und kreissegmentförmigem Abstand zwischen Deckel und Schachtel sowie
einer parallel zu den Kanten verlaufenden Verzierungslinie in die Schweiz
einzuführen, in der Schweiz zu lagern, anzubieten, in Verkehr zu bringen,
durch die Schweiz durchzuführen oder aus der Schweiz auszuführen. Es
verpflichtete die Beklagte, Herkunft und Umfang der von ihr anlässlich der
"Baselworld" 2004 eingeführten und ausgestellten Schmuckschatullen bekannt
zu geben und der Klägerin Fr. 10'539.50 nebst Zins zu bezahlen.

  Gegen dieses Urteil führt die Beklagte Berufung und beantragt dem
Bundesgericht, die Klage abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur
Durchführung eines gerichtlichen Gutachtens zur Frage, ob das von der
Klägerin registrierte Design im Zeitpunkt der Registrierung eine
schutzfähige Eigenart aufgewiesen hat und zur Befragung des Geschäftsführers
der Firma A. Srl als Zeugen an das Zivilgericht zurückzuweisen.

  Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.  Zu prüfen bleibt der Einwand der Beklagten, das strittige Design weise
keine Eigenart auf.

  3.1  Ein Design weist keine Eigenart auf, wenn es sich nach dem
Gesamteindruck von Design, welches den in der Schweiz beteiligten
Verkehrskreisen bekannt sein konnte, nur in unwesentlichen Merkmalen
unterscheidet (Art. 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2001 über den
Schutz von Design [Designgesetz, DesG; SR 232.12]). Mit dieser Formulierung
lehnt sich das DesG an jene von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 98/71/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den
rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (EU-MRL) bzw. von Art. 6 Abs. 1
der EG-Verordnung Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das
Gemeinschaftsgeschmacksmuster (EU-MVO) an, die ebenfalls auf den Unterschied
im Gesamteindruck von bereits bekanntem Design abstellen, den das
hinterlegte Muster beim "informierten Benutzer" hervorruft. Nach den
insoweit unwidersprochenen und zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz
besteht die Eigenart in einer objektiven Abweichung vom Vorbekannten, ohne
dass Originalität im Sinne einer eigentlichen schöpferischen Leistung
erforderlich wäre. Auch ein banales Design kann unter dem Gesichtspunkt der
Eigenart schutzfähig sein, wenn es sich nach dem Gesamteindruck nach den
wesentlichen Elementen vom Vorbekannten unterscheidet (HEINRICH, DesG/HMA:
Kommentar, N. 2.64-2.66 zu Art. 2 DesG; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, Handkommentar
Designgesetz, N. 81 zu Art. 1 DesG).

  3.2  Nach der Botschaft vom 16. Februar 2000 (BBl 2000 S. 2739 f.) sollen
sich die Anforderungen an die Eigenart an der Rechtsprechung zur
Originalität, wie sie nach MMG (Bundesgesetz vom 30. März 1900 betreffend
die gewerblichen Muster und Modelle [BS 2 S. 873; aufgehoben durch Ziff. I
des Anhangs zum DesG, AS 2002 S. 1469]) erforderlich war, orientieren.
Danach war ein Muster oder Modell dann schutzfähig, wenn es eine gewisse
Originalität, ein Mindestmass an geistigem Aufwand aufwies (BGE 113 II 77 E.
3c S. 80; 106 II 71 E. 2a S. 73; 104 II 322 E. 3b S. 329). Die Lehre steht
dieser Auffassung kritisch gegenüber, da mit dem Designgesetz die
Anforderungen jedenfalls qualitativ geändert wurden, indem statt der
subjektiven Leistung ein objektives Anderssein verlangt wird. Die
Schutzvoraussetzung der Eigenart soll vielmehr als erweiterte, in örtlicher,
zeitlicher und persönlicher Hinsicht aufgehende Neuheitsprüfung zu verstehen
sein (HEINRICH, a.a.O., N. 2.69 zu Art. 2 DesG; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O.,
N. 29 und 94 zu Art. 2 DesG). Soweit aber die Eigenart bereits nach der
bisherigen Rechtsprechung als gegeben

erachtet wurde, wenn im Vergleich mit bereits bestehendem Design der
Gesamteindruck der Unähnlichkeit hervorgerufen wird (BGE 84 II 653 E. 2e S.
661), steht einer Übernahme der zum MMG ergangenen Rechtsprechung nichts
entgegen. Hieran schliesst das neue Recht an. Unterschiede in einer
bedeutenden Anzahl von Einzelheiten im Vergleich zum früheren Design sind
unerheblich, sofern der Gesamteindruck der Ähnlichkeit bejaht werden kann
(Botschaft, BBl 2000 S. 2740).

  3.3  Entsprechend hat das Bundesgericht für die Definition des
Schutzbereichs des Designrechts gleich wie im Anwendungsbereich des
Modellrechts (BGE 104 II 322 E. 4 S. 329 f.; Urteil des Bundesgerichtes
4C.205/1988 vom 22. November 1988, E. 3a, publ. in: SMI 1989 I S. 105 ff.,
je mit Hinweisen) den Gesamteindruck für massgebend erklärt, der namentlich
durch die wesentlichen Merkmale bestimmt wird, wie sie sich einem am Kauf
interessierten Verbraucher präsentieren (BGE 130 III 636 E. 2 S. 639; 129
III 545 E. 2 S. 548 ff. mit Hinweisen). Die Beurteilung, ob sich das Design
genügend vom Vorbekannten abhebt, hat demgemäss nicht nach der Sichtweise
einer Fachperson zu erfolgen, sondern aus der Perspektive der an einem
Erwerb interessierten Personen, welche die betreffenden Produkte ihrer
Bewertungsfähigkeit entsprechend aufmerksam begutachten (Botschaft, BBl 2000
S. 2740; ebenso schon zum MMG Urteil des Bundesgerichts 4C.110/1990 vom 15.
Oktober 1990, E. 2a/cc mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 116 II 471).

  3.4  Wenn unter der Geltung des DesG von "origineller Gestaltung" die Rede
ist (BGE 130 III 636 E. 2.1.3 S. 641), geschieht dies in Anlehnung an die
romanischen Gesetzestexte von Art. 2 Abs. 1 DesG ("Un design peut être
protégé à condition d'être nouveau et original"; "Un design può esser
protetto se è nuovo e originale") und ist als Würdigung des
Gestaltungsergebnisses zu verstehen, ohne dass das Augenmerk auf den
Kreationsakt gerichtet würde, wenngleich schwer vorstellbar ist, wie eine
neue und sich in ihrem Gesamteindruck als solche präsentierende Form
zustande kommen soll, ohne dass ihr ein Schöpfungsakt, ein Mindestmass an
geistigem Aufwand zugrunde läge. Behält man im Auge, dass das Designgesetz
den Schutzbereich erweitert hat, steht nichts entgegen, die Erfordernisse im
Lichte der unter der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu
prüfen, wie dies in der Botschaft vorgesehen ist (BBl 2000 S. 2739 f.). Dass
nach DesG nicht mehr der synoptische Vergleich, sondern der Gesamteindruck,
wie ihn der Kaufsinteressent in

kurzfristiger Erinnerung behält, massgeblich ist (BGE 129 III 545 E. 2.6 S.
553), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich beim
klägerischen Design um eine Schatulle, bestehend aus einer Box und einem
Deckel. Deckel und Boden weisen jeweils im Quer- und Längsschnitt eine
parallele sphärische Krümmung auf, so dass der Boden auf einer ebenen
Standfläche nur an den Ecken aufliegt. Die Seiten der Box stehen nicht
senkrecht zur Standfläche, sondern ungefähr rechtwinklig zur Tangente des
Bodens im Auflagepunkt. Der obere Rand der Box ist parallel zur Standfläche
ausgebildet, so dass zwischen dem gekrümmten Deckel und dem Rand der Box
eine Lücke in Form eines Kreissegments gebildet wird. Der Deckelrand ist
etwas erhaben.

  4.2  Nach Einschätzung der Vorinstanz wird das Design der Klägerin in
erster Linie durch die parallele Wölbung von Deckel und Boden und in zweiter
Linie durch die kreissegmentförmige Lücke zwischen Deckel und Box
charakterisiert, wobei die Wölbung des Bodens entgegen der Meinung der
Beklagten keineswegs nur technisch bedingt sei. Sie sei gut sichtbar und
präge den Gesamteindruck mit. Die von der Beklagten bezeichneten
vorbestandenen Vergleichsmodelle ("New York Line", "Seville", "Modern Style
1/2", "Alexandria Line") hätten zwar teils bombierte, aber nicht sphärisch
gekrümmte Deckel oder seitlich eingeprägte Kreissegmente. Sie wiesen aber
weder die parallele Wölbung von Deckel und Boden noch die
kreissegmentförmige Lücke zwischen Deckel und Boden auf.

Erwägung 5

  5.  Die Beklagte rügt in der Berufung in zweierlei Hinsicht eine
Verletzung ihres Beweisführungsanspruchs.

  5.1  Zum einen macht sie in der Berufung mit Aktenhinweis geltend, sie
habe in der Klageantwort nicht nur zur Neuheit, sondern auch zur Frage der
Eigenart des Designs das Einholen eines Gutachtens verlangt. Die Vorinstanz
habe diesem Antrag ohne jegliche Begründung nicht stattgegeben. Ihr Urteil
sei insoweit unter Verletzung von Art. 8 ZGB zustande gekommen.

  5.1.1  Der Entscheid über die Rechtsfrage der Schutzfähigkeit des Designs
bedingt die Beantwortung der Frage, ob sich in der Beurteilung der
massgebliche Verkehrskreise, d.h. der an einem Kauf der entsprechend
gestalteten Produkte interessierten Personen (vgl. Botschaft, BBl 2000 S.
2740; VON BÜREN/MARBACH, Immaterialgüter- und

Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Rz. 417 S. 84) der Gesamteindruck des
klägerischen Designs vom Vorbekannten massgeblich abhebt. Beim Vergleich der
Gestaltungen sind dementsprechend die prägenden Hauptelemente
ausschlaggebend. Stimmen sie überein, so wird ein Kaufinteressent die
Vergleichsprodukte in Bezug auf das Design als ebenso gleichwertig erachten
wie in Bezug auf die technisch notwendigen Elemente. Geringfügige
Abweichungen wird ein Kaufinteressent nicht beachten, aber gestalterische
Besonderheiten dürften ihm auffallen und allenfalls seinen Kaufentschluss
bestimmen (BGE 129 III 545 E. 2.3 S. 551). Diese vom Bundesgericht mit Bezug
auf den Schutzbereich nach Art. 8 DesG, wo es ebenfalls den Gesamteindruck
beim Abnehmer zu ermitteln gilt, angewandten Beurteilungskriterien haben
auch Gültigkeit, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob sich ein Design nach
seinem Gesamteindruck vom Vorbekannten abhebt und daher Eigenart
beanspruchen kann, korreliert doch der Massstab zur Beurteilung der Eigenart
mit dem Schutzumfang (STAUB/CELLI, Designrecht, Kommentar zum Bundesgesetz
über den Schutz von Design, N. 75 zu Art. 2 DesG, mit Hinweisen). Demgemäss
darf die Beurteilung nicht bei der Betrachtung der einzelnen, wenn auch
charakterisierenden Elemente stehen bleiben, sondern sie hat sich auf deren
Zusammenspiel zu erstrecken (STAUB/CELLI, a.a.O., N. 70 zu Art. 2 DesG).

  5.1.2  Welches Fachwissen erforderlich sein soll, um auf die dargestellte
Weise zu einem Urteil über das Vorliegen von Eigenart zu gelangen, zeigt die
Beklagte nicht auf und ist nicht ersichtlich. Soweit nicht die Anordnung
einer geeigneten demoskopischen Untersuchung zur Debatte steht, nimmt das
Bundesgericht Untersuchungen der dargelegten Art seit jeher aus eigener
Anschauung und Kenntnis vor und überprüft entsprechende Entscheidungen
kantonaler Gerichte auf Berufung hin als Rechtsfragen, soweit kein
Branchenverständnis spezifischer Verkehrskreise in Frage steht, wie das
Bundesgericht hinsichtlich der Verwechslungsgefahr erkannte (BGE 128 III 401
E. 5 S. 404; 126 III 239 E. 3a S. 245 mit Hinweis; zur
Abgrenzungsproblematik zwischen Tat- und Rechtsfrage im Bereich
Verkehrsanschauung allgemein und im Ergebnis in Analogie zur normativen
Auslegung von Willenserklärungen zustimmend auch BAUDENBACHER,
Lauterkeitsrecht, N. 268 ff. zu Art. 3 lit. b UWG [SR 241]). Wenn sich das
angerufene Sachgericht in die Lage eines interessierten Abnehmers versetzt
und seinen eigenen, aus einem Vergleich mit den von der Beklagten
bezeichneten Objekten gewonnenen Eindruck jenem

des durchschnittlichen Kaufinteressenten zuordnet, verletzt es somit kein
Bundesrecht, zumal die Beklagte nicht darlegt, inwiefern Branchenverständnis
erforderlich sein sollte, um den Gesamteindruck entsprechend zu bestimmen.
Ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, nahm das Bundesgericht die entsprechende
Beurteilung denn auch in BGE 130 III 636 ebenfalls aus eigener Anschauung
vor (E. 2.1.3). Die Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB ist daher
unbegründet.

  5.2  Eine weitere Verletzung von Art. 8 ZGB sieht die Beklagte in der
Verweigerung der Befragung des Geschäftsführers der A. Srl als Zeugen.

  5.2.1  Mit Bezug auf die weitere zum Vergleich angeführte, von der A. Srl
angeblich seit Jahren vertriebene Gestaltung der Schatullenserie "Domino
Dèco A" (act. 9 Nr. 5) erwog die Vorinstanz, die aus dem Internet stammende
Abbildung sei zwar schwer erkennbar. Weil die betreffenden Schatullen jedoch
keine Krümmung des Deckels und des Bodens aufzuweisen schienen, erübrige
sich die beantragte Einvernahme des Geschäftsführers der A. Srl als Zeugen.
Die Beklagte entnimmt dem Wortlaut des angefochtenen Urteils, wonach es
scheine, dass die Schachteln keine Krümmung des Deckels aufwiesen, die
Vorinstanz gehe diesbezüglich von einem offenen Beweisergebnis aus. Bei
dieser Sachlage verletze die Vorinstanz durch die Nichtabnahme des
angebotenen Beweismittels den Beweisführungsanspruch der Beklagten.

  5.2.2  Auch wenn das Gericht eine Behauptung weder als erwiesen noch als
widerlegt erachtet, ist es nach Art. 8 ZGB nur verpflichtet, weitere
Beweisanträge abzunehmen, wenn diese rechtserhebliche Tatsachen betreffen
(BGE 132 III 222 E. 2.3 S. 226, 545 E. 3.3.2 S. 548, je mit Hinweisen) und
nach Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts
entsprechen (BGE 129 III 18 E. 2.6 S. 24 f.; 114 II 289 E. 2a S. 290, je mit
Hinweisen). Hinsichtlich der Eigenart ist auf die Abweichung von Design,
welches den in der Schweiz beteiligten Verkehrskreisen bekannt sein konnte,
abzustellen (Art. 2 Abs. 3 DesG; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 114 zu Art.
2 DesG). Aus diesem Grund sind Veröffentlichungen nur zu berücksichtigen,
wenn sich das Design aufgrund der Bildqualität erkennen lässt (vgl.
STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 71 zu Art. 2 DesG). Da auf der Abbildung im
Internet keine Krümmung zu erkennen ist, steht die Internetabbildung der
Eigenart nicht entgegen. Die Frage,

ob der Boden der abgebildeten Schachteln tatsächlich gekrümmt ist, wird nur
relevant, falls die abgebildeten Schachteln bereits vor dem 28. November
1994 produziert wurden und in diesem Zeitpunkt den in der Schweiz
beteiligten Verkehrskreisen hätten bekannt sein können. Soweit sich aus dem
angefochtenen Entscheid nicht ergibt, dass die Beklagte diese Punkte
behauptet und prozesskonform dazu Beweise angeboten hat, ist dies in der
Berufungsschrift detailliert darzulegen und mit Aktenhinweisen zu belegen
(BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106; 115 II 484 E. 2a S. 485 f., je mit
Hinweisen). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen und Hinweise der
Beklagten in der Berufungsschrift nicht. Eine Verletzung von Art. 8 ZGB ist
nicht dargetan.

Erwägung 6

  6.  Um das Vorliegen der Eigenart in Abrede zu stellen, bringt die
Beklagte vor, die Wölbung des Bodens sei entgegen den Ausführungen der
Vorinstanz so gut wie nicht sichtbar, diene einzig der Stapelbarkeit und sei
somit durch die technische Funktion bestimmt.

  6.1  Nach Art. 4 lit. c DesG ist der Designschutz ausgeschlossen, wenn die
Merkmale des Designs ausschliesslich durch die technische Funktion des
Erzeugnisses bedingt sind. Damit soll dem Freihaltebedürfnis Rechnung
getragen werden, das wegen des fehlenden gestalterischen Spielraums besteht.

  6.1.1  In anderer Formulierung war ein entsprechender Ausschlussgrund
bereits in Art. 3 MMG verankert (Botschaft, BBl 2000 S. 2741). Daraus ergab
sich nach der Rechtsprechung, dass es bei der Formgebung darum gehen musste,
den Geschmack, den Sinn für das Schöne anzusprechen (BGE 95 II 470 E. II.1
S. 472); für eine durch die Herstellungsweise, den Nützlichkeitszweck oder
die technische Wirkung des Gegenstandes bedingte Form konnte der
Modellschutz nicht beansprucht werden (Urteil des Bundesgerichts 4C.110/1990
vom 15. Oktober 1990, E. 2a/aa nicht publ. in BGE 116 II 471). Gemäss Art. 3
MMG hatten für die Beurteilung der Schutzfähigkeit alle auf
Nützlichkeitszwecke und technische Wirkung ausgerichteten Elemente
auszuscheiden. Dem Modellschutz sind nur die verbleibenden Elemente
zugänglich (BGE 116 II 191 E. 2c/aa S. 193; 113 II 77 E. 3c und d S. 80 ff.,
je mit Hinweisen). Im zuletzt erwähnten Entscheid verweigerte das
Bundesgericht den Modellschutz, obwohl die betreffenden funktionellen
Elemente des umstrittenen Plattenspielertonkopfs auch mittels anderer Formen
realisiert werden konnten, die hinterlegte Form mithin nicht im eigentlichen
Sinne technisch notwendig

war. Generell wurde die Schützbarkeit nur bejaht, wenn die Formgebung nicht
überwiegend zu Nützlichkeitszwecken erfolgte (DAVID, Basler Kommentar, 2.
Aufl., N. 4 zu Art. 3 MMG).

  6.1.2  In der Lehre wird aufgrund des Wortlauts von Art. 4 lit. c DesG mit
gutem Grund die Meinung vertreten, entgegen dem alten Recht sei Designschutz
möglich, sobald eine Formalternative bestehe, denn diesfalls sei das Design
nicht ausschliesslich durch seine technische Funktion bedingt
(STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 42 zu Art. 4 DesG mit Hinweis; ALOIS
TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 405; a.A. HEINRICH,
a.a.O., N. 4.14 ff. zu Art. 4 DesG, der den Schutz bereits bei geringer
Freiheit der Formgestaltung innerhalb der technischen Anforderungen
ausschliessen will). Allerdings ist auch nach dieser Lehrmeinung
ausschliesslich technische Bedingtheit anzunehmen, wenn im Hinblick auf eine
technische Lösung verschiedene gleichwertige Varianten zur Verfügung stehen,
deren jede einen subjektiv unterschiedlich zu gewichtenden Vorteil für sich
in Anspruch nehmen kann (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 44 zu Art. 4 DesG).
Das Bundesgericht erkannte hinsichtlich Art. 2 lit. b MSchG (SR 232.11), der
u.a. Formen der Ware oder Verpackungen, die technisch notwendig sind, vom
Markenschutz ausschliesst, der Ausschlussgrund der technischen Notwendigkeit
sei nur gegeben, wenn keine andere Form zur Verfügung stehe oder
vernünftigerweise verwendet werden könne oder wenn zwar eine andere
Möglichkeit bestehe, deren Ausführung aber wenig praktisch oder mit
grösseren Herstellungskosten verbunden wäre, sei doch den Mitbewerbern nicht
zuzumuten, auf die nächstliegende und am besten geeignete Form zu verzichten
(BGE 131 III 121 E. 3.1 S. 124; 129 III 514 E. 3.2 S. 522 ff.). Diese
Umschreibung der technischen Notwendigkeit mit Bezug auf die Formmarke
stimmt in ihrem Gehalt mit der wiedergegebenen Lehrmeinung zur Bedeutung von
Art. 4 lit. c DesG überein. Dadurch lässt sich auch verhindern, dass bei
begrenztem Gestaltungsspielraum alle möglichen Designvarianten hinterlegt
werden, um eine Idee für andere zu sperren (vgl. HEINRICH, a.a.O., N. 4.14
ff. zu Art. 4 DesG), denn die technisch nächstliegende und am besten
geeignete Form bleibt vom Ausschluss in Art. 4 lit. c DesG erfasst, während
weniger naheliegende Varianten Designschutz beanspruchen können. Es
erscheint daher gerechtfertigt, den Begriff der ausschliesslich technischen
Bedingtheit gemäss dieser Bestimmung im Sinne der zitierten Lehre und
Rechtsprechung zu verstehen.

  6.2  Die wichtigste Funktion einer Schmuckschatulle besteht in der
Aufbewahrung von Schmuck. Diese Aufgabe lässt sich in mannigfacher
Formgebung erfüllen. Dass dem hinterlegten Design insoweit ein
Freihaltebedürfnis entgegenstünde, macht die Beklagte nicht geltend. Dennoch
lässt sich nicht gänzlich von der Hand weisen, dass der Stapelbarkeit auch
bei Schmuckschatullen eine gewisse Bedeutung zukommt, wenngleich es sich
beim darin abzulegenden Schmuck in aller Regel nicht um einen Massenartikel
handelt und zahlreiche Schatullenmodelle derart gestaltet sind, dass sie
sich von vornherein gegen eine Stapelung sperren (z.B. bombierte Deckel -
gerader Boden; Verschluss auf der Oberseite, etc.). Ob die Stapelbarkeit als
eine vom Zweck des Gegenstandes diktierte Eigenschaft angesehen und
technische Anforderungen zur Erreichung dieses Zwecks überhaupt ins Feld
geführt werden könnten, ist daher fraglich, kann aber offen bleiben.
Entscheidend ist, dass die von der Beklagten angesprochene technische
Funktion, eine Stapelung zu ermöglichen, die Wahl des hinterlegten Designs
keineswegs gebietet. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass sich auch
Schachteln der gängigen Form mit auf gerader Unterlage aufliegendem Boden
und geradem Deckel ohne weiteres stapeln lassen und dass in Grosszahl
weitere Gestaltungen denkbar sind, welche denselben Zweck erfüllen (z.B.
Auflage der Schachtel auf vier Füssen mit passendem Deckel, konvexer Deckel
mit entsprechendem Boden, etc.). Die Vorinstanz erkannte daher zu Recht,
dass die parallelen sphärischen Bögen von Boden und Deckel technisch nicht
notwendig sind. Art. 4 lit. c DesG ist daher nicht verletzt. Demnach durfte
die Vorinstanz das als prägend erachtete Gestaltungselement der parallelen,
kreissegmentförmigen Wölbung in die Prüfung des Gesamteindrucks des
hinterlegten Modells einbeziehen. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten
davon ausgehen wollte, die parallele Kreisform sei zumindest in Bezug auf
Schachteln mit sphärisch gewölbten Deckeln hinsichtlich der Stapelbarkeit
technisch bedingt, schlösse dies nach der Lehre eine Berücksichtigung nicht
aus, da einzelne technisch bedingte Merkmale den Gesamteindruck des Designs
mitprägen können, weshalb die Beurteilung von Neuheit nicht auf die "übrig
bleibenden" Elemente zu beschränken ist, sondern auch schutzunfähige
Elemente zu berücksichtigen sind (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 45 zu Art.
4 DesG; STAUB/CELLI, a.a.O., N. 28 zu Art. 4 DesG).

  6.3  Unerheblich ist, ob die Wölbung gut sichtbar ist, wie die Vorinstanz
annimmt und die Beklagte bestreitet, kann doch gerade eine

diskrete, aber spezielle Formgebung den Gesamteindruck des Designs
massgeblich prägen. So verhält es sich im vorliegenden Falle. Die parallelen
Wölbungen von Deckel und Boden, die namentlich in der Seitenansicht deutlich
hervortreten, in Kombination mit der diskreten, nicht überwindbaren
kreissegmentförmigen Öffnung zwischen Deckel und Box vermitteln einen
Eindruck, der sich vom bisher Bekannten abhebt, als solcher zumindest über
kurze Zeit in der optischen Erinnerung des interessierten Käufers
vorherrschen wird und von keiner der zum Vergleich herangezogenen
Formgebungen erweckt werden konnte. Wenn die Vorinstanz bei dieser Sachlage
annahm, das umstrittene Design erfülle das Erfordernis der Eigenart, hat sie
Art. 2 DesG im Ergebnis bundesrechtskonform angewandt. Die Diskussion der
Beklagten über die Bedeutung der von der Vorinstanz verwendeten Begriffe
"sphärisch" und "bombiert" erweist sich unter diesen Umständen als
fruchtloser Streit um Worte.