Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 II 342



Urteilskopf

132 II 342

  29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Bundesamt für Justiz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  1A.210/2005 vom 29. März 2006

Regeste

  Art. 13 Interpol-Verordnung; Auskunft über Daten.

  Gesuch einer Asylantin um Auskunft darüber, ob ihr Heimatstaat sie
international zur Fahndung ausgeschrieben hat. Nichtigkeit der Verfügung des
Bundesamtes für Justiz, mit welcher dieses zum Gesuch Stellung genommen hat,
mangels Zuständigkeit (E. 2). Hinweise zum weiteren Vorgehen (E. 3).

Sachverhalt

  X. ist Angehörige des Staates Y. Anfang der 90er-Jahre wurde sie dort
wegen Mitgliedschaft in einer Vereinigung zu einer mehrjährigen
Freiheitsstrafe verurteilt.

  In der Folge ergriff X. die Flucht und ersuchte in der Schweiz um Asyl,
das ihr gewährt wurde.

  Am 14. März 2005 ersuchte X. das Bundesamt für Justiz gestützt auf Art. 13
der Verordnung vom 1. Dezember 1986 über das Nationale Zentralbüro Interpol
Bern (Interpol-Verordnung; SR 351.21) darum, ihr Auskunft über die zu ihrer
Person gespeicherten Daten schriftlich zu erteilen. Insbesondere bat sie um
Mitteilung, ob gegen sie ein internationaler Haftbefehl vorliege.
Bejahendenfalls verlangte sie auch Auskunft über den Grund des Haftbefehls.
Für den Fall, dass ihr die gewünschte Auskunft nicht erteilt werden könne,
ersuchte sie um Zustellung einer entsprechenden Verfügung.

  Mit Schreiben vom 16. März 2005 teilte das Bundesamt für Justiz X. mit,
eine Person, welche Gegenstand eines ausländischen Fahndungs- oder
Auslieferungsersuchens sei, sei darüber ausserhalb eines schweizerischen
Auslieferungsverfahrens nur dann zu informieren, wenn ein solches
missbräuchlich sei. Missbrauch sei beispielsweise gegeben, wenn ein Ersuchen
offensichtlich aus rein politischen Gründen gestellt worden sei. Handle es
sich hingegen um ein grundsätzlich zulässiges Ersuchen, welchem die Schweiz
aber aus bestimmten Gründen (z.B. Schweizer Bürgerrecht oder
Flüchtlingseigenschaft der gesuchten Person) nicht entsprechen könne,
unterstünden solche Ersuchen dem Amtsgeheimnis. Im vorliegenden Fall liege
kein missbräuchliches Ersuchen eines ausländischen Staates gegen X. vor. Ob
sie allenfalls in anderen Staaten aufgrund eines internationalen
Fahndungsersuchens eine Festnahme riskiere, könne ihr aus den dargelegten
Gründen nicht mitgeteilt werden. Zudem sei darauf zu verweisen, dass die
schweizerischen Behörden nicht Kenntnis aller internationalen
Fahndungsersuchen hätten. Im Übrigen habe das Bundesamt für Migration dem
Bundesamt für Justiz mitgeteilt, dass X. als in der Schweiz anerkannter
Flüchtling bereits in generell-abstrakter Form auf eine mögliche Gefährdung
bei Auslandreisen hingewiesen worden sei.

  Am 28. Juni 2005 teilte X. dem Bundesamt für Justiz mit, sie könne dessen
Auskunft vom 16. März 2005 nicht entnehmen, ob gegen sie ein internationaler
Haftbefehl bestehe oder nicht. Sie gelange deshalb

nochmals an das Bundesamt und bitte um eine klarere Antwort in Form einer
Verfügung nach Art. 15 der Interpol-Verordnung.

  Mit Schreiben vom 1. Juli 2005 teilte das Bundesamt für Justiz X. mit,
gemäss Art. 13 Abs. 4 der Interpol-Verordnung könne eine Auskunft verweigert
werden, soweit die Interessen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder
polizeilichen Verbrechensverhütung es erforderten. Wie das Bundesamt für
Justiz ihr am 16. März 2005 bereits mitgeteilt habe, sei eine Person, welche
Gegenstand eines ausländischen Fahndungs- oder Auslieferungsersuchens sei,
darüber ausserhalb eines schweizerischen Auslieferungsverfahrens nur dann zu
informieren, wenn ein solches missbräuchlich sei. Ansonsten unterstünden
solche Ersuchen dem Amtsgeheimnis. Da vorliegend gegen sie kein
missbräuchliches Ersuchen eines ausländischen Staates bestehe, könne ihr das
Bundesamt nicht mitteilen, ob sie allenfalls in anderen Staaten aufgrund
eines internationalen Fahndungsersuchens eine Festnahme riskiere. Das
vorliegende Schreiben - zusammen mit dem Schreiben vom 16. März 2005 - habe
die Wirkung einer Verfügung. Dagegen könne innert 30 Tagen Beschwerde beim
Bundesgericht erhoben werden.

  X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des
Bundesamtes für Justiz vom 1. Juli 2005 aufzuheben; der Beschwerdeführerin
sei Einsicht in die Interpol-Akten zu gewähren und Auskunft darüber zu
erteilen, ob gegen sie ein Fahndungs- und/oder Auslieferungsersuchen des
Staates Y. vorliege; eventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben
und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; es
sei festzustellen, dass die angefochtene Verfügung im Einzelnen aufgezählte
Bestimmungen der Interpol-Verordnung, der Bundesverfassung, des
Verwaltungsverfahrensgesetzes, des Abkommens über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention verletze.

  Das Bundesamt für Justiz hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

  X. hat dazu Stellung genommen.

  Am 19. Oktober 2005 teilte X. dem Bundesamt für Justiz mit, in dessen
Vernehmlassung werde ein Auslieferungsersuchen des Staates Y. aus dem Jahr
2004 erwähnt. Sie ersuchte um Einsicht in die entsprechenden Akten.

  Mit Schreiben vom 11. November 2005 ersucht das Bundesamt für Justiz das
Bundesgericht um Mitteilung betreffend das diesbezügliche weitere Vorgehen.

  Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein
und stellt die Nichtigkeit der Verfügung des Bundesamtes für Justiz vom 1.
Juli 2005 fest.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  Gemäss Art. 15 Abs. 3 der Interpol-Verordnung sind die allgemeinen
Bestimmungen über die Bundesrechtspflege auf Beschwerden gegen Verfügungen
unter anderem von Bundesbehörden anwendbar.

  Nach Art. 100 Abs. 1 lit. a OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unzulässig gegen Verfügungen auf dem Gebiet der inneren oder äusseren
Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes, der
Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe sowie der übrigen
auswärtigen Angelegenheiten.

  Nach der Rechtsprechung ist Art. 100 Abs. 1 lit. a OG grundsätzlich
restriktiv auszulegen. Die Bestimmung erfasst in erster Linie Massnahmen,
welche die innere und äussere Sicherheit der Schweiz betreffen, insbesondere
eigentliche "actes de gouvernement". Der Gesetzgeber war der Auffassung,
dass in diesem Bereich die Regierung für die getroffenen Entscheidungen
allein verantwortlich bleiben muss, da die Massnahmen, welche den Schutz der
staatlichen Integrität und die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen mit
dem Ausland betreffen, zu ihren wesentlichen Aufgaben gehören (BGE 121 II
248 E. 1a S. 251 mit Hinweisen; Urteil 1A.157/2005 vom 6. Oktober 2005, E.
3). Handelt es sich um Fragen der Sicherheits- und Aussenpolitik, ist der
Bundesrat die letzte Rekursinstanz (Art. 72 VwVG i.V.m. Art. 100 Abs. 1 lit.
a OG; Urteil 1A.157/2005 vom 6. Oktober 2005, E. 3.5 mit Hinweis). Art. 100
Abs. 1 lit. a OG erfasst Massnahmen mit ausgeprägt politischem Charakter
(BGE 121 II 248 E. 1b S. 251).

  Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG), das am 1.
Januar 2007 in Kraft treten wird, behält diesen Ausschlussgrund - soweit
hier von Belang - in Art. 83 lit. a bei (vgl. dazu Botschaft zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4322
f.).

  In BGE 118 Ib 277 ging es um jemanden, der beim Sonderbeauftragten für die
Behandlung der Staatsschutzakten des Bundes Einsicht in seine "Fiche"
verlangt hatte. Der Sonderbeauftragte gewährte die Einsicht nur teilweise,
wogegen der Betroffene Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhob. Das
Bundesgericht trat darauf nicht ein. Es befand, der Entscheid des
Sonderbeauftragten betreffe die staatliche Sicherheit und falle unter den
Ausschlussgrund nach Art. 100 Abs. 1 lit. a OG. Es erwog, der Begriff "actes
de gouvernement" umfasse auch die von den Polizeibehörden des Bundes und der
Kantone getroffenen Massnahmen zur Überwachung und Verhinderung von
Handlungen, die geeignet seien, die innere oder äussere Sicherheit der
Schweiz zu gefährden (E. 2b S. 280).

  Man kann sich fragen, ob im vorliegenden Fall nicht ebenso zu entscheiden
und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG damit anwendbar sei, zumal es um international
übermittelte Daten geht und daher zusätzlich die auswärtigen Angelegenheiten
betroffen sind. Die Frage braucht jedoch nicht vertieft zu werden. Auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann aus den folgenden Erwägungen ohnehin
nicht eingetreten werden.

Erwägung 2

  2.

  2.1  Nichtigen Verfügungen geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit
ab. Nach der Rechtsprechung ist eine Verfügung nichtig, wenn der ihr
anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht
erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit
nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgrund kommt namentlich die
Unzuständigkeit der verfügenden Behörde in Betracht. Die Nichtigkeit ist
jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu
beachten; sie kann auch im Rechtsmittelweg festgestellt werden (BGE 132 II
21 E. 3.1 S. 27; 130 III 430 E. 3.3 S. 434; 127 II 32 E. 3g S. 47 f.; 118 Ia
336 E. 2a S. 340; 104 Ia 172 E. 2c S. 176 f., mit Hinweisen).

  2.2  Das Auskunftsgesuch der Beschwerdeführerin und die angefochtene
Verfügung stützen sich auf Art. 13 Interpol-Verordnung.

  Diese Bestimmung, welche die Überschrift "Recht auf Auskunft" trägt,
lautet:

   "1) Jedermann kann vom Nationalen Zentralbüro (NZB) Auskunft über die ihn
       betreffenden polizeilichen Informationen verlangen. Er muss ein
       schriftliches Gesuch zusammen mit einem amtlichen Ausweis (Pass,
       Identitätskarte, Führerausweis) an das Bundesamt für Polizei richten.

    2) Die Auskunftserteilung richtet sich nach dem Recht des Gemeinwesens
       (anderer Staat, Bund, Kanton), dessen Behörde die Strafuntersuchung
       führt oder geführt hat. Das Bundesamt für Polizei leitet das Gesuch
       zum Entscheid an die zuständige Behörde weiter.

    3) Hat das Bundesamt für Polizei das Verfahren geführt und wurde es
       nicht an einen Kanton delegiert, so entscheidet es über das Gesuch.

    4) Die Auskunft kann verweigert werden, soweit die Interessen der
       Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder polizeilichen
       Verbrechensverhütung es erfordern.

    5) Die Auskunftserteilung über Fahndungsersuchen richtet sich nach den
       Bestimmungen der Verordnung vom 16. Dezember 1985 über das
       automatisierte Fahndungsregister (RIPOL).

    6) Die Auskunftserteilung über Daten, die beim Generalsekretariat
       Interpol abgelegt sind, richtet sich nach dem Reglement vom 7.
       Oktober 2004 über die Kontrolle von Informationen und den Zugang zu
       den Interpol-Dateien (Anhang 3 dieser Verordnung)."

  Absatz 1 bestimmt zunächst, an welche Behörde das Auskunftsgesuch zu
richten ist. Absatz 2 Satz 1 sagt, nach welchem Recht sich die
Auskunftserteilung richtet. Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 regeln die
Zuständigkeit zum Entscheid über das Gesuch. Absätze 4 und 5 enthalten
Regeln für den Entscheid; dies aber - wie aus dem Zusammenhang mit Absatz 2
Satz 1 zu schliessen ist - nur, soweit Bundesrecht anwendbar ist.

  Die Beschwerdeführerin möchte mit ihrem Gesuch um Auskunft in Erfahrung
bringen, ob die Behörden des Staates Y. sie zur Fahndung ausgeschrieben
haben und sie somit bei einer Reise ins Ausland die Verhaftung und
Auslieferung an den Staat Y. riskiert. (...)
  Eine Strafuntersuchung gegen die Beschwerdeführerin wegen Mitgliedschaft
in einer Vereinigung führte der Staat Y. Gemäss Art. 13 Abs. 2 Satz 1
Interpol-Verordnung richtet sich daher die Auskunftserteilung nach dem Recht
des Staates Y. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 Interpol-Verordnung leitet das
Bundesamt für Polizei das Gesuch zum Entscheid an die zuständige Behörde
weiter. Damit kann nur die zuständige Behörde des Staates Y. gemeint sein,
da es nicht Sache einer schweizerischen Behörde sein kann, über die
Auskunftserteilung nach dem Recht des Staates Y. zu befinden. Das Bundesamt
für Polizei ist in einem Fall wie hier zum Entscheid über das
Auskunftsgesuch nicht zuständig. Das ergibt sich auch aus Art. 13 Abs. 3
Interpol-Verordnung, wonach das Bundesamt für Polizei über das
Auskunftsgesuch dann entscheidet, wenn es das Verfahren geführt

hat und es nicht an einen Kanton delegiert wurde. Diese Voraussetzungen sind
nicht gegeben. Dass in einem Fall wie hier die Behörden des Staates Y. über
das Auskunftsgesuch zu entscheiden haben, erscheint sachgerecht. Der
Grundgedanke der Zuständigkeitsregelung der Interpol-Verordnung ist offenbar
folgender: Interpol stellt ein weltweites Kommunikationsnetz zur Verfügung,
das der Übermittlung von Fahndungsdaten dient (MARCO GAMMA, in:
Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, 2003, N.
7 vor Art. 351ter StGB). Gibt ein ausländischer Staat Daten in das
Kommunikationsnetz ein, trägt er dafür die Verantwortung. Deshalb soll er
und kein anderer Staat darüber befinden, ob und wieweit dem Betroffenen die
Daten offen gelegt werden. Eine andere Lösung wäre mit der Achtung der
staatlichen Souveränität kaum vereinbar. Nach Art. 13 Abs. 2
Interpol-Verordnung ist es im vorliegenden Fall somit nicht Sache
schweizerischer Behörden, darüber zu entscheiden, ob und wieweit vom Staat
Y. über Interpol allenfalls verbreitete Daten zugänglich gemacht werden.

  Das Bundesamt für Justiz ist nach Art. 13 Interpol-Verordnung nie zum
Entscheid über ein Auskunftsgesuch zuständig. Vom Bundesamt für Justiz ist
in dieser Bestimmung - wie im gesamten dritten Abschnitt der
Interpol-Verordnung, der die Rechte betroffener Personen regelt (Art. 13
ff.) - überhaupt keine Rede. Gemäss Art. 1 Abs. 1 Interpol-Verordnung ist
das Bundesamt für Polizei mit den Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im
Sinne von Artikel 32 der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen
Organisation betraut. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. e Interpol-Verordnung stellt
das Nationale Zentralbüro die Weiterleitung sämtlicher internationaler
Rechtshilfeersuchen an das Bundesamt für Justiz sicher. Ein
Rechtshilfeersuchen gegen die Beschwerdeführerin ist nicht hängig, so dass
Art. 2 Abs. 1 lit. e Interpol-Verordnung die Zuständigkeit des Bundesamtes
für Justiz - entgegen der Auffassung, welche das Bundesamt für Polizei in
seinem Schreiben vom 14. Juli 2005 an die Beschwerdeführerin vertritt - im
vorliegenden Fall nicht begründen kann. Wie gesagt, wäre auch das Bundesamt
für Polizei zum Entscheid über das Auskunftsgesuch nicht zuständig gewesen.

  War das Bundesamt für Justiz zum Erlass der angefochtenen Verfügung
unzuständig, ist diese im Lichte der angeführten Rechtsprechung nichtig. Die
Annahme der Nichtigkeit gefährdet die Rechtssicherheit nicht.

  2.3  Die angefochtene Verfügung entfaltet danach keinerlei Rechtswirkung.
Sie kann somit auch nicht Anfechtungsobjekt einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sein. Auf die Beschwerde ist daher nicht
einzutreten. Die Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung ist im Dispositiv
festzustellen (vgl. YVO HANGARTNER, Die Anfechtung nichtiger Verfügungen und
von Scheinverfügungen, AJP 2003 S. 1054 Ziff. 2; PIERRE MOOR, Droit
administratif, Bd. II, Bern 2002, S. 306 f.; FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 144).

Erwägung 3

  3.

  3.1  Nach dem Gesagten wird das Bundesamt für Justiz das Auskunftsgesuch
der Beschwerdeführerin dem Bundesamt für Polizei zu übergeben haben. Dieses
hätte es nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 Interpol-Verordnung an die zuständige
Behörde des Staates Y. weiterzuleiten.

  Unter den gegebenen Umständen drängt sich allerdings seitens des
Bundesamtes für Polizei eine Rückfrage bei der Beschwerdeführerin auf, ob
diese mit der Weiterleitung an die Behörde des Staates Y. einverstanden sei.
Wie gesagt, wurde der Beschwerdeführerin in der Schweiz Asyl gewährt. Ihre
politische Verfolgung wurde damit anerkannt. Es ist somit denkbar, dass die
Beschwerdeführerin einen Kontakt mit Behörden des Staates Y. ablehnt.

  3.2  Der Beschwerdeführerin steht es sodann frei, bei der
Kontrollkommission für Interpol-Dateien Zugang zu von Interpol bearbeiteten
personenbezogenen Daten zu verlangen.

  Gemäss Art. 1 des Reglements über die Kontrolle von Informationen und den
Zugang zu den Interpol-Dateien - von der Generalversammlung Interpol
angenommen am 7. Oktober 2004, in Kraft seit 1. Januar 2005 (Anhang 3 zur
Interpol-Verordnung) - kontrolliert die Kommission, ob die Regeln und
Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Bearbeitung personenbezogener Daten
durch die Organisation (...) mit den von dieser erlassenen einschlägigen
Bestimmungen konform sind und ob sie nicht die fundamentalen
Individualrechte verletzen, die in Artikel 2 der Interpol-Statuten - der auf
die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verweist - erwähnt sind, oder
gegen die allgemeinen Grundsätze des Datenschutzes verstossen (lit. a). Die
Kommission berät die Organisation bei jedem Projekt, jeder Tätigkeit, jeder
Regelung oder jeder anderen Frage, die eine Behandlung personenbezogener
Daten nach sich zieht

(lit. b). Die Kommission bearbeitet und beantwortet Gesuche um Zugang zu
Interpol-Dateien. Sie hält eine Liste der Interpol-Dateien zur Verfügung,
die Staatsangehörige von Interpol-Mitgliedstaaten sowie Personen mit
ständigem Aufenthalt in einem Interpol-Mitgliedstaat einsehen dürfen (lit.
c).

  Gemäss Art. 9 des Reglements können interessierte Personen unentgeltlich
und uneingeschränkt von ihrem Recht Gebrauch machen, Zugang zu den sie
betreffenden personenbezogenen Daten zu erhalten, die in den
Interpol-Dateien enthalten sind (lit. a). Die Kommission bestätigt den
Eingang aller Gesuche und bearbeitet diese so rasch wie möglich (lit. b).
Gesuche um Zugang zu personenbezogenen Daten sind nur zulässig, wenn sie von
Personen gestellt werden, über die Daten gespeichert worden sein könnten
oder wenn die Gesuche von ordnungsgemäss bevollmächtigten Personen (...)
gestellt werden (lit. c). Sind die an die Kommission gerichteten Gesuche
offensichtlich missbräuchlich, insbesondere auf Grund ihrer Anzahl oder
ihres wiederholten oder systematischen Charakters, so kann die Kommission
davon absehen, Abklärungen zu treffen; sie ist nicht verpflichtet, solche
Gesuche zu beantworten (lit. d).

  Nach Art. 10 des Reglements prüft die Kommission beim Eingang eines
zulässigen Gesuchs um Einsicht, ob die von der Organisation möglicherweise
gespeicherten Daten über die Person, die das Gesuch stellt oder in deren
Namen das Gesuch gestellt wird, den für die Datenbearbeitung geltenden
Bestimmungen der Organisation entsprechen (lit. a). Nach Massgabe von
Artikel 6 unterbreitet die Kommission dem Generalsekretariat Empfehlungen,
wenn sie es als angezeigt erachtet, dass dieses in einer Angelegenheit tätig
werden sollte (lit. b).

  Gemäss Art. 11 des Reglements kann die Kommission mit Zustimmung der
Datenquelle der gesuchstellenden Person Auskunft über aus der genannten
Quelle stammende Daten erteilen, die Interpol möglicherweise über die
gesuchstellende Person besitzt (lit. a). Unter Vorbehalt von Artikel 9
Buchstabe d und ungeachtet des Ausgangs ihrer Arbeiten teilt die Kommission
der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller mit, dass sie die gewünschten
Kontrollen vorgenommen hat (lit. b).

  Die Beschwerdeführerin kann demnach ohne Zustimmung der Datenquelle - d.h.
der zuständigen Behörde des Staates Y. - zwar keine

Informationen aus der entsprechenden Datei erhalten. Sie kann aber
veranlassen, dass die Kommission überprüft, ob die über sie allenfalls
gespeicherten Daten den für die Datenbearbeitung geltenden Bestimmungen der
Organisation entsprechen.

  Gemäss Art. 2 der am 13. Juni 1956 in Kraft getretenen Statuten der
Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (Anhang 1 zur
Interpol-Verordnung) sind deren Ziele: a) eine möglichst umfassende
gegenseitige Unterstützung aller Kriminalpolizeibehörden im Rahmen der in
den einzelnen Ländern geltenden Gesetze und im Geiste der Erklärung der
Menschenrechte sicherzustellen und weiterzuentwickeln; b) alle
Einrichtungen, die zur Verhütung und Bekämpfung der gemeinen Straftaten
wirksam beitragen können, zu schaffen und auszubauen. Nach Art. 3 der
Statuten ist der Organisation jede Betätigung oder Mitwirkung in Fragen oder
Angelegenheiten politischen, militärischen, religiösen oder rassischen
Charakters strengstens untersagt.

  Die Beschwerdeführerin kann von der Kommission somit überprüfen lassen, ob
über sie allenfalls gespeicherte Daten mit diesen Zielen und Grundsätzen
vereinbar sind.

  3.3  Von Bedeutung für das weitere Vorgehen ist überdies Folgendes:
  Wie sich den Akten entnehmen lässt, ersuchte der Staat Y. im Jahr 2004 die
Schweiz um Auslieferung der Beschwerdeführerin zur Vollstreckung der wegen
Mitgliedschaft in einer Vereinigung verhängten Freiheitsstrafe. Darauf
teilte das Bundesamt für Flüchtlinge dem Bundesamt für Justiz mit, die
Durchsicht des Asyldossiers der Beschwerdeführerin habe ergeben, dass sich
das Verhaftsersuchen der Behörden des Staates Y. auf ein Gerichtsverfahren
stütze, das bereits Gegenstand des Asylverfahrens gewesen sei. Im
Asylverfahren sei nach eingehender Prüfung festgestellt worden, dass keine
Asylausschlussgründe gegeben seien. Aufgrund der Aktenlage bestehe weiterhin
kein Grund, das Asyl zu widerrufen. Das Auslieferungsersuchen sei deshalb
abzulehnen. In der Folge teilte das Bundesamt für Justiz dem Staat Y. mit,
die Auslieferung der Beschwerdeführerin sei aus Gründen des innerstaatlichen
schweizerischen Rechts und in Anwendung des Non-Refoulement-Prinzips nicht
möglich und somit abzulehnen.

  Aus den Akten ergibt sich nicht, dass das Bundesamt für Justiz der
Beschwerdeführerin auf das Auslieferungsersuchen des Staates Y.

hin das rechtliche Gehör gewährt oder ihr zumindest den das Ersuchen
ablehnenden Entscheid mitgeteilt hätte. Die Beschwerdeführerin bringt vor,
sie habe von alledem erst durch die Vernehmlassung des Bundesamtes für
Justiz im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren Kenntnis erhalten. Sie
legt der Replik eine Eingabe vom 19. Oktober 2005 an das Bundesamt für
Justiz bei, mit dem sie dieses um Einsicht in die Akten des abgeschlossenen
Auslieferungsverfahrens ersucht. Diese Sache ist hier nicht Gegenstand des
Verfahrens. Über das Gesuch vom 19. Oktober 2005 wird zunächst das Bundesamt
für Justiz zu befinden haben.