Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 II 113



Urteilskopf

132 II 113

  8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  5A.30/2005 vom 22. November 2005

Regeste

  Art. 41 Abs. 1 und Art. 50 Abs. 2 BüG; Art. 12 und 13 Abs. 1 lit. a VwVG;
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung; Mitwirkungspflicht der
Partei.

  Weiss die Partei, dass die Voraussetzungen für die erleichterte
Einbürgerung im Zeitpunkt der Verfügung erfüllt sein müssen, und erklärt
sie, in einer stabilen Ehe zu leben, so hat sie die Behörde unaufgefordert
über eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse zu orientieren, von der
sie weiss oder wissen muss, dass sie einer erleichterten Einbürgerung
entgegensteht (E. 3).

Sachverhalt

  A.- Am 5. März 1994 heiratete X. in Zürich eine Schweizerin und stellte in
der Folge am 24. Juli 1998 das Gesuch um erleichterte Einbürgerung. Im
anschliessenden Verfahren unterzeichneten er und seine Ehefrau am 16. August
1999 eine Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten,
stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse zusammenlebten und
weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestünden. Sie nahmen überdies
unterschriftlich zur Kenntnis, dass eine erleichterte Einbürgerung nicht
möglich ist, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der
Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt oder keine tatsächliche
eheliche Gemeinschaft mehr besteht. Bestätigt wurde mit der schriftlichen
Erklärung überdies die Kenntnisnahme davon, dass die Verheimlichung solcher
Umstände zur Nichtigerklärung der Einbürgerung führen könne. Am 19. Januar
2000 wurde X. erleichtert eingebürgert. Bereits zuvor, nämlich am 10.
Oktober 1999, hatte er die eheliche Wohnung verlassen. Am 28. Juni 2000
wurde X. rechtskräftig von seiner Ehefrau geschieden.

  B.- Mit Verfügung des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und
Auswanderung (IMES; heute Bundesamt für Migration, BFM) vom 2. September
2004 wurde die Einbürgerung für nichtig erklärt. Am 6. September 2005 wies
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die gegen die
erstinstanzliche Verfügung eingereichte Verwaltungsbeschwerde von X. ab. Das
Departement hielt im Wesentlichen dafür, X. habe die erleichterte
Einbürgerung aufgrund falscher Angaben bzw. durch Verschweigen wesentlicher
Tatsachen erschlichen und den Tatbestand von Art. 41 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer
Bürgerrechts (BüG; SR 141.0) erfüllt.

  C.- X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den
Anträgen, den Entscheid des Departementes aufzuheben und das Verfahren
betreffend Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung einzustellen. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.

  3.1  Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit
Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt
werden, wenn sie durch falsche Angaben oder

Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse
Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung
der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", d.h. mit
einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (BGE 128 II 97
E. 3a S. 99; 130 II 482 E. 2). Arglist im Sinne des strafrechtlichen
Betrugstatbestands ist nicht erforderlich, wohl aber dass der Betroffene
bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen
Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben,
die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (BGE 130 II 482 E.
2).

  3.2  In verfahrensrechtlicher Hinsicht richtet sich die erleichterte
Einbürgerung vor der Bundesbehörde nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes
über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021; Art. 50 Abs. 2 BüG). Danach
obliegt der Behörde, den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen (Art. 12
VwVG; MOOR, Droit administratif, Bd. II, 2. Aufl. 2002, N. 2.2.6.3, S. 258
ff.). In diesem Verfahren, das die Partei durch ihr Begehren einleitet, ist
diese allerdings aufgrund von Art. 13 Abs. 1 lit. a VwVG gehalten, an der
Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, wobei die Behörde die Partei
darüber aufzuklären hat, worin die Mitwirkungspflicht besteht und welche
Tragweite ihr zukommt (vgl. KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und
Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, Rz. 272 ff.; MOOR,
a.a.O., N. 2.2.6.3, S. 261). Sind bestimmte Tatsachen, wie dies hier
hinsichtlich der Voraussetzung des intakten Ehelebens offensichtlich der
Fall ist, der Behörde nicht oder nur schwerlich zugänglich, gebieten auch
Treu und Glauben der Partei, der Behörde die ersuchten Auskünfte über
einschlägige Tatsachen zu erteilen (vgl. MOOR, a.a.O., N. 2.2.6.3, S. 260).
Die dem Verwaltungsrecht eigene Mitwirkungs- bzw. Auskunftspflicht besteht
im Übrigen selbst dann, wenn sich die Auskunft zum Nachteil des
Rechtsunterworfenen auswirkt (vgl. dazu etwa: SEILER, Das (Miss-)Verhältnis
zwischen strafprozessualem Schweigerecht und verwaltungsrechtlicher
Mitwirkungs- und Auskunftspflicht, in: recht 1/2005 S. 11 ff., insbesondere
S. 20). Weiss der Gesuchsteller, wie hier, dass die fraglichen
Voraussetzungen im Zeitpunkt der erleichterten Einbürgerung erfüllt sein
müssen, ergibt sich aus der gleichen Überlegung auch seine Pflicht, die
Behörde auch ohne Aufforderung über eine nachträgliche Änderung der
Verhältnisse zu orientieren, von der er weiss oder wissen muss, dass sie
einer

Bewilligung entgegensteht. Die Behörde darf sich darauf verlassen, dass die
vormals erteilten Auskünfte bei passivem Verhalten des Gesuchstellers nach
wie vor der Wirklichkeit entsprechen. Wie es sich verhielte, wenn sich die
Einbürgerung sehr lange hinausgezögert hätte, braucht hier nicht entschieden
zu werden, da zwischen der Erklärung der Ehegatten (16. August 1999) und der
Einbürgerung (19. Januar 2000) nicht übermässig viel Zeit verstrichen ist.
Da es der Beschwerdeführer unterliess, die Behörde spontan über die
einschneidenden und für die Einbürgerung wesentlichen Veränderungen
aufzuklären, die im Oktober 1999 in der Beziehung der Ehegatten eingetreten
waren, hat er gegen Treu und Glauben verstossen. Dieser Verstoss ist dem
Erschleichen der Einbürgerung gleichzusetzen, weshalb diese zu Recht
widerrufen worden ist.