Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 641



Urteilskopf

132 III 641

  76. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Kessler-Bösch gegen
Lange (Berufung)
  5C.1/2006 vom 22. Mai 2006

Regeste

  Art. 28 ZGB; Persönlichkeitsverletzung durch die Übergabe von Unterlagen,
in denen der Umfang des persönlichen Beitrags eines Chefarztes bei
chirurgischen Eingriffen in Frage gestellt wird, an Medienschaffende.

  Ausschluss der Widerrechtlichkeit der Persönlichkeitsverletzung im
Allgemeinen (E. 3).

  Die Bedienung eines freien Journalisten und des Schweizer Fernsehens SFDRS
mit Unterlagen der genannten Art zu einem Zeitpunkt, da verschiedene
medizinische Fachverbände und öffentliche Stellen schon seit beinahe zwei
Jahren über die darin angesprochene Problematik informiert waren, stellt
keine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung dar (E. 4-6).

Sachverhalt

  A.- Jochen Lange ist Chefarzt an der Klinik für Chirurgie des
Kantonsspitals St. Gallen, Margrit Kessler-Bösch Präsidentin der Stiftung
Schweizerische Patienten- und Versicherten-Organisation (SPO) mit Sitz in
Zürich.

  Mit Schreiben vom 4. September 2001 wandte sich Margrit Kessler-Bösch im
Namen der SPO an Prof. A. Schaffner, Präsident des Vereins der Leitenden
Spitalärzte der Schweiz (VLSS). Sie legte ein anonymisiertes
Operationsprogramm (vom 2. Februar 1999) bei, wonach an einem Tag vierzehn
chirurgische Eingriffe in vier Operationssälen, einer davon in einem anderen
Gebäude, durchgeführt worden waren, und führte aus, es sei nicht möglich,
dass alle Privatpatienten vom Chefarzt allein hätten operiert werden können;
die Patienten seien alle der festen Überzeugung gewesen, dass sie vom
Chefarzt operiert würden; ausserdem sei bekannt, dass mitoperierende Ärzte
von diesem Chefarzt kein Honorar bekämen. Im gleichen Sinne wandte sich
Margrit Kessler-Bösch auch an Dr. med. M. Ganz, damals Präsident des Vereins
der Belegärzte der Schweiz (SVBP), und an Prof. R. Tscholl, damals Präsident
der chirurgisch tätigen Ärzte (FMS). Das Original des Operationsprogramms,
das ihr anonym zugestellt worden war, hatte sie bereits als Beilage zu einem
Schreiben vom 6. Januar 2000 dem Kantonalen Untersuchungsrichter
übermittelt.

  Mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 nahm der VLSS gegenüber Margrit
Kessler-Bösch wunschgemäss in grundsätzlicher Hinsicht Stellung zu den
aufgeworfenen Fragen, mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass ihm die
genauen Umstände und die auf den anonym präsentierten Fall anwendbaren
rechtlichen Bestimmungen nicht bekannt seien. Der genannte Verein erklärte,
ein Chefarzt, der behaupte, so viele Patienten persönlich zu operieren, gehe
von einem falschen Verständnis des Privatpatientenstatus aus. Eine Kopie des
Antwortschreibens ging an Prof. J.-Cl. Givel, Präsident der Schweizerischen
Gesellschaft für Chirurgie (SGC).

  In einem Schreiben vom 29. Oktober 2001 teilte Jochen Lange dem VLSS mit,
es sei in der Klinik für Chirurgie des Kantonsspitals St. Gallen für die
vergangenen zwei Jahre kein Operationsprogramm gefunden worden, das dem
anonymisierten entspreche. Sodann äusserte er sich in allgemeiner Weise zum
üblichen Vorgehen in der

Klinik und verwahrte sich gegen den Vorwurf des "Vertrauens- und
Rechtsmissbrauches und Betrugs an Patienten und Oberärzten".

  Am 7. Dezember 2001 gelangten Margrit Kessler-Bösch und Prof. R. Ritz im
Namen der SPO an das Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen. Sie
legten dem Schreiben das Operationsprogramm vom 2. Februar 1999 bei und
baten um Beantwortung von Fragen im Zusammenhang mit der Ausführung von
Operationen an Privatpatienten.

  Ebenfalls anfangs Dezember 2001 stellte Margrit Kessler-Bösch das
Operationsprogramm vom 2. Februar 1999 der Redaktion der Sendung "10vor10"
des Fernsehens SFDRS sowie dem freien Journalisten Markus Rohner zu. Jochen
Lange erhielt in der Folge von Monica Suter, der zuständigen
Fernsehredaktorin, wie auch vom erwähnten Journalisten im Hinblick auf ein
Interview bzw. einen Bericht in verschiedenen Schweizer Zeitungen mehrere
Fragen vorgelegt.

  B.- Mit einer beim Bezirksgericht (heute: Kreisgericht) Rorschach gegen
Margrit Kessler-Bösch eingereichten Klage vom 5. September 2002 beantragte
Jochen Lange unter anderem, es sei festzustellen, dass die Behauptungen der
Beklagten,
a) er habe Privatpatienten nicht persönlich operiert, obwohl er die
   Patienten informiert habe, dass er sie persönlich operieren werde;
b) er habe Patienten, die der festen Überzeugung gewesen seien, er operiere
   sie persönlich, von Mitarbeitern operieren lassen;
c) er habe Honorare einkassiert, obwohl er Patienten nicht persönlich
   operiert habe;
d) er habe den Oberärzten ihnen zustehende Honorare vorenthalten oder nehme
   ihnen zustehende Honorare ein,
eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung darstellten.

  Das Kreisgericht Rorschach (2. Abteilung) wies die Klage mit Entscheid vom
10. Juli 2003/20. April 2004 ab.

  Der Kläger erhob Berufung, worauf das Kantonsgericht St. Gallen (I.
Zivilkammer) am 25. August 2005 in teilweiser Gutheissung der Klage
feststellte, dass die Beklagte die Persönlichkeit des Klägers widerrechtlich
verletzt habe, indem sie gestützt auf das Operationsprogramm vom 2. Februar
1999 gegenüber Medienvertretern

(Redaktion von 10vor10 und Markus Rohner) sinngemäss erklärt habe, dass der
Kläger
- Privatpatienten nicht persönlich operiert habe, obwohl er die Patienten
  informiert habe, dass er sie persönlich operieren werde;
- Patienten, die der festen Überzeugung gewesen seien, er operiere sie
  persönlich, von Mitarbeitern habe operieren lassen;
- Honorare einkassiert habe, obwohl er Patienten nicht persönlich operiert
  habe;
- den Oberärzten ihnen zustehende Honorare vorenthalten habe oder ihnen
  zustehende Honorare einnehme.

  Demgegenüber sei die Persönlichkeit des Klägers insoweit nicht
widerrechtlich verletzt worden, als die Beklagte "dieselben sinngemässen
Äusserungen an Fachgremien (Verein der Leitenden Spitalärzte der Schweiz
[VLSS], Berufsverbände) oder an die Aufsichtsbehörde (Gesundheitsdepartement
des Kantons St. Gallen) gerichtet habe.

  C.- In Gutheissung der von der Beklagten eingereichten Berufung weist das
Bundesgericht die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.

  3.1  Eine Verletzung der Persönlichkeit ist widerrechtlich, wenn sie nicht
durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder
öffentliches Interesse oder durch das Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28
Abs. 2 ZGB). Geht es um die Berichterstattung in den Medien, hat der Richter
das Interesse des Betroffenen auf Unversehrtheit seiner Person sorgfältig
gegen dasjenige der Presse an der Erfüllung des Informationsauftrags,
insbesondere des Wächteramts, abzuwägen. Bei diesem Vorgang steht dem
Richter ein gewisses Ermessen zu. Die Rechtfertigung der
Persönlichkeitsverletzung kann stets nur soweit reichen, als ein
Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht. Für die Beurteilung des
Eingriffs in die Persönlichkeit, dessen Schwere und der Frage, welche
Aussagen dem Gesamtzusammenhang einer konkreten Publikation zu entnehmen
sind, muss auf den Wahrnehmungshorizont des Durchschnittslesers abgestellt
werden (BGE 129 III 529 E. 3.1 S. 531; 127 III 481 E. 2c S. 488; 126 III 209
E. 3a S. 213 und 305 E. 4a S. 306).

  3.2  Zur Beurteilung steht hier die Bedienung von Medienschaffenden mit
Unterlagen, und nicht die anschliessende Berichterstattung

in der Presse. Wie die von der Beklagten kontaktierten Journalisten die
ihnen zugegangenen Informationen verarbeitet haben, ist trotzdem nicht ohne
Belang. Die Frage der Rechtmässigkeit der Erteilung von Auskünften und der
Aushändigung von Unterlagen an Medien kann nicht unabhängig von der
entsprechenden Berichterstattung beurteilt werden. Die Weitergabe von
Informationen ist von vornherein nicht zu beanstanden, wenn die darauf
beruhende Berichterstattung keine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von
Art. 28 ZGB enthält.

  Wer sich gegenüber einem Journalisten über einen bestimmten Sachverhalt
äussert, muss damit rechnen, dass jener eines Tages damit an die
Öffentlichkeit gelangen wird. Die Verbreitung wahrer Tatsachen ist
grundsätzlich durch den Informationsauftrag der Presse gedeckt, es sei denn,
es handle sich um Tatsachen aus der Privat- und Geheimsphäre oder die
betroffene Person werde in unzulässiger Weise herabgesetzt, weil die Form
der Darstellung unnötig verletzt (BGE 129 III 529 E. 3.1 S. 531).
Demgegenüber ist die Veröffentlichung unwahrer Tatsachen an sich
widerrechtlich. Werden Unwahrheiten publiziert, kann sich das
Presseunternehmen gegebenenfalls nicht darauf berufen, diese seien ihm
zugetragen worden und es habe lediglich die Behauptung eines Dritten
originalgetreu wiedergegeben. Der Schutzanspruch des Verletzten richtet sich
gegen jeden, der an der Verletzung mitgewirkt hat (BGE 126 III 305 E. 4b/aa
S. 307 f.). Die Beklagte betont deshalb zu Recht, dass für die Einhaltung
journalistischer Sorgfaltspflichten ausschliesslich die Medien
verantwortlich sind.

Erwägung 4

  4.  Die Vorinstanz kam zum Schluss, die Beklagte habe die Persönlichkeit
des Klägers nicht widerrechtlich verletzt, als sie im September 2001 als
Präsidentin der SPO mit den in Frage stehenden Äusserungen und mit
entsprechenden Fragen an Fachgesellschaften gelangte und dabei auch das ihr
zugesandte (anonymisierte) Operationsprogramm beilegte. In diesem Vorgehen
sei ein angemessenes Mittel zu einem berechtigten Zweck zu erblicken: Der
Operationsplan sei ein geeigneter Aufhänger gewesen, um einheitliche
Richtlinien oder zumindest Empfehlungen auf gesamtschweizerischer Ebene zu
erwirken. Gleichzeitig sei eine Beurteilung des für Laien zwar sehr stark
beladenen, aber letztlich nicht zu beurteilenden Operationsplanes durch
Fachleute ermöglicht worden. Es bestehe ein Interesse, dass an einem
öffentlichen Spital die Rechte (auch) der Privatpatienten gewahrt blieben.
Die Gründe, die die Beklagte

für ihr Vorgehen gehabt habe, hätten das Interesse des Klägers daran
überwogen, dass seine Arbeitsweise als Chefarzt nicht gegenüber Kollegen
oder der Aufsichtsbehörde kritisch in Frage gestellt werde. Dass die
Beklagte als Präsidentin die Sache zudem innerhalb der SPO thematisiert
habe, sei durch die Zweckumschreibung der Stiftung ebenfalls gerechtfertigt
gewesen. Mit den eingeleiteten Schritten habe die SPO auch ihre
Wächterfunktion (Aufdecken und Korrigieren allfälliger Missstände im
Interesse der Patienten) wahrnehmen können.

  Anders verhält es sich nach Ansicht der Vorinstanz dagegen, soweit die am
Beispiel des Operationsplanes des Klägers aufgehängte Thematik nicht nur
Fachgesellschaften zugetragen, sondern auch über die Medien verbreitet
worden sei. Das Durchschnittspublikum sei nicht das gleiche, ob es sich um
Fachleute oder um Konsumenten von Massenmedien handle. Die Beklagte tue
nicht dar, weshalb es anfangs Dezember 2001, als das ihr auferlegte Verbot
der Verbreitung der fraglichen Behauptungen kurze Zeit ausser Kraft
gestanden habe, unabdingbar gewesen sei, mit den sinngemäss gleichen
Äusserungen unter Namensnennung auch an die Öffentlichkeit zu gelangen. Sie
habe mit ihrem Schritt zu den Fachgremien jedenfalls auch längere Zeit
zugewartet gehabt, so dass es verhältnismässig und zumutbar gewesen wäre,
zunächst abzuwarten, ob die auf Grund des klägerischen Operationstages vom
2. Februar 1999 gegebenen Impulse von zuständiger Stelle zum Erlass von
Richtlinien für die Behandlung der Privatpatienten aufgenommen würden oder
nicht und ob die Aufsichtsbehörde den im Fall des Klägers sich stellenden
Fragen nachgehen würde. Durch den Gang an die Medien habe die Sache eine
völlig neue, personalisierte Dimension in aller Öffentlichkeit erhalten. Die
Behandlung der aufgeworfenen Fragen in der Presse sei einer differenzierten
Beurteilung schlecht zugänglich, bestehe doch die Gefahr, dass es mehr um
die Person als um die Sache gehe und dass der Betroffene insgesamt in der
Öffentlichkeit in einem falschen Licht erscheine. Vor allem der aus dem
Operationsprogramm vom 2. Februar 1999 abgeleitete Verdacht, der Kläger
könnte auch ganze Operationen an die Oberärzte abgegeben und trotzdem das
Honorar bezogen haben, sei dazu geeignet gewesen. Das zwar von einem
Fachgremium, jedoch in Unkenntnis der genauen Umstände als überladen
bezeichnete Programm eines einzelnen Operationstages sowie weitere Hinweise
zu anderen Fällen seien eine ungenügende Grundlage

dafür gewesen, auch an die Presse zu gelangen und damit in ganz anderem
Ausmass Druck auszuüben. Im konkreten Fall habe noch Abklärungsbedarf
bestanden, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob es sich beim
gedrängten Operationstag um einen Ausnahmefall gehandelt habe, wofür
Hinweise vorgelegen hätten, sei doch der Kläger am fraglichen Tag eigens aus
den Skiferien nach St. Gallen gekommen. Auch wenn hinsichtlich der Rechte
der Privatpatienten Handlungsbedarf bestanden habe, sei es
unverhältnismässig gewesen, bereits im damaligen Stadium gegenüber
Medienschaffenden die gleichen Äusserungen zu machen wie gegenüber
Fachgremien, mit dem Ziel, die Sache in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
Es habe keinen Grund gegeben, am Beispiel des Operationsprogrammes vom 2.
Februar 1999 des namentlich genannten Klägers über die Medien öffentlichen
Druck auf die mit der Sache befassten Gremien auszuüben. Dieses Vorgehen
habe sich auch nicht dadurch rechtfertigen lassen, dass die Beklagte als
Vertreterin einer Organisation aufgetreten sei, die in ihren
Stiftungsstatuten unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit zugunsten der
Patienten- und Versichertenrechte anführe. Die Rechtfertigung für die
Beklagte liege einzig in der Wahrung der Patienteninteressen gegenüber den
Berufsverbänden und der Aufsichtsbehörde. Mit ihren Äusserungen gegenüber
Medienschaffenden habe die Beklagte deshalb in widerrechtlicher Weise die
Persönlichkeit des Klägers verletzt.

Erwägung 5

  5.

  5.1  Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, dass sie als Präsidentin
der SPO keine andere Möglichkeit gehabt habe als die Einschaltung der
Presse, um dem Auftrag des Konsumentenschutzes nachzukommen, zumal die zuvor
angegangenen Behörden sich zu keinerlei Schritten veranlasst gesehen hätten.
Der SPO komme weder in einem Disziplinar- noch in einem Administrativ- oder
in einem Strafverfahren Parteistellung zu. Zudem beruft sich die Beklagte
auf die in Art. 16 BV verankerte Informationsfreiheit und auf die durch Art.
17 BV garantierte Medienfreiheit, aus deren Sicht der angefochtene Entscheid
unhaltbar sei. Weder hinsichtlich des gewählten Zeitpunktes noch bezüglich
der den Medienschaffenden unterbreiteten Fakten erscheine ihr Vorgehen als
unverhältnismässig. Dieses sei vielmehr durch das öffentliche Interesse
gedeckt gewesen.

  5.2  Mit der Anrufung der beiden Grundrechte weist die Beklagte auf den
allgemein gültigen Grundsatz hin, wonach Bundesgesetze

verfassungskonform auszulegen sind (dazu BGE 131 IV 160 E. 3.3.1 S. 163; 130
II 65 E. 4.2 S. 71; 129 II 249 E. 5.4 S. 263, mit Hinweisen; zu Art. 28 ZGB
im Besonderen: HEINZ HAUSHEER/REGINA E. AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Bern 2005, Rz. 12.31). Zu bedenken ist
jedoch, dass der Informationsauftrag der Presse keinen absoluten
Rechtfertigungsgrund bildet; vielmehr ist eine Abwägung des Interesses des
Betroffenen auf Unversehrtheit seiner Person gegen dasjenige der Presse auf
Information der Öffentlichkeit in jedem Fall unentbehrlich (BGE 129 III 529
E. 3.1 S. 531 f.). Auch in der Tatsache, dass die Beklagte sich für die
Rechte der Patienten einsetzt, als solcher ist noch kein
Rechtfertigungsgrund zu erblicken.

Erwägung 6

  6.  Nach dem Gesagten bleibt zu prüfen, ob die der Beklagten vom
Kantonsgericht vorgeworfene Kontaktaufnahme mit Medienschaffenden durch ein
den Anspruch des Klägers auf Unversehrtheit seiner Person überwiegendes
Interesse gerechtfertigt gewesen sei.

  6.1  Das Kantonsgericht geht zu Recht davon aus, die Tätigkeit als
Chefarzt an einem öffentlichen Spital falle in die Gemeinsphäre und der
Kläger habe in einem gewissen Mass eine direkte oder indirekte
(beispielsweise durch die SPO ausgeübte) öffentliche Kontrolle seiner
Berufsausübung zu akzeptieren. Nicht ganz frei von Widerspruch sind die
Ausführungen der Vorinstanz, wenn diese zunächst dafür hält, das
Operationsprogramm vom 2. Februar 1999 sei ein geeigneter Aufhänger zur
Erwirkung einheitlicher Richtlinien bzw. Empfehlungen auf
gesamtschweizerischer Ebene gewesen, in der Folge dann aber der Beklagten
entgegenhält, für einen Gang an die Presse habe es sich beim genannten
Operationsplan als Programm eines einzelnen Operationstages um eine
ungenügende Grundlage gehandelt.

  6.2  Die von der Beklagten für ihr Vorgehen angerufenen Anliegen von
Privatpatienten in öffentlichen Spitälern sind als Interessen öffentlicher
Natur zu qualifizieren. Das Kantonsgericht hat sie als berechtigt erachtet
und erklärt, aus der Sicht von Privatpatienten bestehe ein Interesse daran,
dass darauf hingearbeitet werde, den Begriff des "persönlichen Operierens"
in der Praxis möglichst einheitlich auszulegen; Privatpatienten vertrauten
darauf, von dem von ihnen gewählten Arzt persönlich operiert zu werden, und
zwar vom Anfang bis zum Ende; sie schenkten ihr Vertrauen in erster Linie
einer Person, und nicht einer Organisation; jedes andere Vorgehen

müsse begründet und mit ihnen in verständlicher Weise abgesprochen sein. Des
Weiteren weist die Vorinstanz darauf hin, dass die von ihr dargelegte
Erwartungshaltung von Privatpatienten in Fachkreisen keineswegs als jenseits
jeder realistischen Einschätzung liegend beurteilt werde; sie wiederspiegle
sich denn auch in der als Folge der durch die Beklagte aufgegriffenen
Thematik erlassenen und veröffentlichten Empfehlung der Schweizerischen
Gesellschaft für Chirurgie an ihre Mitglieder.

  6.3  Aus der Sicht des auch durch das Kantonsgericht anerkannten
öffentlichen Interesses ist es entgegen dessen Ansicht unerheblich, ob die
Beklagte die Informationen Behörden bzw. Fachkreisen oder Medienschaffenden
hat zukommen lassen. Es ist vielmehr so, dass die von der aufgegriffenen
Frage Betroffenen vor allem auch unter den Adressaten der Medien zu finden
sind. Der Standpunkt der Vorinstanz lässt sich sodann auch nicht mit dem
Hinweis darauf stützen, dass die Beklagte bei der von ihr beanstandeten
Weitergabe der Unterlagen den Namen des Klägers preisgegeben hat. Letzteres
hat den benachrichtigten Journalisten bzw. dem Fernsehen ermöglicht, den
Kläger zu kontaktieren und vor der Verarbeitung des erhaltenen Materials
Stellung nehmen zu lassen.

  6.4  Das Kantonsgericht hält den in Frage stehenden Gang zu den Medien für
verfrüht und aus diesem Grund für unverhältnismässig: Durch ihr Vorgehen
habe die Beklagte der Sache zu einer personalisierten Dimension in aller
Öffentlichkeit verholfen, ohne abzuwarten, ob ihre Vorstösse bei Fachkreisen
und Aufsichtsorganen etwas bewirken würden.

  Die Vorinstanz lässt ausser Acht, dass die Beklagte das Operationsprogramm
vom 2. Februar 1999 einem Brief beigelegt hatte, den sie bereits am 6.
Januar 2000, d.h. 23 Monate vor der Kontaktierung der beiden
Medienschaffenden, dem Kantonalen Untersuchungsrichter geschrieben hatte.
Der Kläger selbst weist sodann darauf hin, dass das kantonale
Gesundheitsdepartement auf Grund von Gerüchten, die die Beklagte in die Welt
gesetzt habe, ihn (ebenfalls schon) im Januar 2000 zur Stellungnahme
aufgefordert habe. Ausserdem hatte der Präsident der Ärztegesellschaft des
Kantons St. Gallen in einem Schreiben vom 11. Februar 2000 der Beklagten
mitgeteilt, er habe erfahren, sie verfüge über Unterlagen, die dokumentieren
sollten, dass der Kläger systematisch an vier OP-Tischen operiere, die
Patienten im Glauben lasse, dass er alle selber operiere, und entsprechend
auch kassiere.

  Als die Beklagte sich im Dezember 2001 an das Schweizer Fernsehen und den
freien Journalisten Markus Rohner wandte, hatten mithin verschiedene
öffentliche und fachliche Stellen seit fast zwei Jahren zum Teil direkt auf
Grund des Operationsprogrammes vom 2. Februar 1999 Kenntnis von der von ihr
aufgegriffenen Problematik. Die vom Kantonsgericht angesprochene Empfehlung
an die Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für Chirurgie hat deren
Vorstand dagegen erst am 21. November 2002 verabschiedet.

  6.5  Die Auffassung des Kantonsgerichts, die Beklagte habe
unverhältnismässig gehandelt, indem sie mit den anhand des erwähnten
Operationsprogrammes aufgeworfenen Fragen bezüglich des persönlichen
Operierens von Privatpatienten durch den Kläger an die Redaktion der Sendung
"10vor10" des Fernsehens SFDRS und den freien Journalisten Markus Rohner
gelangt sei, als sie eben erst Fachgremien bzw. das kantonale
Gesundheitsdepartement damit konfrontiert gehabt habe, erscheint angesichts
der dargelegten Gegebenheiten und der auf dem Spiele stehenden Interessen
als unbegründet. Zu beachten ist insbesondere auch, dass die von der
Beklagten kontaktierten Medienschaffenden vor der endgültigen Verarbeitung
der Informationen mit dem Kläger Verbindung aufgenommen und ihn zur
Stellungnahme eingeladen haben und dass die Beklagte von einem solchen
Vorgehen der beiden Journalisten ausgehen durfte.