Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 503



Urteilskopf

132 III 503

  59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Schweizerischer
Baumeisterverband (SBV) gegen Hoch- und Tiefbau-Genossenschaft Bern
(Berufung)
  5C.67/2006 vom 8. Juni 2006

Regeste

  Art. 66 Abs. 2 und Art. 75 ZGB; vereinsrechtliche Anfechtungsklage gegen
Beschlüsse von Delegierten- und Generalversammlung; Beschlussfassung im
Zirkularverfahren.

  Interessenlage im Anfechtungsprozess (E. 3.1). Mit rechtzeitiger Klage
gegen den Beschluss der Generalversammlung kann der vorangegangene Beschluss
der Delegiertenversammlung mitangefochten werden (E. 3.2). Verwirkung des
Anfechtungsrechts verneint (E. 3.3).

  Schriftliche Mehrheitsentscheidungen einer Delegiertenversammlung ohne
statutarische Grundlage sind unzulässig (E. 4). Die Verletzung der
Verfahrensregel macht sowohl den Beschluss der Delegiertenversammlung als
auch den darauf gestützten Beschluss der Generalversammlung ungültig (E. 5).

Sachverhalt

  Die Hoch- und Tiefbau-Genossenschaft Bern (hiernach: Klägerin) ist
Mitglied des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV; fortan: Beklagter).
Dieser ist ein im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragener Verein.
Mitglieder des Beklagten sind Unternehmungen des Bauhauptgewerbes und
verwandte Produktionsunternehmungen. Seine Mitglieder können Sektionen mit
örtlichem Bezug oder Fachgruppen angehören. Eine dieser Fachgruppen ist der
im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragene Verein "HOLZBAU SCHWEIZ
Verband Schweizer Holzbau-Unternehmungen" (Fachgruppe Holzbau Schweiz). Der
Beklagte schloss am 12. November 2002 mit Gewerkschaften den
"Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe
(GAV FAR)".

  Gemäss den Statuten vom 2. Juli 1987 ist ein Austritt aus dem Beklagten
nur auf Ende des Kalenderjahres zulässig, wobei die Kündigung sechs Monate
vorher durch eingeschriebenen Brief an die Geschäftsstelle des Beklagten
erfolgen muss (Art. 11.1.). Am 24. Februar 2003 gelangte die Fachgruppe
Holzbau Schweiz schriftlich an den Beklagten und teilte ihm mit, gemäss dem
Beschluss ihrer Delegiertenversammlung vom 15. November 2002 wolle sie die
Interessen der Holzbau- und Zimmereibranche selbstständig und alleinig
vertreten, weshalb sie als Fachgruppe aus dem Beklagten austrete. 652
Firmen, die gleichzeitig Mitglieder des Beklagten und der Fachgruppe Holzbau
Schweiz seien, würden hiermit Statutenänderungen beantragen, und zwar mit
dem Ziel, den Mitgliedern der Fachgruppe Holzbau Schweiz den Austritt bis
zum 31. März 2003 zu ermöglichen.

  Nach Erhalt dieses Schreibens gelangte der Zentralvorstand des Beklagten
am 5. März 2003 schriftlich an seine Delegierten. Er legte dar, dass die
Mitglieder der Fachgruppe Holzbau Schweiz von ihrem Recht Gebrauch gemacht
hätten, eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen. Diese werde
nun auf Mittwoch, 26. März 2003 terminiert. Nach den Statuten des Beklagten
seien Statutenänderungen der Generalversammlung durch einen entsprechenden
Beschluss der Delegiertenversammlung zu beantragen. Der Zentralvorstand habe
beschlossen, dass dieser Beschluss der Delegiertenversammlung auf dem
schriftlichen Weg gefasst werde. Sollten aber im Sinne von Art. 30.1. der
Statuten mehr als 1/8 der Delegierten die Entlassung der austretungswilligen
Mitglieder von Holzbau Schweiz aus dem Beklagten ablehnen, so werde eine
ausserordentliche Delegiertenversammlung stattfinden. Am 20. März 2003
wandte sich der Zentralvorstand des Beklagten erneut an seine Delegierten.
Der vorgeschlagenen Statutenänderung hätten 115 Delegierte zugestimmt,
während 18 Delegierte diese Änderung abgelehnt hätten. Das notwendige Quorum
von 1/8, nämlich 24 der insgesamt 195 Delegierten, welches zur Einberufung
der Delegierten nötig wäre, sei nicht erreicht worden. Die ausserordentliche
Delegiertenversammlung werde daher nicht einberufen.

  Am 26. März 2003 fand die Generalversammlung des Beklagten statt. Die
Generalversammlung ergänzte Art. 11.1. der Statuten betreffend "Austritt"
mit 553 Ja-Stimmen gegen 11 Nein-Stimmen antragsgemäss und gestattete der
Fachgruppe Holzbau Schweiz und deren Mitgliederbetrieben ohne Einhaltung der
Kündigungsfrist per 31. März 2003 aus dem Beklagten auszutreten (Art.
11.3.).

  Mit Eingabe vom 25. April 2003 leitete die Klägerin gegen den Beklagten
den Prozess auf Anfechtung des am 26. März 2003 getroffenen Beschlusses
betreffend Abänderung der Statuten ein. Sie beantragte, es sei
festzustellen, dass der Beschluss der Generalversammlung des Beklagten vom
26. März 2003 nichtig, eventuell ungültig sei. Die Klage wurde in erster
Instanz abgewiesen, in zweiter Instanz hingegen gutgeheissen. Das
Bundesgericht weist die Berufung des Beklagten ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Organe des Beklagten sind gemäss Statuten die Generalversammlung, die
Delegiertenversammlung, der Zentralvorstand und die Kontrollstelle (Art.
17). Die der Generalversammlung zustehenden

Befugnisse sind unter Vorbehalt von Art. 21 der Statuten und Art. 65 Abs. 3
ZGB der Delegiertenversammlung übertragen (Art. 18.1.). Zu den Befugnissen
der Generalversammlung gehört die "Beschlussfassung über Anträge der
Delegiertenversammlung auf Änderung der Statuten" (Art. 21.7.). Die
Delegierten tagen jährlich in der Regel an zwei ordentlichen und auf
Einladung hin zusätzlich an ausserordentlichen Versammlungen (Art. 30). In
ihre Befugnisse fällt die "Beschlussfassung über einen Antrag an die
Generalversammlung auf Änderung der Statuten" (Art. 31.17.). Eine
schriftliche Mehrheitsentscheidung der Delegierten auf dem Korrespondenzweg
sehen die Statuten nicht vor, schliessen sie aber auch nicht ausdrücklich
aus. Hauptgegenstand des Anfechtungsprozesses ist deshalb die Frage, ob die
Delegierten gültig über den Antrag auf Änderung der Statuten beschlossen
haben und inwiefern sich eine allfällige Gesetzes- oder Statutenverletzung
einerseits auf den Beschluss der Delegierten, der Generalversammlung eine
Änderung der Statuten zu beantragen, und andererseits auf den Beschluss der
Generalversammlung, die Statuten gemäss Antrag der Delegierten zu ändern,
ausgewirkt hat oder hätte auswirken können (E. 4 und 5). Vorweg ist auf die
Legitimation zur Anfechtungsklage und die Anfechtungsfrist einzugehen (E. 3
hiernach).

Erwägung 3

  3.  Nach Art. 75 ZGB können Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die
Statuten verletzen, von jedem Vereinsmitglied, das nicht zugestimmt hat,
binnen Monatsfrist beim Gericht angefochten werden. In Frage stehen hier
lediglich die Interessenlage im Anfechtungsprozess und die Einhaltung der
Klagefrist.

  3.1  Aktivlegitimiert ist die Klägerin als Vereinsmitglied, das dem
Beschluss der Generalversammlung, die Statuten zu ändern, nicht zugestimmt
hat. Das - als Rechtsfrage von Amtes wegen zu prüfende (BGE 116 II 351 E. 3b
S. 355) - Interesse der Klägerin an der Anfechtung einer Statutenänderung,
die anderen Vereinsmitgliedern den Austritt erleichtert, hat das Obergericht
im Zusammenhang mit dem vom Beklagten geschlossenen Gesamtarbeitsvertrag
gesehen, dessen Allgemeinverbindlicherklärung sich einzelne
Vereinsmitglieder durch den Austritt aus dem Beklagten hätten entziehen
wollen. Es kann dahingestellt bleiben, wie es sich damit verhält. Denn das
im Gesetz vorgesehene Anfechtungsrecht schützt das einzelne Vereinsmitglied
nicht nur gegen die unmittelbare Verletzung seiner Mitgliedschaftsrechte
durch die Mehrheit, sondern garantiert ihm - darüber hinaus - die
Rechtmässigkeit des korporativen

Lebens (BGE 108 II 15 E. 2 S. 18). Das Interesse an einer gerichtlichen
Beurteilung ist somit weit gefasst (zur aktienrechtlichen Anfechtungsklage:
BGE 122 III 279 E. 3a S. 282) und hier unabhängig von der individuellen
Betroffenheit bzw. von einem besonderen Rechtsschutzinteresse zu bejahen
(vgl. etwa HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches, Bern 2005, Rz. 18.59 S. 307). Passivlegitimiert ist im
Anfechtungsprozess der Verein (vgl. etwa PERRIN, Droit de l'association,
Genf 2004, S. 172). Er vertritt somit die Mehrheit seiner Mitglieder, die
dem fraglichen Beschluss zugestimmt haben (zur aktienrechtlichen
Anfechtungsklage: BGE 122 III 279 E. 3c/aa S. 283). Durch das Urteil, das
eine Anfechtungsklage gutheisst und einen Vereinsbeschluss aufhebt, ist der
Verein nicht nur formell beschwert, sondern mit Blick auf das Interesse der
Mehrheit seiner Mitglieder auch materiell beschwert und damit zur
Rechtsmitteleinlegung berechtigt (vgl. zur Beschwer: BGE 114 II 189 E. 2 S.
190).

  3.2  Die dreissigtägige Anfechtungsfrist läuft seit der Kenntnisnahme
durch das betreffende Mitglied. Fest steht nach dem vorinstanzlichen
Entscheid, dass die Klägerin die Anfechtungsklage gegen den
Generalversammlungsbeschluss vom 26. März 2003 am letzten Tag der
Monatsfrist nach der Generalversammlung eingereicht und damit die Frist zur
Anfechtung der dort beschlossenen Statutenänderung gewahrt hat. Umstritten
ist indessen, ob der Antrag der Delegiertenversammlung statutenkonform
zustande gekommen ist, weil der Beklagte keine Versammlung durchführte,
sondern den Beschluss über den Antrag auf schriftlichem Weg einholte. Es
stellt sich die Frage, ob nicht dieser Beschluss innert dreissig Tagen hätte
angefochten werden müssen. Der Beklagte teilte den Delegierten am 20. März
2003 mit, der Antrag auf Statutenänderung sei mit 115 gegen 18 Stimmen
beschlossen worden. Spätestens mit Zustellung des Schreibens vom 20. März
2003 nahm auch die Klägerin vom Antragsbeschluss der Delegiertenversammlung
Kenntnis, so dass die Klage gegen diesen Beschluss an sich verspätet ist.

  Die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Anfechtung des Beschlusses der
Delegiertenversammlung wurde zwar in den Rechtsschriften und in den
vorinstanzlichen Entscheiden nicht aufgeworfen. Das Bundesgericht prüft
indessen das Recht von Amtes wegen, weshalb es gestützt auf den verbindlich
festgestellten Sachverhalt die Frage der Rechtzeitigkeit der
Klageeinreichung zu überprüfen hat. Es handelt sich bei der Frist gemäss
Art. 75 ZGB um eine Verwirkungsfrist, deren

Nichteinhaltung durch das Bundesgericht in jedem Fall zu berücksichtigen ist
(BGE 85 II 525 E. 3 S. 536; 118 II 12 E. 3b S. 18).

  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann ein Vereinsmitglied den
staatlichen Rechtsschutz erst in Anspruch nehmen, nachdem es von den
Rechtsbehelfen, die ihm die Vereinsorganisation zur Verfügung stellt,
erfolglos Gebrauch gemacht hat; der vereinsinterne Instanzenzug ist deshalb
zunächst auszuschöpfen (BGE 85 II 525 E. 2 S. 533; 118 II 12 E. 3b S. 17).
Lediglich vereinsintern nicht weiterziehbare Beschlüsse der
Delegiertenversammlung sind unmittelbar anfechtbar (RIEMER, Berner
Kommentar, 1990, N. 14 und 16 zu Art. 75 ZGB sowie N. 39 a.E. zu Art. 66 ZGB
mit Hinweisen). Das Bundesgericht begründete diesen Grundsatz mit der
Absicht des Gesetzgebers, die Vereine ihre inneren Angelegenheiten möglichst
selbstständig ordnen zu lassen und die gerichtliche Überprüfung von
Vereinsbeschlüssen auf ein Mindestmass zu beschränken (BGE 51 II 237 E. 2 S.
241; 57 II 121 S. 125/126). Vorliegend steht zwar nicht das Verhältnis
zwischen dem erstinstanzlichen und dem oberinstanzlichen vereinsinternen
Entscheid zur Beurteilung, sondern dasjenige zwischen Antrag und
anschliessendem Entscheid. Auch in diesem Zusammenhang ist von Bedeutung,
dass das entscheidende Organ den Mangel selber korrigieren kann, indem es
auf den fehlerhaften Antrag nicht eintritt oder diesen zur Verbesserung
zurückweist. Im vorliegenden Fall wäre es der Generalversammlung
freigestanden, auf den Antrag der Delegiertenversammlung wegen dessen
formellen Mängeln nicht einzutreten. Es rechtfertigt sich daher, die Klage
gegen den Antragsbeschluss der Delegiertenversammlung erst zuzulassen, wenn
die Generalversammlung darüber entschieden hat. Dies bedeutet, dass sich die
Frage nach der Zulässigkeit der schriftlichen Mehrheitsentscheidung auf dem
Korrespondenzweg lediglich als Vorfrage stellt. Hauptfrage ist
ausschliesslich diejenige nach der Gültigkeit des
Generalversammlungsbeschlusses vom 26. März 2003. Gegen diesen Beschluss ist
die Klage rechtzeitig eingereicht worden.

  3.3  Eine andere Frage ist, ob die Klägerin den Verfahrensmangel
rechtzeitig gerügt hat. Es gilt nicht nur im öffentlichen Recht, sondern
gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB auch im Privatrecht der Grundsatz, dass
Verfahrensmängel, soweit rechtzeitig erkennbar und noch behebbar, vor der
Beschlussfassung zu rügen sind, andernfalls das Anfechtungsrecht verwirkt
ist (BGE 121 I 30 E. 5f S. 38; RIEMER, a.a.O., N. 59 zu Art. 75 ZGB; ders.,
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage

im schweizerischen Gesellschaftsrecht, Bern 1998, Rz. 150 S. 69). Auch diese
Frage prüft das Bundesgericht gestützt auf die Feststellungen im
angefochtenen Entscheid von Amtes wegen (BGE 121 III 60 E. 3d S. 63). Im
vorliegenden Fall hat nach den Feststellungen der Vorinstanz ein
Verwaltungsratsmitglied der Klägerin anlässlich der Generalversammlung vom
26. März 2003 verlangt, es sei wegen der formellen Mängel des
Antragsbeschlusses auf diesen nicht einzutreten, so dass die Voraussetzung
erfüllt ist. Dass die Klägerin bereits früher Anlass und Gelegenheit gehabt
hätte, die schriftliche Abstimmung zu beanstanden und eine
Delegiertenversammlung im Wortsinn zu verlangen, wird von keiner Seite
geltend gemacht. Solches ergibt sich auch nicht aus den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, so dass der Frage nicht weiter nachzugehen
ist.

Erwägung 4

  4.  Der Beklagte führt in seiner Berufungsschrift aus, er habe aufgrund
des damals unbestrittenen Ansinnens der Fachgruppe Holzbau Schweiz und auch
zur Vermeidung von unnötigen Kosten beschlossen, auf die Einberufung einer
formellen Delegiertenversammlung für ein einziges Traktandum zu verzichten
und die Delegierten auf schriftlichem Weg über den Antrag an die
Generalversammlung beschliessen zu lassen. Mangels einer entgegenstehenden
Vorschrift in den Statuten sei ein Zirkularverfahren zur Beschlussfassung
durch die Delegierten durchaus zulässig gewesen. Die Annahme, im
Zirkularverfahren sei die schriftliche Zustimmung aller Delegierten (Art. 66
Abs. 2 ZGB) erforderlich, sei bundesrechtswidrig.

  4.1  Gemäss Art. 66 Abs. 1 ZGB werden Vereinsbeschlüsse von der
Vereinsversammlung gefasst. Die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder zu
einem Antrag ist einem Beschluss der Vereinsversammlung gleichgestellt (Art.
66 Abs. 2 ZGB). Es trifft deshalb jedenfalls für die Vereinsversammlung
nicht zu, dass das Zirkularverfahren mangels einer entgegenstehenden
Vorschrift in den Statuten auch dann zulässig ist, wenn die in Art. 66 Abs.
2 ZGB verlangte Einstimmigkeit nicht erreicht wird (vgl. BRÜCKNER, Das
Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, Rz. 1216 und 1217 S. 366;
HEINI/PORTMANN, Das Schweizerische Vereinsrecht, Schweizerisches
Privatrecht, Bd. II/5, 3. Aufl., Basel 2005, Rz. 460). Das Gesetz
unterscheidet in Art. 66 ZGB nicht zwischen wichtigen und weniger wichtigen
Vereinsbeschlüssen oder zwischen solchen mit Legislativcharakter und solchen
mit Exekutivcharakter, sondern bestimmt

für alle Beschlüsse, dass diese in der Regel von der Versammlung und nur bei
Einstimmigkeit schriftlich gefasst werden können. Eine einzige
Nichtzustimmung, d.h. Nein-Stimme, Stimmenthaltung oder ungültige Stimme
schliesst die Willensbildung nach Art. 66 Abs. 2 ZGB aus (RIEMER, Berner
Kommentar, N. 27 zu Art. 66 ZGB), weshalb das Verfahren praktisch nur bei
kleinen Vereinen möglich ist (BRÜCKNER, a.a.O., Rz. 1216 S. 366). Ein Teil
der Lehre lässt den Zirkularbeschluss entgegen dem Wortlaut von Art. 66 Abs.
2 ZGB ohne statutarische Grundlage auch dann zu, wenn alle Mitglieder mit
dem Zirkularverfahren ausdrücklich einverstanden sind (EGGER, Zürcher
Kommentar, 1930, N. 6 a.E. zu Art. 64 ZGB; WEBER-DÜRLER,
Gesellschafterversammlung, Urabstimmung und Delegiertenversammlung, Diss.
Zürich 1972, Bern 1973, S. 105 f.). Da im vorliegenden Fall weder für das
Vorgehen noch im Ergebnis Einstimmigkeit erreicht wurde, kann dieser Aspekt
im Folgenden ausser Acht gelassen werden.

  4.2  Grundsätzlich gleich wie bei der Vereinsversammlung verhält es sich
bei der Delegiertenversammlung. Beim Fehlen einer statutarischen Grundlage
gelangen für die Delegiertenversammlung die Verfahrensvorschriften für die
Vereinsversammlung (Art. 66-68 ZGB) analog zur Anwendung, soweit sie auf
dieses Gremium passen (vgl. EGGER, a.a.O., N. 3 zu Art. 64 ZGB; RIEMER,
Berner Kommentar, N. 33, 37 und 39 zu Art. 66 ZGB; ders., Personenrecht des
ZGB, 2. Aufl., Bern 2002, Rz. 625-627 S. 238 f.; PEDRAZZINI/OBERHOLZER,
Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl., Bern 1993, S. 246 f.). Dies
bedeutet, dass Zirkularbeschlüsse ohne statutarische Grundlage grundsätzlich
unzulässig sind bzw. von Gesetzes wegen die schriftliche Zustimmung aller
Mitglieder erfordern (Art. 66 Abs. 2 ZGB).

  4.3  Diese Folge hängt entgegen der Meinung des Beklagten nicht davon ab,
ob die Delegiertenversammlung Befugnisse wahrnimmt, welche bei Vereinen ohne
dieses statutarische Organ der Vereinsversammlung zukommen oder nicht. Da es
sich bei der Delegiertenversammlung wie bei der Vereinsversammlung um ein
Legislativorgan handelt, gelangen die Art. 66-68 ZGB grundsätzlich analog
zur Anwendung, selbst wenn die Delegiertenversammlung Befugnisse wahrnimmt,
die ohne dieses Organ dem Vorstand zustehen. Im Übrigen gilt nach der
herrschenden Lehre auch für den Vorstand eines Vereins, dass ausschliesslich
die schriftliche Zustimmung aller stimmberechtigten Vorstandsmitglieder
einem Vorstandsbeschluss,

d.h. einem Mehrheitsbeschluss der anwesenden Vorstandsmitglieder
gleichzustellen ist (HEINI/PORTMANN, a.a.O., Rz. 495 und 499; RIEMER, Berner
Kommentar, N. 35 f., 45 und 57 zu Art. 69 ZGB mit Hinweisen; ders.,
Personenrecht, a.a.O., Rz. 637 S. 243 f.; a.M. offenbar BRÜCKNER, a.a.O.,
Rz. 1225 S. 368).

  4.4  Im vorliegenden Fall liegt wie ausgeführt weder das Einverständnis
sämtlicher Delegierten vor, eine schriftliche Abstimmung vorzunehmen, noch
ist der Antrag auf Statutenänderung einstimmig beschlossen worden. Bei
dieser Sachlage wäre eine statutarische Grundlage für Zirkularbeschlüsse
erforderlich, welche fehlt, wie das Obergericht mit Recht dargelegt hat. Die
Statuten sehen in Art. 30.1. ausdrücklich vor, dass die
Delegiertenversammlung einzuberufen sei, und weiter in Art. 30.2., dass zu
dieser Versammlung einzuladen sei. Diese Bestimmungen setzen eine
eigentliche Versammlung im Wortsinn voraus. Von einem Zirkularbeschluss ist
in den Statuten nicht die Rede. Der Beklagte ruft für seine gegenteilige
Meinung Art. 32.3. der Statuten an, wonach es für die Beschlussfassung über
einen Antrag an die Generalversammlung auf Änderung der Statuten einer
Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen bedarf. Diese Bestimmung äussert
sich - ebenso wie der sinngemäss gleich lautende Art. 23.3. betreffend die
Generalversammlung - ausschliesslich zum Quorum und nicht zur Frage der
Zulässigkeit des Zirkularverfahrens. Der Beklagte behauptet selber nicht, es
sei gestützt auf Art. 23.3. der Statuten zulässig, Statutenänderungen durch
die Generalversammlung auf dem Zirkularweg zu beschliessen.

  4.5  Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Statuten des Beklagten für
die Delegiertenversammlung kein Zirkularverfahren kennen und dieses daher
grundsätzlich unzulässig ist. Lediglich die schriftliche Zustimmung aller
Delegierten ist einem Beschluss der Delegiertenversammlung gleichgestellt.
Da ein solcher einstimmiger Beschluss weder für das Vorgehen noch für den
Antragsbeschluss vorliegt, besteht kein gültiger Antrag der
Delegiertenversammlung an die Generalversammlung.

Erwägung 5

  5.  Es bleibt zu prüfen, inwiefern sich der festgestellte Mangel
einerseits auf den Beschluss der Delegierten, der Generalversammlung eine
Änderung der Statuten zu beantragen, und andererseits auf den Beschluss der
Generalversammlung, die Statuten gemäss Antrag der Delegierten zu ändern,
ausgewirkt hat oder hätte auswirken können.

  5.1  Der Beklagte rügt eine Verletzung von Art. 75 ZGB. Es sei nach
herrschender Lehre und Praxis anerkannt, dass eine Gesetzes- oder
Statutenverletzung nur dann zur Gutheissung einer Anfechtungsklage führen
könne, wenn sie sich auf den betreffenden Beschluss im Ergebnis ausgewirkt
habe oder habe auswirken können. Angesichts des klaren Ergebnisses der
schriftlichen Stellungnahmen der Delegierten sei erstellt, dass die
Durchführung einer Delegiertenversammlung nicht zu einem andern Ergebnis
geführt hätte. Es komme hinzu, dass der den Delegierten mitgeteilte Verzicht
auf die Durchführung einer formellen Versammlung unter der Bedingung
gestanden habe, dass bei einer Ablehnung von mehr als einem Achtel der
Delegierten gleichwohl eine Versammlung durchgeführt worden wäre. Der
Umstand, dass lediglich 18 der 195 Delegierten die Statutenänderung
abgelehnt hätten, bilde einen weiteren Beleg dafür, dass sich eine
Zusammenkunft der Delegierten auf deren Beschluss im Resultat nicht habe
auswirken können. Schliesslich sei aufgrund des eindeutigen
Abstimmungsergebnisses in der Generalversammlung vom 26. März 2003 erstellt,
dass die Abhaltung einer Delegiertenversammlung die Entscheidung der
Generalversammlung nicht anders hätte ausfallen lassen.

  5.2  Das Obergericht hat dazu ausgeführt, dass das aufwändige Verfahren
für Statutenänderungen in zwei Stufen, nämlich zunächst ein Antragsbeschluss
der Delegiertenversammlung mit Dreiviertelmehrheit und alsdann ein Beschluss
der Generalversammlung mit Dreiviertelmehrheit, Zufallsentscheide und
"putschartige" Statutenänderungen verhindern solle. Es sei durchaus legitim,
für die Änderung der Vereinsverfassung bestimmte Hürden vorzusehen. Es lasse
sich sodann auch nicht sagen, die Durchführung einer Delegiertenversammlung
wäre sinnlos gewesen, weil die Generalversammlung bezüglich der hier zu
diskutierenden Statutenänderung ohnehin mit einem denkbar deutlichen
Ergebnis entschieden habe. Tatsache sei nämlich, dass die vorgängige
Delegiertenversammlung nicht stattgefunden habe. Wie die Willensbildung
dieser Versammlung bei einer offenen Aussprache vonstatten gegangen wäre,
müsse auf jeden Fall dahingestellt bleiben.

  5.3  Zunächst ist zu wiederholen, dass die Anfechtung rechtzeitig erfolgt
ist (E. 3) und dass die Mehrheitsentscheidung der Delegierten auf dem
Korrespondenzweg keine statutarische Grundlage hat und Art. 66 Abs. 2 ZGB
verletzt (E. 4 hiervor). Nach der Rechtsprechung könnte bei dieser Sachlage
von einer Ungültigerklärung

lediglich dann abgesehen werden, wenn diese als überspitzt formalistisch
erschiene. Allerdings ist darauf zu achten, dass mit dem Verbot des
überspitzten Formalismus Art. 66 Abs. 2 ZGB nicht ausgehöhlt wird. Der
blosse Umstand, dass im schriftlichen Verfahren das statutarische Quorum,
welches bei einer Versammlung verlangt wird, erreicht worden ist, vermag den
Mangel deshalb nicht zu heilen. Bei der Frage, ob der Entscheid aufzuheben
sei oder nicht, ist sowohl die Bedeutung des Mangels als auch die Schwere
der Verletzung zu gewichten. Wesentlich ist dabei, ob die Verletzung der
Verfahrensregel einen Einfluss auf den Entscheid haben konnte oder nicht
(BGE 114 II 193 E. 6 S. 199).

  5.4  Der Verfahrensmangel ist vorliegend nicht bedeutungslos. Ein
Zirkularbeschluss anstelle der Versammlung verunmöglicht die Willensbildung
der Delegierten in lebendiger Diskussion und wird daher in der Lehre etwa
als Notbehelf bezeichnet (BRÜCKNER, a.a.O., Rz. 1218 S. 366). Es ist offen,
wie sich die Delegierten im Rahmen einer direkten Aussprache verhalten
hätten, wo Meinung und Gegenmeinung aufeinander gestossen wären. Der
Beklagte hat sich zudem an die Hürden zur Änderung seiner Vereinsverfassung,
die er selber zur Vermeidung von Zufallsentscheiden und überfallartigen
Statutenänderungen im Interesse der Kontinuität gestellt hat, zu halten. Er
hat selber zur Betonung des korporativen Elements eine Versammlung der
Delegierten und nicht eine schriftliche Umfrage vorgesehen. Dieser
Versammlungsgrundsatz darf mit dem Verbot des überspitzten Formalismus nicht
in sein Gegenteil verkehrt werden. Der Umstand, dass im schriftlichen
Verfahren eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht worden
ist, reicht für eine Heilung des Mangels deshalb nicht aus. Es ist zudem
offen, ob an einer Versammlung mehr oder weniger Delegierte als an der
schriftlichen Umfrage teilgenommen hätten. Hätten sämtliche 195 Delegierte
an der Versammlung teilgenommen, wäre die erforderliche Dreiviertelmehrheit
mit 115 Ja-Stimmen nicht erreicht worden. Immerhin haben sich 80 Delegierte
entweder negativ oder gar nicht geäussert. Es kann daher nicht gesagt
werden, es wäre kein anderes Ergebnis möglich gewesen. Angesichts der
Bedeutung des im Versammlungsgebot zum Ausdruck gelangenden
Korporationsgedankens und des konkreten Abstimmungsergebnisses kann die
Ungültigerklärung des Zirkularbeschlusses nicht als überspitzt formalistisch
betrachtet werden. Art. 66 Abs. 2 ZGB, wonach alle Mitglieder schriftlich
zustimmen müssen, damit der schriftliche Beschluss

dem Beschluss einer Versammlung gleichgestellt werden kann, würde
ausgehöhlt, wenn bei der vorliegenden Ausgangslage das Ergebnis trotz des
Verfahrensfehlers akzeptiert würde.

  5.5  Daran ändert nichts, dass der Vorstand eine Versammlung angeordnet
hätte, wenn ein Achtel der Delegierten dies verlangt hätte. Es trifft zwar
zu, dass gemäss Art. 30.1. der Statuten ein Achtel der Delegierten unter
Angabe der Gründe die Durchführung einer Versammlung verlangen kann. Das
Obergericht weist indessen mit Recht darauf hin, dass sich diese Bestimmung
weder über das Quorum bei Abstimmungen noch darüber äussert, ob eine
Abstimmung schriftlich durchgeführt werden darf.

  5.6  Schliesslich vermag auch das deutliche Ergebnis der
Generalversammlung nichts daran zu ändern, dass ein gültiger Antrag der
Delegiertenversammlung fehlt. Es kann auch nicht gesagt werden, beim
Antragsbeschluss der Delegiertenversammlung handle es sich um eine blosse
Ordnungsvorschrift. Vielmehr ist der Antragsbeschluss der
Delegiertenversammlung Gültigkeitsvoraussetzung jeder Statutenänderung durch
die Generalversammlung (vgl. Art. 18.1. i.V.m. Art. 21.7., 31.17. und 32.3.
der Statuten). Ändert die Generalversammlung die Statuten ohne
entsprechenden Antrag der Delegiertenversammlung, so überschreitet sie ihre
Befugnisse und beschliesst ausserhalb ihrer sachlichen Zuständigkeit. Bei
dieser Sachlage muss der Beschluss der Generalversammlung vom 26. März 2003
aufgehoben werden.

  5.7  Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Frage näher einzugehen,
ob schriftliche Mehrheitsentscheidungen ohne statutarische Grundlage nicht
bloss ungültig, sondern gar nichtig sind, wie das die herrschende Lehre
annimmt (HEINI/PORTMANN, a.a.O., Rz. 460; RIEMER, Berner Kommentar, N. 47 zu
Art. 66 ZGB und N. 92 ff. zu Art. 75 ZGB mit Hinweisen; a.M. offenbar
PERRIN, a.a.O., S. 88).