Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 444



Urteilskopf

131 V 444

  58. Urteil i.S. A. gegen Arbeitslosenkasse des Kantons Zug und
Verwaltungsgericht des Kantons Zug
  C 247/04 vom 12. September 2005

Regeste

  Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 13 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG (in der
bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung); Art. 5 Abs. 2 AHVG; Art. 23
AVIG; Art. 37 AVIV; Art. 163 ff. ZGB: Nachweis der Beitragszeit.

  Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung unter dem
Gesichtspunkt der erfüllten Beitragszeit ist grundsätzlich einzig die
Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während der geforderten
Mindestbeitragsdauer. Die Rechtsprechung gemäss ARV 2001 Nr. 27 S. 225 (und
seitherige Urteile) ist nicht so zu verstehen, dass es zusätzlich einer
erfolgten Lohnzahlung bedarf; hingegen ist der Nachweis, dass tatsächlich
Lohn ausbezahlt worden ist, ein erhebliches Indiz für den Beweis der
tatsächlich ausgeübten Arbeitnehmertätigkeit (Präzisierung der
Rechtsprechung). (Erw. 3)

Sachverhalt

  A.- Die 1974 geborene A. meldete sich am 6. März 2003 auf dem Arbeitsamt
ihrer Wohngemeinde zur Arbeitsvermittlung an. Im "Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung" vom 5. März 2003 gab sie an, zuletzt vom 1.
November 2001 bis 30. Juni 2002 in der Firma C. sowie vom 1. Januar bis 30.
Juni 2002 in der Firma E. gearbeitet zu haben. Laut den von ihrem Ehemann
unterzeichneten Arbeitgeberbescheinigungen vom 15. März 2003 betrug der
AHV-pflichtige Verdienst 2002 im Monat Fr. 2600.- (Firma C.) und Fr. 1000.-
(Firma E.). Als Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wurde
jeweils Personalabbau angegeben. Die Abklärungen der Arbeitslosenkasse des
Kantons Zug ergaben unter anderem, dass Einkommen in der genannten Höhe
verabgabt worden waren. Ferner war der Ehemann von A. in der fraglichen Zeit
in beiden Firmen als Geschäftsführer tätig gewesen. Zudem war er
Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift der Firma C. und
Verwaltungsratspräsident mit Einzelunterschrift der Firma E.

  Mit Verfügung vom 9. September 2003 setzte die Arbeitslosenkasse den
versicherten Verdienst auf Fr. 1000.- fest. Zur Begründung führte sie an,
über die von der Firma E. bezogenen Fr. 1000.- hinaus sei kein tatsächlicher
Lohnbezug an Hand von Bank- oder Postbelegen nachgewiesen worden. Dagegen
erhob A. Einsprache. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 wies die
Arbeitslosenkasse die Versicherte auf eine mögliche reformatio in peius hin
und gab ihr Gelegenheit zum Rückzug der Einsprache. Davon machte A. keinen
Gebrauch. Mit Einspracheentscheid vom 4. November 2003 hob die
Arbeitlosenkasse die Verfügung vom 9. September 2003 auf und verneinte den
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 6. März 2003 wegen fehlender
beitragspflichtiger Beschäftigung.

  B.- Die Beschwerde der A. wies die Sozialversicherungsrechtliche Kammer
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug nach zweifachem Schriftenwechsel mit
Entscheid vom 30. September 2004 ab.

  C.- A. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren,
Gerichtsentscheid und Verfügung (recte: Einspracheentscheid)

seien aufzuheben, ihre Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung
sei zu bejahen und der versicherte Verdienst sei auf Fr. 3600.-
festzusetzen.

  Kantonales Gericht und Arbeitslosenkasse beantragen die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

  1.

  1.1  Für die Arbeitslosenversicherung ist unter anderem beitragspflichtig,
wer nach dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung
(AHVG) obligatorisch versichert und für Einkommen aus unselbstständiger
Tätigkeit (massgebender Lohn [Art. 5 Abs. 1 AHVG]) beitragspflichtig ist
(Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG [in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen,
hier anwendbaren Fassung]).

  Als massgebender Lohn gilt grundsätzlich jedes Entgelt für in
unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete
Arbeit (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 AHVG). Dazu gehören begrifflich sämtliche
Bezüge der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem
Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis
fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden
oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares
Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder
Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie
nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht
ausgenommen ist (BGE 128 V 180 Erw. 3c, 126 V 222 Erw. 4a, 124 V 101 Erw. 2,
je mit Hinweisen). Erfasst werden grundsätzlich alle Einkünfte, die im
Zusammenhang mit einem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen und ohne dieses
nicht geflossen wären. Umgekehrt unterliegen grundsätzlich nur Einkünfte,
die tatsächlich geflossen sind, der Beitragspflicht (AHI 2001 S. 221 f. Erw.
4a mit Hinweisen).

  Die Beitragspflicht einer versicherten unselbstständig erwerbstätigen
Person entsteht mit der Leistung der Arbeit. Beiträge sind indessen erst bei
Realisierung des Lohn- oder Entschädigungsanspruchs geschuldet (BGE 111 V
166 f. Erw. 4a und b mit Hinweisen;

ZAK 1989 S. 29 Erw. 3b in fine, 1976 S. 85 und S. 394 Erw. 2a; KÄSER,
Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., Bern
1996, S. 112 Rz 4.8 und 9).

  1.2  Der Versicherte hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 7
Abs. 2 lit. a AVIG), wenn er unter anderem die Beitragszeit erfüllt hat oder
von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 8 Abs. 1 lit. e in
Verbindung mit Art. 13 und 14 AVIG). Die Beitragszeit erfüllt hat, wer
innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9
Abs. 3 AVIG) während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige
Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 AVIG [in der bis 30. Juni
2003 gültig gewesenen Fassung]).

  Nach der Rechtsprechung ist die Ausübung einer an sich beitragspflichtigen
Beschäftigung nur Beitragszeiten bildend, wenn und soweit hiefür effektiv
ein Lohn ausbezahlt wird (BGE 128 V 190 Erw. 3a/aa in fine mit Hinweisen;
ARV 2004 Nr. 10 S. 115, 2002 Nr. 16 S. 116, 2001 Nr. 27 S. 225; Urteile L.
vom 20. September 2004 [C 34/04] und L. vom 28. Juli 2004 [C 250/03]). Mit
dem Erfordernis des Nachweises effektiver Lohnzahlung sollen und können
Missbräuche im Sinne fiktiver Lohnvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer verhindert werden (ARV 2001 Nr. 27 S. 228 Erw. 4c). Als Beweis
für den tatsächlichen Lohnfluss genügen Belege über entsprechende Zahlungen
auf ein auf den Namen des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin lautendes
Post- oder Bankkonto. Bei behaupteter Barauszahlung fallen Lohnquittungen
und Auskünfte von ehemaligen Mitarbeitern (allenfalls in Form von
Zeugenaussagen) in Betracht. Höchstens Indizien für tatsächliche Lohnzahlung
bilden Arbeitgeberbescheinigungen, vom Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin
unterzeichnete Lohnabrechnungen und Steuererklärungen sowie Eintragungen im
individuellen Konto (vgl. die erwähnten Präjudizien; ferner BARBARA KUPFER
BUCHER, Der Nachweis des Lohnflusses als Voraussetzung für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung: eine zusammenfassende Darstellung der Grundlagen
und der Praxis mit einer kritischen Würdigung, in: SZS 2005 S. 125 ff.,
insbesondere S. 134 ff.).

Erwägung 2

  2.

  2.1  Aufgrund der Akten und nach den insoweit unbestrittenen
Feststellungen des kantonalen Gerichts wurden die von der Versicherten
geltend gemachten Lohnbezüge für die Zeit vom 1. Januar

bis 30. Juni 2002 von monatlich Fr. 1000.- und Fr. 2600.- in den
Arbeitgeberbescheinigungen der Firma E. sowie der Firma C. vom 15. März 2003
bestätigt. Diese waren vom Ehemann der Versicherten unterzeichnet, welcher
damals Geschäftsführer beider Firmen sowie Verwaltungsrat resp.
Verwaltungsratspräsident je mit Einzelunterschrift war. Gemäss IK-Auszug vom
3. Oktober 2003 wurden Einkommen in dieser Höhe verabgabt. Aus den
Buchhaltungsunterlagen der genannten Firmen ergaben sich keine
Lohnauszahlungen oder -überweisungen an die Beschwerdeführerin. Bei der
Firma E. bestand ein internes Kontokorrentkonto, auf welches von Januar bis
Juni 2002 unter anderem jeweils ein Betrag von Fr. 1000.- abzüglich
entsprechender Sozialversicherungsbeiträge gutgeschrieben worden war. Ein
solches Konto wurde von der Firma C. nicht geführt. Unregelmässige grössere
und kleinere Barbezüge erfolgten von den jeweiligen Kontokorrentkonten des
Ehemannes der Versicherten. Die Gelder flossen entweder auf ein auf seinen
Namen lautendes Bankkonto oder wurden direkt für private Bedürfnisse (Miete,
Versicherungen etc.) verwendet. Ebenfalls waren Überweisungen von der Firma
E. auf die Firma C. als Privatdarlehen getätigt worden.

  Die Vorinstanz hat diese Umstände in dem Sinne rechtlich gewürdigt, dass
ein effektiver Bezug der geltend gemachten Lohnzahlungen nicht mit dem
erforderlichen Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei.
Das Anspruchserfordernis der erfüllten (Mindest-)Beitragszeit nach Art. 8
Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG sei somit nicht gegeben.
Es bestehe daher kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

  2.2  In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird geltend gemacht, eine
beitragspflichtige Beschäftigung nur als Beitragszeit im Sinne von Art. 13
Abs. 1 AVIG anzurechnen, wenn hiefür tatsächlich Lohn ausgerichtet worden
sei, widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes. Zudem würden damit systemwidrig
eine Anspruchsnorm (Art. 13 AVIG) und eine Bemessungsnorm (Art. 23 AVIG)
miteinander verknüpft. Im Weitern sei es widersprüchlich, wenn die
Beweiskraft von Lohnquittungen resp. Quittungen über einen erfolgten
Barbezug in ARV 2004 Nr. 10 S. 115 bejaht, in ARV 2002 Nr. 16 S. 116 dagegen
verneint werde. Sodann schränkten die Gerichts- und die gleich lautende
Verwaltungspraxis die Art des Nachweises des tatsächlichen Lohnbezuges in
gesetzwidriger Weise ein.

Es gebe keine Vorschriften, in welcher Form der Lohn zu beziehen sei.
Insbesondere müsse die Lohnzahlung nicht auf ein auf den Arbeitnehmer
lautendes Konto erfolgen. Demgemäss werde die Form des Lohnbezuges beim
Nachweis des tatsächlichen Lohnflusses nicht oder zumindest ungenügend
berücksichtigt. Dies sei mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht
vereinbar. Schliesslich werde nicht der direkte Beweis effektiver
Lohnzahlung gefordert. Es genüge der Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit. Bei Anlegung dieses Beweismasses seien die geltend
gemachten Lohnbezüge erstellt. Diese seien im Kontokorrentkonto der Firmen
verbucht. Die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge seien korrekt
abgerechnet und das erzielte Einkommen ordnungsgemäss versteuert worden.
Dabei sei die Steuererklärung anders als in ARV 2004 Nr. 10 S. 115 zu einem
Zeitpunkt erfolgt, als der Versicherten die Anforderungen an den Nachweis
der Lohnzahlungen noch nicht bekannt gewesen seien.

Erwägung 3

  3.  Die kritisierte Gerichtspraxis kann indessen nicht so verstanden
werden, dass eine beitragspflichtige Beschäftigung schlechterdings nur dann
Beitragszeiten bildend ist, wenn und soweit der Nachweis tatsächlicher
Lohnzahlung erbracht ist. Für eine solche den klaren Wortlaut des Art. 13
Abs. 1 AVIG einschränkende (reduzierende) Auslegung (BGE 127 V 417 Erw. 3b
mit Hinweisen) sprächen denn auch keine triftigen Gründe.

  3.1
  3.1.1  Nach BGE 113 V 352 ist im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 AVIG einzig
vorausgesetzt, dass die versicherte Person innerhalb der zweijährigen
Rahmenfrist des Art. 9 Abs. 3 AVIG während mindestens sechs Monaten effektiv
eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Nicht erforderlich ist,
dass die für diese Zeit geschuldeten, vom Arbeitgeber zu entrichtenden
paritätischen Beiträge auch tatsächlich bezahlt wurden. Dass nach dem
Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 AVIG die Ausübung einer beitragspflichtigen
Beschäftigung massgeblich ist, und nicht die Erfüllung der Beitragspflicht,
ergibt sich auch aus der gesetzlichen Ordnung des Beitragsbezugs (Art. 5
Abs. 1 und Art. 6 AVIG,  Art. 14 Abs. 1 AHVG). Danach hat es der oder die
unselbstständig erwerbende Versicherte in der Arbeitslosenversicherung so
wenig wie in der Alters- und Hinterlassenenversicherung in der Hand, dass
die paritätischen Beiträge tatsächlich der Ausgleichskasse zufliessen.

  In dem in BGE 113 V 352 beurteilten Fall konnte die am Recht stehende
Versicherte lediglich für viereinhalb Monate innerhalb der
Beitragsrahmenfrist einen effektiven Lohnbezug nachweisen. Weitere
Lohnzahlungen waren unbestrittenermassen nicht erfolgt. Gleichwohl bejahte
das Eidgenössische Versicherungsgericht wie schon die Vorinstanz das
Anspruchserfordernis der erfüllten (Mindest-)Beitragszeit, weil aufgrund der
gesamten Umstände als erstellt gelten konnte, dass die Versicherte "zusammen
mit den 4 1/2 Monaten des Jahres 1984 eine beitragspflichtige Beschäftigung
von mindestens sechs Monaten ausgeübt hat" (ARV 1988 Nr. 1 S. 19 f. Erw. 3b
und c).

  3.1.2  Aus BGE 113 V 352 ergibt sich, dass die Tatsache von bei Eintritt
der Arbeitslosigkeit noch nicht realisierten Entgelten für in
unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit grundsätzlich nicht zu Lasten
der versicherten Person gehen soll. Dies kommt auch in der Regelung des Art.
29 Abs. 1 AVIG (Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei begründeten
Zweifeln über das Bestehen von arbeitsvertraglichen Ansprüchen im Sinne von
Art. 11 Abs. 3 AVIG oder deren Erfüllbarkeit) sowie bei der
Insolvenzentschädigung (Art. 51 ff. AVIG) zum Ausdruck. Vorbehalten bleiben
Obliegenheiten im Rahmen der Schadenminderungspflicht (vgl. BGE 126 V 374
Erw. 3c/aa und ARV 1999 Nr. 8 S. 34 Erw. 3b sowie ARV 2002 Nr. 8 S. 62 und
Nr. 30 S. 190). Anders verhält es sich nur bei einem klaren Verzicht der
versicherten Person auf der Beitragspflicht unterliegende Forderungen aus
dem Arbeits- oder Dienstverhältnis (vgl. ARV 1999 Nr. 8 S. 34 Erw. 3b; vgl.
auch BGE 126 V 374 unten).

  Der Tatbestand von bei Eintritt der Arbeitslosigkeit (noch) nicht
realisierten Entgelten aus einer beitragspflichtigen Beschäftigung kann
insbesondere gegeben sein, wenn eine versicherte Person nach Art. 165 Abs. 1
ZGB Anspruch auf angemessene Entschädigung für ihre Mitarbeit im Beruf oder
Gewerbe des von ihr getrennt lebenden, geschiedenen oder verstorbenen
Ehegatten hat (ARV 1999 Nr. 21 S. 113 in Verbindung mit BGE 120 II 280 und
BGE 115 Ib 37).

  3.2
  3.2.1  Nach der in ARV 2001 Nr. 27 S. 225 aufgenommenen Rechtsprechung ist
demgegenüber bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes gemäss Art. 23
Abs. 1 AVIG der im Bemessungszeitraum (Art. 37 AVIV) tatsächlich bezogene
Lohn massgebend; eine davon abweichende Lohnabrede zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer

hat grundsätzlich unbeachtet zu bleiben (BGE 128 V 190 Erw. 3a/aa mit
Hinweisen). Bei Art. 23 AVIG handelt es sich im Unterschied zu Art. 13 AVIG
(in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG) um eine Bemessungsnorm. Sie
bekommt nur dann die Bedeutung einer negativen Anspruchsvoraussetzung, wenn
der Mindestbetrag für den versicherten Verdienst von monatlich 500 Franken
resp. 300 Franken bei Heimarbeitnehmern nach Art. 40 AVIV über den
Bemessungszeitraum gemittelt nicht erreicht wird (BGE 128 V 189 Erw. 1; vgl.
auch BGE 127 V 52). Das Abstellen auf den tatsächlich ausgerichteten Lohn
anstatt auf den vereinbarten Lohn wirkt sich allenfalls auf die Höhe des
Taggeldes aus (Art. 22 Abs. 1 AVIG), berührt somit nicht den Anspruch an
sich.

  3.2.2  Der Verhinderung von Missbräuchen dient das im Gesetz zwar nicht
ausdrücklich genannte, nach ständiger Rechtsprechung, an der festzuhalten
ist, aber massgebliche Erfordernis der genügenden Überprüfbarkeit der
beitragspflichtigen Beschäftigung (ARV 2001 Nr. 12 S. 143, 1996/97 Nr. 17 S.
79, 1988 Nr. 1 S. 16; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 161;
vgl. zum alten Recht BGE 108 V 104 Erw. 2b und MAX HOLZER, Kommentar zum
Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, Zürich 1954, S. 113 mit
Hinweisen auf die Materialien sowie BBl 1980 III 562 f.). Fehlt es am
Nachweis einer tatsächlich ausgeübten unselbstständigen Tätigkeit, ist das
Anspruchserfordernis der erfüllten Beitragszeit nach Art. 8 Abs. 1 lit. e
und Art. 13 AVIG nicht gegeben, und zwar auch dann nicht, wenn als Lohn
bezeichnete oder auf ein als solches bezeichnetes Lohnkonto erfolgte
Zahlungen des Arbeitgebers bestehen. Dieser Umstand bildet nur, aber
immerhin ein bedeutsames Indiz für eine beitragspflichtige Beschäftigung.

  3.2.3  Der versicherte Verdienst nach Art. 23 AVIG bildet ein Korrektiv
bei allfälligen missbräuchlichen Lohnvereinbarungen zwischen Arbeitnehmer
und Arbeitgeber, indem grundsätzlich die tatsächlichen Lohnbezüge im
Bemessungszeitraum massgebend sind (BGE 128 V 190 Erw. 3a/aa). Im Übrigen
können im Zeitpunkt der Anmeldung zum Leistungsbezug allenfalls noch nicht
verabgabte beitragspflichtige Einkommen aus unselbstständiger
Erwerbstätigkeit nacherfasst werden. Die Frist für die verfügungsweise
Geltendmachung der Beitragsforderung bestimmt sich nach Art. 16 Abs. 1 AHVG.

  3.3  Für die im Rahmen einer beitragspflichtigen Beschäftigung geleistete
Arbeit besteht grundsätzlich ein Lohn- oder Entschädigungsanspruch. Die Höhe
des Entgelts bestimmt sich danach, was vereinbart wurde oder üblich ist
unter Berücksichtigung allfälliger zwingender gesetzlicher Vorschriften
(vgl. Art. 322 ff. OR [Einzelarbeitsvertrag] und BGE 115 V 330 Erw. 4).
Üblich ist eine Vergütung, die im selben Betrieb, in der gleichen oder einer
ähnlichen Branche, am gleichen oder einem ähnlichen Ort unter
Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falls sowie der
persönlichen Verhältnisse der Parteien, namentlich des Ausbildungsstandes
und der Fähigkeiten des Arbeitnehmers, für eine gleiche oder ähnliche
Tätigkeit bezahlt zu werden pflegt (in Pra 2000 Nr. 47 S. 268 [Urteil des
Bundesgerichts vom 23. August 1999 in Sachen F. gegen W.] S. 271 nicht
publizierte Erw. 3 mit Hinweisen auf die Lehre; zu Art. 165 Abs. 1 ZGB im
Besonderen vgl. BGE 120 II 280, 113 II 414 und ARV 1999 Nr. 21 S. 118 Erw.
2c/aa). Gelingt der anspruchsberechtigten Person der Nachweis des
tatsächlichen Lohnbezugs nicht, erfolgte namentlich keine regelmässige
Überweisung auf ein auf ihren Namen lautendes Post- oder Bankkonto, wird sie
bei Verneinung des Anspruchsmerkmals der erfüllten (Mindest-)Beitragszeit
nach Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG im Ergebnis
so gestellt, wie wenn sie gänzlich auf ein Arbeitsentgelt verzichtet hätte.

  Ein Lohnverzicht ist indessen nicht leichthin anzunehmen. Die Form der
Lohnzahlung ist grundsätzlich frei. Geldlohn wird zwar regelmässig entweder
bar ausbezahlt oder auf ein vom Arbeitnehmer angegebenes Postcheck- oder
Bankkonto überwiesen (ADRIAN STAEHELIN, Kommentar zum Schweizerischen
Zivilgesetzbuch (Zürcher Kommentar), Obligationenrecht, Der Arbeitsvertrag:
Art. 319-362 OR, 3. Aufl., Zürich 1996, N 6 zu Art. 323b). Das Konto muss
indessen nicht notwendigerweise auf den Namen des Arbeitnehmers oder der
Arbeitnehmerin lauten. Bei Eheleuten kann es sich hiebei ohne weiteres um
ein gemeinsames Konto handeln oder sogar ein solches, worüber der andere
Ehegatte allein verfügungsberechtigt ist. Sodann ist der Arbeitnehmer oder
die Arbeitnehmerin in der Verwendung des Lohnes grundsätzlich frei. Im
Verhältnis zum Arbeitgeber ist zwar Art. 323b Abs. 3 OR zu beachten. Danach
sind Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des Arbeitgebers
nichtig (BGE 130 III 27 Erw. 4.2 mit Hinweisen auf die Lehre). Unter dieses
Verbot fällt beispielsweise,

wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin sich verpflichtet, einen Teil
des Lohnes als Darlehen für bestimmte Zeit beim Arbeitgeber stehen zu
lassen. Dagegen wird eine Vereinbarung über eine Lohnstundung als zulässig
erachtet, soweit sie zur Erhaltung des Arbeitsplatzes bei vorübergehender
Illiquidität des Arbeitgebers getroffen wird (STAEHELIN, Zürcher Kommentar,
a.a.O., N 22 zu Art. 323b). Selbst ein solches an sich unzulässiges
"Stehenlassen" von Lohnforderungen lässt indessen nicht ohne weiteres den
Schluss auf einen arbeitslosenversicherungsrechtlich bedeutsamen
Lohnverzicht zu. Dies trifft insbesondere bei Sachverhalten zu, die unter
Art. 165 Abs. 1 ZGB fallen, gilt aber grundsätzlich auch dort, wo der
Ehegatte des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin eine leitende Funktion im
Betrieb innehat und eine wirtschaftlich massgebliche Stellung im Unternehmen
bekleidet. Die gegenteilige Auffassung liesse sich mit der eherechtlichen
Verpflichtung nicht vereinbaren, gemeinsam für den Unterhalt der Familie zu
sorgen, sei es durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der
Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern Ehegatten (Art.
163 Abs. 1 und 2 ZGB). Kommen die Verhältnisse dem Tatbestand der Mitarbeit
im "Beruf oder Gewerbe des andern" im Sinne von Art. 164 f. ZGB gleich,
stellt sich die weitere Frage, ob die in unselbstständiger Stellung
geleistete Arbeit sich im Rahmen der eherechtlichen Unterhaltspflicht hält.
Ist dies zu bejahen, besteht zwar Anspruch auf einen angemessenen Betrag zur
freien Verfügung (Art. 164 Abs. 1 ZGB). Dabei handelt es sich indessen nicht
um massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG (BGE 115 Ib 46 Erw. 5c
mit Hinweisen und ARV 1999 Nr. 21 S. 113).

  Zusammenfassend ist festzustellen, dass Voraussetzung für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der erfüllten Beitragszeit
nach Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG
grundsätzlich einzig die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung
während der geforderten Dauer von mindestens sechs, ab 1. Juli 2003 zwölf
Beitragsmonaten ist (BGE 113 V 352). Diese Tätigkeit muss genügend
überprüfbar sein. Dem Nachweis tatsächlicher Lohnzahlung kann nach dem
Gesagten nicht der Sinn einer selbstständigen Anspruchsvoraussetzung
zukommen, wohl aber jener eines bedeutsamen und in kritischen Fällen unter
Umständen ausschlaggebenden Indizes für die Ausübung einer
beitragspflichtigen Beschäftigung. In diesem Sinne ist die

Gerichtspraxis gemäss ARV 2001 Nr. 27 S. 225 und seitherige Urteile (Erw.
1.2) zu präzisieren.

  3.4  Im vorliegenden Fall wurden offenbar keine Abklärungen getroffen, ob
die Beschwerdeführerin tatsächlich in den Monaten Januar bis Juni 2002 eine
beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hatte. In den
Arbeitgeberbescheinigungen vom 15. März 2003 wurden als Tätigkeiten
"Hilfspersonal/Bürohilfe/Telefonistin" und "Hilfspersonal + Reinigung"
angegeben. Unter Beachtung des Vorstehenden wird die Arbeitslosenkasse
ergänzende Abklärungen vorzunehmen haben, insbesondere ob die Versicherte im
Zeitraum November 2001 und Januar bis Juni 2002 effektiv eine
beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hatte und, bejahendenfalls, ob ein
Art. 164 ZGB vergleichbarer Sachverhalt gegeben ist. Danach wird die
Verwaltung über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung neu verfügen.

Erwägung 4

  4.  (Parteientschädigung)