Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 314



Urteilskopf

131 V 314

  43. Auszug aus dem Urteil i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
gegen Z. und Kantonsgericht Basel-Landschaft
  U 268/03 vom 26. August 2005

Regeste

  Art. 38 Abs. 4, Art. 60 Abs. 2, Art. 82 Abs. 2 ATSG; Art. 106 UVG; Art.
104 MVG: Fristenstillstand nach ATSG bei mehrmonatigen Beschwerdefristen.

  Der Fristenstillstand nach ATSG ist auch bei mehrmonatigen
Beschwerdefristen zu berücksichtigen. (Erw. 4.3-4.5)
  Die Anzahl Tage des Fristenstillstandes nach ATSG sind nach Ablauf der
Rechtsmittelfrist hinzuzuzählen. (Erw. 4.6)
  In casu intertemporalrechtlicher Vorbehalt des Art. 82 Abs. 2 ATSG zu
Gunsten kantonalen Rechts: keine Anwendung des Fristenstillstandes gemäss
ATSG auf mehrmonatige Beschwerdefristen, wenn die kantonale Regelung dies
(noch) nicht vorsieht; insofern umfasst die Übergangsbestimmung des Art. 82
Abs. 2 ATSG auch negative kantonale Regelungen. (Erw. 5)

Sachverhalt

  A.- Z. erlitt am 28. August 2002 einen Verkehrsunfall. Mit
Einspracheentscheid vom 21. März 2003 bestätigte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ihre mit Verfügung vom 12. Februar 2003
wegen groben Verschuldens vorgenommene Kürzung der Taggeldleistungen um 10
%.

  B.- Dagegen liess Z. am 7. Juli 2003 Beschwerde einreichen. In der auf die
Frage der Rechtzeitigkeit beschränkten Vernehmlassung beantragte die SUVA
Nichteintreten auf das Rechtsmittel. Mit Beschluss vom 24. September 2003
trat das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, auf die Beschwerde ein.

  C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren,
unter Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass die
erstinstanzliche Beschwerde nicht rechtzeitig erhoben worden sei.

  Z. lässt die Anträge stellen, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei
nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen. Das Bundesamt

für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit dem
1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichtet auf eine
Stellungnahme.

  D.- Abschliessend lässt sich die SUVA nochmals vernehmen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  (Eintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  (...)

Erwägung 3

  3.

  3.1  (Rechtliche Grundlagen gemäss ATSG; vgl. BGE 131 V 306 Erw. 2.1)

  3.2  Nach Art. 1 Abs. 1 UVG in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung
sind die Bestimmungen des ATSG auf die Unfallversicherung anwendbar, soweit
das vorliegende Gesetz nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.
Sie finden keine Anwendung in den in Abs. 2 genannten, hier nicht
einschlägigen Bereichen. Art. 106 UVG in der ab Januar 2003 geltenden
Fassung ordnet die "Besondere Beschwerdefrist" wie folgt: In Abweichung von
Artikel 60 ATSG beträgt die Beschwerdefrist bei Einspracheentscheiden über
Versicherungsleistungen drei Monate.

  3.3  Nach der Rechtsprechung sind neue Verfahrensvorschriften
vorbehältlich anders lautender Übergangsbestimmungen in der Regel mit dem
Tag des In-Kraft-Tretens sofort und in vollem Umfang anwendbar (BGE 129 V
115 Erw. 2.2 mit Hinweisen). Art. 82 Abs. 2 ATSG enthält eine hier
einschlägige übergangsrechtliche Regelung formeller Natur: Gemäss dieser
Norm haben die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege diesem Gesetz
innerhalb von fünf Jahren nach seinem In-Kraft-Treten anzupassen; bis dahin
gelten die bisherigen kantonalen Vorschriften.

  Die im ATSG enthaltenen sowie die gestützt darauf im UVG auf den 1. Januar
2003 geänderten Verfahrensbestimmungen mit Bezug auf das gerichtliche
Rechtsmittelverfahren sind deshalb hier grundsätzlich zu berücksichtigen
(Urteil T. vom 29. Dezember 2003, K 39/03, Erw. 1).

  3.4  Der Kanton Basel-Landschaft kennt im Gesetz über die Organisation der
Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG;
SGS 170) vom 22. Februar 2001 in § 46 (Regelung des Fristenlaufs) keine
Vorschrift über den Fristenstillstand (im Gegensatz zur bis Ende März 2002
geltenden Ordnung).

Erwägung 4

  4.  Streitig ist, ob der Fristenstillstand gemäss Art. 38 Abs. 4 ATSG im
Rahmen der dreimonatigen Beschwerdefrist nach Art. 106 UVG zu
berücksichtigen ist oder nicht.

  4.1  Das kantonale Gericht hat erwogen, dass gemäss Art. 1 Abs. 1 UVG die
Bestimmungen des ATSG insoweit anwendbar seien, als das UVG nicht
ausdrücklich eine Abweichung vorsehe. Nach Art. 60 Abs. 1 ATSG müsse eine
Beschwerde grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung des
Einspracheentscheides beim zuständigen Gericht eingereicht werden, wobei die
Beschwerdefrist nach Art. 60 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 4
lit. a ATSG vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach
Ostern stillstehe. In Abweichung von Art. 60 ATSG und in Weiterführung der
bis zum 31. Dezember 2001 (recte: 2002) geltenden Regelung lege Art. 106 UVG
die Beschwerdefrist bei Einspracheentscheiden über Versicherungsleistungen
einer Unfallversicherung auf drei Monate fest. Entgegen der Vernehmlassung
der SUVA ergebe sich einerseits bereits aus dem Wortlaut des Art. 106 UVG,
dass sich diese Abweichung von Art. 60 ATSG ausschliesslich auf die
Fristenlänge und nicht auch auf die für Beschwerdefristen analog anwendbaren
Bestimmungen des Art. 38 ATSG betreffend Berechnung und Stillstand der
Fristen beziehe. Anderseits sei der Bundesgesetzgeber klarerweise bestrebt
gewesen, im ATSG die bislang unterschiedlichen Regelungen des
Fristenstillstandes und der Fristenberechnung zu vereinheitlichen, was
ebenfalls zu einer Beschränkung der in Art. 106 UVG statuierten Ausnahme von
den in Art. 60 ATSG definierten Fristenregelungen auf die Länge der
Beschwerdefrist führen müsse (Hinweis auf KIESER, ATSG-Kommentar, N 10 zu
Art. 60 und N 6 zu Art. 38). Für die Anfechtung des am 22. März 2003
zugestellten Einspracheentscheides habe die Frist nach Art. 106 UVG am 23.
März 2003 zu laufen begonnen. Die Beschwerdefrist sei gemäss Art. 38 Abs. 4
lit. a ATSG ab dem 13. April 2003 bis und mit dem 27. April 2003
stillgestanden, was fünfzehn Tagen entspreche. Somit habe sich die
Beschwerdefrist - welche gemäss Art. 106 UVG grundsätzlich am 22. Juni 2003
endete - um fünfzehn Tage verlängert, weshalb die Beschwerde am 7. Juli 2003
rechtzeitig erhoben worden sei.

  4.2  Die SUVA beanstandet die Anwendung des Art. 38 Abs. 4 ATSG auf die
Berechnung der Beschwerdefrist nach Art. 106 UVG.

Diese Vorschrift sei im Sozialversicherungs-, nicht jedoch im
Rechtspflegeverfahren anwendbar. Art. 60 ATSG erkläre zwar die
Verfahrensbestimmungen der Art. 38 bis 41 ATSG als sinngemäss anwendbar,
jedoch derogiere Art. 106 UVG den Art. 60 ATSG, indem diese Bestimmung "in
Abweichung von Art. 60 ATSG" bei Einspracheentscheiden eine Beschwerdefrist
von drei Monaten vorsehe. Da Art. 106 UVG eine "Abweichung von Art. 60 ATSG"
beinhalte und nicht bloss eine Abweichung von Art. 60 Abs. 1 ATSG, werde
damit auch die Verweisungsnorm des Art. 60 Abs. 2 ATSG für das
Rechtspflegeverfahren im Bereich des UVG "ausser Kraft gesetzt". Der
wörtlichen Auslegung der Vorinstanz könne nicht gefolgt werden. Die Art. 106
UVG und Art. 60 ATSG seien mit "Beschwerdefrist" überschrieben und in Art.
106 UVG sei die Abweichung vom gesamten Art. 60 ATSG (und nicht lediglich
hinsichtlich dessen Absatz 1) aufgeführt. Damit gelte im
UVG-Rechtspflegeverfahren einzig und allein eine dreimonatige Frist zur
Erhebung der Beschwerde. Es mache durchaus Sinn, dass zum Beispiel Art. 38
Abs. 4 lit. b ATSG, welcher im Verwaltungsverfahren einen Fristenstillstand
von einem Monat vorsehe, für die Beschwerdefrist im Bereich des UVG, welche
schon mehr als dreimal länger dauere als jede andere Rechtsmittelfrist,
keine Geltung habe. Denn diesfalls könnten gegen Einspracheentscheide, die
zwischen dem 16. April und dem 15. Juli erlassen werden, innerhalb von vier
Monaten Rechtsmittel eingelegt werden. KIESER, a.a.O., scheine zwar eine
gegenteilige Ansicht zu vertreten. Allein der Wortlaut des Art. 106 UVG sei
klar und eindeutig. Er beziehe sich nicht bloss auf Art. 60 Abs. 1 ATSG,
sondern auf die ganze Bestimmung, von welcher er keine abweichende Regelung
enthalte. Der Text sei klar und keiner Auslegung zugänglich. Die Dauer der
Rechtsmittelfrist werde somit allein vom UVG bestimmt. Dies sei auch
aufgrund der folgenden Überlegungen richtig:

   "a) Die vorgeschlagene Lösung ist klar und einfach handhabbar und trägt
    damit zur Rechtssicherheit bei (Art. 61 ATSG).

    b) Gemäss bisheriger Praxis waren bei der Bestimmung der Beschwerdefrist
    kantonale Regelungen zu berücksichtigen (vgl. EVGE vom 21.3.1994 i.S.
    M.D. [U198/93], E. 2b am Schluss); neu wollte man mit dem ATSG eine
    Vereinheitlichung der Praxis herbeiführen, womit für kantonale
    Regelungen in diesem Bereich kein Raum mehr bleibt.

    c) Bisher galten im Kanton Basel-Landschaft keine kantonalen
    Fristenstillstandsgründe, womit das ATSG keine Neuerung einführte, was
    der Rechtssicherheit dient.

    d) Dem gesetzgeberischen Willen nach Vereinheitlichung wird Rechnung
    getragen.

    e) Es folgt keine Vermischung von Tages- und Monatsfristen mit dem
    Ergebnis, dass Unklarheiten hinsichtlich der konkreten Fristberechnung
    vermieden werden (wie wäre die Frist sonst konkret zu berechnen?). Die
    vom VG BL im angefochtenen Entscheid vorgenommene Fristberechnung ist
    nicht eindeutig und zeigt diese Problematik auf."

  Deshalb sei, schliesst die SUVA, durch Gesetzesauslegung nach Wortlaut,
Systematik, Sinn und Praktikabilität des Art. 106 UVG von einer
dreimonatigen Beschwerdefrist auszugehen, bei welcher weder kantonale noch
eidgenössische Fristenstillstandsbestimmungen zu beachten seien. Damit
ergebe sich eine einfache und klar handhabbare Regelung.

  4.3  Der Wortlaut des Art. 106 UVG, wonach "in Abweichung von Artikel 60
ATSG" ("en dérogation à l'art. 60 LPGA" resp. "in deroga all'articolo 60
LPGA") die Beschwerdefrist bei Einspracheentscheiden über
Versicherungsleistungen drei Monate beträgt, ist insofern nicht klar, als
Art. 60 ATSG zwei Absätze enthält, wobei im ersten die Beschwerdefrist und
im zweiten die sinngemässe Anwendbarkeit der Art. 38 bis 41 ATSG geregelt
ist. Es ist zumindest nicht eindeutig, ob sich Art. 106 UVG auch auf den
zweiten Absatz bezieht oder nicht. Dagegen spricht, dass die Abweichung vom
ATSG ausdrücklich auf die Beschwerdefrist Bezug nimmt und die UVG-Bestimmung
unter der Überschrift "Besondere Beschwerdefrist" steht.

  Die Materialien (vgl. zu deren Bedeutung BGE 130 V 476 Erw. 6.5.1) zum
jungen Erlass ATSG sprechen eine klare Sprache: Die Kommission des
Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit führte in ihrem Bericht
vom 26. März 1999 aus, dem praxiskonformen Antrag des Bundesrates, in Art.
46 VE-ATSG einen neuen Absatz 4 über den Stillstand der Fristen aufzunehmen,
sei zuzustimmen. Zu beachten sei allerdings, dass Artikel 104 Abs. 1 MVG und
Art. 106 UVG dreimonatige Beschwerdefristen kennen. Die Kommission beantrage
daher eine Ergänzung der Absätze 1 und 4, welche diesem Umstand Rechnung
trage (BBl 1999 V 4596; Sonderdruck S. 74). Dieser Antrag passierte in den
Räten diskussionslos (Amtl. Bull. 1999 N 1244, Amtl. Bull. 2000 S 181).
Daraus folgt umgekehrt, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des Art. 106
UVG im Zusammenhang mit der Anpassung an das ATSG bewusst davon ausgegangen
ist, dass auch diese dreimonatige Beschwerdefrist dem

Fristenstillstand unterworfen ist. Wenn der Gesetzgeber in Art. 106 UVG im
Sinne von Art. 1 Abs. 1 UVG ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG
hinsichtlich Art. 38 Abs. 4 ATSG oder gar der gesamten Fristenregelung nach
Art. 38 bis 41 ATSG hätte schaffen wollen, dann wäre dieser Artikel anders
abgefasst worden, denn die redaktionelle Fassung "in Abweichung von Artikel
60 ATSG" ("en dérogation à l'art. 60 LPGA" resp. "in deroga all'articolo 60
LPGA") - ohne Einschränkung auf Absatz 1 - würde die Absicht des
Gesetzgebers, nur die Dauer der Beschwerdefrist abweichend vom ATSG zu
regeln, unzureichend wiedergeben. Die Interpretation des kantonalen Gerichts
ist indessen durch die Entstehungsgrundlagen des Gesetzes klar gedeckt. Sie
entspricht auch dem Grundanliegen des ATSG, die Verfahrensregeln für das
Rechtspflegeverfahren teilweise zu vereinheitlichen (Art. 1 lit. b ATSG) und
das Institut des Fristenstillstandes - ungeachtet der Länge und Natur der
Fristen (Tages-, Monats- oder Mehrmonatsfristen) - integral einzuführen
(Art. 60 Abs. 2 ATSG).

  4.4  Dieses Auslegungsergebnis entspricht der einhelligen Lehrmeinung,
wonach bei der Berechnung der Einhaltung der Frist gemäss Art. 106 UVG der
Fristenstillstand nach Art. 38 Abs. 4 ATSG zu berücksichtigen ist:
- KIESER (a.a.O., N 11 zu Art. 38 und N 10 zu Art. 60) verweist auf die
  Materialien. Weil in den sozialversicherungsrechtlichen Verfahren neben nach
  Tagen bestimmten Fristen insbesondere in Beschwerdeverfahren auch nach
  Monaten bestimmte Fristen zu beachten seien, z.B. Art. 106 UVG und Art.

  104 MVG, sei es erforderlich gewesen, die Massgeblichkeit des
  Fristenstillstandes auch für letztere Fristen ausdrücklich festzulegen.

  Die bisherige Rechtsprechung (SVR 1998 UV Nr. 10 S. 25) habe es
  zugelassen, dass für Monatsfristen vom sonst für Fristen geltenden
  Fristenstillstand abgewichen werde, welche Rechtsprechung angesichts von
  Art. 38 Abs. 4 ATSG nicht weitergeführt werden könne.
- Andreas Freivogel (Zu den Verfahrensbestimmungen des ATSG, in:
  SCHAFFHAUSER/KIESER [Hrsg.], Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
  Sozialversicherungsrechts [ATSG], St. Gallen 2003, S. 98) ist ebenfalls
  der Auffassung, dass Art. 38 ATSG gemäss Art. 60 Abs. 2 ATSG auf die nach
  Monaten bestimmten Beschwerdefristen anwendbar sei.

- Nach MEYER-BLASER (Die Rechtspflegebestimmungen des Bundesgesetzes über
  den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], in: HAVE 2002 S.

  331) erklärt Art. 60 Abs. 2 ATSG die Art. 38 bis 41 ATSG für sinngemäss
  anwendbar. Gegenstand dieser Verweisung seien unter anderem die Berechnung
  und der Stillstand der Fristen (Art. 38 ATSG). Die Verweisung habe zur
  Folge, dass beispielsweise die Fristenstillstände nach Art. 38 Abs. 4 lit.
  a bis c ATSG auch im Rechtspflegeverfahren nach Art. 56 ff. ATSG gelten,
  weshalb kein Raum für abweichende kantonalrechtliche
  Fristenstillstandsbestimmungen bestehe. Allerdings unterscheidet dieser
  Autor nicht zwischen nach Tagen und nach Monaten bestimmten Fristen.

  4.5  Die Einwendungen der SUVA (Erw. 4.2 hievor) sind nicht geeignet,
diesen Schluss abzuwenden. Bei mehrmonatigen Beschwerdefristen einen
Fristenstillstand zu gewähren, läuft zwar dem Prinzip der Raschheit des
Verfahrens zuwider. Der gesetzgeberische, im ATSG verdichtete Wille zur
Verfahrensharmonisierung ist für die Gerichte jedoch bindend (Art. 191 BV)
und fällt deshalb stärker ins Gewicht als der Grundsatz der Raschheit des
Verfahrens; dies spricht für die Geltung des Fristenstillstandes auch bei
der Beschwerdefrist gemäss Art. 106 UVG. Die Einführung sogenannter
Gerichtsferien ist übrigens nicht allein eine Frage der Dauer der Fristen.
Die Vermischung von Tages- und Monatsfristen ist zwar ungewöhnlich, aber
praktisch umsetzbar. Diese Frage ist im Folgenden zu prüfen.

  4.6  Das fristauslösende Ereignis - die Zustellung des
Einspracheentscheides - ist bei Monatsfristen für die Bestimmung des
Fristablaufs massgebend, da die Frist an dem Tag endet, der demjenigen der
Zahl des Empfanges der Mitteilung entspricht resp. - wenn ein entsprechender
Kalendertag fehlt - am letzten Tag des entsprechenden Monats (BGE 125 V 39
Erw. 4a; vgl. auch Urteil V. vom 24. Februar 2005, U 244/02, Erw. 2, sowie
ARV 2003 Nr. 27 S. 253 Erw. 2.3). Aus der Festsetzung des Tages, an dem eine
Frist zu Laufen beginnt, ergibt sich aber noch nicht schlüssig, wie der Lauf
der Frist zu berechnen ist (ARV 2003 Nr. 27 S. 253 Erw. 2.3.1 mit Hinweis).
In einem ersten Schritt ist deshalb anhand des Tages der Mitteilung des
Einspracheentscheides das Ende der Frist zu bestimmen. Weil die Frist durch
den Fristenstillstand aber

teilweise am Laufen gehindert wird, muss die entsprechende Anzahl Tage
anschliessend an den Ablauf der Frist hinzugezählt werden. Bei dieser
Berechnungsweise erübrigt es sich, auf eine schematische Monatsdauer von
dreissig Tagen abzustellen (so aber KIESER, a.a.O., N 12 zu Art. 38).

  Die Vorinstanz hat für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich
festgestellt (Art. 105 Abs. 2 OG), dass der Einspracheentscheid am 22. März
2003 der Beschwerdegegnerin zugestellt worden ist; damit ist das Ende der
Frist in einem ersten Schritt auf den 22. Juni 2003 zu legen. Über die
Osterfeiertage stand die Frist gemäss Art. 38 Abs. 4 ATSG vom 13. April bis
zum 27. April 2003, d.h. während fünfzehn Tagen, still. Diese fünfzehn Tage
sind zum Datum des 22. Juni 2003 hinzuzuzählen, so dass der Fristablauf auf
den 7. Juli 2003 fällt. Nicht zu berücksichtigen ist dabei, dass der
Fristablauf ohne Berücksichtigung des Fristenstillstandes auf einen Sonntag
(den 22. Juni 2003) gefallen wäre: Art. 38 Abs. 3 ATSG sieht zwar vor, dass
die Frist am nächsten Werktag endet, wenn der letzte Tag (unter anderem) auf
einen Sonntag fällt, jedoch ist damit klarerweise nur der letzte Tag der
Gesamtfrist gemeint; wäre im Jahr 2003 der 7. Juli deshalb auf einen Sonntag
gefallen (was nicht der Fall gewesen ist), wäre die Frist erst am 8. Juli
2003 abgelaufen.

  4.7  Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass die Regelung des
Fristenstillstandes gemäss Art. 38 Abs. 4 ATSG auch bei mehrmonatigen
Fristen anwendbar ist und zur Berechnung der Beschwerdefrist die Anzahl Tage
des Fristenstillstandes nach dessen Ablauf hinzuzuzählen sind.

Erwägung 5

  5.  Vorliegend ist jedoch zusätzlich die Übergangsproblematik zu
berücksichtigen.

  5.1  Vorinstanz und SUVA übersehen in ihrer Argumentation, dass der Kanton
Basel-Landschaft keine gesetzliche Regelung des Fristenstillstandes kennt
(vgl. Erw. 3.4 hievor). Art. 82 Abs. 2 ATSG sieht vor, dass die Kantone ihre
Bestimmungen über die Rechtspflege innerhalb von fünf Jahren seit
In-Kraft-Treten des ATSG diesem Gesetz anzupassen haben und dass bis dahin
die bisherigen kantonalen Vorschriften gelten ("Dans l'intervalle, les
dispositions cantonales en vigueur restent applicables"/"Fino a quel momento
sono valide le prescrizioni cantonali in vigore precedentemente").

  5.2  Der Wortlaut des Art. 82 Abs. 2 ATSG ist insoweit klar, als
Gegenstand der übergangsrechtlichen Ordnung bisherige kantonalrechtliche
Bestimmungen zur Rechtspflege sind und sich die Übergangsfrist auf die Art.
56 bis 61 ATSG bezieht (KIESER, a.a.O., N 14 zu Art. 82). Davon erfasst ist
daher auch Art. 60 ATSG über die Beschwerdefrist, der in Abs. 2 die Art. 38
bis 41 ATSG für sinngemäss anwendbar erklärt. Art. 38 Abs. 4 ATSG normiert,
wann gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach Tagen oder Monaten
bestimmt sind, stillstehen. Die primäre Bedeutung des Art. 82 Abs. 2 ATSG
liegt darin, dass die kantonalrechtlichen Verfahrensvorschriften über den 1.
Januar 2003 hinaus Geltung beanspruchen dürfen und dass sich das
Beschwerdeverfahren bis zur Änderung der kantonalen Gerichtsorganisation,
spätestens bis 31. Dezember 2007, nach kantonalem Verfahrensrecht richtet.
Darin erschöpft sich nun allerdings die Bedeutung des Art. 82 Abs. 2 ATSG
nicht, denn mit dieser Norm wird auch die Anwendbarkeit der
Rechtspflegebestimmungen der Art. 56 ff. ATSG intertemporalrechtlich
entsprechend eingeschränkt, und zwar in dem Masse, als es den Kantonen
erlaubt wird, gestützt auf Art. 82 Abs. 2 ATSG an ihren - allenfalls mit den
Rechtspflegebestimmungen des ATSG kollidierenden - Verfahrensnormen
festzuhalten (vgl. auch Urteil D. vom 26. November 2003, I 371/03, Erw. 1.1,
hinsichtlich Parteientschädigung).

  Es stellt sich nun die Frage, was unter "bisherigen kantonalen
Vorschriften" ("dispositions cantonales en vigueur", "prescrizioni cantonali
in vigore precedentemente") über die Rechtspflege im Sinne des Art. 82 Abs.
2 Satz 2 ATSG zu verstehen ist. Diese umfassen nicht nur bisherige positive,
sondern auch negative kantonale Regelungen, da es sich in beiden Fällen um
bisherige kantonale Vorschriften handelt, unabhängig davon, ob ein
Rechtsinstitut gesetzlich normiert ist oder nicht. Denn ein Kanton kann ein
Rechtsinstitut in der Weise regeln, dass er es positiv im Gesetzestext
vorsieht oder ausschliesst oder dass er es im Erlass gar nicht erwähnt,
welche negative Regelung zu einer Nichtanwendbarkeit dieses Institutes
führt. Da der Kanton Basel-Landschaft keine Regelung des Fristenstillstandes
kennt (§ 46 GOG BL) - mithin eine negative Regelung aufweist - und ihm von
Gesetzes wegen (maximal) fünf Jahre zustehen, um den von Art. 60 Abs. 2 ATSG
in Verbindung mit Art. 38 Abs. 4 ATSG vorgesehenen Fristenstillstand
einzuführen, gilt diese (negative) Regelung spätestens bis Ende Dezember
2007

(oder bis zu einer allfällig früheren Einführung durch den kantonalen
Gesetzgeber). Dies ergibt sich auch aus den Materialien (vgl. dazu BGE 130 V
476 Erw. 6.5.1), hält doch der Bericht der Kommission des Ständerates vom
27. September 1990 fest, dass bis "zur Neufassung der kantonalen
Vorschriften ... Beschwerden nach bisherigem Recht behandelt" werden (BBl
1991 II 271; Sonderdruck S. 87), während sich sowohl der Bundesrat in seiner
vertieften Stellungnahme vom 17. August 1994 (vgl. BBl 1994 V 962;
Sonderdruck S. 42) wie auch die Kommission des Nationalrats für soziale
Sicherheit und Gesundheit im Bericht vom 26. März 1999 (vgl. BBl 1999 V
4671; Sonderdruck S. 149) dazu nicht geäussert haben. Die Aussage im Bericht
der Kommission des Ständerates ist allerdings insofern zu relativieren, als
darin für die neu zu regelnden Verfahrensbestimmungen nur auf die Art. 63
und 67 des VE-ATSG (entsprechend Art. 57 und 61 ATSG) verwiesen wird; wäre
allerdings beabsichtigt gewesen, nur diese beiden Bereiche des
vorinstanzlichen Verfahrens der Übergangsfrist des Art. 90 VE-ATSG resp. des
Art. 82 Abs. 2 ATSG zu unterstellen, hätte dies einerseits im Gesetzestext
seinen Niederschlag gefunden und andererseits wäre im Bericht der Kommission
auch begründet worden, weshalb nicht alle, sondern nur bestimmte Normen des
vorinstanzlichen Verfahrens der Übergangsfrist zu unterwerfen seien.

  5.3  Indem das kantonale Gericht vor Ablauf der Übergangszeit des Art. 82
Abs. 2 ATSG direkt auf den Fristenstillstand des ATSG abstellt, wendet es
deshalb fälschlicherweise Bundesrecht statt kantonales Recht an, was eine
Verletzung von Bundesrecht darstellt (BGE 116 Ib 171 Erw. 1 mit Hinweis).
Auf kantonaler Ebene ist im für den Fristenlauf massgebenden § 46 GOG BL
kein Fristenstillstand vorgesehen. § 5 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über
die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung vom 16. Dezember 1993 (VPO
Bl; SGS 271) sieht zwar vor, dass Beschwerden und Klagen "innert der
gesetzlich vorgeschriebenen Frist" schriftlich einzureichen seien, jedoch
stellt dies einen Verweis auf das kantonale Recht dar, da den Kantonen in
Art. 82 Abs. 2 ATSG fünf Jahre Zeit eingeräumt wird, ihre Gesetzgebung an
die neuen Bundesvorschriften anzupassen und während der Übergangszeit die
bisherige Normierung anwendbar bleibt, was auch für negative Regelungen gilt
(vgl. Erw. 5.2 hievor). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass
die Abschaffung des Fristenstillstandes im GOG des Kantons Basel-Landschaft
schon deshalb nicht etwa im Hinblick auf die Regelung

im ATSG erfolgt sein kann, weil die kantonale Gesetzesänderung auf den 1.
April 2002 in Kraft getreten ist, während das ATSG - auch dem kantonalen
Gesetzgeber bekannt - erst auf Januar 2003 in Kraft gesetzt worden ist.
Damit kann kein impliziter Verweis auf Bundesrecht vorliegen. Wegen des auf
kantonaler Ebene nicht vorgesehenen Fristenstillstandes ist die
vorinstanzliche Beschwerde in der Folge klarerweise verspätet eingereicht
worden. Damit ist die Auffassung der SUVA im Ergebnis rechtens.