Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 66



131 I 66

10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft und Bundesstrafgericht (Beschwerde)

    1S.4/2005 vom 3. Februar 2005

Regeste

    Art. 31 Abs. 3 und Art. 191 BV; Art. 5 Ziff. 3 EMRK; Art. 47 Abs. 4
BstP; Haftbestätigung.

    Die Eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter
erfüllen die Anforderungen von Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK
an eine haftanordnende unabhängige Justizperson (E. 4).

Sachverhalt

    Am 12. Oktober 2004 eröffnete die Schweizerische Bundesanwaltschaft
gerichtspolizeiliche Ermittlungen gegen X. und Mitbeteiligte wegen des
Verdachtes von Vermögensdelikten.

    Am 25. November 2004 erfolgte zuletzt eine förmliche Verhaftung
von X. durch die Bundesanwaltschaft. Am 26. November 2004 stellte
die Bundesanwaltschaft beim Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt
das Gesuch um Haftbestätigung bzw. förmliche Anordnung der
Untersuchungshaft. Mit Verfügung vom 28. November 2004 bestätigte das
Eidgenössische Untersuchungsrichteramt die Haft wegen Kollusions- und
Fluchtgefahr. Dagegen erhob X. am 30. November 2004 Beschwerde beim
Bundesstrafgericht. Am 16. Dezember 2004 wies das Bundesstrafgericht,
Beschwerdekammer, den Haftrekurs ab.

    Gegen den Entscheid der Beschwerdekammer vom 16. Dezember 2004 erhob
X. am 12. Januar 2005 Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt neben der
Aufhebung des angefochtenen Entscheides seine unverzügliche Haftentlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.  Der Beschwerdeführer macht geltend, dem Eidgenössischen
Untersuchungsrichter (Eidg. UR), der die Haft bestätigt bzw. angeordnet
habe, gebreche es an der durch Art. 31 Abs. 3 BV bzw. Art. 5 Ziff. 3
EMRK geforderten richterlichen Unabhängigkeit. Der Eidg. UR nehme
Untersuchungshandlungen vor und erarbeite "mit seinem Schlussbericht die
Grundlage für die Anklage". Damit werde er "im Verlaufe des Verfahrens
zur Partei". Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Eidg. UR
"formell unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" sei und dass die
Bundesanwaltschaft ihm gegenüber "kein Weisungsrecht" habe.

    4.1  Im angefochtenen Entscheid wird dazu Folgendes erwogen: "Die
Mehrzahl der Art. 5 Ziff. 3 und 4 EMRK angepassten Gesetze" belasse "der
Untersuchungsbehörde die Befugnis, die Haft zu verhängen", räume "aber dem
Inhaftierten das Recht ein, den Haftbefehl durch einen Richter bzw. ein
Gericht überprüfen zu lassen, so auch Art. 52 i.V.m. Art. 214 ff. BStP,
welche sich auf Art. 31 Abs. 4 BV stützen". Auch "die Verschiebung eines
Verhandlungstermins" könne "im Übrigen nicht als Indiz für den Mangel des
Richters an den von der EMRK und der BV vorgeschriebenen Eigenschaften
interpretiert werden".

    4.2  Der blosse Umstand, dass das BStP - in Nachachtung von Art. 31
Abs. 4 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK - eine richterliche Überprüfung der
Haftanordnung vorsieht, lässt die Haftanordnung nicht ohne Weiteres
als grundrechtskonform erscheinen. Diesbezüglich müssen vielmehr die
Voraussetzungen von Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK erfüllt sein
(vgl. BGE 131 I 36 E. 2.6 mit Hinweisen).

    Auch der Auffassung der Bundesanwaltschaft, es könne auf die
Beschwerde in diesem Punkt nicht eingetreten werden, da eine Befangenheit
des haftanordnenden Eidg. UR "quasi auf Vorrat" beanstandet werde, kann
nicht gefolgt werden. Wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgeht,
ist die Frage, welche Funktionen die haftanordnende Behörde im Verlauf
des Strafverfahrens ausübt, ex ante bzw. vorausschauend zu prüfen.

    4.3  Wie zuletzt in BGE 131 I 36 (Amtsstatthalteramt Luzern) dargelegt
wurde, verlangt Art. 5 Ziff. 3 EMRK, dass jede in strafprozessualer Haft
gehaltene Person unverzüglich einem Richter oder einer anderen, gesetzlich
zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Justizperson vorgeführt
werden muss ("doit être aussitôt traduite devant un juge ou un autre
magistrat habilité par la loi à exercer des fonctions judiciaires"/"shall
brought promptly before a judge or another officer authorised by law to
exercise judicial power"). Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung
muss es sich beim haftanordnenden Magistraten im Sinne von Art. 5 Ziff. 3
EMRK um eine unparteiische Instanz handeln, die von der Exekutive und den
Parteien unabhängig und bei der Ausübung ihres Amtes nicht weisungsgebunden
ist. Sie muss in einem justiziellen Verfahren entscheiden, den Inhaftierten
persönlich anhören, insbesondere die Angemessenheit der Haft prüfen und
nötigenfalls die Haftentlassung anordnen können (BGE 131 I 36 E. 2.3;
119 Ia 221 E. 7a S. 231; 118 Ia 95 E. 3b S. 98; Urteil des EGMR vom
5. April 2001 i.S. H.B. gegen Schweiz, JAAC 65/2001 Nr. 120 S. 1292,
Ziff. 55, je mit Hinweisen; vgl. auch JOCHEN A. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT,
EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl u.a. 1996, N. 117 zu Art. 5 EMRK; ARTHUR
HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und
die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 112). Nach der bundesgerichtlichen
Praxis ist Art. 5 Ziff. 3 EMRK namentlich verletzt, wenn die haftanordnende
Justizperson in gleicher Sache auch noch für die Anklageerhebung zuständig
ist (BGE 131 I 36 E. 2.3 S. 40; 124 I 274 E. 3c S. 279; 119 Ia 221 E. 7c
S. 234; 118 Ia 95 E. 3c S. 98, E. 3d-e S. 99 f.; 117 Ia 199 E. 4b-c
S. 201 f., je mit Hinweisen).

    4.4  Das Bundesgericht hat im erwähnten BGE 131 I 36 (E. 2.5)
ausdrücklich offen gelassen, ob der am 1. Januar 2000 in Kraft getretene
Art. 31 Abs. 3 BV einen unabhängigen Richter im engeren Sinne als
haftanordnende Behörde voraussetze oder ob eine Justizperson im Sinne der
bisherigen Praxis, insbesondere ein Untersuchungsrichter, diese Funktion
grundsätzlich weiterhin erfüllen kann. In diesem Bundesgerichtsentscheid
(der den luzernischen Amtsstatthalter betraf) stellte das Bundesgericht
fest, dass im beurteilten Fall nicht einmal die Voraussetzungen der
bisherigen Praxis zu Art. 5 Ziff. 3 EMRK erfüllt waren, da derselbe
Untersuchungsrichter in der gleichen Strafsache die Untersuchung geführt,
die Haft angeordnet, die Strafverfügung erlassen und die Überweisung mit
förmlicher Anklagefunktion an das Strafgericht vorgenommen hatte.

    4.5  Im vorliegenden Fall ist zunächst näher zu prüfen, welche
Funktionen der Eidg. UR im Bundesstrafverfahren ausübt:

    4.5.1  Gemäss dem Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege sind
Parteien im Bundesstrafverfahren der Beschuldigte, der Bundesanwalt und
der Geschädigte (Art. 34 BStP). Die Bundesanwaltschaft leitet zunächst
die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei (Art. 15 Satz 1 und Art. 104
Abs. 1 BStP). Vor Einleitung der Voruntersuchung ist in Fällen wie dem
vorliegenden der Bundesanwalt zum Erlass eines Haftbefehls berechtigt
(Art. 45 Ziff. 1 BStP). Der verhaftete Beschuldigte wird unverzüglich der
Bundesanwaltschaft zugeführt und von dieser innert 24 Stunden zur Sache
einvernommen (Art. 47 Abs. 1 BStP). Besteht nach wie vor ein Haftgrund,
veranlasst der Bundesanwalt unverzüglich die Zuführung an einen Eidg. UR
und stellt Antrag auf Bestätigung der Haft (Art. 47 Abs. 2 BStP).
Vor dem Entscheid über den Haftbestätigungsantrag hört der Eidg. UR den
Beschuldigten unverzüglich nach der Zuführung an; er gibt dem Beschuldigten
Gelegenheit, den bestehenden Verdacht und die Haftgründe zu entkräften
(Art. 47 Abs. 3 BStP). Der Eidg. UR entscheidet innert 48 Stunden seit
der Zuführung über die Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft
(Art. 47 Abs. 4 BStP). Gegen den Haftbestätigungsentscheid des Eidg. UR
kann innert fünf Tagen beim Bundesstrafgericht Beschwerde geführt
werden (Art. 217 BStP; vgl. auch FELIX BÄNZIGER/LUC LEIMGRUBER, Das
neue Engagement des Bundes in der Strafverfolgung, Kurzkommentar zur
"Effizienzvorlage", Bern 2001, S. 160 Rz. 198; GIUSEP NAY, in: Basler
Kommentar StGB, Bd. II, Basel 2003, N. 30 ff., 34 zu Art. 340 StGB).

    4.5.2  Liegt zur Einleitung einer Voruntersuchung kein Grund vor, so
stellt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen ein (Art. 106 Abs. 1 Satz
1 BStP). Die Voruntersuchung wird (auf Antrag der Bundesanwaltschaft)
durch den Eidg. UR selbstständig verfügt und geführt (Art. 108 Abs. 1
Satz 1 und Art. 109 BStP). Die Eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen
und Untersuchungsrichter werden durch das Bundesstrafgericht gewählt
(Art. 15 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 2002
über das Bundesstrafgericht [SGG; SR 173.71]). Sie sind in ihrer
richterlichen Tätigkeit unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen; in
rechtlicher und administrativer Hinsicht unterstehen sie der Aufsicht des
Bundesstrafgerichtes (Art. 28 Abs. 2 SGG; Art. 13 Abs. 2 des Reglementes
für das Bundesstrafgericht vom 11. Februar 2004 [SR 173.710]; Art. 5
des Reglementes für die eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen und
Untersuchungsrichter vom 25. Mai 2004 [SR 173.713.1]). Der Eidg. UR
stellt den Sachverhalt in der Voruntersuchung soweit fest, dass die
Bundesanwaltschaft entscheiden kann, ob Anklage zu erheben oder die
Untersuchung einzustellen ist; er sammelt die Beweismittel für die
gerichtliche Hauptverhandlung (Art. 113 BStP).

    4.5.3  Nach Abschluss der Voruntersuchung stellt der Eidg. UR dem
Bundesanwalt die Akten mit einem Schlussbericht zu (Art. 119 Abs. 3 BStP).
Liegen gegen den Beschuldigten hinreichende Verdachtsgründe vor, so
erhebt der Bundesanwalt Anklage (Art. 125 BStP). Dieser sendet seine
Anklageschrift mit den Akten an die Strafkammer des Bundesstrafgerichtes
(Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 BStP). Die Bundesanwaltschaft vertritt die Anklage
vor dem Bundesstrafgericht (Art. 15 Satz 2, Art. 16 Abs. 1 und Art. 167
Abs. 1 BStP). Sie stellt ihre Anträge vor Gericht "nach freier Überzeugung"
(Art. 14 Abs. 2 BStP) und weisungsungebunden (Art. 16 Abs. 4 Satz 1 BStP).

    4.6  Weiter ist zu prüfen, ob der Eidg. UR die Anforderungen
der übereinstimmenden bisherigen Praxis des Bundesgerichtes und des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 5 Ziff. 3
EMRK erfüllt.

    4.6.1  Im Fall Schiesser hatte der EGMR erwogen, dass Zürcher
Bezirksanwälte die Voraussetzungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK
grundsätzlich erfüllen könnten, sofern eine personelle Trennung
zwischen haftrichterlicher Funktion einerseits und Untersuchungs-
bzw. Anklagefunktion anderseits gewährleistet wird (Urteil des EGMR vom
4. Dezember 1980 i.S. Schiesser gegen Schweiz, Série A, vol. 34, Ziff. 31 =
EuGRZ 1980 S. 201). Im Fall J.H. hat der EGMR eine Verletzung der EMRK
durch die Schweiz festgestellt, da der gleiche Zürcher Bezirksanwalt
sowohl für die Haftanordnung als auch für die Anklageerhebung zuständig
war (Urteil des EGMR vom 23. Oktober 1990 i.S. J.H. gegen Schweiz,
Série A, vol. 188, Ziff. 42 f. = EuGRZ 1990 S. 502). Entscheidend für
die Beurteilung, ob die haftanordnende Justizperson ausreichend unabhängig
erscheint, ist der objektive Anschein im Zeitpunkt der Haftanordnung. Der
Eindruck der Unvoreingenommenheit fällt grundsätzlich schon dahin,
wenn aufgrund der Prozessordnung die Möglichkeit besteht, dass die
haftanordnende Justizperson in der Folge Anklagefunktionen ausüben könnte
(Urteil des EGMR vom 26. November 1992 i.S. Brincat gegen Italien,
Série A, vol. 249-A = EuGRZ 1993 S. 389; Urteil des EGMR vom 5. April
2001 i.S. H.B. gegen Schweiz, JAAC 65/2001 Nr. 120 S. 1292, Ziff. 55,
57, 62 f.; Urteil des EGMR i.S. J.H. gegen Schweiz, aaO, Ziff. 40, je
mit Hinweisen; vgl. auch BGE 131 I 36 E. 2.3; 118 Ia 95 E. 3a S. 97;
117 Ia 199 E. 4b S. 201).

    4.6.2  Diese Rechtsprechung wurde vom EGMR bestätigt und weiter
präzisiert. Danach kann es nicht darauf ankommen, ob der haftanordnende
Untersuchungsrichter in der Folge tatsächlich Anklagefunktionen ausübt,
welche Gerichtsinstanz im Zeitpunkt der allfälligen Anklageerhebung
zuständig ist und wer vor Gericht tatsächlich die Anklage vertritt. Falls
im Zeitpunkt der Haftanordnung der spätere Erlass einer Schluss- bzw.
Überweisungsverfügung des Untersuchungsrichters in Frage kommt,
welche die faktische Bedeutung einer Anklageschrift hat, darf dieser
Untersuchungsrichter in der gleichen Sache nicht als haftanordnender
Magistrat tätig sein. Ob der Untersuchungsrichter bei seiner Haftanordnung
weisungsgebunden war und ob er oder eine andere Behörde später allenfalls
die Anklage vor dem zuständigen Gericht erhebt, ist nach der Auffassung des
EGMR nicht massgeblich (Urteil des EGMR vom 5. April 2001 i.S. H.B. gegen
Schweiz, aaO, Ziff. 58-63). Da eine entsprechende Überweisungs- und
Schlussverfügung des Untersuchungsrichters im Zeitpunkt der Haftanordnung
nicht ausgeschlossen werden konnte, erkannte der EGMR im Fall H.B. auf
eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK durch die Schweiz (vgl. auch BGE
131 I 36 E. 2.3).

    4.7  Im Falle des BStP stellt der nach Abschluss der Voruntersuchung
gemäss Art. 119 Abs. 3 BStP zu erstellende Schlussbericht des Eidg. UR
keine Überweisungsverfügung mit formeller Anklagefunktion dar (anders als
etwa das "Überweisungserkanntnis" des Amtsstatthalters nach luzernischem
Strafprozessrecht; vgl. dazu BGE 131 I 36 E. 2.2). Im Schlussbericht
des Eidg. UR werden die Resultate der Voruntersuchung zusammengefasst,
nämlich der untersuchte Sachverhalt und die ihm zugrunde liegenden
Beweismittel. Der Schlussbericht soll dem Bundesanwalt die Prüfung
ermöglichen, ob er Anklage erheben will oder nicht (vgl. Art. 113
BStP). Nach Einsichtnahme in den Schlussbericht, Würdigung der
Beweisergebnisse und Prüfung der materiellen Rechtslage entscheidet
die Bundesanwaltschaft selbstständig, ob ausreichende Verdachtsgründe
vorliegen und ob sie Anklage erheben will (Art. 125 BStP). Tut sie das,
reicht sie eine eigene förmliche Anklageschrift beim Bundesstrafgericht
ein (Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 BStP). Die Bundesanwaltschaft vertritt in der
Folge die Anklage vor Gericht (Art. 15 Satz 2, Art. 16 Abs. 1 und Art. 167
Abs. 1 BStP). Sie stellt ihre Parteianträge nach freier Überzeugung und
weisungsungebunden (Art. 14 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 4 Satz 1 BStP).

    Anders als die Bundesanwaltschaft tritt der Eidg. UR nicht als Ankläger
und Partei des Bundesstrafverfahrens auf (Art. 34 BStP). Der Eidg. UR wird
als unabhängige Justizperson durch das Bundesstrafgericht gewählt und
beaufsichtigt. Er führt selbstständig die Voruntersuchung und fungiert
unter anderem als haftbestätigende bzw. haftanordnende richterliche
Behörde im Sinne von Art. 47 Abs. 4 BStP. Er nimmt weder Weisungen
der Anklagebehörde entgegen, noch Anklagefunktionen wahr (vgl. dazu
ausführlich oben, E. 4.5). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die
Haftbestätigung im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren erfolgte,
bei dem der Eidg. UR nicht mit Untersuchungsaufgaben betraut ist. Der
Eidg. UR hat den Beschwerdeführer sodann unbestrittenermassen persönlich
angehört und innert zwei Tagen nach dessen Zuführung die Untersuchungshaft
bestätigt. Damit wurden die grundrechtlichen Anforderungen von Art. 5
Ziff. 3 EMRK und der betreffenden Rechtsprechung respektiert.

    4.8  Schliesslich stellt sich die Frage, ob der neue Art. 31 Abs. 3 BV
eine Änderung der dargelegten bisherigen Praxis gebietet. In Bezug auf die
hier anwendbaren Bestimmungen des BStP ist allerdings vorauszuschicken,
dass Bundesgesetze für das Bundesgericht massgebend sind (Art. 191
BV). Selbst wenn die Bestimmung von Art. 47 Abs. 4 BStP dem Art. 31 Abs. 3
BV widerspräche, könnte ihr durch das Bundesgericht die Anwendung nicht
versagt werden (vgl. BGE 130 I 26 E. 2.2.2 S. 33 mit Hinweisen).

    Der Wortlaut des am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Art. 31
Abs. 3 BV geht über denjenigen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK hinaus. Die
neue Bundesverfassung sieht vor, dass der Inhaftierte "unverzüglich
einer Richterin oder einem Richter vorgeführt" wird. Damit ist klar,
dass jedenfalls ein gegenüber der Anklagebehörde weisungsgebundener
Untersuchungsrichter diese Voraussetzungen nicht erfüllen könnte (vgl. BGE
131 I 36 E. 2.4; ANDREAS KELLER, Untersuchungshaft im Kanton St. Gallen -
vom alten zum neuen Strafprozessgesetz, AJP 2000 S. 936 ff., 944; JÖRG
PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz: im Rahmen der Bundesverfassung
von 1999, der UNO-Pakte und der EMRK, 3. Aufl., Bern 1999, S. 585;
HANS VEST, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.],
Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Zürich 2002, N. 24 zu
Art. 31 BV). In einem Teil der Lehre wird darüber hinaus die Auffassung
vertreten, dass alle diejenigen Strafprozessordnungen, bei denen noch
Untersuchungsrichter als haftanordnende Justizpersonen fungieren,
entsprechend zu korrigieren seien (vgl. VEST, aaO, N. 24). Der Entwurf
des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes von 2001 für eine
schweizerische Strafprozessordnung (VE/StPO), welchem allerdings nicht
das Untersuchungsrichter- sondern das Staatsanwaltsmodell zugrunde liegt,
sieht als haftanordnende Behörde eine nicht mit Untersuchungsaufgaben
betraute richterliche Instanz (Zwangsmassnahmengericht) vor (vgl.
Art. 235 Abs. 3 und Art. 237 f. VE/StPO; s. auch BGE 131 I 36 E. 2.4).

    Den Materialien lässt sich nicht entnehmen, dass Bundesrat und
Parlament mit dem Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 BV eine neue Rechtslage
schaffen wollten, die von der bisherigen Praxis des EGMR und des
Bundesgerichtes grundlegend abweicht (vgl. Botschaft BR, BBl 1997 I 1 ff.,
S. 185 f.; Entwurf Verfassungskommission NR, BBl 1998 I 364 ff.; StR,
BBl 1998 I 439 ff.). Klar erscheint lediglich, dass für die "Richterin"
oder den "Richter" nach Art. 31 Abs. 3 BV mindestens die Anforderungen
der Praxis zu Art. 5 Ziff. 3 EMRK zu gelten haben (vgl. BBl 1997 I 185
f.). Damit besteht für das Bundesgericht kein sachlich begründeter Anlass,
von der bisherigen bewährten Rechtsprechung abzuweichen. Der Sinn und Zweck
von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 31 Abs. 3 BV besteht darin, zu vermeiden,
dass eine objektiv befangen erscheinende Justizperson strafprozessuale Haft
anordnet. Ein solcher Anschein ist nach der dargelegten Praxis gegeben,
wenn ein haftanordnender Untersuchungsrichter Weisungen von Seiten
der Anklagebehörde zu befolgen hätte oder wenn er in der Folge in der
gleichen Sache Anklagefunktionen ausüben könnte. Wie bereits dargelegt,
ist dies beim Eidg. UR nicht der Fall.