Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 350



131 I 350

35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Thurgau
(Staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.765/2004 vom 22. Juni 2005

Regeste

    Amtliche und notwendige Verteidigung; Art. 29 Abs. 3, Art. 31 Abs. 2
und Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. c EMRK.

    Begriff der notwendigen Verteidigung (E. 2.1). Weder aus dem
kantonalen Verfahrensrecht (E. 2) noch aus Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6
Ziff. 3 lit. c EMRK (E. 3) ergibt sich für die Dauer der Haft und der
Untersuchung ein Anspruch auf notwendige Verteidigung. Die Garantie der
Fairness des Strafverfahrens nach Art. 32 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 2 BV
sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK kann es gebieten, einem Beschuldigten von Amtes
wegen einen Rechtsvertreter zu bestellen (E. 4.1 und 4.2); entsprechende
Pflicht im vorliegenden Fall verneint (E. 4.3 und 4.4).

Sachverhalt

    A. wird vorgeworfen, von November 2001 bis zu seiner Verhaftung am 19.
Dezember 2001 mit Drogen gehandelt und dadurch in qualifizierter Weise
gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Die Untersuchungshaft
dauerte bis zum 15. Februar 2002.

    Die Strafuntersuchung wurde während rund zwei Monaten geführt und mit
einem Geständnis sowie einer Schlusseinvernahme vom 19. September 2003
abgeschlossen. Nach Überweisung der Strafsache an die Bezirksgerichtliche
Kommission Arbon erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz Anklage.

    Die Bezirksgerichtliche Kommission Arbon sprach A. der qualifizierten
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und verurteilte
ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 12 Monaten.

    Mit Berufung beim Obergericht des Kantons Thurgau machte A. geltend,
seine Aussagen während der Strafuntersuchung seien mangels (amtlicher)
Verteidigung und wegen des Verhaltens der Strafverfolgungsbehörden
nicht verwertbar. Insbesondere hätte ihm in Anbetracht der Umstände im
Untersuchungsverfahren ein Verteidiger beigegeben werden müssen. Das
Obergericht wies die Berufung ab und verurteilte A. wegen qualifizierter
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz unter Anrechnung der
Untersuchungshaft zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von
12 Monaten.

    Gegen dieses Urteil des Obergerichts hat A. beim Bundesgericht
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht insbesondere Verletzungen von
Art. 9, 29, 31 und 32 BV sowie von Art. 6 EMRK geltend. Das Bundesgericht
weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Der Beschwerdeführer macht zur Hauptsache geltend, er hätte während
der Untersuchungshaft und der Durchführung der Untersuchung notwendig durch
einen (amtlichen) Rechtsbeistand vertreten werden müssen. Anlässlich von
Einvernahmen habe er auch tatsächlich um Bestellung eines Rechtsvertreters
ersucht. Der Umstand, dass er während dieser Zeit nicht vertreten gewesen
sei, mache die in der Untersuchung gemachten Aussagen unverwertbar.

    Demgegenüber hält das Obergericht im angefochtenen Urteil fest,
für die fragliche Zeit ergebe sich weder aus dem Gesetz über die
Strafrechtspflege des Kantons Thurgau vom 30. Juni 1970/5. November 1991
(Strafprozessordnung, StPO/TG) noch aus übergeordnetem Verfassungs-
und Konventionsrecht ein Anspruch auf notwendige Verteidigung. Darüber
hinaus sei der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit des Beizugs eines
Anwalts in genügender Weise hingewiesen worden; davon habe er indessen
keinen Gebrauch gemacht, sei ohne Vertretung auch zur Schlusseinvernahme
angetreten und habe sich erst nach der Überweisung der Strafsache an die
Bezirksgerichtliche Kommission an einen Rechtsanwalt gewandt.

    Im Folgenden ist zu prüfen, ob für die Phase der Untersuchungshaft
und der in dieser Zeit durchgeführten Untersuchung nach dem kantonalen
Strafprozessrecht ein Anspruch auf eine notwendige Verteidigung bestanden
habe und wie es sich damit mit Blick auf das übergeordnete Verfassungs-
und Konventionsrecht verhält. Dabei wird die Anwendung des kantonalen
Verfahrensrechts lediglich unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots,
die Anwendung des Verfassungs- und Konventionsrechts indessen frei geprüft.
Lediglich der Willkürprüfung unterstehen ferner Sachverhaltsfragen.

    2.1  Vorerst ist in terminologischer Hinsicht festzuhalten,
dass notwendige bzw. obligatorische Verteidigung im strafprozessualen
Sinn bedeutet, dass der Betroffene in Anbetracht der rechtlichen und
tatsächlichen Umstände in den verschiedenen Stadien des Strafverfahrens
zwingend und auch ohne entsprechendes Ersuchen vertreten sein muss
und dass er darauf auch mit einer persönlichen (Selbst-)Verteidigung
nicht verzichten kann. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wer den
Rechtsvertreter wählt und schliesslich entschädigt; insoweit kann es
sich um eine gewillkürte Verteidigung oder aber um eine amtliche und
unentgeltliche Verteidigung handeln (vgl. BGE 113 Ia 218 E. 3c S. 222;
NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, Rz. 483 ff.; ROBERT
HAUSER/ERHARD SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht,
6. Aufl. 2005, § 40 Rz. 10 ff.; JÖRG P. MÜLLER, Grundrechte in der
Schweiz, 3. Aufl. 1999, S. 551 Fn. 53; vgl. auch Vorentwurf zu einer
schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 133 ff. und Begleitbericht
[Begleitbericht VE-StPO/CH] Ziff. 234 S. 95 ff.; NIKLAUS SCHMID, "Anwalt
der ersten Stunde", in: Festschrift für Stefan Trechsel, Zürich 2002,
S. 745/761).

    2.2  Die Strafprozessordnung umschreibt in § 50 die freiwillige und
notwendige Verteidigung und in § 51 die amtliche Verteidigung. Diese
Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

      § 50 - Freiwillige und notwendige Verteidigung 1 Der Angeschuldigte

      hat jederzeit das Recht, einen Verteidiger frei zu

        wählen. (...)

      3 Der Untersuchungsrichter und nötigenfalls die Staatsanwaltschaft

      haben

        den Angeschuldigten über das Recht auf einen Verteidiger

        aufzuklären und gegebenenfalls dem Präsidenten des zuständigen

        Gerichts die Bestimmung eines Pflichtverteidigers zu beantragen.

      4 Der Angeklagte muss vor Gericht grundsätzlich durch einen Anwalt

        verteidigt sein, wenn er zur Wahrung seiner Interessen unfähig

        ist oder wenn eine Strafe beantragt wird, bei welcher der

        bedingte Strafvollzug wegen ihrer Dauer ausgeschlossen ist, die

        Anordnung einer freiheitsentziehenden Massnahme in Frage kommt

        oder in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten

        bestehen, deren Beurteilung oder Erörterung die Fähigkeiten des

        Angeschuldigten übersteigt.

      5 Von der notwendigen Verteidigung kann abgesehen werden, wenn der

        urteilsfähige Angeklagte ausdrücklich hierauf verzichtet. (...)

      § 51 - Amtliche Verteidigung 1 Das Gesuch um amtliche Verteidigung

      kann jederzeit gestellt werden.

        Der Untersuchungsrichter hat den Angeschuldigten rechtzeitig

        darauf aufmerksam zu machen.

      2 Dem Gesuch ist zu entsprechen, sofern der Angeschuldigte

      bedürftig ist

        und die Voraussetzungen gemäss § 50 Absatz 4 gegeben sind.

      3 Der Präsident des für den Fall zuständigen Gerichts entscheidet, ob

        die amtliche Verteidigung gewährt werde. Wird das Gesuch

        auch für das Untersuchungsverfahren gestellt, so leitet

        es der Untersuchungsrichter mit seinem Antrag an den

        Gerichtspräsidenten. (...)

    2.3  Die Strafprozessordnung sieht in § 50 Abs. 4 unter den darin
genannten Voraussetzungen eine notwendige Verteidigung vor (auf die
nach § 50 Abs. 5 StPO/TG verzichtet werden kann). Diese gilt dem
Wortlaut entsprechend für das Verfahren vor Gericht. Das Obergericht
führt im angefochtenen Entscheid unter Hinweis auf die Materialien aus,
der thurgauische Gesetzgeber habe - anders als die Regelung in einzelnen
andern Kantonen (vgl. BGE 126 I 153 und Begleitbericht VE-StPO/CH S. 99)
- die notwendige Verteidigung nicht auf das Untersuchungsverfahren
ausdehnen und eine solche auch nicht nach einer bestimmten Dauer von
Untersuchungshaft vorsehen wollen. Unter dem blossen Gesichtswinkel von §
50 Abs. 4 StPO/TG könne daher im vorliegenden Verfahren nicht von einem
Fall notwendiger Verteidigung gesprochen werden.

    Diese Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts hält
ohne weiteres vor dem Willkürverbot stand. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers kann unter dem Gesichtswinkel von Art. 9 BV der in §
50 Abs. 4 StPO/TG enthaltene Ausdruck "vor Gericht" nicht einfach durch
"im Strafverfahren" ersetzt und allein aus diesem Umstand auf eine
obligatorische Verteidigung bereits im (ganzen) Untersuchungsstadium bzw.
für den Fall von Untersuchungshaft geschlossen werden.

    2.4  Im angefochtenen Entscheid stützt sich das Obergericht zusätzlich
auf die materiellen Kriterien von § 50 Abs. 4 StPO/TG. Es legt die
Bestimmung in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum
Anspruch auf amtliche Verteidigung nach Art. 29 Abs. 3 BV aus. Dabei
ging es von der Unterscheidung zwischen sog. Bagatellfällen, relativ
schweren Strafsachen und schwerwiegenden Fällen aus (vgl. BGE 115 Ia
103 E. 4 S. 105; 120 Ia 43 E. 2a S. 45; 128 I 225 E. 2.5.2 S. 232). Es
bezeichnete die vorliegende Strafsache als relativ schwer, weil eine
unbedingte Freiheitsstrafe angesichts von Verschulden und Vorleben
nicht ernsthaft ins Auge zu fassen war und besondere Schwierigkeiten in
tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlten. Vor diesem Hintergrund
des kantonalen Verfahrensrechts verneinte das Obergericht für das Stadium
der Untersuchung bzw. der Untersuchungshaft das Vorliegen eines Falles
notwendiger Verteidigung.

    Auch insoweit kann dem Obergericht bei der Anwendung des kantonalen
Verfahrensrechts keine Willkür vorgeworfen werden. Der Beschwerdeführer
weist zwar verständlicherweise auf die Schwierigkeiten hin, denen
er angesichts seiner mangelnden Sprachkenntnisse und des Drucks der
Untersuchungshaft ausgesetzt war. Das ändert indessen nichts am Umstand,
dass das Obergericht die Strafsache als lediglich von relativer Schwere
bezeichnen und besondere Schwierigkeiten verneinen durfte. Demnach hält
das angefochtene Urteil auch insoweit, als gestützt auf die materiellen
Kriterien von § 50 Abs. 4 StPO/TG ein Fall von notwendiger Verteidigung
verneint wurde, vor Art. 9 BV stand.

Erwägung 3

    3.  Im Folgenden ist die Rüge zu prüfen, ob das Bundesverfassungs-
und Konventionsrecht erfordere, dass der Beschwerdeführer unter den
gegebenen Umständen bereits im Untersuchungsverfahren bzw. während
der Untersuchungshaft obligatorisch durch einen Rechtsanwalt vertreten
gewesen wäre.

    3.1  Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, welche nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt, einen Anspruch auf einen unentgeltlichen
Rechtsbeistand, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist. Die
Rechtsprechung hat diesen bereits aus Art. 4 aBV abgeleiteten Anspruch in
einer reichen Praxis konkretisiert und anhand von materiellen Kriterien
umschrieben (vgl. für das Strafverfahren BGE 115 Ia 103 E. 4 S. 105; 120
Ia 43 E. 2a S. 45; 128 I 225 E. 2.5.2 S. 232). Ziel der unentgeltlichen
Rechtspflege ist es, eine gewisse Waffengleichheit zu gewährleisten;
jeder Betroffene soll grundsätzlich ohne Rücksicht auf seine finanzielle
Situation unter den von der Rechtsprechung umschriebenen Voraussetzungen
Zugang zum Gericht und Anspruch auf Vertretung durch einen Rechtskundigen
haben (BGE 119 Ia 134 E. 4 S. 135). Bei gegebenen Voraussetzungen kann
daher eine amtliche Verbeiständung geboten sein (vgl. BGE 120 Ia 43;
129 I 281).

    In Anbetracht der Entstehung und der Entwicklung des Instituts der
unentgeltlichen Verteidigung unter der Herrschaft von Art. 4 aBV und im
Lichte des Wortlauts von Art. 29 Abs. 3 BV kann nicht angenommen werden,
dass Art. 29 Abs. 3 BV unter gewissen Voraussetzungen eine obligatorische
Verteidigung im oben umschriebenen Sinne erheischt. Verfassungsrechtlich
steht es dem Betroffenen grundsätzlich vielmehr frei, sich in den
unterschiedlichen Stadien des Strafverfahrens selbst zu verteidigen oder
ein Gesuch um Gewährung einer amtlichen Verteidigung zu stellen. Daran
vermag der Umstand nichts zu ändern, dass das Recht auf Selbstverteidigung
eingeschränkt werden kann und der Gesetzgeber in gewissen Fällen im
Interesse des Beschuldigten und zur Wahrung eines geordneten Verfahrens und
einer optimalen Wahrheitssuche eine obligatorische Verteidigung vorsehen
darf (BGE 95 I 356).

    Demnach kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, wenn er
aus Art. 29 Abs. 3 BV unter gegebenen Voraussetzungen einen Anspruch
auf obligatorische Verbeiständung ableitet.

    3.2  Der Beschwerdeführer beruft sich ferner auf Art. 6 Ziff. 3 lit. c
EMRK und macht geltend, er hätte auch gestützt auf das Konventionsrecht
schon während der Strafuntersuchung bzw. der Dauer der Untersuchungshaft
zwingend durch einen (amtlichen) Rechtsvertreter verbeiständet werden
müssen.

    Die Ansprüche nach Art. 6 Ziff. 3 EMRK bilden für das Strafverfahren
Teil des in Art. 6 Ziff. 1 EMRK allgemein garantierten fairen
Verfahrens. Diese Bestimmungen kommen schon vor dem eigentlichen
gerichtlichen Strafverfahren im Stadium der Untersuchung zur
Anwendung, wenn das Vorverfahren die Fairness des ganzen Verfahrens
zu beeinträchtigen droht (vgl. BGE 111 Ia 341 E. 3d S. 347 ff. und
Urteil des EGMR i.S. S. gegen Schweiz vom 28. November 1991, Serie A,
Bd. 220 [= VPB 55/1991 Nr. 51, EuGRZ 1992 S. 298]; Urteil i.S. Brennan
gegen Grossbritannien vom 16. Oktober 2001, Recueil CourEDH 2001-X
S. 239, Ziff. 45; ARTHUR HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN, Die Europäische
Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 218 f.).
Insbesondere wenn dem Verhalten und den Aussagen des Beschuldigten
anlässlich von polizeilichen Befragungen für die Verteidigungsmöglichkeit
und den Ausgang des Verfahrens wesentliche Bedeutung zukommt, verlangen das
Fairnessgebot und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK, dass der Beschuldigte bereits
im anfänglichen Stadium des Verfahrens einen Rechtsvertreter beiziehen
kann. Jedoch kann dieses Recht, das nicht ausdrücklich in der Konvention
enthalten ist, Gegenstand von wohlbegründeten Ausnahmen sein. Dabei ist in
jedem Einzelfall zu beurteilen, ob bei Gesamtbetrachtung des Verfahrens der
Beschuldigte angesichts von Einschränkungen einem fairen Verfahren entzogen
worden ist (vgl. BGE 126 I 153 E. 4 S. 159 mit Hinweisen; Urteil Brennan,
aaO, Ziff. 45; Urteil i.S. Murray gegen Grossbritannien vom 8. Februar
1996, Recueil CourEDH 1996-I S. 30, Ziff. 62 f. [= EuGRZ 1996 S. 587];
Urteil i.S. Imbrioscia gegen Schweiz vom 24. November 1993, Serie A,
Bd. 275, Ziff. 36 ff. [= VPB 58/1994 Nr. 108, RUDH 1999 S. 345]).

    Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass der Beschuldigte schon in
einem sehr frühen Stadium einen Rechtsvertreter soll beiziehen können. Im
genannten Urteil Murray erkannte der Gerichtshof unter ausserordentlichen
Voraussetzungen in tatsächlicher und verfahrensmässiger Hinsicht, dass
die Verweigerung der gewünschten Verbeiständung während 48 Stunden und
insbesondere anlässlich der ersten polizeilichen Befragungen gegen Art. 6
EMRK verstossen habe (aaO, Ziff. 64 ff.). Keine Verletzung von Art. 6 EMRK
erblickte er in der Angelegenheit Brennan, in der dem Beschuldigten die
gewünschte Vertretung während 24 Stunden seit der Verhaftung verweigert
worden ist und in der Folge zwar gewährt wurde, davon aber während
mehrerer Tage und anlässlich verschiedener polizeilicher Befragungen
kein Gebrauch gemacht worden ist (aaO, Ziff. 46 ff.). Im Fall Imbrioscia
schliesslich wurde anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme um
Beizug eines Rechtsanwalts ersucht und ein solcher schliesslich bestellt;
dessen Inaktivität war indessen nicht den Behörden anzulasten, sodass
der Gerichtshof eine Verletzung von Art. 6 EMRK verneinte (aaO, Ziff. 39
ff.). Schliesslich hat es das Bundesgericht als mit Art. 6 EMRK vereinbar
erklärt, dass in einer Genfer Angelegenheit der gewillkürte Rechtsvertreter
erst nach rund 24 Stunden zugelassen wurde (BGE 126 I 153).

    Aus dem Anspruch auf einen Beizug eines Rechtsverteters in einem sehr
frühen Stadium kann indessen nicht geschlossen werden, dass Art. 6 Ziff. 3
lit. c EMRK unter gegebenen Umständen eine obligatorische Verbeiständung
auch ohne entsprechendes Ersuchen oder gar entgegen dem Willen des
Betroffenen erfordern würde. Der Gerichtshof geht davon aus, dass dem
Beschuldigten in frühestem Stadium der Beizug eines Rechtsvertreters
erlaubt wird. Weiter hält er fest, dass dieser Anspruch eingeschränkt
werden kann. Schliesslich spricht Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK der
beschuldigten Person das Recht zu, sich selbst zu verteidigen oder sich
durch einen gewillkürten oder amtlichen Rechtsvertreter verteidigen zu
lassen (vgl. BGE 109 Ia 239, insbesondere mit Hinweis auf das Urteil
des Gerichtshofes i.S. Pakelli gegen Deutschland vom 25. April 1983,
Serie A, Bd. 64 [= EuGRZ 1983 S. 344]), auch wenn dieses Recht zur
Selbstverteidigung in Fällen gesetzlich vorgesehener obligatorischer
Verteidigung aus öffentlichen Interessen an einem ordnungsgemässen
Verfahren eingeschränkt werden kann (vgl. Urteil i.S. Correia de Matos
gegen Portugal vom 15. November 2001, Recueil CourEDH 2001-XII S. 149;
Urteil i.S. Croissant gegen Deutschland vom 25. September 1992, Serie A,
Bd. 237-B, Ziff. 27 ff. [= EuGRZ 1992 S. 542]; HAEFLIGER/ SCHÜRMANN,
aaO, S. 226). Schliesslich zeigt die Strassburger Rechtsprechung, dass
es keine Konventionsverletzung darstellt bzw. darstellen muss, wenn ein
tatsächlich bestellter Anwalt sein Mandat nicht in jeglicher Hinsicht
wirksam ausübt und insbesondere trotz gegebener Möglichkeiten Befragungen
des Beschuldigten nicht beiwohnt (vgl. die genannten Urteile Brennan
und Imbrioscia).

    Daraus ergibt sich, dass Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK grundsätzlich
keine obligatorische Vertretung verlangt. Der Strassburger Rechtsprechung
kann eine solche auch für den blossen Umstand des Vorliegens von
Untersuchungshaft und den damit verbundenen Schwierigkeiten nicht
entnommen werden. Der Gerichtshof verlangt vielmehr ein gewisses
Tätigwerden des Beschuldigten in dem Sinne, dass tatsächlich um
Beizug eines Rechtsvertreters ersucht wird oder eine Verweigerung und
allfällige Passivität von Seiten des Anwalts beanstandet wird (vgl. BGE
118 Ia 462 E. 2b/bb S. 466; Urteil Imbrioscia, aaO, Ziff. 40; Urteil
Brennan, aaO, Ziff. 47; vgl. auch das Urteil i.S. P. und Mitbeteiligte
gegen Grossbritannien vom 16. Juli 2002, Recueil CourEDH 2002-VI
S. 247). Soweit ersichtlich hat der Gerichtshof denn in Fällen, in
denen ein Rechtsvertreter gar nicht verlangt worden ist, auch keine
Konventionsverletzungen festgestellt; davon wurde lediglich in einem
Verfahren nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK betreffend eine aus psychischen Gründen
verwahrte Person abgewichen (Urteil i.S. Megyeri gegen Deutschland vom
12. Mai 1992, Serie A, Bd. 237-A [= EuGRZ 1992 S. 347]).

    Die Frage, ob Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK unter gegebenen Umständen
zu einer obligatorischen Verteidigung führt, wird in der Doktrin nur
am Rande gestreift. FROWEIN/PEUKERT führen aus, der Angeklagte habe
stets das Recht, sich selbst zu verteidigen, soweit er selber keinen
Rechtsvertreter gewählt hat und auch im Interesse der Rechtspflege keinen
solchen benötige (JOCHEN ABR. FROWEIN/ WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar,
2. Aufl. 1996, Rz. 188 zu Art. 6 EMRK). Ob daraus in gewissen Fällen eine
obligatorische Verteidigung abzuleiten ist, erscheint nicht restlos klar
und kann insbesondere im Lichte des Strassburger Urteils Pakelli nicht ohne
weiteres angenommen werden. Aus den Ausführungen von HAEFLIGER/SCHÜRMANN
kann ebenfalls nicht gefolgert werden, dass Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK
unter gegebenen Umständen eine obligatorische Verteidigung erfordern würde
(HAEFLIGER/SCHÜRMANN, aaO, S. 226 ff.). VILLIGER schliesslich spricht
davon, dass einem Beschuldigten ein Verteidiger zur Seite zu stellen ist,
wenn er sich nicht selbst verteidigen kann (MARK E. VILLIGER, Handbuch
der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 1999, Rz. 517);
er erwähnt den allfälligen Verzicht auf eine Vertretung nicht und kann
daher nicht als Befürworter einer konventionsrechtlichen obligatorischen
Verteidigung verstanden werden.

    Demnach kann Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK nicht entnommen werden, dass
der Beschwerdeführer während seiner Untersuchungshaft und schon in frühem
Untersuchungsstadium obligatorisch und ohne entsprechendes Begehren hätte
vertreten sein müssen.

    3.3  Schliesslich ist auf den UNO-Pakt II hinzuweisen. Dieser
verbürgt dem Angeschuldigten in Art. 14 Ziff. 3 lit. d u.a. das Recht,
bei der Verhandlung anwesend zu sein und sich selbst zu verteidigen oder
sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen; falls
er keinen Verteidiger hat, ist er über das Recht, einen Verteidiger in
Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; fehlen ihm die Mittel zur Bezahlung
eines Verteidigers, so ist ihm ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen,
wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Auch aus diesen
Garantien kann nicht auf das Erfordernis von obligatorischer Verteidigung
geschlossen werden (vgl. WALTER KÄLIN/GIORGIO MALINVERNI/Manfred NOWAK, La
Suisse et les Pactes des Nations Unies relatifs aux Droits de l'homme, 2.
Aufl. 1997, S. 193).

    3.4  Im Sinne eines Zwischenergebnisses kann vorderhand festgehalten
werden, dass aus Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK keine
eigentliche Pflicht fliesst, unter bestimmten Voraussetzungen eine
obligatorische Verteidigung im oben umschriebenen Sinne vorzusehen.
Nachfolgend ist indes zu prüfen, ob andere Bestimmungen des Verfassungs-
und Konventionsrechts und die allgemeine Garantie eines fairen Verfahrens
es unter gewissen Umständen gebieten, einem Angeschuldigten einen
Rechtsvertreter zu bestellen.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 4 aBV und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK fliesst aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren für
den Richter die Pflicht, rechtsungewohnte, nicht anwaltlich vertretene
Verfahrensbeteiligte über ihre prozessualen Rechte im Allgemeinen
aufzuklären und sie insbesondere frühzeitig auf ihr Recht hinzuweisen,
jederzeit einen Verteidiger beiziehen zu können. Im gleichen Sinne schreibt
Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II vor, dass beschuldigte Personen über
ihr Recht, einen Rechtsvertreter beizuziehen, zu unterrichten sind. Über
diese Hinweispflicht hinaus haben die richterlichen Behörden tatsächlich
für eine wirksame Verteidigung zu sorgen. Im Umstand, dass die Behörden
untätig dulden, dass ein Verteidiger seine anwaltlichen Berufs- und
Standespflichten in schwerwiegender Weise vernachlässigt, kann eine
Verfassungs- und Konventionsverletzung begründet sein. Unter gegebenen
Voraussetzungen hat der Richter aufgrund der Fürsorgepflicht einen
amtlichen Rechtsvertreter zu ersetzen sowie bei gewillkürter Verteidigung
einzuschreiten und das Notwendige vorzukehren (BGE 124 I 185 E. 3 S. 189;
113 Ia 218 E. 3c S. 222, mit Hinweisen).

    Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung der Strassburger Organe
unter dem Gesichtswinkel der Garantie des fair trial gemäss Art. 6
Ziff. 1 EMRK. Der Gerichtshof betont in stereotyper Weise, dass die
Konvention nicht bloss theoretische und illusorische, sondern vielmehr
konkrete und wirksame Rechte einräume (vgl. Urteil i.S. Czekalla gegen
Portugal vom 10. Oktober 2002, Recueil CourEDH 2002-VIII S. 43, Ziff. 60;
Urteil i.S. Daud gegen Portugal vom 21. April 1998, Recueil CourEDH
1998-II S. 739, Ziff. 38; Urteil Imbrioscia, aaO, Ziff. 38; Urteil
i.S. Artico gegen Italien vom 13. Mai 1980, Serie A, Bd. 37, Ziff. 32 [=
EuGRZ 1980 S. 662], Urteil i.S. Goddi gegen Italien vom 9. April 1984,
Serie A, Bd. 76, Ziff. 30 [= EuGRZ 1985 S. 234]). Dies bedeutet, dass die
Behörde den Beschuldigten in wirksamer Weise auf seine Verteidigungsrechte
hinweisen und bei krasser Vernachlässigung der Verteidigung einschreiten
muss. Im Falle von schwerwiegenden Unzulänglichkeiten von amtlichen
Verteidigern hat der Gerichtshof verschiedentlich festgehalten, dass die
Behörden ihrer Pflicht zur Behebung des Mangels nicht nachgekommen seien
und deshalb der Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt worden sei
(vgl. die erwähnten Urteile Czekalla, Goddi und Artico). Im genannten
Urteil Czekalla erblickte der Gerichtshof eine Missachtung des Grundsatzes
des fair trial darin, dass wegen eines schwerwiegenden prozessualen Fehlers
des Rechtsvertreters auf ein Rechtsmittel nicht eingetreten worden ist
(aaO, Ziff. 68).

    4.2  Unter der neuen Bundesverfassung ergibt sich eine entsprechende
richterliche Fürsorge- und Aufklärungspflicht nunmehr aus Art. 31 und
32 BV. In allgemeiner Weise garantiert Art. 32 BV einen Anspruch auf
ein faires Strafverfahren und verpflichtet die Behörde zu entsprechendem
Verhalten (vgl. Botschaft des Bundesrates zur neuen Bundesverfassung,
BBl 1997 I 1, S. 186; HANS VEST, St. Galler BV-Kommentar, Zürich
2002, Rz. 18 zu Art. 32 BV). Gemäss Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BV muss die
angeklagte Person insbesondere die Möglichkeit haben, die ihr zustehenden
Verteidigungsrechte tatsächlich, d.h. konkret und wirksam wahrzunehmen
(vgl. Botschaft des Bundesrates, aaO, S. 187). Nach Art. 31 Abs. 2 BV sind
Beschuldigte im Falle von Freiheitsentzug in wirksamer Weise über ihre
Rechte zu unterrichten. Diese müssen die Möglichkeit haben, ihre Rechte
effektiv geltend zu machen. Hierzu zählt nach der neuesten Rechtsprechung
unter anderem auch der Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht
des Angeschuldigten (BGE 130 I 126 E. 2.3-2.5 S. 129). In diesem
Sinne haben die mit der Strafverfolgung betrauten Behörden aufgrund
ihrer Fürsorge- und Aufklärungspflicht nach Art. 32 Abs. 2 und Art.
31 Abs. 2 BV für die Voraussetzungen eines fairen Strafverfahrens zu
sorgen und allenfalls auch ohne entsprechendes Zutun des Betroffenen
für eine hinreichende Rechtsvertretung zu sorgen. Dies kann es gebieten,
dass einem Beschuldigten aufgrund der Verfassung auch ohne entsprechendes
Ersuchen von Amtes wegen ein Rechtsvertreter beigegeben wird (vgl. HANS
VEST, St. Galler BV-Kommentar, Zürich 2002, Rz. 19 ff. zu Art. 32 BV).

    4.3  Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob
der Beschwerdeführer hinreichend über die Möglichkeit des Beizuges eines
Rechtsvertreters während der Haft und für die in dieser Zeit durchgeführte
Untersuchung aufgeklärt worden ist (E. 4.3) und ob darüber hinaus dem
Beschwerdeführer angesichts der konkreten Umstände von Amtes wegen ein
Rechtsverteter hätte bestellt werden müssen (E. 4.4).

    4.3.1  Aus den Akten zur Haftanordnung und zu den Befragungen durch
die Polizei und den Untersuchungsrichter, auf die sowohl das Obergericht
wie auch der Beschwerdeführer hinweisen, ergibt sich mit Deutlichkeit,
dass der Beschwerdeführer einerseits auf seine Rechte hinsichtlich der Haft
(Möglichkeit eines Haftentlassungsgesuches und einer richterlichen Prüfung)
und andererseits auf sein Recht der Aussageverweigerung und auf die Folgen
von Aussagen hingewiesen worden ist. Vom Aussageverweigerungsrecht hat
der Beschwerdeführer denn in einer bestimmten Phase der Untersuchung auch
tatsächlich Gebrauch gemacht.

    Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer gemäss Protokollen mehrmals mit
den folgenden Worten auf die Möglichkeit des Beizugs eines Rechtsvertreters
hingewiesen worden: "Sie können jederzeit einen Anwalt nach freier Wahl
und auf Ihre Kosten beiziehen. Ein Gesuch um amtliche Verteidigung ist
schriftlich zu stellen und zu begründen". Gemäss den Protokollen blieb es
nicht bei diesem blossen Hinweis auf Recht und Möglichkeit, einen Anwalt
beizuziehen. Vielmehr ist der Beschwerdeführer danach gefragt worden,
ob er den Hinweis auch tatsächlich verstanden habe; auch in anderem
Zusammenhang ist er bisweilen gefragt worden, ob er den Dolmetscher
verstehe. Daran kann nach den Protokollen kaum gezweifelt werden. Zum
einen hat der Beschwerdeführer im Allgemeinen auf die polizeilichen und
untersuchungsrichterlichen Fragen sachgerecht geantwortet. Zum andern
entgegnete er auf die genannten Hinweise, er wisse noch nicht, ob dies (ein
Beizug eines Rechtsvertreters) nötig sei oder warum er einen Anwalt nehmen
sollte. Insoweit kann den Behörden daher nicht vorgeworfen werden, ihren
gesetzlichen bzw. verfassungs- und konventionsrechtlichen Aufklärungs-
und Fürsorgepflichten nicht nachgekommen zu sein.

    4.3.2  Gemäss angefochtenem Urteil und der Beschwerdeschrift
äusserte der Beschwerdeführer ein einziges Mal einen Wunsch nach einem
Rechtsvertreter und sagte anlässlich der polizeilichen Befragung vom
15. Januar 2002: "Ich bin gesund. Ich möchte einen Anwalt haben". Im
Protokoll finden sich danach keine weiteren Äusserungen dazu. Das
Obergericht ging davon aus, der Beschwerdeführer und der Polizeibeamte
hätten sich ausserhalb des Protokolls darüber unterhalten. Es könne
ausgeschlossen werden, dass der Beizug eines Rechtsvertreters hintertrieben
werden sollte, ansonsten die Äusserung des Beschwerdeführers gar nicht
protokolliert worden wäre. Zudem habe dieser das Protokoll vorbehaltlos
unterzeichnet. Bei dieser Sachlage kann ohne Willkür angenommen werden,
dass der Beschwerdeführer nicht ernstlich an einem Beizug eines
Rechtsvertreters interessiert war und seinen einmalig geäusserten
Wunsch nicht weiter verfolgte. Ein entsprechender Wunsch von Seiten
des Beschwerdeführers kommt denn auch in den nachfolgenden Befragungen
bzw. den unterzeichneten Protokollen nie mehr zum Ausdruck. Wie bereits
dargelegt, kann angenommen werden, dass der Beschwerdeführer die Tragweite
der Belehrungen tatsächlich verstanden hatte. An der Beurteilung des
Obergerichts vermögen die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nichts zu
ändern. Insbesondere kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer habe
in Aussicht der Bestellung eines Rechtsvertreters vorerst weitere Aussagen
gemacht und am Tage darauf, als er realisiert habe, dass kein solcher
bestellt würde, weitere Aussagen verweigert. Auch in dieser Hinsicht
kann somit nicht auf eine Verletzung der behördlichen Aufklärungs- und
Fürsorgepflichten geschlossen werden.

    Schliesslich verweist der Beschwerdeführer auf eine Aussage
anlässlich der Befragung vom 29. Januar 2002. Auf den Hinweis, wonach
der Beschwerdeführer Bedenken hatte, weitere Angaben zu machen, wurde
er gefragt, warum er Angst habe. Er antwortete: "Ich bin zur Zeit total
überfordert mit der Situation, wie sie jetzt für mich ist. Ich weiss, dass
die Polizei sehr nett ist zu mir, und ich möchte mich dafür revanchieren,
aber verstehen Sie bitte, dass die ganze Sache mich im Moment total
überfordert. ... Nein, ich habe diesbezüglich (nämlich hinsichtlich von
Befürchtungen, der Polizei die ganze Wahrheit über die Drogentätigkeiten zu
sagen) keine Bedenken. Ich muss vor niemandem Angst haben". Diese Aussagen
bringen tatsächlich eine gewisse Überforderung des Beschwerdeführers
zum Ausdruck. Diese dürfte indessen mehr momentaner psychischer Natur
gewesen sein und sich kaum auf die rechtliche Situation und das Fehlen
einer Rechtsverbeiständung bezogen haben. Aus dem Zusammenhang kann nicht
gefolgert werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich den Wunsch nach
einer anwaltlichen Vertretung hätte zum Ausdruck bringen wollen.

    4.3.3  Der Beschwerdeführer beanstandet ferner, dass das Recht,
einen amtlichen Rechtsvertreter bestellen zu lassen, von einem
schriftlichen Gesuch und einer entsprechenden Begründung abhängig
gemacht worden sei. § 51 Abs. 1 StPO/TG hält fest, dass jederzeit
ein Gesuch um amtliche Verteidigung gestellt werden kann; wird das
Gesuch auch für das Untersuchungsverfahren gestellt, so leitet es der
Untersuchungsrichter gemäss § 51 Abs. 3 StPO/TG mit seinem Antrag an
den Gerichtspräsidenten. Daraus kann ohne Willkür gefolgert werden, dass
ein entsprechendes Gesuch schriftlich gestellt werden muss. Entscheidend
ist im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer nach den vorstehenden
Erwägungen nicht ernsthaft um Bestellung eines Anwalts ersuchte. Er brachte
auch keineswegs zum Ausdruck, bereits mit einer solchen Gesuchsstellung
überfordert gewesen zu sein. Die Untersuchungsbehörden hatten daher weder
Anlass noch Gelegenheit, den Beschwerdeführer bei einem entsprechenden
Ersuchen zu unterstützen.

    4.3.4  Den Behörden kann auch bei gesamthafter Würdigung der
Umstände kein Verstoss gegen die Aufklärungs- und Fürsorgepflichten im
Sinne von Art. 32 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 2 BV sowie von Art. 6 Ziff. 1
EMRK vorgeworfen werden. Auf der einen Seite ist der Beschwerdeführer
tatsächlich mehrmals auf sein Recht, einen Privatverteidiger beizuziehen
oder einen amtlichen Rechtsvertreter zu bestellen, hingewiesen worden. Es
gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser die entsprechenden Hinweise
nicht verstanden hätte. Damit kann davon ausgegangen werden, dass der
Beschwerdeführer auf die Bestellung eines Rechtsvertreters für die während
der Haft geführte Untersuchung verzichtete.

    4.4  In Anbetracht der konkreten Strafsache konnte von den
Strafverfolgungsbehörden nicht verlangt werden, über die wiederholte
Information hinaus ein Mehreres zu tun und den Beschwerdeführer
ausdrücklich auf seinen Verzicht auf einen Rechtsvertreter zu behaften. In
Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse waren sie nach Verfassung und
Konvention insbesondere nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer von Amtes
wegen einen (obligatorischen) Verteidiger zu bestellen. Die Strafsache
hat sich als wenig komplex erwiesen, und schon in einem frühen Stadium
ist eine lediglich bedingt auszusprechende Freiheitsstrafe in Betracht
gezogen worden. Dem Umstand, dass nach der Strafprozessordnung schon erste
Befragungen bei der materiellen Beurteilung der Strafsache verwertbar
sind, kommt für sich alleine genommen keine entscheidende Bedeutung zu
(vgl. die Urteile des Gerichtshofes i.S. Brennan und Imbrioscia, aaO). Die
Sprachschwierigkeiten sind durch den Beizug eines Dolmetschers behoben
worden, und der Beschwerdeführer antwortete in den polizeilichen und
untersuchungsrichterlichen Befragungen in sachgerechter Weise. Bei dieser
Sachlage kann gesagt werden, dass das Verfahren gesamthaft gesehen den
Anforderungen an einen fairen Prozess im Sinne von Art. 32 Abs. 2 und 31
Abs. 2 BV sowie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügte und die Behörden daher
nicht verpflichtet waren, dem Beschwerdeführer von Amtes wegen einen
Rechtsvertreter zu bestellen.

    4.5  Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit der
Beschwerdeführer aus Art. 32 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 2 BV sowie Art. 6
Ziff. 1 EMRK für die Dauer der Haft und die in dieser Zeit geführte
Untersuchung eine obligatorische Verbeiständung ableitet.

    Bei dieser Sachlage (...) steht der Verwertung der während der
Untersuchungshaft ohne Beistand eines Rechtsvertreters gemachten
Äusserungen für die materielle Beurteilung der Strafsache nichts
entgegen. Auch in diesem Punkte erweist sich die Beschwerde als
unbegründet.