Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 272



131 I 272

29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft sowie Kantonsgericht Basel-Landschaft
(Staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.570/2004 vom 3. Mai 2005

Regeste

    Art. 5, 9, 13, 29, 32, 35, 36 BV, Art. 6 und 8 EMRK, § 41 Abs. 1 StPO/
BL; Verwertungsverbot für unrechtmässig erlangte Beweise im Strafprozess.

    Verfassungsrechtliche Zuordnung des Verwertungsverbots für rechtswidrig
erlangte, aber nicht an sich verbotene Beweismittel: Im Vordergrund
steht das aus Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleitete
Fairnessgebot (E. 3.2).

    Zulässigkeit einer Interessenabwägung für den Entscheid über die
Verwertbarkeit derartiger Beweise (Bestätigung der Rechtsprechung,
E. 4). Es besteht keine verfassungsrechtliche Pflicht, die Regelung des
Verwertungsverbots von Art. 7 Abs. 4 BÜPF ausserhalb des Anwendungsbereichs
dieses Erlasses beim unbewilligten Einsatz technischer Überwachungsgeräte
zu Ermittlungszwecken (z.B. Videoüberwachung) zu übernehmen (E. 4.4).

Sachverhalt

    Das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft sprach X. am 9. Januar
2004 der Brandstiftung, begangen in der Einstellhalle einer Wohnüberbauung,
schuldig. Dabei stützte es sich zur Hauptsache auf Videoaufzeichnungen
vom Tatort, auf denen der Angeklagte als letzter unmittelbar vor dem
Brandausbruch zu sehen ist; darüber hinaus erachtete es eine Indizienkette
zu Lasten des Angeklagten als gegeben. Das Gericht stellte fest, dass die
erwähnten Videoaufnahmen nicht rechtskonform beschafft worden waren. Die
Polizei Basel-Landschaft hatte in der Tiefgarage zwei Videokameras
aufgestellt, ohne die erforderliche Bewilligung des Präsidenten
des Verfahrensgerichts des Kantons Basel-Landschaft einzuholen. Das
Strafgericht bejahte die Verwertbarkeit dieser Aufzeichnungen aufgrund
einer Interessenabwägung. Es verurteilte den Angeklagten zu 2 1/4 Jahren
Gefängnis, abzüglich der erstandenen Untersuchungshaft, und erklärte zwei
frühere, bedingt aufgeschobene Gefängnisstrafen für vollziehbar. Der
Vollzug der drei Strafen wurde zu Gunsten einer stationären Massnahme
aufgeschoben und der Verurteilte in eine Heil- oder Pflegeanstalt
eingewiesen.

    Auf Appellation von X. bestätigte die Abteilung Zivil- und Strafrecht
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft am 27. Juli 2004 das erstinstanzliche
Urteil im Hinblick auf den Schuldpunkt und die Strafzumessung. Statt einer
stationären Massnahme ordnete sie aber die Fortführung der ambulanten
Therapie und eine Schutzaufsicht an.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde rügt X. die Verwertung der
Videoaufnahmen im Strafverfahren. Das Bundesgericht weist die Beschwerde
ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.1  Der Beschwerdeführer verlangt vorfrageweise eine Überprüfung
der Verfassungsmässigkeit von § 41 Abs. 1 der Strafprozessordnung des
Kantons Basel-Landschaft (StPO/BL). Nach dieser Bestimmung dürfen Beweise,
die auf unzulässige Weise erlangt worden sind, nicht verwertet werden,
es sei denn, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiege
die rechtlich geschützten Interessen der angeschuldigten Person.

    Mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Einzelakt kann auch
die Verfassungswidrigkeit der zur Anwendung gelangten kantonalen Norm
gerügt werden (akzessorische Normenkontrolle). Das Bundesgericht prüft
dabei die Verfassungsmässigkeit der beanstandeten Normen nicht auf alle
möglichen Konstellationen hin, sondern nur unter dem Gesichtswinkel des
konkreten Falles, und wenn sich die Rüge als begründet erweist, hebt
es nicht die beanstandete Norm als solche auf, sondern lediglich den
gestützt auf sie ergangenen Anwendungsakt (BGE 130 I 169 E. 2.1 S. 171;
128 I 102 E. 3 S. 105 f., je mit Hinweisen).

    Bezüglich der Kognition des Bundesgerichts ist wie folgt zu
unterscheiden: Die Auslegung der streitigen kantonalen Norm bzw. deren
Anwendung durch die kantonalen Behörden prüft das Bundesgericht
grundsätzlich unter dem Gesichtswinkel der Willkür; vorbehalten bleibt
ein schwerer Eingriff in ein spezielles verfassungsmässiges Recht. Frei
prüft das Bundesgericht alsdann, ob die willkürfrei ausgelegte kantonale
Vorschrift mit dem einschlägigen Bundesrecht vereinbar ist (BGE 130 I
169 E. 2.1 S. 171; 123 I 313 E. 2b S. 317, je mit Hinweisen).

    3.2  Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Garantie eines fairen
Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 EMRK und allenfalls Art. 32 BV).
Weiter macht er das Recht auf Schutz seines Privatlebens (Art. 13 BV bzw.
Art. 8 EMRK) und das Legalitätsprinzip gemäss Art. 5, 35 und 36 BV geltend.

    3.2.1  Das Gebot des fairen Verfahrens wird von der Rechtsprechung
aus Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleitet (BGE 129
I 85 E. 4.1 S. 88). Unter der Geltung der alten Bundesverfassung vom
29. Mai 1874 hatte das Bundesgericht diese Garantie bereits auf Art. 4
aBV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgestützt (BGE 113 Ia 412 E. 3b S. 421). Als
Teilgehalt dieses Gebots anerkennt das Bundesgericht ein grundsätzliches
Verwertungsverbot für widerrechtliche Beweise (E. 4.1 hiernach).

    3.2.2  Wie dargelegt ist die Rechtswidrigkeit der umstrittenen
Videoüberwachung nicht mehr fraglich. Daher vermag der Beschwerdeführer für
die Frage der Verwertbarkeit der in diesem Rahmen erfolgten Videoaufnahmen
weder aus der Garantie des Privatlebens (Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK)
noch aus dem Legalitätsprinzip und den hierbei angerufenen Art. 5, 35
und 36 BV Ansprüche abzuleiten, die über das Gebot des fairen Verfahrens
hinausgehen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Garantie des
Privatlebens als verletztes Rechtsgut des Beschuldigten unter Umständen
in die verfassungsrechtliche Überprüfung einfliesst, ob die Verwertung
eines rechtswidrig gegen ihn erlangten Beweises vor dem Fairnessgebot
stand hält (vgl. E. 4.1).

    3.2.3  Der Beschwerdeführer erwähnt im vorliegenden Zusammenhang
ausserdem Art. 32 BV.

    3.2.3.1  Aus den Materialien ergibt sich, dass Art. 32 Abs. 1 BV mit
der Garantie der Unschuldsvermutung dem Gehalt von Art. 6 Ziff. 2 EMRK
entspricht. Mit Art. 32 Abs. 2 BV wird der Anspruch auf rechtliches Gehör
(Art. 29 Abs. 2 BV) im Strafverfahren konkretisiert: Die Verfassungsnorm
umschreibt zunächst in Satz 1 die Grundvoraussetzungen (Anspruch
auf möglichst rasche und umfassende Orientierung über die erhobenen
Beschuldigungen); Satz 2 von Abs. 2 gewährleistet die Verteidigungsrechte
des Angeklagten in einem Umfang, wie er bereits in Art. 6 Ziff. 3 EMRK
verankert ist. Die in Art. 32 Abs. 3 BV enthaltene Rechtsmittelgarantie
ergibt sich ferner aus Art. 2 des Siebten Zusatzprotokolls zur EMRK und
aus Art. 14 Ziff. 5 UNO-Pakt II (Botschaft des Bundesrates vom 20. November
1996 zur neuen Bundesverfassung, BBl 1997 I 186 f.; vgl. auch RENÉ RHINOW,
Die Bundesverfassung 2000, Basel 2000, S. 221).

    3.2.3.2  Das Bundesgericht hat in BGE 130 I 126 E. 3.4 S. 133 die
Aussagen eines Angeschuldigten, die er unter Verletzung der behördlichen
Aufklärungspflicht über sein Schweigerecht gemacht hatte, gestützt
auf Art. 31 Abs. 2 BV für nicht verwertbar erklärt. Im selben Urteil
wurde einerseits darauf hingewiesen, dass das Recht des Beschuldigten,
zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, auch aus Art. 6
Ziff. 1 EMRK sowie aus Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II folgt (BGE 130
I 126 E. 2.1 S. 128). Anderseits wurde einstweilen offen gelassen, ob
das Aussageverweigerungsrecht zusätzlich Ausfluss der Unschuldsvermutung
(Art. 32 Abs. 1 BV) oder der Verteidigungsrechte des Angeklagten (Art. 32
Abs. 2 BV) sei (BGE 130 I 126 E. 2.1 S. 129).

    Im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit von Telefonabhörprotokollen,
die aus dem Albanischen ins Deutsche übersetzt worden waren, hat
das Bundesgericht erwogen, es folge aus dem Anspruch auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 3 EMRK) als Teilaspekt des
Grundsatzes des fairen Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1
EMRK), dass aktenmässig belegt sei, wie das Beweismittel bzw. insbesondere
die Übersetzung produziert wurde. Dies sei Voraussetzung dafür, dass
der Angeklagte seine Verteidigungsrechte überhaupt wahrnehmen könne,
wie dies Art. 32 Abs. 2 BV verlange (BGE 129 I 85 E. 4.1 S. 88 f.).

    3.2.3.3  Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) garantiert Art. 6 EMRK das Recht auf ein faires
Gerichtsverfahren, enthält aber keine grundsätzlichen Bestimmungen
über die Zulässigkeit von Beweismitteln. Dies sei in erster Linie
eine Angelegenheit nationaler Gesetzgebung. Der Gerichtshof schliesst
daher nicht grundsätzlich und abstrakt aus, dass rechtswidrig erlangte
Beweismittel im Einzelfall zulässig sein können. Er prüft allein, ob
das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer insgesamt fair gewesen
ist (Urteil i.S. Schenk gegen Schweiz vom 12. Juli 1988, Serie A,
Bd. 140, Ziff. 46 = EuGRZ 1988, S. 394; vgl. aus jüngerer Zeit: Urteil
i.S. Khan gegen Grossbritannien vom 12. Mai 2000, Recueil CourEDH 2000-V
S. 303, Ziff. 34; Urteil i.S. P.G. und J.H. gegen Grossbritannien vom
25. September 2001, Recueil CourEDH 2001-IX S. 233, Ziff. 76; Urteil
i.S. Allan gegen Grossbritannien vom 5. November 2002, Recueil CourEDH
2002-IX S. 63, Ziff. 42).

    3.2.3.4  In der Praxis des Gerichtshofs steht für die Frage der
Verwertbarkeit von Beweisen, die unter Verstoss von Art. 8 EMRK beschafft
wurden, das Fairnessgebot von Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Vordergrund (vgl.
Urteil Schenk, aaO, Ziff. 45 ff.; Urteil Khan, aaO, Ziff. 34 ff.; Urteil
P.G. und J.H., aaO, Ziff. 76 ff.; Urteil Allan, aaO, Ziff. 42 ff.). In
einzelnen Fällen hat er zusätzlich eine ausdrückliche Überprüfung im
Hinblick auf die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK vorgenommen
(Urteil Schenk, aaO, Ziff. 50 f.; vgl. auch JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG
PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl u.a. 1996, Rz. 110 bei Fn. 467 zu
Art. 6 EMRK). Ebenso macht der EGMR die Verwertbarkeit eines derartigen
Beweismittels davon abhängig, ob die Verteidigungsrechte des Angeklagten
gewahrt wurden. So berücksichtigt er namentlich, ob der Angeklagte die
Authentizität der Aufnahme in Frage stellen und ihrer strafprozessualen
Verwendung widersprechen sowie Fragen an allfällige Belastungszeugen
stellen konnte (vgl. Urteil Schenk, aaO, Ziff. 47; Urteil Khan, aaO,
Ziff. 35; Urteil P.G. und J.H., aaO, Ziff. 77; Urteil Allan, aaO,
Ziff. 43). Diese Überlegungen hat der Gerichtshof indessen unter dem Titel
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und ohne ausdrücklichen Bezug auf Art. 6 Ziff. 3
EMRK angestellt, obwohl insbesondere das Recht, Fragen an Belastungszeugen
zu stellen, in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantiert wird.

    3.2.3.5  In Entsprechung zur dargelegten Praxis des EGMR
ist festzuhalten, dass das Bundesgericht die verfassungsrechtliche
Zulässigkeit der Verwertbarkeit eines Beweismittels, das unter Verletzung
von Art. 8 EMRK erhoben wurde, zur Hauptsache im Hinblick auf das
allgemeine Fairnessgebot von Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK
beurteilt. Die gleichzeitige Anrufung der Unschuldsvermutung (Art. 32
Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 2 EMRK) und der Verteidigungsrechte des
Angeklagten (Art. 32 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 3 EMRK) ist nicht von
vornherein auszuschliessen, weil auch in Art. 6 Ziff. 2 und Ziff. 3 EMRK
besondere beweisrechtliche Fairnessregeln verankert sind (FROWEIN/ PEUKERT,
aaO, Rz. 99 zu Art. 6 EMRK). Im Übrigen ist die Rechtsmittelgarantie
gemäss Art. 32 Abs. 3 BV von der Frage der Verwertbarkeit von Beweisen
unabhängig. Die Erhebung der Rüge, Art. 32 Abs. 3 BV sei verletzt,
bietet damit in einem solchen Zusammenhang keine verfassungsrechtlichen
Abgrenzungsprobleme.

    3.2.3.6  Im vorliegenden Fall bringt der Beschwerdeführer lediglich in
unbestimmter Weise vor, allenfalls seien die strafprozessualen Garantien
von Art. 32 BV verletzt. Er setzt sich weder mit dem Beweiswert der
umstrittenen Videoaufzeichnungen noch mit der Indizienkette auseinander,
auf die sich die strafrechtliche Verurteilung zusätzlich abstützt. Er legt
nicht dar, inwiefern die Unschuldsvermutung oder seine Verteidigungsrechte
im Strafverfahren konkret verletzt worden wären, und geht auch nicht
auf die Rechtsmittelgarantie von Art. 32 Abs. 3 BV ein. Soweit er eine
Verletzung von Art. 32 BV geltend macht, genügen seine Vorbringen nicht
den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG, so dass auf die Beschwerde
insofern nicht eingetreten werden kann.

    3.2.4  Demzufolge kann sich das Bundesgericht hier auf die Überprüfung
beschränken, ob im angefochtenen Entscheid gegen das Fairnessgebot von Art.
29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK verstossen wurde. Dabei geht es um
die Frage, ob die Rechtswidrigkeit der Beschaffung der Videoaufnahme deren
Verwertbarkeit als Beweismittel für eine strafrechtliche Verurteilung
verunmöglicht.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Verwertbarkeit
rechtswidrig erlangter Beweismittel verfassungsrechtlich nicht in jedem
Fall ausgeschlossen, sondern lediglich dem Grundsatz nach (vgl. BGE 130
I 126 E. 3.2 S. 132 mit Hinweisen).

    4.1.1  Die ältere Rechtsprechung hat ein rechtswidrig erhobenes
Beweismittel nur dann für unverwertbar erklärt, wenn es an sich
unzulässig bzw. auf gesetzmässigem Weg nicht erreichbar sei
(BGE 96 I 437 E. 3b S. 441; 103 Ia 206 E. 9b S. 217). Der Einsatz
technischer Überwachungsgeräte (z.B. von Videokameras) als Methode
der Wahrheitsermittlung ist gegenüber dem Beschuldigten an sich
bewilligungsfähig, soweit damit lediglich Wissens- und Willensäusserungen
sowie Handlungen registriert werden, die er aus freiem Willen tatsächlich
ausgeführt hat, wenn auch nicht in der Absicht und im Bewusstsein, sie den
Überwachungsorganen zur Kenntnis kommen zu lassen. Wesentlich ist, dass
mit dem technischen Überwachungsgerät nicht in den seelischen Eigenraum
des Beschuldigten eingebrochen wird (vgl. BGE 109 Ia 273 E. 7 S. 290).

    4.1.2  Im Zusammenhang mit einem vom privaten Gesprächspartner heimlich
aufgenommenen Telefongespräch des Beschuldigten erkannte das Bundesgericht
zunächst, in einem solchen Fall sei das Beweismittel nicht von vornherein
für unverwertbar zu erklären, denn es hätte auch auf legalem Weg erlangt
werden können (BGE 109 Ia 244 E. 2a/b S. 246). Für die Verwendung der
Aufnahme als Beweismittel im Strafverfahren gegen den beschuldigten
Beschwerdeführer verlangte das Bundesgericht aber zusätzlich eine
Interessenabwägung (BGE 109 Ia 244 E. 2b S. 246). Der Umstand allein,
dass der rechtswidrig beschaffte Beweis nicht an sich verboten ist,
genügt damit nach der seitherigen, neueren Rechtsprechung nicht mehr,
um dessen Verwertbarkeit zuzulassen.

    Vielmehr ist folgende Interessenabwägung anzustellen: Je schwerer
die zu beurteilende Straftat ist, um so eher überwiegt das öffentliche
Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse des Angeklagten
daran, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt (BGE 130 I 126 E. 3.2
S. 132 mit Hinweisen). Demgegenüber ist das Beweismittel namentlich dann
nicht verwertbar, wenn bei seiner Beschaffung ein Rechtsgut verletzt wurde,
das im konkreten Fall den Vorrang vor dem Interesse an der Durchsetzung
des Strafrechts verdient (Urteil P.1152/1987 vom 10. Dezember 1987,
E. 3a, publ. in: ZBl 90/1989 S. 420). Zu würdigen sind mit anderen
Worten ebenso das Gewicht und das Ausmass der Rechtsgüterverletzung bei
der Beweisbeschaffung, hier der verletzten Garantie des Privatlebens des
Angeklagten (Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK).

    4.2  Der EGMR hat eine gegen BGE 109 Ia 244 erhobene Beschwerde im
erwähnten Urteil Schenk abgewiesen (aaO, Ziff. 45 ff.) und damit die
Praxis des Bundesgerichts im Ergebnis bestätigt.

    Zwar berücksichtigte der Gerichtshof im genannten Urteil - neben
den bereits in E. 3.2.3.4 aufgeführten Gesichtspunkten - ausserdem, dass
die Verurteilung des Beschwerdeführers nicht allein auf dem fraglichen
Beweismittel beruhte (Urteil Schenk, aaO, Ziff. 48). Der Gerichtshof
hat aber in seiner jüngeren Rechtsprechung erläutert, dem Umstand,
dass im Urteil Schenk weitere Beweise vorgelegen hätten, sei keine
entscheidende Bedeutung zugekommen. Wenn das widerrechtlich erlangte
Beweismittel stichhaltig und zuverlässig sei, erweise sich der Bedarf
nach zusätzlichen Beweisen als weniger gross (Urteil Khan, aaO, Ziff. 37;
Urteil Allan, aaO, Ziff. 43).

    Aus den beiden letztgenannten Entscheiden ergibt sich folgende weitere
Präzisierung: Der Gerichtshof erachtet eine Abhörung oder Videoaufnahme
durch die Polizei zu strafprozessualen Zwecken als Beweismittel, trotz
allfälliger Verletzung von Art. 8 EMRK bei der Beschaffung, mit dem
Gebot eines fairen Verfahrens grundsätzlich als vereinbar, solange
Handlungen bzw. Äusserungen des Beschuldigten aufgezeichnet werden,
die er aus eigenem Antrieb und ohne äussere Beeinflussung macht und ihm
dabei keine Falle gestellt worden ist (Urteil Khan, aaO, Ziff. 36 ff.;
Urteil Allan, aaO, Ziff. 42 ff., 50 ff.).

    4.3

    4.3.1  Bei der vorliegenden Videoaufnahme ist analog zur
Telefonabhörung in BGE 109 Ia 244 festzuhalten, dass es nicht um ein an
sich verbotenes Beweismittel geht. Nach der bisherigen Rechtsprechung
ist demnach die Frage, ob die Rechtswidrigkeit der Aufzeichnung wegen der
dafür fehlenden Bewilligung eine Verwertung als Beweismittel ausschliesst,
aufgrund einer Interessenabwägung zu beurteilen.

    4.3.2  Einzelne Lehrmeinungen kritisieren die Vornahme
einer Interessenabwägung in diesem Zusammenhang und äussern dabei
hauptsächlich rechtsstaatliche Bedenken (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des
Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 249; ROBERTO FORNITO, Beweisverbote im
schweizerischen Strafprozess, Diss. St. Gallen 2000, S. 248 ff.; NIKLAUS
RUCKSTUHL, Technische Überwachungen aus anwaltlicher Sicht, AJP 2005 S. 150
ff., 157). Teilweise wird gefordert, Beweismittel aus Überwachungen, die
unter Missachtung der richterlichen Bewilligungspflicht erfolgt sind,
müssten stets unverwertbar sein (FORNITO, aaO, S. 210; RUCKSTUHL, aaO,
S. 157 bei Fn. 35). Eine andere Lehrmeinung hat sogar ein absolutes
Verwertungsverbot bei allen rechtswidrig erhobenen Beweisen befürwortet
(WALTHER J. HABSCHEID, Beweisverbot bei illegal, insbesondere unter
Verletzung des Persönlichkeitsrechts, beschafften Beweismitteln, in:
SJZ 89/1993 S. 185 ff., 187).

    Die herrschende Lehre hat dagegen die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zur Interessenabwägung als Grundlage für den Entscheid
über die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise übernommen (ANDREAS
AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd.
II, Bern 2000, Rz. 1371 ff.; J.P. MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz,
Bern 1999, S. 567 f.; HANS Vest, St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 32 zu
Art. 32 BV; ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches
Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, § 60 Rz. 6 ff.; GÉRARD PIQUEREZ,
Manuel de procédure pénale suisse, Zürich 2001, Rz. 1210 ff.; vgl. auch
NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 609).

    4.3.3  Die dargelegte vereinzelte Kritik in der Lehre an der
Interessenabwägung vermag nicht zu überzeugen: Zwar wird die staatliche
Strafuntersuchung bei der Beweiserhebung durch Art. 5 Abs. 1 BV auf
die Beachtung des Rechts und durch Art. 35 Abs. 1 BV auf die Wahrung
der Grundrechte des Angeschuldigten verpflichtet. Ist das Beweismittel
aber nicht an sich verboten, so genügt eine Interessenabwägung zur
Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen fairen Verfahrens. In
derartigen Fällen ist daran festzuhalten, dass nicht bereits aus dem
verfahrensrechtlichen Verstoss bei der Beweisbeschaffung eine absolute
Unverwertbarkeit gefolgert werden kann.

    4.4  Der Beschwerdeführer kann ein absolutes verfassungsrechtliches
Verwertungsverbot für die vorliegende Konstellation auch nicht aus
Art. 7 Abs. 4 des zwischenzeitlich erlassenen Bundesgesetzes betreffend
die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs vom 6. Oktober 2000
(BÜPF; SR 780.1) herleiten. Nach dieser Bestimmung dürfen Erkenntnisse
aus einer Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, bei der die
Genehmigung verweigert oder überhaupt nicht eingeholt wurde, weder für
die Ermittlung noch zu Beweiszwecken verwendet werden. Die Behörde,
welche die Überwachung angeordnet hat, muss in einem solchen Fall
sämtliche entsprechenden Dokumente und Datenträger sofort aus den
Strafverfahrensakten aussondern und vernichten. Allerdings wurde eine
Regelung des Einsatzes von technischen Überwachungsgeräten durch die
Strafverfolgungsbehörden, d.h. ausserhalb der Überwachung des Post- und
Fernmeldeverkehrs, im Rahmen des BÜPF bewusst ausgeklammert (Botschaft
des Bundesrates vom 1. Juli 1998, BBl 1998 S. 4256 f., 4304).

    Das Verwertungsverbot von Art. 7 Abs. 4 BÜPF konkretisiert das
verfassungsrechtliche Fairnessgebot auf bundesgesetzlicher Ebene im
Anwendungsbereich dieses Erlasses. Die dabei gewählte Lösung schliesst
nicht aus, dass ein Kanton in seinem Hoheitsbereich eine andere
Konkretisierung vornimmt, die sich ihrerseits als verfassungskonform
erweist. Die Grundsätze von Art. 7 Abs. 4 BÜPF, die für eine
Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gelten, müssen deshalb in
einer kantonalen Regelung im Hinblick auf den strafprozessualen Einsatz
technischer Überwachungsgeräte nicht übernommen werden. Wie noch genauer
auszuführen ist (E. 5.1), stimmt das Instrument der Interessenabwägung
gemäss § 41 Abs. 1 StPO/BL in der vorliegenden Konstellation mit der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein und ist insofern nicht zu
beanstanden.

    4.5  Überdies vermisst der Beschwerdeführer verlässliche Kriterien
bei dieser Interessenabwägung. Deshalb schlägt er eine Präzisierung der
Rechtsprechung in dem Sinne vor, dass erst bei sehr schweren Straftaten
wie Mord eine Interessenabwägung zulässig sein soll.

    Zwar hat das Bundesgericht in BGE 109 Ia 244 erwogen, die rechtswidrig
erlangte Telefonabhörung sei verwertbar, weil es um ein sehr schweres
Delikt (Anstiftung zu Mord) gehe (BGE 109 Ia 244 E. 2b S. 247). Es
bezog sich dabei aber auf die dort angeführte Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts. Danach war die Verwertbarkeit von rechtswidrig
beschafften Beweisen als Ergebnis einer Interessenabwägung nicht nur bei
schweren Delikten gegen Leib und Leben bejaht worden, sondern auch bei
weiteren Delikten gegen strafrechtlich vergleichbare Rechtsgüter. Dem
entspricht die bereits dargelegte und vom Beschwerdeführer selbst
wiedergegebene, neuere Formel des Bundesgerichts, dass das öffentliche
Interesse an der Verwertbarkeit um so eher überwiegt, je schwerer die
Straftat ist (BGE 130 I 126 E. 3.2 S. 132; vgl. E. 4.1.2).

    Entsprechend dürfte aufgrund der Rechtswidrigkeit der Beweisbeschaffung
die Verwertbarkeit zur Verfolgung einer geringfügigen Straftat zu
verneinen sein. Die Garantie eines fairen Strafverfahrens gegenüber
dem Angeschuldigten und der grundrechtliche Schutz seines Privatlebens
verlangen jedoch ebenso wenig eine Beschränkung der Interessenabwägung auf
sehr schwere Delikte wie ein absolutes Verwertungsverbot (E. 4.3.3). Im
Übrigen weist der vom Beschwerdeführer verwendete Begriff des sehr
schweren Delikts keine klaren Konturen auf und ist deshalb von vornherein
für sein Ziel einer grösseren Voraussehbarkeit der Wertungsentscheide
ungeeignet. Somit ist die vom Beschwerdeführer geforderte Präzisierung
der Rechtsprechung abzulehnen.

    4.6  Aufgrund dieser Überlegungen ist an der Rechtsprechung zur
Interessenabwägung als Grundlage für den Entscheid über die Verwertbarkeit
eines rechtswidrig erlangten, aber nicht an sich verbotenen Beweismittels
festzuhalten.

Erwägung 5

    5.

    5.1  In § 41 Abs. 1 StPO BL wird die Interessenabwägung für die
Verwertbarkeit aller Beweise vorgesehen, die auf unzulässige Weise
erlangt worden sind (dazu kritisch NIKLAUS RUCKSTUHL, Die revidierte
Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Juni 1999,
publ. in: ZStrR 118/2000 S. 421 bei Fn. 10). Im vorliegenden Fall hat
die Polizei die Tiefgarage einer Wohnüberbauung mit zwei Videokameras
überwacht, weil dort eine weitere Brandstiftung befürchtet wurde. Die
Überwachung wurde mit anderen Worten vorab zu Ermittlungszwecken aufgrund
eines vorbestehenden Tatverdachts eingesetzt. Bei den umstrittenen
Aufnahmen haben die Kameras festgehalten, dass der Beschwerdeführer
längere Zeit allein in der Tiefgarage verweilte und sich namentlich
im Bereich der beiden späteren Brandherde aufhielt. Die Polizei
hat ihm auch keine Falle hinsichtlich der angeklagten Brandstiftung
gestellt. Mit der Aufzeichnung wurde somit nicht in den seelischen
Eigenraum des Beschwerdeführers eingedrungen. Im Lichte der dargelegten
Rechtsprechung waren die umstrittenen Videoaufzeichnungen an sich
zulässig; mit der in § 103 Abs. 2 StPO/BL vorgesehenen richterlichen
Genehmigung hätten sie auf gesetzmässigem Weg erreicht werden können. Die
Rechtswidrigkeit der Aufnahme ergibt sich einzig aus dem Fehlen dieser
Bewilligung. Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation spiegelt die
in § 41 Abs. 1 StPO/BL verankerte Abwägung, bei der die Interessen von
Strafverfolgung und angeschuldigter Person einander gegenüberzustellen
sind, die erörterten Grundsätze der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum
Beweisverwertungsverbot wider (E. 4) und ist insoweit verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden.

    5.2  Unter diesen Umständen erübrigt sich eine selbständige
Willkürprüfung hinsichtlich der Anwendung des kantonalen Rechts
(vgl. E. 3.1). Auf den Vorwurf des Beschwerdeführers, die kantonale
Instanz habe durch die wörtliche Anwendung von § 41 Abs. 1 StPO/BL gegen
das Willkürverbot (Art. 9 BV) verstossen, braucht demnach nicht weiter
eingegangen werden. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob der
Beschwerdeführer seine Willkürrüge im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
ausreichend begründet hat.