Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 II 545



131 II 545

40. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A.
und Mitb. gegen Swisscom Mobile AG, F., Politische Gemeinde Bronschhofen
und Baudepartement sowie Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    1A.6/2005 vom 15. August 2005

Regeste

    Schonung von Natur- und Heimatschutzobjekten bei der Errichtung von
Mobilfunkanlagen (Art. 3 NHG).

    Die Erteilung einer Baubewilligung für eine Mobilfunkanlage ist,
auch innerhalb der Bauzone, eine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 2 NHG, weshalb
die zuständigen Behörden zur Schonung der in Art. 3 Abs. 1 NHG genannten
Schutzobjekte verpflichtet sind (E. 2).

Sachverhalt

    Am 3. Juni 2002 reichte die Swisscom Mobile AG bei der
Politischen Gemeinde Bronschhofen ein Baugesuch für den Neubau einer
Mobilfunkantennenanlage auf dem Dach der zum Landgasthof Rössliguet
gehörenden Scheune an der Braunauerstrasse 7 in Rossrüti ein. Gegen das
Bauvorhaben gingen zahlreiche Einsprachen ein. Am 31. Oktober 2002 wies
die Baukommission die Einsprachen ab und erteilte die Baubewilligung.

    Gegen diese Verfügung erhoben ein Teil der Einsprecher Rekurs
beim Gemeinderat Bronschhofen und, nach dessen Abweisung, Rekurs beim
Baudepartement des Kantons St. Gallen. Am 5. November 2003 führte das
Baudepartement in Anwesenheit des Leiters der kantonalen Denkmalpflege
sowie eines Mitarbeiters des Amtes für Umweltschutz einen Augenschein
durch. Am 23. Januar 2004 wies das Baudepartement den Rekurs ab.

    Gegen den Rekursentscheid erhoben A., B., C., D., E. sowie weitere
Einsprecher Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen.
Dieses wies die Beschwerde am 9. November 2004 ab, soweit es darauf
eintrat.

    Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erheben A., B., C.,
D. sowie E. Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht mit dem
Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu
neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Die Beschwerdeführer rügen zunächst eine Verletzung von Art. 3
Abs. 1 und 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den
Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451): Der Landgasthof befinde sich im
Ortsbildinventar Rossrüti und stelle somit ein Kulturobjekt im Sinne der
Schutzverordnung der Gemeinde Bronschhofen vom 15. September 1995 (SchutzV)
dar. Zwar sei die Scheune selbst nicht unter Schutz gestellt; sie bilde
jedoch mit dem Landgasthof eine Einheit; dies hätten die Vorinstanzen
verkannt. Die Antennenanlage, die praktisch von sämtlichen Orten des
Dorfes eingesehen werden könne, verunstalte zudem das geschützte Ortsbild
von Rossrüti.

    2.1  Art. 3 NHG bestimmt, dass der Bund, seine Anstalten und Betriebe
sowie die Kantone bei der Erfüllung von Bundesaufgaben dafür sorgen, dass
das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie
Natur- und Kulturdenkmäler geschont werden und, wo das allgemeine Interesse
an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben (Abs. 1). Sie erfüllen
diese Pflicht u.a., indem sie Konzessionen und Bewilligungen nur unter
Bedingungen oder Auflagen erteilen oder aber verweigern (Art. 2 Bst. b).
Diese Pflicht gilt unabhängig von der Bedeutung des Objektes im Sinne von
Artikel 4 NHG; eine Massnahme darf jedoch nicht weitergehen, als es der
Schutz des Objektes und seiner Umgebung erfordert (Abs. 3). Bei der nach
Art. 3 NHG gebotenen Interessenabwägung sind - anders als bei Art. 6 Abs. 2
NHG - sämtliche Interessen und nicht nur solche von nationaler Bedeutung zu
berücksichtigten (ANNE-CHRISTINE FAVRE, NHG-Kommentar, N. 4 zu Art. 3 NHG).

    2.2  Das Bundesgericht hat sich im Entscheid 1A.142/2004 vom
10. Dezember 2004 (E. 4.3) mit der Frage befasst, ob die Erteilung
einer Baubewilligung für eine Mobilfunkantenne innerhalb der Bauzone
eine Bundesaufgabe im Sinne von Art. 2 NHG und Art. 78 Abs. 2 BV
darstelle. Obwohl es die Frage im Ergebnis offen lassen konnte, sprach
es sich in den damals angestellten Erwägungen für das Vorliegen einer
Bundesaufgabe aus.

    Mobilfunkanlagen werden zur Erbringung einer vom Bund konzessionierten
Dienstleistung errichtet. Die Mobilfunkkonzessionen, die von der
Eidgenössischen Kommunikationskommission gestützt auf Bundes-Fernmelderecht
erteilt werden, verpflichten die Konzessionärinnen zum Aufbau eines je
eigenen Mobilfunknetzes, das einen bestimmten Prozentsatz der Bevölkerung
und der Fläche abdecken muss. Zwar bleibt es den Mobilfunkbetreibern
überlassen, an welchen Standorten sie ihre Anlagen errichten wollen,
und die Bewilligung dieser Standorte bleibt - innerhalb der Bauzone -
Aufgabe der Kantone und der Gemeinden. Dies schliesst das Vorliegen einer
Bundesaufgabe jedoch nicht aus, wie ein Blick auf die Rechtslage bei der
Errichtung von Zivilschutzbauten belegt:

    Das Bundesgesetz vom 4. Oktober 2002 über den Zivilschutz
(Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz, BZG; SR 520.1) verpflichtet die
Kantone, ein ausgewogenes Schutzplatzangebot zu gewährleisten (Art. 47
BZG); hierzu müssen die Gemeinden notfalls öffentliche Schutzräume
errichten (Art. 46 Abs. 2 BZG); es ist jedoch Sache der Kantone bzw. der
Gemeinden, den Standort und die bauliche Gestaltung dieser Anlagen zu
bestimmen; die Bewilligung erfolgt (innerhalb der Bauzone) im ordentlichen
Bewilligungsverfahren. Dennoch handelt es sich um eine Bundesaufgabe,
mit der Folge, dass die zuständigen kantonalen Behörden zur Schonung
der in Art. 3 NHG genannten Schutzobjekte und zur ungeschmälerten
Erhaltung und grösstmöglichen Schonung von Inventar-Objekten nach Art. 6
NHG verpflichtet sind (Urteil 1A.231/ 1998 vom 12. Juli 1999, E. 1b/bb
und 2a, publ. in: RDAF 2000 I S. 141 und URP 2000 S. 659).

    Die Konzessionen verpflichten die Mobilfunkbetreiber, je ein eigenes
Mobilfunknetz aufzubauen, was sie de facto zum landesweiten Bau eigener
Mobilfunkanlagen verpflichtet. Die von den Konzessionen vorgegebene
Koexistenz mehrerer unabhängiger, landesweiter Mobilfunknetze birgt
die Gefahr der Beeinträchtigung schützenswerter Landschaften und
Ortsbilder. Die Anwendbarkeit der Art. 3 und 6 NHG ist das notwendige
Korrelat, um sicherzustellen, dass diese Verpflichtung nicht auf Kosten
von NHG- Schutzobjekten erfüllt wird.

    Nach dem Gesagten ist deshalb das Vorliegen einer Bundesaufgabe zu
bejahen, was zur Anwendbarkeit von Art. 3 NHG führt.