Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 II 162



131 II 162

13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. reisen.ch AG gegen
SWITCH sowie Eidgenössische Rekurskom- mission für Infrastruktur und Umwelt
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    4A.7/2004 vom 28. Januar 2005

Regeste

    Registrierung von Internationalized Domain Names (IDN); Art. 28 FMG
und Art. 14a ff. AEFV.

    Zuteilung von Domain-Namen: Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen
Registerbetreiber und Internet-Benutzer; Übertragung der Domain-Namen
durch Verfügung oder durch privatrechtlichen Vertrag (E. 2)?

Sachverhalt

    Die reisen.ch AG, Bern (Beschwerdeführerin), ist Inhaberin der
Domain-Namen "wellnessfuehrer.ch" und "wellness-fuehrer.ch". Die für
die Registrierung von Domain-Namen der Top Level Domain (TLD) "ch"
zuständige SWITCH (Beschwerdegegnerin) beabsichtigte, ab 1. März 2004
die Registrierung von Domain-Namen zuzulassen, die neu auch Zeichen
ausserhalb des ASCII-Zeichensatzes (z.B. "ü") enthalten könnten
(sog. Internationalized Domain Names, IDN). Die Beschwerdeführerin
ersuchte am 18. Januar 2004 die Beschwerdegegnerin um Verschiebung des
genannten Termins. Mit dem Gesuch versuchte sie auch zu erreichen,
dass die Domain-Namen "wellnessführer.ch" und "wellness-führer.ch"
ihr bzw. keinen Dritten zugeteilt würden. Am 4. Februar 2004 erklärte
die Beschwerdegegnerin, dass ihr in der fraglichen Angelegenheit
keine Verfügungskompetenz zukomme; ausserdem sei die Verschiebung des
Einführungstermins von IDN und die Vorreservierung von Domain-Namen
ausgeschlossen.

    Am 15. Februar 2004 gelangte die Beschwerdeführerin an das Bundesamt
für Kommunikation (BAKOM). Sie verlangte die Aufhebung der "Verfügung"
der Beschwerdegegnerin vom 4. Februar 2004, die Zuteilung der genannten
Domain-Namen und die Verschiebung des Zuteilungstermins. Das BAKOM
behandelte die Eingabe als Aufsichtsbeschwerde und wies sie am 24. Februar
2004 ab. Das BAKOM bestätigte die Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach
dieser keine Verfügungskompetenz zustehe; diese handle gegenüber ihrer
Kundschaft rein privatrechtlich; die Zuteilung von Domain-Namen werde nicht
durch das öffentliche Bundesrecht, sondern privatrechtlich geregelt; eine
Vorreservierung im Sinne der Beschwerdeführerin wäre bundesrechtswidrig.

    In der dagegen erhobenen Beschwerde an die Eidgenössische
Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (REKO INUM) vom 27. Februar
2004 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des von ihr als
Verfügung bezeichneten Schreibens des BAKOM vom 24. Februar 2004; ausserdem
verlangte sie, es seien ihr die Domain-Namen "wellnessführer.ch" und
"wellness-führer.ch" zuzuteilen; eventuell sei festzustellen, dass diese
Namen Dritten nicht zugeteilt werden dürfen und der Zuteilungstermin vom
1. März 2004 zu verschieben sei.

    Mit Entscheid vom 16. September 2004 trat die REKO INUM auf die gegen
das Schreiben des BAKOM vom 24. Februar 2004 gerichtete Beschwerde nicht
ein, soweit das Verfahren nicht wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben
wurde. Die Rekurskommission hielt zunächst fest, die Beschwerdeführerin
habe ihre Rechtsbegehren erweitert, worauf auch dann nicht einzutreten
wäre, wenn eine Verfügung angefochten wäre; sie schloss, dass es an
einem durch Verfügung zu regelnden Gegenstand fehle; denn aus der
gestützt auf Art. 28 Abs. 2 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997
(FMG; SR 784.10) erlassenen Verordnung vom 6. Oktober 1997 über die
Adressierungselemente im Fernmeldebereich(AEFV; SR 784.104) sowie aus
den vom BAKOM erlassenen technischen und administrativen Vorschriften
(SR 784.101.113/ 2.13) ergebe sich, dass die Beschwerdegegnerin als
Registerbetreiberin das Verhältnis zwischen ihr und den Inhabern sowie
weiteren an der Zuteilung und Verwaltung von Domain-Namen beteiligten
Personen durch privatrechtlichen Vertrag regle.

    Mit Eingabe vom 10. Oktober 2004 stellt die Beschwerdeführerin folgende
Rechtsbegehren: Der Entscheid der Rekurskommission vom 16. September
2004 sei aufzuheben und die Sache sei zur materiellen Beurteilung an die
zuständige Vorinstanz zurückzuweisen. Sie rügt, die Rekurskommission habe
Art. 5 und 44 VwVG sowie das Gesetzmässigkeitsprinzip verletzt, indem sie
den Verfügungscharakter des Entscheids verneint habe, mit dem das Gesuch
um Zuteilung eines Domain-Namens mit der Endung "ch" abgewiesen worden sei.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Das Fernmeldegesetz (FMG) regelt in den Art. 28 bis 30 die
Adressierungselemente. Deren Verwaltung und Zuteilung ist in Art. 28 FMG
geregelt. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung verwaltet das Bundesamt die
Adressierungselemente unter Beachtung der internationalen Normen. Gemäss
Absatz 2 kann das Bundesamt die Verwaltung und Zuteilung bestimmter
Adressierungselemente Dritten übertragen. Der Bundesrat regelt die
Einzelheiten, namentlich die Aufsicht durch das Bundesamt. Zu den
Adressierungselementen gehören insbesondere die Internet Domain-Namen
(FISCHER/SIDLER, in: Weber [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht,
Bd. V/1, 2. Aufl. 2003, Informations- und Kommunikationsrecht, S. 216). In
der Verordnung über die Adressierungselemente im Fernmeldebereich (AEFV)
hat der Bundesrat in Art. 14 bis 14i die der Domain "ch" untergeordneten
Domain-Namen geregelt (vgl. AS 2002 S. 273).

    2.1  Nach Art. 14a AEFV bezeichnet das Bundesamt die
Registerbetreiberin und schliesst mit ihr einen verwaltungsrechtlichen
Vertrag ab. Die Aufgaben und Pflichten der Betreiberin werden in
Art. 14a Abs. 2 und 14b AEFV aufgeführt. Nach Art. 14b Abs. 3 AEFV
ist die Registerbetreiberin vorbehaltlich der Fälle von Nichtzahlung
oder zweifelhafter Zahlungsfähigkeit verpflichtet, ihre Dienste allen
Nutzerinnen und Nutzern des Internets anzubieten. Nach Art. 14b Abs. 5 AEFV
unterstellt die Betreiberin (vorbehaltlich abweichender Bestimmungen des
IPRG und des LugÜ) Streitigkeiten im Zusammenhang mit der ihr übertragenen
Verwaltung und Zuteilung der Domain-Namen schweizerischem Recht und
der schweizerischen Gerichtsbarkeit. Nach Art. 14c Abs. 1 AEFV legt
sie die allgemeinen Geschäftsbedingungen ihres Diensteangebots fest und
unterbreitet sie dem Bundesamt zur Genehmigung. Sie setzt gemäss Art. 14c
Abs. 2 AEFV die Preise für ihre Dienste auf Grund der entstandenen Kosten
sowie der Notwendigkeit einen angemessenen Gewinn zu erzielen fest und
unterbreitet die Preise dem Bundesamt zur Genehmigung. Nach Art. 14d
AEFV schliesst die Registerbetreiberin mit der Dachorganisation für die
Verwaltung der Domain-Namen auf internationaler Ebene einen Vertrag ab,
der vor Unterzeichnung vom Bundesamt zu genehmigen ist. Gemäss Art. 14f
AEFV teilt die Registerbetreiberin die Domain-Namen auf Gesuch und nach
der Reihenfolge der Gesuchseingänge zu (Abs. 1); sie überprüft nicht, ob
eine Gesuchstellerin berechtigt ist, die alphanumerischen Bezeichnungen
des verlangten Domain-Namens zu verwenden, wobei Streitigkeiten über
die privaten Rechte Dritter an einer solchen Bezeichnung sich nach den
zivilrechtlichen Bestimmungen richten (Abs. 2). Die Registerbetreiberin
wird in Art. 14g AEFV verpflichtet, einen Streitbeilegungsdienst zu
schaffen (Abs. 1), dessen Organisationsstruktur und Verfahrensvorschriften
der Genehmigung des Bundesamtes bedürfen (Abs. 3); die Klage bei einem
Zivilrichter bleibt vorbehalten (Abs. 4).

    2.2  Die Vorinstanz hat aus diesen Bestimmungen der AEFV zutreffend
geschlossen, dass die Beziehungen der Registerbetreiberin mit den
Nutzerinnen und Nutzern dem Privatrecht unterstehen. Die zivilrechtliche
Natur des Rechtsverhältnisses ergibt sich (sinngemäss) insbesondere
aus Art. 14b Abs. 5 AEFV, sind doch das LugÜ (Übereinkommen über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [SR 0.275.11]) und
das IPRG (Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [SR
291]) auf privatrechtliche, nicht jedoch auf verwaltungsrechtliche
Streitigkeiten anwendbar (vgl. Art. 1 LugÜ, Ingress; VOLKEN, Zürcher
Kommentar zum IPRG, N. 21 vor Art. 2 IPRG; BERTI, Basler Kommentar,
N. 35 Vorbemerkungen zu Art. 2 IPRG; VOLKEN, aaO, N. 18 zu Art. 2
IPRG). Die Bestimmung des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstandes
ist denn auch für privatrechtliche Verträge verbreitet, erscheint
dagegen für Verwaltungssachen ausgeschlossen. Mit der entsprechenden
Bestimmung wird daher die privatrechtliche Natur des Rechtsverhältnisses
sinngemäss vorausgesetzt. Auch sind im Privatrechtsverkehr allgemeine
Geschäftsbedingungen verbreitet (vgl. dazu KRAMER, Berner Kommentar,
N. 271 zu Art. 19-20 OR sowie GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., N. 1116 mit Hinweisen
auf die Literatur). In öffentlichrechtlichen, insbesondere durch
Verfügung begründeten Rechtsbeziehungen ist dagegen mindestens
der Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst dann nicht
geläufig, wenn regelmässig eine Vielzahl von Verfügungen gleicher Art
erlassen werden. Auch aus Art. 14c Abs. 1 AEFV ergibt sich insofern,
dass der Bundesrat von einer privatrechtlichen Rechtsbeziehung der
Registerbetreiberin zu den Nutzerinnen und Nutzern ausgeht. In der
Lehre wird denn auch ohne Weiteres angenommen, dass die Beziehungen des
Delegationärs bzw. der Registerbetreiberin zu den Kunden grundsätzlich dem
Privatrecht unterstehen, weshalb gegen Zuteilungsentscheide mit Ausnahme
der Aufsichtsbeschwerde kein verwaltungsrechtlicher Beschwerdeweg zur
Verfügung steht (FISCHER/SIDLER, aaO, S. 212).

    2.3  Das Bundesgericht kann im Verwaltungsgerichtsbeschwerde-Verfahren
Verordnungen des Bundesrates vorfrageweise auf ihre Gesetzes- und
Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbstständigen Verordnungen, die
sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der
Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse
gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt,
von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die
Verfassungsmässigkeit der unselbstständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat
durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für
die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, so ist dieser Spielraum
nach Art. 191 BV für das Bundesgericht verbindlich; das Gericht darf in
diesem Fall bei der Prüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen
an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern beschränkt
sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im
Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen
Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (BGE 122 II 411 E. 3b;
120 Ib 97 E. 3a mit Hinweisen). Es kann dabei namentlich prüfen, ob
sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützen lässt
oder ob sie Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinn- und zwecklos ist,
rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den
tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen
unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden müssen. Für
die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahmen trägt demgegenüber der
Bundesrat die Verantwortung (BGE 129 II 160 E. 2.3; 128 II 34 E. 3b,
je mit Hinweisen).

    2.4  Art. 28 Abs. 2 FMG ermächtigt das Bundesamt zur Übertragung
einzelner Adressierungselemente an Dritte und den Bundesrat zur Regelung
der Einzelheiten. Die Beschwerdeführerin stellt grundsätzlich nicht in
Frage, dass die Verwaltung und Zuteilung von Domain-Namen rechtmässig auf
die Beschwerdegegnerin übertragen wurde. Sie hält jedoch dafür, Art. 28 FMG
erkläre diese Dienstleistung ausdrücklich zur Verwaltungsaufgabe des Bundes
und mit der Übertragung dieser Aufgabe an die Beschwerdegegnerin sei dieser
auch die Kompetenz übertragen worden, die Zuteilung der Domain-Namen an
Private mittels Verfügung vorzunehmen; die Beschwerdegegnerin wäre nach
Ansicht der Beschwerdeführerin zur privatrechtlichen Gestaltung ihrer
Beziehungen zu den Benutzern nur befugt, wenn dies im (formellen) Gesetz
ausdrücklich so vorgesehen wäre. Sie verkennt damit, dass sich die Wahl der
zulässigen Handlungsformen der Verwaltung auch sinngemäss aus dem Gesetz
ergeben kann (vgl. BGE 128 III 39 E. 4b; MOOR, Droit administratif, Bd. II,
2. Aufl. 2002, S. 370 ff; HÄFELIN/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4.
Aufl. 2002, S. 315 N. 1530, S. 59 N. 285 f). Das Verhältnis zu den
Benutzern kann insbesondere dann, wenn nicht eigentlich hoheitliche,
sondern gewerbliche Tätigkeiten in Frage stehen, durchaus privatrechtlich
geregelt werden (TSCHANNEN/ZIMMERLI, aaO, S. 356). Die Zuteilung von
Domain-Namen gehört zur Leistungsverwaltung, die keines Verwaltungszwangs
bedarf. Sie wurde vor Erlass des geltenden FMG durch privatrechtlichen
Vertrag geregelt, wie die Beschwerdeführerin selbst bemerkt. Das geltende
FMG hat daran insoweit nichts geändert. Die Delegationsnorm wurde, wie
aus dem Votum des Berichterstatters im Ständerat hervorgeht, erlassen, um
bestehende, gut funktionierende Systeme wie beim Telex oder im Internet
bei den Domain-Namen nicht wieder rückgängig zu machen und dem BAKOM
übertragen zu müssen (AB 1997 S S. 95). Die Beschwerdeführerin behauptet
das Gegenteil, vermag jedoch keine Gründe zu nennen, weshalb entgegen
der Einschätzung des Gesetzgebers das historisch gewachsene System nicht
mehr zu befriedigen vermocht habe. Der historische gesetzgeberische Wille
war darauf gerichtet, das bestehende System der Adressierungselemente im
Internet zu erhalten, das sich in privater Initiative weltweit entwickelt
hatte (vgl. FISCHER/SIDLER, aaO, S. 212/216). Der Bundesrat hat den Rahmen
der Ermächtigung gemäss Art. 28 Abs. 2 FMG nicht überschritten, wenn er
bestimmte, dass die Registerbetreiberin den Nutzerinnen und Nutzern wie
bis anhin die Domain-Namen durch privatrechtlichen Vertrag übertrage. Es
sind auch keine Gründe ersichtlich, welche einer derartigen Regelung von
Verfassungs wegen entgegen stehen könnten.