Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 I 346



128 I 346

32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. A. gegen Anwaltskammer des Kantonsgericht St. Gallen (staatsrechtliche
Beschwerde)

    2P.27/2002 vom 8. August 2002

Regeste

    Art. 6 und 7 EMRK; Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte.

    Eine reine Disziplinarbusse in der Höhe von Fr. 5'000.- stellte weder
eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK noch eine Strafe
im Sinne von Art. 7 EMRK dar.

Sachverhalt

    Am 31. Juli 1998 erstattete Rechtsanwalt A. im Namen seiner
Klientschaft (erfolglos) Strafanzeige gegen Rechtsanwalt E. wegen
Verletzung des Geschäfts- und des Berufsgeheimnisses. Im Rahmen des
anschliessenden Rechtsmittelverfahrens bezeichnete er diesen unter anderem
als "käuflichen Verräter". Zudem verweigerte er mehrmals die Annahme
des in dieser Sache ergangenen letztinstanzlichen kantonalen Entscheids,
der ihm vorgängig im Dispositiv mitgeteilt worden war.

    A. führte für seine Klientschaft überdies einen Zivilprozess
gegen E., welcher in diesem Verfahren durch Rechtsanwalt T. vertreten
wurde. Letzterer reichte am 23. November 1999 bei der Anwaltskammer des
Kantons St. Gallen Anzeige gegen A. ein wegen Verletzung der Berufsregeln
gemäss Art. 19 ff. des St. Galler Anwaltsgesetzes vom 11. November 1993
(AnwG). Er war von A. in verschiedenen Rechtsschriften unter anderem als
"aufgeblasener Wichtigtuer" bezeichnet worden, der im besten Fall bei
grober Fahrlässigkeit ein "dummer Schwätzer" und im schlechtesten Fall
bei Vorsatz ein "hinterhältiger Verleumder" sei. In seiner Stellungnahme
zuhanden der Anwaltskammer, der zuständigen Aufsichtsbehörde, nannte
A. Rechtsanwalt T. zudem einen "frechen, hemmungslosen und moralisch
defekten Lügner" bzw. einen "leichtfertigen und dummen Schwätzer". Am
5. Juli 2000 verfügte die Anwaltskammer eine Disziplinarbusse in der
Höhe von Fr. 5'000.- gegen A., was das Kantonsgericht St. Gallen auf
Beschwerde hin schützte.

    Am 24. Januar 2002 hat A. staatsrechtliche Beschwerde beim
Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid
aufzuheben, die Sache an das Kantonsgericht St. Gallen zurückzuweisen
und dieses anzuweisen, eine Strafuntersuchung durchzuführen. Er rügt eine
Verletzung von Art. 6 und Art. 7 EMRK (SR 0.101) sowie von Art. 30 BV.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Beschwerdeführer,
die Anwaltskammer und das Kantonsgericht hätten (unter mehreren
Gesichtspunkten) Art. 6 EMRK verletzt. Er ist sich bewusst, dass diese
Konventionsbestimmung nur auf zivil- und strafrechtliche Verfahren
Anwendung findet (vgl. BGE 127 I 44 E. 2a S. 45 mit Hinweisen). Er ist
indessen der Auffassung, beim ihn betreffenden Disziplinarverfahren handle
es sich um eine strafrechtliche Anklage im Sinne der Konvention.

    2.1  Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass ein
unabhängiges und unparteiisches Gericht über die Stichhaltigkeit einer
gegen ihn erhobenen "strafrechtlichen Anklage" befindet. Was als solche
zu gelten hat, beurteilt sich nach folgenden drei Kriterien: Zunächst wird
geprüft, ob die (angeblich) verletzte Regelung landesintern dem Strafrecht
zugeordnet wird. Handelt es sich nach der entsprechenden rechtstechnischen
Qualifikation nicht um ein Strafverfahren, so ist - angesichts der
autonomen Definition der strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK
- die "wahre Natur" des Tatbestands unter Berücksichtigung von Art und
Ziel der Sanktion zu ermitteln. Erscheint das Verfahren auch unter diesem
Gesichtspunkt nicht als strafrechtlich, so bleibt aufgrund der Schwere
der Sanktion zu beurteilen, ob diese eine Strafe darstellt (vgl. BGE 125 I
104 E. 2a S. 107 f.; 121 I 379 E. 3a S. 380; MARK VILLIGER, Handbuch der
Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Zürich 1999, S. 251 f.;
JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl am Rhein
1996, Rz. 36 zu Art. 6 EMRK; CHRISTOPH GRABENWARTER, Verfahrensgarantien
in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Wien 1997, S. 91 ff.).

    2.2  Zu Recht macht der Beschwerdeführer nicht geltend, die ihm
vorgeworfene Verletzung der Berufspflichten stelle gestützt auf
die landesrechtliche Zuordnung oder aufgrund ihrer wahren Natur
eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK dar: Die
Disziplinaraufsicht gemäss St. Galler Anwaltsgesetz hat nicht pönalen,
sondern administrativen Charakter. Sie dient nicht dazu, begangenes
(strafrechtlich relevantes) Unrecht zu vergelten, sondern soll das
rechtsuchende Publikum bzw. die Rechtspflege schützen und die anwaltliche
Standeswürde wahren (vgl. BGE 125 I 417 E. 2a S. 419; FELIX WOLFFERS, Der
Rechtsanwalt in der Schweiz, Zürich 1986, S. 173 ff.; MARTIN STERCHI,
Kommentar zum bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, S. 93). Die
Anwaltskammer, welcher die Beurteilung des angeblichen Fehlverhaltens des
Beschwerdeführers oblag, ist denn auch keine Strafverfolgungsbehörde,
sondern ein berufsständisch zusammengesetztes Aufsichtsgremium
(Art. 4 AnwG). Die ausdrückliche Bezeichnung der Sanktion gemäss
Art. 35 Abs. 1 lit. b AnwG als "Geldleistung" und nicht als "Busse"
bringt ihrerseits zum Ausdruck, dass es sich dabei nach der Konzeption
des Anwaltsgesetzes um eine Disziplinarmassnahme handelt (so auch das
Marginale von Art. 35 AnwG), nicht um eine Strafe. Des Weiteren richten
sich die zu sanktionierenden Regeln nicht an die Allgemeinheit, sondern
ausschliesslich an die Rechtsanwälte als Personengruppe, welche zum Staat
in einem besonderen Rechtsverhältnis steht. Beim dem Beschwerdeführer
vorgeworfenen Verhalten (Beleidigung von Standeskollegen, Erschwerung
des gerichtlichen Geschäftsgangs, Gefährdung der Interessen seiner
Klientschaft) handelt es sich denn auch um typische Disziplinarvergehen
(ähnlich: Entscheid der EKMR i.S. X. gegen Österreich vom 9. Oktober 1991,
in: ÖJZ 47/1992 S. 162 f., auch zitiert in: RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und
kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 65).

    2.3  Der Beschwerdeführer begründet seine Auffassung, gemäss welcher
eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK vorliegt, mit
der Höhe der Geldleistung, zu deren Bezahlung er verpflichtet worden
ist. Dabei weist er allerdings selbst darauf hin, dass vorliegend eine
Umwandlung der streitigen Geldleistung in Haft nicht möglich ist. Mithin
steht - auch wenn es sich bei einer Summe von Fr. 5'000.- nicht mehr um
einen unbedeutenden Betrag handelt - keine derart schwere Sanktion in
Frage, dass Art. 6 EMRK schon allein wegen deren Gewicht zur Anwendung
gelangen müsste: Die Praxis hat bisher einzig Disziplinarbussen, welche bei
Uneinbringlichkeit in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden können,
als strafrechtlich behandelt (zur Bedeutung der Ersatzfreiheitsstrafe
für die Qualifikation der Sanktion vgl. GRABENWARTER, aaO, S. 98
ff.). Einfache disziplinarrechtliche Bussen gelten seit jeher nicht
als Strafen im Sinne der Konvention (BGE 126 I 228 E. 2a/aa S. 230;
125 I 417 E. 2b S. 420; HERZOG, aaO, S. 304 f.), dies im Unterschied
zum disziplinarrechtlichen Freiheitsentzug, welcher - je nach Dauer
und Art der Vollstreckung - zur Anwendung von Art. 6 EMRK führen kann
(vgl. Urteil des EGMR i.S. Engel gegen Niederlande vom 8. Juni 1976,
Serie A, Bd. 22, in: EuGRZ 1976 S. 232 Ziff. 82; vgl. auch BGE 121
I 379 E. 3c/aa S. 381 mit Hinweisen). Vorliegend kann offen bleiben,
ob allenfalls eine empfindliche Busse dennoch allein wegen ihrer Höhe
die strafrechtliche Natur der Widerhandlung zu begründen vermöchte
(vgl. hiezu: HERZOG, aaO, S. 116). Die streitige Geldleistung erreicht so
oder anders nicht die erforderliche Schwere: Die Strassburger Organe haben
verschiedentlich bezüglich vergleichbarer oder höherer Disziplinarbussen
die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK verneint. Weder eine Busse von DM
4'000.- für einen Lehrer, welcher zu einem verbotenen Streik aufgerufen
und sich an diesem beteiligt hatte (Entscheid der EKMR i.S. S. gegen
Bundesrepublik Deutschland vom 5. Juli 1984, in: DR 39 S. 237 ff.;
vgl. auch HERZOG, aaO, S. 65 f.) noch eine solche von DM 6'000.- bzw. DM
12'000.- (bei einer Strafdrohung von DM 20'000.-) wegen Verstössen
gegen die Standesordnung der Apotheker (Entscheid der EKMR i.S. M. gegen
Bundesrepublik Deutschland vom 5. Juli 1985, in: DR 43 S. 5 ff.; vgl. auch
HERZOG, aaO, S. 67; GRABENWARTER, aaO, S. 97) wurden als strafrechtlich
betrachtet. Selbst im Falle einer disziplinarischen Kürzung des Gehalts
um einen Viertel für die Dauer von drei Jahren ging die Kommission nicht
von einer strafrechtlichen Sanktion aus (Entscheid der EKMR i.S. X. gegen
Österreich vom 14. April 1989, in: ÖJZ 45/1990 S. 126 f.; vgl. auch HERZOG,
aaO, S. 66). Soweit sich der Beschwerdeführer auf BGE 126 I 228 beruft,
verkennt er, dass der diesem zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit seinem
Fall vergleichbar ist: Im zitierten Entscheid hat das Bundesgericht Art. 6
EMRK nicht etwa deswegen zur Anwendung gebracht, weil es der verhängten
Disziplinarbusse von (lediglich) Fr. 1'000.- strafrechtlichen Charakter
attestiert hätte, sondern vielmehr darum, weil es - nachdem der betroffene
Rechtsanwalt gleichzeitig für drei Monate im Beruf eingestellt worden war
- die zivilrechtliche Natur der Streitigkeit bejahte. Dass es sich beim
gegen ihn geführten Disziplinarverfahren, in welchem einzig eine Busse
verhängt worden ist, um eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 6
EMRK handle und diese Bestimmung deswegen Anwendung finde, macht der
Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend: Disziplinarrechtsstreitigkeiten
sind nur dann zivilrechtlicher Natur, wenn das Recht des Betroffenen,
seinen Beruf auszuüben, eingeschränkt wird (vgl. BGE 125 I 417 E. 2b S.
420 mit Hinweisen), was hier nicht der Fall ist.

    2.4  Nach dem Gesagten stellt die streitige Disziplinarmassnahme
keine Strafe im Sinne der Konvention dar; auf die Beschwerde ist nicht
weiter einzugehen, soweit eine Verletzung von Art. 6 EMRK geltend gemacht
wird. Nicht einzutreten ist sodann auf die Rüge, das Kantonsgericht habe
Art. 30 BV verletzt: Der Beschwerdeführer nimmt in seiner Begründung
mit keinem Wort auf diese Verfassungsbestimmung Bezug, weshalb die
staatsrechtliche Beschwerde insoweit den Begründungsanforderungen
von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht genügt. Gleiches gilt, soweit der
Beschwerdeführer am Rande noch eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots
rügt.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Im Kanton St. Gallen sind die Berufsregeln für Rechtsanwälte
im Anwaltsgesetz umschrieben. Dieses verpflichtet den Rechtsanwalt
insbesondere, sich in der Berufsausübung vertrauenswürdig zu erweisen,
sowohl gegenüber Rechtsuchenden als auch gegenüber Behörden und anderen
Beteiligten, und die Interessen des Auftraggebers nach Recht und Billigkeit
zu wahren (Art. 19 und Art. 24 Abs. 1 AnwG). Der Beschwerdeführer
bestreitet weitgehend, gegen diese Pflichten verstossen zu haben; er
gesteht einzig zu, mit seiner Kritik an Rechtsanwalt T. zu weit gegangen
zu sein, ist aber der Auffassung, dieses Fehlverhalten rechtfertige nur
einen Verweis.

    3.2  Der Beschwerdeführer rügt auch in diesem Zusammenhang fast
ausschliesslich die Verletzung von Art. 6 EMRK sowie von Art. 7
EMRK. Letztere Bestimmung untersagt, jemanden wegen Handlungen oder
Unterlassungen zu verurteilen, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar
waren. Der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" findet demnach nur
auf strafrechtliche Handlungen Anwendung, die zu einer Strafe führen,
wobei diese Begriffe unabhängig von ihrer landesrechtlichen Bedeutung
auszulegen sind. Der Geltungsbereich von Art. 7 EMRK entspricht somit
grundsätzlich jenem der "strafrechtlichen Anklage" im Sinne von Art. 6 EMRK
(vgl. VILLIGER, aaO, S. 338), weshalb Art. 7 EMRK, gleich wie Art. 6 EMRK,
auf das vorliegend zu beurteilende Disziplinarverfahren keine Anwendung
findet. Auf die entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht
weiter einzugehen.

    3.3  Nicht einzutreten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde
schliesslich auch, soweit der Beschwerdeführer bestreitet, gegen die
Berufsregeln verstossen zu haben. Er legt nicht dar, inwieweit der
anders lautende Entscheid des Kantonsgerichts anderes Verfassungs-
bzw. Konventionsrecht als Art. 6 und Art. 7 EMRK verletzen soll. Der
Hinweis auf die Meinungsäusserungsfreiheit, den der Beschwerdeführer in
diesem Zusammenhang am Rande anbringt, ändert daran nichts.

Erwägung 4

    4.  Die betreffenden, mangelhaft begründeten Einwendungen wären im
Übrigen ohnehin unbegründet.

    4.1  Eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers durch das
Kantonsgericht drängte sich nicht zwingend auf, auch nicht unter dem
Blickwinkel von Art. 29 BV: Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte
Verhalten (insbesondere die verwendeten Ausdrücke und die Verhinderung der
Zustellung des Entscheids der Anklagekammer) stand aufgrund der Akten fest
und der Beschwerdeführer hatte ausreichend Gelegenheit, die Umstände des
Falles aus seiner Sicht darzulegen sowie seine subjektiven Beweggründe
zuhanden des Kantonsgerichts schriftlich zu schildern. Bei einem
Rechtsanwalt darf eine ausreichende Gewandtheit im schriftlichen Ausdruck
vorausgesetzt werden, so dass ein Parteiverhör weder als Beweismittel
noch zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich war. Im Übrigen ist
nicht nachvollziehbar, was sich der Beschwerdeführer von einer Befragung
zu seinem Vorleben erhoffte. Einer öffentlichen Verhandlung, wie sie
der Beschwerdeführer verlangt, könnte zudem auch das Anwaltsgeheimnis
entgegenstehen.

    4.2  Die Äusserungen des Beschwerdeführers überschreiten offensichtlich
die Schranken des anwaltsrechtlich Erlaubten, und zwar unabhängig davon,
ob und wieweit die erhobenen Anschuldigungen sachlich zutreffend und
berechtigt sind. Die kantonalen Instanzen durften ohne weiteres davon
ausgehen, die Verwendung beleidigender Ausdrücke dieser Art sei eines
Anwalts unwürdig und mithin standeswidrig. Dieser Schlussfolgerung
steht die Meinungsäusserungsfreiheit nicht entgegen, soweit derartige
Beleidigungen überhaupt in den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen.

    4.3  Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, die beanstandeten
Äusserungen seien teilweise in einem Strafverfahren, d.h. im Verhältnis
zwischen ihm als Parteianwalt und dem Angeschuldigten gefallen und an die
Strafverfolgungsbehörde gerichtet gewesen. Das Anwaltsgesetz finde deshalb
keine Anwendung und die Anwaltskammer sei insoweit nicht zuständig. Es
sei nicht deren Sache, die "privaten Ehreninteressen" des betreffenden
Anwalts zu schützen, weshalb der angefochtene Entscheid Art. 7 EMRK
verletzte. Diese Argumentation überzeugt nicht: Der Beschwerdeführer
handelte beim Abfassen der Beschwerde vom 19. November 1998 nicht in
eigenem Namen, sondern als Rechtsvertreter der angeblich geschädigten
Gesellschaften. Schon deshalb war er den besonderen Verhaltensregeln
für Rechtsanwälte unterworfen. Wieweit etwas anderes gelten könnte,
wenn er in eigenem Namen tätig gewesen wäre, braucht nicht geprüft zu
werden. Dass der Inhalt der Eingabe nur einem beschränkten Kreis von
Personen zur Kenntnis gelangte, was bei schriftlichen Äusserungen von
Anwälten regelmässig der Fall ist, vermag die disziplinarrechtliche
Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die erwähnten Äusserungen
ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Schliesslich wird der Beschwerdeführer
auch nicht dadurch entlastet, dass die Anklagekammer, in deren Verfahren
die Äusserungen gemacht worden sind, hierfür nicht bereits selbst eine
Ordnungsbusse ausgefällt hat. Zu bemerken ist, dass die gravierendsten
Beleidigungen nicht gegenüber Rechtsanwalt E. erfolgten, gegen den das
Strafverfahren geführt wurde, sondern dessen Rechtsvertreter betrafen
und im Zivilverfahren fielen. Die Standeswidrigkeit dieser Äusserungen
anerkennt der Beschwerdeführer zumindest teilweise. Dabei vermag der
Einwand, er sei durch das Verhalten von Rechtsanwalt T. (der sich
einfach mit prozessualen Mitteln dem Ansinnen des Beschwerdeführers
entgegenstellte) zu bestimmten Äusserungen provoziert worden, die massiv
ungehörigen Bezeichnungen nicht zu rechtfertigen. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang auch, dass das für den Zivilprozess zuständige Bezirksgericht
die entsprechenden Eingaben nicht beanstandet hat.

    4.4  Unbegründet und geradezu mutwillig erscheinen die Einwendungen des
Beschwerdeführers, was sein Verhalten bei der Zustellung des Entscheids
der Anklagekammer betrifft: Auch wenn der Beschwerdeführer nicht die
Zustellung überhaupt verhindert haben sollte, sondern zuerst den Erhalt
des Entscheids quittierte und diesen dann unverzüglich - offenbar als
Protesthandlung - an die betreffende Behörde zurückgehen liess, störte
er damit den Gang des Verfahrens in einer mit den Verhaltenspflichten
eines Anwalts unvereinbaren Weise. Ein solches Vorgehen ist zudem, wie das
Kantonsgericht ohne Willkür annehmen durfte, auch geeignet, die Interessen
der Klientschaft zu gefährden. Die Erklärung des Beschwerdeführers
spricht für sich: Er sei nach Empfang der Sendung befugt gewesen, über die
"Urteilsurkunde frei zu verfügen", und habe gestützt auf diese Kompetenz -
ausserhalb des abgeschlossenen Verfahrens vor der Anklagekammer und ohne,
dass dieser Anordnung prozessuale Bedeutung zukäme - den Urteilsumschlag
mitsamt dem Urteil an die absendende Behörde zurückgeschickt.

    4.5  Schliesslich konnte das Kantonsgericht ohne Willkür auch annehmen,
der Beschwerdeführer habe unwahre Angaben über die Dauer seiner Abwesenheit
gemacht. Dessen Erklärungsversuch, er habe eine Vorbereitungsphase von
10 Tagen und eine vorhersehbare Beeinträchtigung nach seiner Rückkehr
durch den Jetlag (5 Tage) eingerechnet, ist unbehelflich.

    4.6  Auch die Höhe der Busse, welche dem Beschwerdeführer auferlegt
wurde, erscheint angesichts des vorgesehenen Sanktionsrahmens und
der mehrfachen, teils massiven Verstösse gegen das Standesrecht, nicht
offensichtlich übersetzt. Es ist der Behörde, welche für die Durchsetzung
der Standesregeln zuständig ist, nicht verwehrt, Disziplinarbussen so
anzusetzen, dass sie nicht nur symbolischen Charakter haben, sondern auch
wirtschaftlich eine gewisse Wirkung entfalten.