Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 IV 223



128 IV 223

33. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer i.S. X. und Y. gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft

    8G.53/2002 / 8G.55/2002 vom 12. Juni 2002

Regeste

    Art. 105bis Abs. 2 BStP; Beschwerde gegen eine
Nichtanhandnahmeverfügung der Bundesanwaltschaft.

    Der Strafantragsteller ist, jedenfalls wenn er nicht Geschädigter
ist, gegen eine Nichtanhandnahmeverfügung der Bundesanwaltschaft nicht
zur Beschwerde gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP legitimiert (E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) X. und Y. vom "Bund der Steuerzahler" reichten am 17. Februar
2002 bei der Schweizerischen Bundesanwaltschaft gegen Elmar Ledergerber,
SP-Stadtrat und heute Stadtpräsident von Zürich, sowie gegen die
Veranstalter eines "Vote-In" zur Uno-Abstimmung eine Strafanzeige wegen
des Verdachts auf Wahlbestechung gemäss Art. 281 StGB und Stimmenfang
gemäss Art. 282bis StGB ein.

    Die Bundesanwaltschaft erliess am 14. Mai 2002 eine
Nichtanhandnahmeverfügung.

    b) X. und Y. wenden sich innert der Frist von fünf Tagen gemäss
Art. 217 BStP (SR 312.0) an die Anklagekammer des Bundesgerichts und
führen Beschwerde im Sinne von Art. 105bis Abs. 2 BStP. Sie verzichten
ausdrücklich "auf das Stellen von formellen Anträgen".

    Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerden seien abzuweisen.

Erwägung 2

    2.- Jedermann hat das Recht, Vergehen, die von Bundes wegen verfolgt
werden, bei der Bundesanwaltschaft anzuzeigen (Art. 100 Abs. 1 und 2
BStP). Besteht kein Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens,
so verfügt der Bundesanwalt, dass der Anzeige keine Folge gegeben wird
(Art. 100 Abs. 3 BStP, in Kraft seit 1. Januar 2002).

    Gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP (in der seit 1. Januar 2002 geltenden
Fassung) ist gegen Amtshandlungen des Bundesanwalts Beschwerde an die
Anklagekammer zulässig. Anwendbar sind die Verfahrensvorschriften der
Art. 214 bis 219 BStP.

    Zur Beschwerde gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP legitimiert sind die
Parteien sowie ein jeder, der durch die Verfügung des Bundesanwalts einen
ungerechtfertigten Nachteil erleidet (Art. 214 Abs. 2 BStP).

    In Bezug auf Verfügungen, mit denen der Bundesanwalt einer Anzeige
keine Folge gegeben hat, wird das Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes,
dem die Verfügung formell eröffnet werden muss, im Gesetz ausdrücklich
zur Beschwerde bei der Anklagekammer des Bundesgerichts legitimiert
(Art. 100 Abs. 5 BStP, in Kraft seit 1. Januar 2002).

    Demgegenüber bestimmt das Gesetz für den Anzeiger nur, dass er
über eine Verfügung, mit der der Bundesanwalt seiner Anzeige keine
Folge gegeben hat, "benachrichtigt" werden muss (Art. 100 Abs. 4 BStP,
in Kraft seit 1. Januar 2002). Eine analoge Legitimation zu derjenigen
des Opfers gemäss Art. 100 Abs. 5 BStP fehlt. Dies spricht dagegen, dass
der Anzeiger zur Beschwerde legitimiert ist (vgl. BÄNZIGER/LEIMGRUBER,
Das neue Engagement des Bundes in der Strafverfolgung, Bern 2001, Art. 100
BStP, N. 236 und 237).

    Zu berücksichtigen ist überdies, dass in Fällen, in denen der
Bundesanwalt während der Voruntersuchung von der Verfolgung zurücktritt
und der eidgenössische Untersuchungsrichter die Untersuchung einstellt,
nebst dem Opfer nur der Geschädigte zur Beschwerde gegen die Einstellung
legitimiert ist (Art. 120 Abs. 2 BStP).

    Daraus folgt, dass allenfalls jener Anzeiger, der zugleich
direkt Geschädigter ist, durch eine Nichtanhandnahmeverfügung der
Bundesanwaltschaft einen ungerechtfertigten Nachteil im Sinne von Art. 214
Abs. 2 BStP erleiden und zur Beschwerde gegen die Verfügung legitimiert
sein könnte. Die Frage muss jedoch nicht abschliessend geprüft werden.

    Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer eine Strafanzeige
wegen Wahlbestechung und Stimmenfang eingereicht. Sie sind nicht Partei des
Strafverfahrens (vgl. Art. 34 BStP), und durch die von ihnen angezeigten
angeblichen Straftaten wurden sie nicht direkt geschädigt. Dies behaupten
sie denn auch zu Recht nicht, denn die blosse Anzeigeerstattung genügt
hiefür nicht. Folglich sind sie zur Beschwerde nicht legitimiert.