Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 IV 177



128 IV 177

26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.114/2002 vom 11. Juli 2002

Regeste

    Preisbekanntgabe bei "Telefonsex" (Art. 16, 17, 20 und 24 UWG;
Art. 10 lit. q und Art. 11 Abs. 1bis PBV).

    Art. 11 Abs. 1bis der Preisbekanntgabeverordnung, wonach bei
Mehrwertdiensten der Nummernkategorien 156... und 0906... innerhalb der
ersten 20 Sekunden nach Verbindungsaufbau der Preis für die Dauer der
ersten zehn Minuten mündlich bzw. durch vorgeschaltete Sprechtexte bekannt
zu geben ist, hält sich in den Grenzen des dem Bundesrat bei der Regelung
der Preisbekanntgabe zustehenden weiten Ermessensspielraums und ist zur
Erreichung des angestrebten Zwecks des Konsumentenschutzes geeignet.

Sachverhalt

    A.- X. betreibt verschiedene Mehrwertdienste der Nummernkategorie
0906..., über welche so genante Erotikdienste angeboten werden.

    B.- Mit zwei Entscheiden vom 1. März 2001 verurteilte der Einzelrichter
in Strafsachen des Bezirkes Zürich X. wegen Verletzung der Pflicht
zur Preisbekanntgabe an Konsumenten in Anwendung von Art. 24 Abs. 1
lit. a und lit. e des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen
den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) in Verbindung mit Art. 11
Abs. 1bis der Verordnung vom 11. Dezember 1978 über die Bekanntgabe
von Preisen (Preisbekanntgabeverordnung, PBV; SR 942.211) zu Bussen von
500 Franken. X. wird zur Last gelegt, er habe es unterlassen, dafür zu
sorgen, dass bei Anrufen auf die von ihm betriebenen 0906er-Telefonnummern
entsprechend der Vorschrift von Art. 11 Abs. 1bis PBV innerhalb der
ersten zwanzig Sekunden nach Verbindungsaufbau der Preis für die Dauer
der ersten zehn Minuten bekannt gegeben werde.

    C.- Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von X. erhobenen
kantonalen Nichtigkeitsbeschwerden mit Beschluss vom 8. Februar 2002 ab.

    D.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner
Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es
darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthält in
Art. 16-20 Vorschriften betreffend die Preisbekanntgabe an Konsumenten. Für
Waren, die dem Konsumenten zum Kaufe angeboten werden, ist der
tatsächlich zu bezahlende Preis bekannt zu geben, soweit der Bundesrat
keine Ausnahmen vorsieht. Ausnahmen sind insbesondere aus technischen
oder Sicherheitsgründen zulässig. Dieselbe Pflicht besteht für die vom
Bundesrat bezeichneten Dienstleistungen (Art. 16 Abs. 1 UWG). Der Bundesrat
regelt die Bekanntgabe von Preisen und Trinkgeldern (Art. 16 Abs. 2 UWG).
Werden Preise oder Preisreduktionen in der Werbung angezeigt, so richtet
sich deren Bekanntgabe nach den vom Bundesrat zu erlassenden Bestimmungen
(Art. 17 UWG). Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen (Art. 20
Abs. 2 UWG). Gemäss Art. 24 Abs. 1

UWG wird wegen Verletzung der Pflicht zur Preisbekanntgabe an Konsumenten
mit Haft oder Busse bis zu 20'000 Franken unter anderem bestraft, wer
vorsätzlich die Pflicht zur Preisbekanntgabe (Art. 16) verletzt (lit. a)
und wer vorsätzlich den Ausführungsvorschriften des Bundesrates über die
Preisbekanntgabe (Art. 16 und 20) zuwiderhandelt (lit. e). Handelt der
Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse (Art. 24 Abs. 2 UWG).

    Der Bundesrat hat unter anderem gestützt auf Art. 16, 17 und 20 UWG
die Preisbekanntgabeverordnung erlassen. Diese ist unter anderem durch die
Verordnung vom 28. April 1999, in Kraft seit 1. November 1999, teilweise
revidiert und ergänzt worden. Art. 10 PBV listet die Dienstleistungen
auf, für welche die tatsächlich zu bezahlenden Preise in Schweizerfranken
bekannt zu geben sind; dazu gehören gemäss lit. q "auf Fernmeldediensten
aufbauende Mehrwertdienste wie Informations-, Beratungs-, Vermarktungs-,
Gebührenteilungsdienste, soweit im Mobilfunkbereich nicht Dienste
von anderen Fernmeldedienstanbieterinnen im Ausland mitbenützt werden
(Roaming)". Art. 11 PBV ("Art und Weise der Bekanntgabe") bestimmt in
Abs. 1bis Folgendes:
      "Bei Mehrwertdiensten (Art. 10 Abs. 1 Bst. q) der Nummernkategorien

    156... und 0906... ist der Preis für die Dauer der ersten zehn Minuten

    mündlich beziehungsweise durch vorgeschaltete Sprechtexte in der

    entsprechenden Sprache bekannt zu geben, und zwar innerhalb der
ersten 20

    Sekunden nach Verbindungsaufbau."

    Art. 13 PBV ("Preisbekanntgabe in der Werbung") bestimmt in Abs. 1bis
Folgendes:
      "Wird in der Werbung die Telefonnummer eines entgeltlichen

    Mehrwertdienstes (Art. 10 Abs. 1 Bst. q) publiziert, so ist dem

    Konsumenten der Gesamtpreis pro Minute bekannt zu geben. Wo die
Angabe des

    Minutenpreises nicht möglich ist, muss das zur Anwendung gelangende

    Taxierungsmodell transparent bekannt gegeben werden."

    1.2  Der Beschwerdeführer macht wie bereits im kantonalen Verfahren
geltend, Art. 11 Abs. 1bis PBV stehe in einem unauflösbaren Konflikt
mit Art. 10 Abs. 1 lit. q und mit Art. 13 Abs. 1bis PBV. Die Vorschrift
widerspreche sodann dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb,
wonach jede irreführende oder unklare Verhältnisse evozierende
Preisbezeichnung verpönt sei, wie sich aus Art. 2 UWG und sinngemäss
aus Art. 3 lit. b UWG ergebe, und wonach der tatsächlich zu bezahlende
Preis bekannt zu geben sei, wie Art. 16 Abs. 1 UWG vorschreibe. Art. 11
Abs. 1bis PBV sei zudem verfassungswidrig, da die Vorschrift gegen das

Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) und das Diskriminierungsverbot
(Art. 8 Abs. 2 BV) sowie gegen das Verbot der Willkür (Art. 9 BV)
verstosse. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus,
es sei nicht ersichtlich, weshalb die Anbieter von Mehrwertdiensten
der Nummernkategorien 156... und 0906... den Preis für die Dauer der
ersten zehn Minuten bekannt geben müssten. Eine Gesprächsdauer von zehn
Minuten werde bei Erotikdiensten ("Telefonsex") in der Praxis nur selten
erreicht. Die Gesprächsdauer betrage in der Regel durchschnittlich zwei
bis drei Minuten. Diese empirisch nachweisbare Tatsache habe die Vorinstanz
offenbar akzeptiert. Art. 11 Abs. 1bis PBV, der die Bekanntgabe des Preises
für die Dauer der ersten zehn Minuten innerhalb der ersten zwanzig Sekunden
nach Verbindungsaufbau vorschreibe, sei somit realitätsfremd. Eine Angabe
des Preises für die Dauer der ersten zehn Minuten sei auch ungewöhnlich. In
der Praxis habe sich die Angabe des Preises pro Minute national und
international als das absolut Übliche durchgesetzt. Die in Art. 11
Abs. 1bis PBV enthaltene Vorschrift habe keine aufklärende, sondern im
Gegenteil eine den Konsumenten verwirrende Wirkung. Dem Konsumenten sei
unklar, was ihn das Telefonat nach der zehnten Minute koste; er wisse
nicht, ob er danach den Mindestpreis für weitere zehn Minuten zahlen müsse
oder ob das Telefonat nach der zehnten Minute gratis sei. Es sei ihm auch
unklar, ob er den bekannt zu gebenden Preis für ein Telefonat von zehn
Minuten Dauer auch dann bezahlen müsse, wenn das Telefonat beispielsweise
nur drei Minuten dauere. Durch die in Art. 11 Abs. 1bis PBV enthaltene
Vorschrift, den Preis für die Dauer der ersten zehn Minuten bekannt zu
geben, würden die Anbieter von Mehrwertdiensten der Nummernkategorien
156... und 0906... gegenüber den Anbietern von anderen Mehrwertdiensten
ohne sachlichen Grund ungleich behandelt und diskriminiert. Die Vorschrift
wirke abschreckend, prohibitiv und umsatzschwächend. Sie sei gesetz-
und verfassungswidrig.

Erwägung 2

    2.

    2.1  Das Bundesgericht kann im Verfahren der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde, wie auch etwa im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (siehe dazu BGE 128 II 34 E. 2b; 124 II 241
E. 3, je mit Hinweisen), Verordnungen des Bundesrates vorfrageweise auf
ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit prüfen (BGE 119 IV 260 E. 2;
118 IV 102 E. 2b). Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine
gesetzliche Delegation stützen, prüft das

Bundesgericht, ob sich der Bundesrat in den Grenzen der ihm im Gesetz
eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Ergibt sich, dass die in Frage
stehende Verordnungsbestimmung gesetzmässig ist, ist weiter deren
Verfassungsmässigkeit zu überprüfen, es sei denn, ein Abweichen von der
Verfassung sei in der massgeblichen Gesetzesvorschrift begründet. Wird
dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum
des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, so ist
dieser Spielraum nach Art. 191 BV für das Bundesgericht verbindlich;
es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein
eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern
es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem
Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder
aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (BGE 119 IV 260
E. 2; 128 II 34 E. 2b, je mit Hinweisen).

    2.2  Bei den Mehrwertdiensten der Nummernkategorien 156...  und
0906... geht es im Wesentlichen um so genannte "Erwachsenenunterhaltung"
(insbesondere "Telefonsex"), die ausschliesslich über das Telefon
angeboten wird (siehe das Informationsblatt des Staatssekretariates
für Wirtschaft [seco] vom 1. November 1999). Art. 11 Abs. 1bis PBV
gilt für sämtliche Mehrwertdienste der Nummernkategorien 156... und
0906.... Insoweit kann von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots
und des Diskriminierungsverbots keine Rede sein. Dass Art. 11 Abs. 1bis
PBV nur für die darin genannten und nicht für alle Mehrwertdienste
gilt, bedeutet für sich allein keine unzulässige Ungleichbehandlung
und Diskriminierung. Der Beschwerdeführer unterlässt es darzulegen,
inwiefern und aus welchen Gründen die von Art. 11 Abs. 1bis PBV
erfassten Mehrwertdienste der Nummernkategorien 156... und 0906... mit
welchen anderen, von dieser Vorschrift nicht erfassten Mehrwertdiensten
vergleichbar seien. Auf die Rügen, Art. 11 Abs. 1bis PBV verletze das
Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot sowie das Verbot der
Willkür, ist daher mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten.

    2.3  Bei den Mehrwertdiensten der vom Beschwerdeführer angebotenen Art
kann der für die Leistung tatsächlich zu bezahlende Preis nicht bekannt
gegeben werden, da der Preis von der Dauer des Telefonats abhängt und diese
nicht von vornherein feststeht. Wird in der Werbung die Telefonnummer eines
entgeltlichen Mehrwertdienstes publiziert, so ist dem Konsumenten gemäss
Art. 13 Abs. 1bis PBV der Gesamtpreis pro Minute bekannt zu geben. Diese
Vorschrift gilt

für alle entgeltlichen Mehrwertdienste, mithin auch für die Mehrwertdienste
der Nummernkategorien 156... und 0906.... Für diese Dienste im Besonderen
schreibt Art. 11 Abs. 1bis PBV zusätzlich die Bekanntgabe des Preises für
die Dauer der ersten zehn Minuten innerhalb der ersten zwanzig Sekunden
nach Verbindungsaufbau vor. Damit soll offenkundig der Konsument darauf
aufmerksam gemacht werden, wie teuer ihn ein solches Telefonat zu stehen
kommen kann. Art. 11 Abs. 1bis PBV bezweckt den Schutz des Konsumenten und
ist zur Erreichung dieses Zwecks geeignet. Wohl kann der potentielle Kunde
auf Grund der gemäss Art. 13 Abs. 1bis PBV vorgeschriebenen Angabe des
Gesamtpreises pro Minute in der Werbung errechnen, wie viel ein Telefonat
von zehn Minuten Dauer kostet. Indessen kennt beispielsweise der Kunde,
der sich nicht auf Grund eines Zeitungsinserates, sondern etwa gestützt auf
Empfehlungen aus dem Kollegenkreis für eine bestimmte Nummer entscheidet,
den Preis pro Minute unter Umständen nicht. Der Kunde, der stets dieselbe
Nummer wählt, hat unter Umständen den im Inserat genannten Preis pro Minute
vergessen. Zudem bedürfen potentielle Kunden, die selbst zu einfachen
Rechenaufgaben nicht in der Lage sind, eines besonderen Schutzes. Der
Hinweis auf den Preis für ein Telefonat von zehn Minuten Dauer macht dem
Kunden anhand eines Beispiels deutlich, was die allenfalls in der Werbung
publizierte Preisangabe pro Minute praktisch bedeutet. Selbst wenn die
Telefonate betreffend "Erotikdienste" durchschnittlich nur zwei bis
drei Minuten dauern sollten, wie der Beschwerdeführer behauptet, gibt
es offensichtlich auch Telefonate dieser Art, die weit länger dauern.
Dass die Angabe des Preises für ein Telefonat von zehn Minuten Dauer
zurzeit noch unüblich sein mag, ist unerheblich.

    2.4  Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass einzelne Kunden etwa
die Angabe, "der Preis für die Dauer der ersten zehn Minuten" betrage
Fr. 20.-, in dem Sinne missverstehen könnten, dass es sich dabei um
einen Pauschalpreis handle, der auch dann bezahlt werden müsse, wenn
das Telefonat tatsächlich nur beispielsweise drei Minuten dauert. Die
Angabe über den "Preis für die Dauer der ersten zehn Minuten" macht auch
nicht restlos deutlich, welcher Preis bei einer Dauer des Telefonats von
beispielsweise zwölf Minuten zu bezahlen ist. Zwar kann der Konsument,
der die Werbung für die von ihm gewählte Nummer kennt, wissen, dass sich
der Preis pro Minute bestimmt; doch nicht jedem Anrufer ist die Werbung
bekannt oder zur Zeit des Anrufs noch präsent. Es ist dem Anbieter von
Mehrwertdiensten der Nummernkategorien 156... und 0906... indessen

unbenommen, nach Verbindungsaufbau mündlich oder durch vorgeschaltete
Sprechtexte zur Vermeidung von Missverständnissen bekannt zu geben, dass
sich der Preis nach Minuten bestimme, dass eine Minute (beispielsweise)
Fr. 2.- und somit fünf Minuten Fr. 10.-, zehn Minuten Fr. 20.- und 15
Minuten Fr. 30.- etc. kosten. Art. 11 Abs. 1bis PBV verbietet solche
zusätzlichen Angaben nicht. Massgebend ist allein, dass innerhalb der
ersten zwanzig Sekunden nach Verbindungsaufbau dem Anrufer jedenfalls auch
der Preis für ein Telefonat von zehn Minuten Dauer bekannt gegeben wird.

    2.5  Art. 11 Abs. 1bis PBV hält sich somit in den Grenzen des dem
Bundesrat bei der Regelung der Preisbekanntgabe zustehenden weiten
Ermessensspielraums und ist zur Erreichung des angestrebten Zwecks des
Konsumentenschutzes geeignet. Der Einwand des Beschwerdeführers, die
Vorschrift sei gesetz- und verfassungswidrig, ist unbegründet, soweit
darauf einzutreten ist.