Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 II 378



128 II 378

44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S.
A.X., B.X. und Mitb. gegen TDC Switzerland, Bausektion der Stadt Zürich
und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    1A.264/2000 vom 24. September 2002

Regeste

    Schutz vor nichtionisierender Strahlung (Art. 3 Abs. 3 und Abs. 9
NISV).

    Überprüfung der im Standortdatenblatt angegebenen äquivalenten
Strahlungsleistung ERP (Art. 3 Abs. 9 NISV; E. 4).

    Balkone und Dachterrassen zählen nicht zu den Orten mit empfindlicher
Nutzung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 NISV, an denen die Anlagegrenzwerte
eingehalten werden müssen (E. 6).

Sachverhalt

    Die Bausektion der Stadt Zürich bewilligte der diAx mobile
am 15. Januar 1999 die Erstellung einer Basisstation für das
Mobiltelefonnetz GSM auf dem bestehenden Gebäude Florastrasse 44 in
Zürich-Riesbach. Hiergegen erhoben Dr. A.X. und B.X. und sechs weitere
Nachbarn Rekurs an die Baurekurskommission I. Während des Rekursverfahrens
reichte die diAx mobile ein NIS-Standortdatenblatt gemäss BUWAL-Entwurf
vom 20. Oktober 1998 (detailliertes Verfahren) ein, um nachzuweisen, dass
die geplante Antennenanlage auch die im Entwurf einer Verordnung über den
Schutz vor nichtionisierender Strahlung vorgesehenen Grenzwerte einhalte.
Die Baurekurskommission wies den Rekurs am 20. August 1999 ab.

    Hiergegen erhoben A.X. und B.X. und fünf weitere Nachbarn Beschwerde
an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, die erteilte
Baubewilligung sei aufzuheben, sowie Eventualanträgen zur Begrenzung
und Kontrolle der Sendeleistung der projektierten Anlage. Nachdem am
1. Februar 2000 die Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor
nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) in Kraft getreten war,
wurde den Parteien Gelegenheit gegeben, zur Bewilligungsfähigkeit der
strittigen Anlage nach neuem Recht Stellung zu nehmen. Am 24. August 2000
wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden im Sinne der Erwägungen ab,
soweit es darauf eintrat.

    Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts erhoben A.X. und B.X.
und drei weitere Nachbarn Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht.

    Nach Einholung eines Gutachtens zur Überprüfung der äquivalenten
Strahlungsleistung der geplanten Anlage sowie eines neues
Standortdatenblatts zur Berechnung der zu erwartenden Strahlung an
Orten mit empfindlicher Nutzung wies das Bundesgericht die Beschwerde im
Wesentlichen ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.  Grundlage für die Prognose der Strahlung einer projektierten
Mobilfunkanlage ist deren äquivalente Strahlungsleistung ERP. Diese
wird in Art. 3 Abs. 9 NISV definiert als "die einer Antenne zugeführte
Sendeleistung, multipliziert mit dem Antennengewinn in Hauptstrahlrichtung,
bezogen auf den Halbwellendipol". Die ERP wird vom Mobilfunkbetreiber im
Standortdatenblatt angegeben und muss grundsätzlich, sofern Zweifel an
der Richtigkeit der Eintragung bestehen, von der Baubewilligungsbehörde
bzw. den Rechtsmittelinstanzen überprüft werden.

    4.1  Das Verwaltungsgericht Zürich hat allerdings in einem - ebenfalls
am 24. August 2000 ergangenen - Entscheid (publiziert in URP 2001 S. 161
ff. E. 12 S. 172 ff.) angenommen, dass in modernen Mobilfunknetzen die
Steuerung der Leistung von der Zentrale aus vorgenommen werde. Die im
Standortdatenblatt genannte Leistung (ERP) sei somit nicht in erster
Linie durch technische Randbedingungen der strittigen Antennenanlage
vorgegeben, sondern könne jederzeit ferngesteuert angepasst werden. Eine
direkte Überprüfung dieses Sachverhalts sei deshalb für Aussenstehende -
und damit auch für die Vollzugsbehörden - kaum möglich.

    4.2  Da der Überprüfbarkeit der im Standortdatenblatt angegebenen ERP
grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat das Bundesgericht ein Gutachten zu
dieser Frage eingeholt. Der Sachverständige wurde beauftragt, gestützt
auf zusätzliche technische Angaben der Beschwerdegegnerin zu beurteilen,
ob die geplante Mobilfunkanlage bei der vorgesehenen Hardwarekonfiguration
mit einer grösseren ERP betrieben werden könnte, als im Standortdatenblatt
angegeben (300 W).

    Wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, ist die
äquivalente Strahlungsleistung (ERP) von verschiedenen technischen
Einflussgrössen abhängig:

    - der Art und Zahl der Senderendstufen der Basisstation (im

    vorliegenden Fall zwei: TX1 und TX2), in denen die Sendesignale erzeugt

    werden;

    - der Combiner- und AFE-Einheit, in der beide Signale zusammengefasst

    und auf die Antennenzuleitung gegeben werden;

    - dem Antennenzuleitungskabel, das die Antenne mit den Sendesignalen

    versorgt;

    - dem Antennengewinn der Sektorantenne.

    Der Sachverständige bestätigt, dass der Netzbetreiber die Möglichkeit
hat, die Sendeleistung der Mobilfunkstation mittels Fernsteuerung zu
regulieren. Allerdings seien durch diese Fernsteuerung nur Leistungen
bis zur Maximalleistung der Endstufen einstellbar. Rechne man bei der
ERP-Bestimmung mit der maximalen Leistung der Senderendstufen, so müsse
die Fernsteuerung der Anlage nicht mehr näher betrachtet werden, da damit
nur noch eine Verringerung der Leistung und damit auch der ERP möglich sei.

    Bei den am Standort vorgesehenen Senderendstufen handelt es
sich nach Angaben der Herstellerin um Geräte der "Leistungsklasse
5" nach GSM-Standard mit einer Ausgangsleistung von 44,5 dBm (dBm
= auf ein Milliwatt bezogener Wert). Da bei der Herstellung von
elektronischen Geräten immer gewisse Fertigungsstreuungen auftreten,
werden bestimmte Leistungsklassen festgelegt, denen die Geräte
zugeordnet werden. "Leistungsklasse 5" bedeutet nach GSM-Standard,
dass die Ausgangsleistung des Senders zwischen 43 und 46 dBm liegen
kann. Umgerechnet können also Geräte dieses Typs eine Ausgangsleistung
zwischen 20 und 40 Watt besitzen. Die Herstellerin sichert Kunden bei
Geräten der Leistungsklasse 5 eine Leistung von 44,5 dBm (d.h. 28,2
Watt) zu. Allerdings ist dem Herstellerschreiben nicht zu entnehmen,
ob es sich hierbei um eine Mindestleistung oder einen werkseitig genau
eingestellten Leistungswert handelt. Der Sachverständige berücksichtigte in
seinem Gutachten deshalb beide Möglichkeiten (genau eingestellte maximale
Leistung von 44,5 dBm bzw. maximale Leistung der Geräteklasse von 46 dBm).

    Sind, wie im vorliegenden Fall, zwei Kanäle, d.h. zwei Senderendstufen
gleichen Typs je Sektor vorgesehen, verdoppelt sich die Leistung. Dies
entspricht einer Zunahme um 3 dB.

    Die Zusammenführung der beiden Ausgangssignale der TX-Stufen in
der Combiner- und AFE-Einheit ist, wie der Sachverständige in seinem
Gutachten darlegt, aus prinzipiellen physikalischen Gründen immer erheblich
verlustbehaftet. Dies bedeutet, dass am Ausgang dieser Baugruppe nicht die
Summe der beiden Ausgangsleistungen der TX-Stufen, sondern ein deutlich
geringerer Wert vorliegt. Die Dämpfung der hier verwendeten Combiner- und
AFE-Einheit betrage nach glaubwürdigen Angaben der Herstellerfirma 5,2 dB.

    Auch die Ausbreitung innerhalb des 11 Meter langen
Antennenzuleitungskabels ist verlustbehaftet. Im vorliegenden Fall
betrage die Dämpfung insgesamt 1,5 dB, wenn ein 1/4"-Kabel eingesetzt
werde und 1,1 dB, wenn das etwas dämpfungsärmere 3/8"-Kabel verwendet
werde. Zusätzliche Signaldämpfungen durch verschiedene andere Einflüsse
(Reflexion des Hochfrequenzsignals an jedem Stecker; Kabeldämpfung zwischen
TX-Ausgang und Combinereingang) berücksichtigte der Sachverständige mit
einem weiteren Dämpfungswert von 1 dB.

    Der Antennengewinn der Sektorantenne beträgt nach Angaben des
Herstellers 14,85 dB. Dieser Wert kann nach Einschätzung des Experten
als hinreichend konstant angenommen werden.

    Aus diesen technischen Daten berechnete der Sachverständige die
ERP der Anlage zweimal: einmal unter Zugrundelegung der Betreiberangaben
(Ausgangsleistung jeder TX-Stufe: 44,5 dBm; Verwendung eines 1/4"-Kabels),
zum anderen unter Zugrundelegung von "worst-case-Annahmen" (Rechnung mit
der maximal möglichen Ausgangsleistung von Geräten der "Leistungsklasse 5"
von 46 dBm und dem dämpfungsärmeren 3/8"-Kabel). Im ersten Fall ergibt
sich eine ERP von 54,65 dBm, d.h. umgerechnet von 291,7 Watt, im zweiten
eine ERP von 56,55 dBm, d.h. umgerechnet von 451,9 Watt.

    Im ersten Fall ist deshalb die Frage des Gerichts, ob die Anlage mit
der vorgesehenen Hardwarekonfiguration eine ERP von mehr als 300 Watt
erzeugen könne, mit nein zu beantworten. Im zweiten Fall - bei einer
"worst-case-Betrachtung" - wäre sie zu bejahen.

    4.3  Aufgrund der von der Beschwerdegegnerin nachgereichten technischen
Angaben zur geplanten Mobilfunkanlage und den nachvollziehbaren und
überzeugenden Ausführungen des Gutachtens ist zunächst einmal erstellt,
dass die äquivalente Strahlungsleistung von der Hardwarekonfiguration der
Anlage beschränkt wird, so dass eine Überprüfung der im Standortdatenblatt
angegebenen ERP grundsätzlich möglich ist. Erstellt ist ferner, dass die
Angaben der Beschwerdegegnerin zur äquivalenten Strahlungsleistung (ca. 300
W) zutreffen, sofern auf die Angaben der Herstellerfirmen zur garantierten
Ausgangsleistung der installierten Senderendstufen abgestellt wird. Dies
erscheint grundsätzlich sinnvoll, weil der Mobilfunkbetreiber - jedenfalls
im Zeitpunkt der Stellung des Baugesuchs - nicht wissen kann, ob die
Leistung seiner Geräte an der oberen oder der unteren Toleranzgrenze liegen
wird und sich insofern an dem vom Hersteller garantierten Wert orientieren
muss. Gegebenenfalls kann die Vollzugsbehörde nach Inbetriebnahme der
Anlage eine Abnahme- oder Kontrollmessung vornehmen, um die Einhaltung der
Anlagegrenzwerte - und damit auch der im Standortdatenblatt angegebenen
ERP - zu überprüfen. Eine Abnahmeprüfung wird regelmässig durchgeführt,
wenn gemäss rechnerischer Prognose der Anlagegrenzwert an einem Ort mit
empfindlicher Nutzung zu 80% erreicht wird (BUWAL Vollzugsempfehlung zur
NISV für Mobilfunk- und WLL-Basisstationen, Ziff. 2.1.8).

    Eine abschliessende Stellungnahme zur aufgeworfenen Frage ist jedoch
im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil die Anlagegrenzwerte -
auch unter Zugrundelegung der bei "worst-case"-Annahmen möglichen ERP
von rund 450 W - eingehalten werden. Es erübrigt sich deshalb auch,
Kontrollverfahren zur Einhaltung der ERP anzuordnen, wie von den
Beschwerdeführern in ihrem Eventualantrag 2e beantragt wurde.

Erwägung 6

    6.  Die Beschwerdeführer machen geltend, dass auch die ausgebauten
Dachzinnen, Balkone und Sitzgelegenheiten im Freien regelmässig dem
Aufenthalt von Personen während längerer Zeit dienten und deshalb als
"Orte mit empfindlicher Nutzung" hätten berücksichtigt werden müssen. Die
in Art. 3 Abs. 3 NISV enthaltene Beschränkung dieses Begriffs auf "Räume
in Gebäuden" und "öffentliche oder private, raumplanungsrechtliche
festgesetzte Kinderspielplätze" halte vor den Art. 1 und 11 des
Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (USG; SR 814.01)
nicht stand.

    6.1  Gemäss Art. 3 Abs. 3 NISV gelten als Orte mit empfindlicher
Nutzung:

      a. Räume in Gebäuden, in denen sich Personen regelmässig während

    längerer Zeit aufhalten;

      b. öffentliche oder private, raumplanungsrechtlich festgesetzte

    Kinderspielplätze;

      c. diejenigen Flächen von unüberbauten Grundstücken, auf denen

    Nutzungen nach den Buchstaben a und b zugelassen sind.

    Der Kanton Genf hat in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung vom 29. September
1999 (in der Fassung vom 5. April 2000) "sur la protection contre le
rayonnement non ionisant des installations stationnaires" Balkone und
private Dachterrassen ausdrücklich zu Orten mit empfindlicher Nutzung
erklärt (vgl. MICHEL LANÇON, Genf hat strenge Richtlinien für Orte mit
empfindlicher Nutzung, in: pusch 2/2000 S. 17). Diese Ausführungsbestimmung
ist jedoch im vorliegenden - den Kanton Zürich betreffenden - Fall
nicht anwendbar und bindet das Bundesgericht bei der Auslegung von Art.
3 Abs. 3 NISV nicht.

    Balkone und Dachterrassen sind nach dem üblichen Sprachgebrauch
keine "Räume in Gebäuden", da sie nicht von Wänden umschlossen sind,
sondern dem Aufenthalt im Freien dienen. Sie sind von ihrer Funktion
her mit privaten Gärten vergleichbar, die eindeutig nicht unter Art. 3
Abs. 3 NISV fallen (vgl. Erläuternder Bericht des BUWAL zur NISV vom
23. Dezember 1999, S. 10 zu Art. 3 Abs. 3 NISV). Hinzu kommt, dass die
Nutzung von Balkonen und Dachterrassen vom Wetter abhängig ist und
deshalb nicht regelmässig, sondern vor allem an schönen Sommertagen
und -nächten erfolgt. Schliesslich ist auch die Aufenthaltsdauer auf
Balkonen und Dachterrassen regelmässig kürzer als in Wohn-, Schlaf-
und Arbeitsräumen, Schulräumen oder Patientenzimmern in Spitälern oder
Altersheimen (so die Beispiele im Erläuternden Bericht des BUWAL, S. 10 zu
Art. 3 Abs. 3 NISV). Dies spricht dafür, Balkone und Dachterrassen nicht
zu den Orten mit empfindlicher Nutzung gemäss Art. 3 Abs. 3 lit. a NISV
zu zählen (so auch BUWAL Vollzugsempfehlung zur NISV für Mobilfunk- und
WLL-Basisstationen, Ziff. 2.1.3). Dieses Ergebnis wird durch einen Blick
auf die parallele Regelung in Art. 2 Abs. 6 der Lärmschutz-Verordnung
vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) unterstützt (zur Heranziehung
dieser Bestimmung zur Handhabung von Art. 3 Abs. 3 lit. a NISV vgl. URS
WALKER, Baubewilligung für Mobilfunkantennen; bundesrechtliche Grundlagen
und ausgewählte Fragen, in: BR 2000 S. 3 ff., Fn. 27). Danach sind
lärmempfindliche Räume "Räume in Wohnungen" und "Räume in Betrieben",
in denen sich Personen regelmässig während längerer Zeit aufhalten;
Dachterrassen und Balkone werden also nicht berücksichtigt.

    6.2  Zu prüfen ist, ob diese Auslegung von Art. 3 Abs. 3 NISV mit
dem Umweltschutzgesetz vereinbar ist.

    Das Umweltschutzgesetz soll Menschen gegen schädliche oder lästige
Einwirkungen schützen (Art. 1 Abs. 1 USG) und Einwirkungen, die schädlich
oder lästig werden könnten, frühzeitig begrenzen (Art. 1 Abs. 2 USG). Zu
den Einwirkungen zählen auch die von Mobilfunkantennen ausgehenden
Strahlungen (Art. 7 Abs. 1 USG). Sie werden durch Massnahmen an der Quelle
begrenzt (Emissionsbegrenzungen; vgl. Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 USG);
verschärfte Emissionsbegrenzungen werden angeordnet, wenn feststeht oder zu
erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden
Umweltbelastung schädlich oder lästig werden (Art. 11 Abs. 3 USG). Für die
Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen legt der Bundesrat
durch Verordnung Immissionsgrenzwerte fest (Art. 13 USG). Unabhängig von
der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge
so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und
wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG).

    Dieses im USG vorgezeichnete zweistufige Konzept (Schutz vor
schädlichen und lästigen Einwirkungen / vorsorgliche Emissionsbegrenzung)
konkretisiert die NISV durch die Festlegung von Immissionsgrenzwerten
einerseits und von Anlagegrenzwerten andererseits.

    6.2.1  Die Immissionsgrenzwerte, die dem Schutz vor schädlichen
oder lästigen Strahlungen dienen und insoweit Gefährdungswerte sind
(Erläuternder Bericht des BUWAL zur NISV, S. 5 Ziff. 32), müssen
überall eingehalten sein, wo sich Menschen aufhalten können (Art. 13
Abs. 1 NISV), wobei der Aufenthalt nicht von längerer Dauer sein muss
(vgl. Ziff. 1 Anhang 2 NISV, wonach die Immissionen über 6 Minuten zu
mitteln sind). Damit müssen die Immissionsgrenzwerte selbstverständlich
auch auf Dachterrassen oder -zinnen und Balkonen eingehalten werden.

    6.2.2  Dagegen müssen die Anlagegrenzwerte nur an Orten mit
empfindlicher Nutzung eingehalten werden (Ziff. 65 Anhang 1 NISV)
und gelten nur für die von einer einzelnen Anlage erzeugten Strahlung
(Art. 3 Abs. 6 NISV). Sie dienen der vorsorglichen Emissionsbegrenzung im
Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG und sollen, unabhängig von der bestehenden
Umweltbelastung, die Emissionen auf das technisch und betrieblich mögliche
und wirtschaftlich tragbare Mass reduzieren. Zugleich sollen sie die
beschränkte Schutzwirkung der heutigen Immissionsgrenzwerte, welche nur
die thermischen Wirkungen hochfrequenter Strahlung berücksichtigen, durch
wirksame Vorsorgemassnahmen ergänzen (Erläuternder Bericht des BUWAL
zur NISV, S. 6 Ziff. 32). Die Anlagegrenzwerte, welche die zulässigen
Feldstärkewerte an Orten mit empfindlicher Nutzung um einen Faktor 10
reduzieren, stellen insofern auch eine Sicherheitsmarge gegen allfällige
gesundheitsschädigende nichtthermische Effekte einer langfristigen
Strahlungsexposition dar.

    Dem Verordnungsgeber steht bei der Konkretisierung des Vorsorgeprinzips
ein gewisser Spielraum zu. Nach der Konzeption der NISV müssen die
Anlagegrenzwerte nicht überall, sondern nur an Orten eingehalten werden,
an denen sich Personen regelmässig während längerer Zeit aufhalten. Dies
entspricht der Funktion der Anlagegrenzwerte als Sicherheitsmarge
gegen allfällige Langzeitwirkungen von schwacher Hochfrequenzstrahlung.
Dachterrassen, Balkone und Zinnen dienen nicht regelmässig dem längeren
Aufenthalt von Personen (vgl. oben E. 6.1). Werden sie zu den Orten mit
empfindlicher Nutzung gezählt, gibt es keinen Grund, private Gärten oder
andere, zu bestimmten Jahres- oder Tageszeiten vielfrequentierte Orte
davon auszuschliessen. Es stand somit im Ermessen des Verordnungsgebers,
aus Gründen den Rechtssicherheit und der Praktikabilität die Einhaltung
der Anlagegrenzwerte auf die eigentlichen Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräume
zu begrenzen. Da Dachterrassen und Balkone immer in der Nähe eines Wohn-
oder Arbeitsraums liegen, in dem der Anlagegrenzwert eingehalten werden
muss, wird der Anlagegrenzwert auf der Dachterrasse bzw. dem Balkon in
der Regel nur geringfügig überschritten werden.

    6.3  Nach dem Gesagten zählen Balkone und Dachterrassen nicht zu
den Orten mit empfindlicher Nutzung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 NISV, an
denen die Anlagegrenzwerte eingehalten werden müssen. Damit erübrigen sich
weitere Abklärungen zur Einhaltung der Anlagegrenzwerte an diesen Orten.