Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 96



128 III 96

17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. SCW Swiss Classic
Watches F. Schifferle gegen Porsche Design Management GmbH & Co. KG
(Berufung)

    4C.111/2001 vom 19. Dezember 2001

Regeste

    Warengleichartigkeit (Art. 3 MSchG).

    Der Umstand, dass verschiedene Waren zu den Modeartikeln gehören
können, begründet für sich allein keine Warengleichartigkeit (E. 2).

Sachverhalt

    F. Schifferle ist Inhaber der Einzelfirma SCW Swiss Classic Watches. Er
reichte am 23. August 2000 beim Handelsgericht des Kantons Bern Klage ein
gegen die in Salzburg ansässige Porsche Design Management GmbH & Co. KG mit
dem Begehren, die Nichtigkeit des schweizerischen Anteils der IR-Marke 659
373 ORFINA festzustellen und der Beklagten unter Androhung der Straffolgen
von Art. 291 StGB zu verbieten, die Bezeichnung ORFINA im Geschäftsverkehr,
namentlich zur Kennzeichnung von Uhren, zu gebrauchen. Der Kläger ist
Inhaber der schweizerischen Wort-/Bildmarke Nr. 331 531 ORFINA, eingetragen
für die internationale Warenklasse 14 (Uhren und Zeitmessgeräte).

    Mit Urteil vom 6. Juni 2000 erkannte das Handelsgericht, es werde Akt
genommen, dass die Beklagte die Nichtigkeit des schweizerischen Anteils
der IR-Marke 659 373 ORFINA für das Gebiet der Schweiz und beschränkt
auf Uhren und Zeitmessgeräte (int. Kl. 14) sowie auf Uhrenarmbänder aus
Leder (Teil int. Kl. 18) anerkenne; soweit weitergehend werde die Klage
abgewiesen. Nachdem der

Appellationshof des Kantons Bern das Urteil in teilweiser Gutheissung
der Nichtigkeitsklage des Klägers am 21. November 2000 aufgehoben hatte,
ergänzte das Handelsgericht sein Urteil mit Zirkulationsentscheid vom
12./19./21. Februar 2001 und entschied wie folgt:
      "1. Es wird Akt genommen und gegeben, dass die Beklagte die

    Nichtigkeit des schweizerischen Anteils der IR-Marke 659 373 ORFINA

    beschränkt auf Uhren und Zeitmessgeräte (int. Kl. 14) sowie für

    Uhrenarmbänder aus Leder (int. Kl. 18) anerkennt.
       2. Es wird Akt genommen und gegeben, dass die Beklagte sich

    verpflichtet, das Zeichen "ORFINA" im Geschäftsverkehr auf dem
Gebiet der

    Schweiz für Uhren und  Zeitmessgeräte (int. Kl. 14) sowie auf

    Uhrenarmbändern  aus Leder (int. Kl. 18) nicht zu gebrauchen.
       3. Soweit weitergehend wird die Klage abgewiesen.
          ..."

    Mit Berufung beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des
Handelsgerichts vom 21. Februar 2001 aufzuheben und die Klage gutzuheissen,
soweit sie nicht durch Abstandserklärung der Beklagten erledigt ist.

    Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Art. 3 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 28.  August 1992 über
den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG;
SR 232.11) versagt einem Zeichen den Markenschutz, wenn es einer älteren
Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen
bestimmt ist, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. Ob eine
solche Gefahr besteht, prüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren als
Rechtsfrage (BGE 126 III 315 E. 4b; 119 II 473 E. 2c S. 475).

    a) Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c
MSchG besteht, wenn das jüngere Zeichen die ältere Marke in ihrer
Unterscheidungsfunktion beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist
gegeben, falls zu befürchten ist, dass die massgeblichen Verkehrskreise
sich durch die Ähnlichkeit der Zeichen irreführen lassen und Waren, die das
eine oder das andere Zeichen tragen, dem falschen Markeninhaber zurechnen,
oder falls das Publikum die Zeichen zwar auseinander zu halten vermag,
aufgrund ihrer

Ähnlichkeit aber falsche Zusammenhänge vermutet, insbesondere an
Serienmarken denkt, welche verschiedene Produktelinien des gleichen
Unternehmens oder von mehreren, wirtschaftlich miteinander verbundenen
Unternehmen kennzeichnen (BGE 127 III 160 E. 2; 122 III 382 E. 1). Ob
zwei Marken sich hinreichend deutlich unterscheiden oder im Gegenteil
verwechselbar sind, ist nicht aufgrund eines abstrakten Zeichenvergleichs,
sondern stets vor dem Hintergrund der gesamten Umstände zu beurteilen
(DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Markenschutzgesetz,
Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl., Basel 1999, N. 14 zu Art. 3 MSchG;
vgl. auch BGE 121 III 377 E. 2a; 84 II 441 E. 1c, je mit Hinweisen). Der
Massstab, der an die Unterscheidbarkeit anzulegen ist, hängt einerseits
vom Umfang des Ähnlichkeitsbereichs ab, dessen Schutz der Inhaber der
älteren Marke beanspruchen kann, und anderseits von den Warengattungen,
für welche die sich gegenüberstehenden Marken hinterlegt sind (BGE 122
III 382 E. 1 S. 385).

    b) Im vorliegenden Fall steht ausser Frage, dass die ältere
Wort-/Bildmarke ORFINA des Klägers und die neuere Wortmarke ORFINA der
Beklagten eine hohe Zeichenähnlichkeit aufweisen, zumal sie im Wortteil
identisch sind. Soweit die Marken gleichartige Waren kennzeichnen, sind
daher Fehlzurechnungen des Publikums zu befürchten. Es bleibt allein zu
prüfen, ob die Gefahr der Fehlzurechnung durch die Adressaten deshalb
ausgeschlossen werden kann, weil die Zeichen für verschiedenartige Waren
beansprucht werden. Dabei ist davon auszugehen, dass die Marke des Klägers
nicht über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügt. Die Vorinstanz stellt zwar
nicht ausdrücklich fest, dass die Marke des Klägers nicht bekannt sei,
sondern sie hält fest, diese sei keine Mode- oder Prestigemarke bzw. sie
sei als Design-Marke nicht gerichtsnotorisch bzw. der Kläger verfüge nicht
über eine Modelinie. Diese Aussagen werden in der Berufung beanstandet.
Aber auch der Kläger behauptet nicht, dass seine Marke ORFINA bekannt
oder gar berühmt sei (vgl. dazu BGE 124 III 277 E. 1a). Sie kann deshalb
keinen erweiterten Schutzumfang im Sinne von Art. 15 MSchG beanspruchen,
sondern verleiht dem Kläger ein ausschliessliches Recht bloss für
die Waren, für die sie beansprucht wird (Art. 13 MSchG), das heisst
für Waren der internationalen Klasse 14 (Uhren und Zeitmessgeräte).
Die internationale Wortmarke ORFINA der Beklagten ist weitergehend auch
für Waren der internationalen Klasse 9 (Brillen und Brillenetuis) und 18
(Lederwaren und Leder-Imitationen) eingetragen.

    c) Die Gleichartigkeit von Waren oder Dienstleistungen nach Art. 3
MSchG ist grundsätzlich im selben Sinne zu verstehen wie nach Art. 6
Abs. 3 des alten MSchG (123 III 189 E. 3b S. 191). Zur Gewährleistung der
Unterscheidungsfunktion der Marke ist nach den gesamten Umständen ein
genügender Gesamtabstand einzuhalten, wobei an die Unterschiedlichkeit
der Waren umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je ähnlicher sich
die Zeichen sind (BGE 84 II 314 E. 2b; 87 II 107 E. 2; vgl. auch MARBACH,
Gleichartigkeit - ein markenrechtlicher Schlüsselbegriff ohne Konturen?,
in: ZSR 120/2001 I S. 255 ff., S. 258 f.; DAVID, aaO, N. 35 zu Art. 3
MSchG). Insofern ist nach dem Teilabstand der Beklagten unbestritten,
dass Uhrenarmbänder - auch aus Leder - mit (Armband-) Uhren selbst derart
eng verbunden sind und vom Publikum als Ganzes wahrgenommen werden, dass
die Waren als ähnlich anzusehen sind. Während jedoch die Beklagte den
Standpunkt vertritt, dass andere Produkte aus Leder oder Lederimitation
ebenso wie Brillen, Etuis etc. nach dem massgebenden Gesamteindruck
der Käuferschaft nicht als gleichartig gelten, vertritt der Kläger die
Ansicht, diese Waren gehörten wie die von ihm vertriebenen Uhren zum
Bereich der Mode-Accessoires und würden aus diesem Grund vom Publikum
als gleichartig angesehen.

    d) Den Feststellungen im angefochtenen Urteil ist nichts darüber zu
entnehmen, wie und wo die mit der klägerischen Marke ORFINA versehenen
Uhren verkauft werden. Der Kläger bezieht sich denn auch nicht auf
konkrete Umstände, welche beim Publikum die Gefahr der Verwechslung von mit
seiner Marke gekennzeichneten Uhren und gewissen Produkten der Beklagten
hervorrufen könnten. Er hält vielmehr ganz allgemein dafür, dass die
Erweiterung des eigenen Angebots auf den ganzen Accessoires-Bereich heute
Gang und Gäbe sei. Soweit er damit vorbringt, es müsse ihm dieser Bereich
aufgrund seiner prioritären Marke vorbehalten bleiben, übergeht er, dass
seine Marke ausschliesslich für die internationale Klasse 14 eingetragen
ist und dass er deshalb Markenschutz mangels Berühmtheit des Zeichens
nur dafür beanspruchen kann. Soweit er als notorisch ansieht, dass das
Publikum den gesamten Bereich möglicher Mode-Accessoires als einheitliches
Warenangebot wahrnehme, ist ihm nicht zu folgen. Zu Modeartikeln können -
wie die Beklagte zutreffend erwähnt - nicht nur Lederwaren und Brillen
bzw. Brillen-Etuis werden, sondern zum Beispiel auch Kleidungsstücke,
Schreibwaren und Raucherutensilien. Alle diese Waren haben jedoch einen
je eigenen Verwendungs- und Nutzungszweck. Sie werden vom Publikum

nicht unter der Kategorie "Mode-Artikel" als zusammengehörig wahrgenommen,
wenn sie nicht konkret als solche vermarktet werden. Die Vorinstanz hat
somit die Warenähnlichkeit zutreffend verneint, soweit diese Frage nach
der Teilanerkennung durch die Beklagte noch streitig war.

    e) Ein rechtlich geschütztes Interesse an einer Unterlassungsklage
besteht nur, wenn eine Verletzung droht, das heisst wenn das Verhalten der
Beklagten die künftige Rechtsverletzung ernsthaft befürchten lässt (BGE 124
III 72 E. 2a S. 74 mit Verweisen). Indiz für einen bevorstehenden Eingriff
kann sein, dass gleichartige Eingriffe in der Vergangenheit stattgefunden
haben und eine Wiederholung zu befürchten ist. Wiederholungsgefahr kann
regelmässig angenommen werden, wenn der Verletzer die Rechtswidrigkeit
seines Verhaltens bestreitet (BGE 102 II 122 E. 1 S. 124 f.). Das
trifft etwa zu, falls der Verletzer zwar im Hinblick auf den Prozess das
beanstandete Verhalten eingestellt hat, in den Rechtsvorträgen aber nach
wie vor sein Verhalten als rechtmässig verteidigt (DAVID, Der Rechtsschutz
im Immaterialgüterrecht, SIWR, Bd. I/2, 2. Aufl., Basel 1998, S. 78). Die
Beklagte hat im vorliegenden Fall zwar die verwechselbare Marke eintragen
lassen; sie hat aber zu Beginn des Verfahrens die Klage teilweise anerkannt
und nach den Feststellungen der Vorinstanz ihr Zeichen in der Schweiz
bisher nicht gebraucht, insbesondere nicht für Waren der internationalen
Klasse 14. Die Vorinstanz hat daher zutreffend in Frage gestellt, ob der
Kläger ein Interesse am beantragten Verbot hätte, wenn sich die Beklagte
widersetzen würde. Sie hat Bundesrecht entgegen der Ansicht des Klägers
nicht verletzt, indem sie auf die Strafdrohung verzichtete.