Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 447



128 III 447

80. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Paris Première SA
gegen Hachette Filipacchi Presse SA (Berufung)

    4C.157/2002 vom 29. August 2002

Regeste

    Markenrecht; Zeichen des Gemeingutes (Art. 2 lit. a MSchG).

    Beschreibender Charakter der für eine Kino-Zeitschrift bestimmten Marke
"PREMIERE" (E. 1).

    Verwechslungsgefahr und Verkehrsdurchsetzung einer Marke (E.  2).

Sachverhalt

    A.- Die Hachette Filipacchi Presse SA (Klägerin) gibt seit 1976 die
Kino-Zeitschrift mit dem Titel "PREMIERE" heraus, die auch in der Schweiz
vertrieben wird. Die Klägerin ist Inhaberin der IR-Marke Nr. 650'865
"PREMIERE", die in Frankreich am 29. Juni 1995 hinterlegt wurde. In
der Schweiz wurde der Marke der Schutz am 27. März 1997 provisorisch
verweigert, dann aber mit Entscheid des Eidgenössischen Instituts
für geistiges Eigentum (IGE) vom 8. Dezember 1999 für die Waren und
Dienstleistungen der Klassen 9, 14, 18, 25, 28, 35, 38, 39, 41 und 42
definitiv gewährt.

    Die Paris Première SA (Beklagte) betreibt seit 1986 einen französischen
Fernsehsender. Die Beklagte ist Inhaberin der IR-Marke Nr. 690'780 PARIS
(darunter) PREMIERE (Schriftzüge in rotem bzw. schwarzem Balken), die in
Frankreich am 2. Dezember 1997 hinterlegt wurde. In der Schweiz wurde der
Marke der Schutz am 4. Mai 1999 provisorisch verweigert, dann aber vom
IGE mit Entscheid vom 27. Juli 2000 für die Waren und Dienstleistungen
der Klassen 38, 41 und 42 definitiv gewährt.

    B.- Mit Klage vom 24. Januar 2001 beantragte die Klägerin dem
Handelsgericht des Kantons Bern, der schweizerische Anteil der IR-Marke
Nr. 690'780 sei nichtig zu erklären und das Nichtigkeitsurteil sei dem
Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum gestützt auf Art. 54
des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken
und Herkunftsangaben (MSchG; SR 232.11) von Amtes wegen mitzuteilen.
Mit Urteil vom 19. März 2002 hat das Handelsgericht des Kantons Bern die
Klage gutgeheissen.

    C.- Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das
Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das
Bundesgericht hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Die Vorinstanz hat zunächst den Nichtigkeitseinwand der
Beklagten verworfen, wonach das klägerische Zeichen PREMIERE als Hinweis
auf die Qualität der in den Zeitschriften besprochenen Produkte und als
Hinweis auf Premièren zum Gemeingut gehöre. Die Vorinstanz führt aus,
der Bezeichnung Première könnten verschiedene Bedeutungen zukommen. Der
Ausdruck könne stehen für

    - etwas Erstmaliges oder Vorrangiges,

    - etwas Zuerstkommendes, wie z.B. das erste Fernsehprogramm,

    - Lehrmaterial, das für Erstklässler bestimmt sei.

    Der Zeitschriftentitel Première bedeute nicht, dass nur über
Erstaufführungen berichtet werde, was tatsächlich beschreibend wäre. Er
bedeute vielmehr, dass aus dem Gegenstand der Berichterstattung ein Teil
herausgegriffen werde, um damit schlagwortartig in einem übertragenen Sinne
über den breiteren Inhalt des Filmangebotes etwas auszusagen. Weil die
Bezeichnung Première verschiedene Assoziationen wecke, sei sie fantasiehaft
und nicht beschreibend. Sie könne auch nicht als geläufige Anpreisung
verstanden werden, die freihaltebedürftig wäre. In den relevanten
Klassen (38, 41 und 42) habe das IGE die klägerische Marke im Übrigen
als durchgesetzte Marke eingetragen, wobei auch Indizien dafür bestünden,
dass die Bezeichnung PREMIERE in der Schweiz seit 1984 als Titel für die
gleichnamige Zeitschrift gebraucht werde. Die Verkehrsdurchsetzung brauche
jedoch nicht geprüft zu werden, da PREMIERE nicht zum Gemeingut gehöre.

    1.2  Die Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe ihren
Nichtigkeitseinwand zu Unrecht verworfen. Am 27. März 1997 habe das IGE
der klägerischen Marke IR 650'865 den Schutz provisorisch verweigert,
weil PREMIERE zum Gemeingut gehöre. Die klägerische Marke sei sodann für
die auch die Beklagte betreffenden Klassen 38, 41 und 42 am 8. Dezember
1999 lediglich als durchgesetzte Marke unter Schutz gestellt worden, wobei
die Verkehrsdurchsetzung wegen unbestrittenem Nichtgebrauch der Marke
von der Klägerin nicht bewiesen werden könne. Zur Beurteilung der Frage,
ob PREMIERE zum Gemeingut gehöre, sei davon auszugehen, dass Französisch
in der Schweiz - anders als in Deutschland - eine Amtssprache sei und
dass PREMIERE im allgemeinen französischen Sprachgebrauch ein überaus
geläufiges und jedermann bekanntes Wort sei. Seine Bedeutung als Adjektiv
sei vergleichbar mit "prima, gut, fein, extra, super, unic" und weise
primär auf "Erstmaliges, Erstklassiges, Vorrangiges" hin. Als Substantiv
bedeute es Erstaufführung und sei ebenfalls verbreitet und beschreibend,
denn ein Begriff sei auch dann beschreibend, wenn er direkte Rückschlüsse
auf einzelne Waren oder Dienstleistungen zulasse welche unter einen
allgemeinen Begriff fallen, für den Schutz beansprucht wird.

    1.3  Die Klägerin macht geltend, der Begriff PREMIERE sei nicht direkt
beschreibend. Weil ihm verschiedene Bedeutungen zukämen, seien verschiedene
Assoziationen erforderlich, um aufgrund des Zeichens auf das Produkt
zu schliessen. Allgemeine oder abstrakte Begriffe, die - wie das Wort
Banquet oder Swissline - verschiedene Assoziationen zulassen und keinen
unmittelbaren Bezug zu konkreten Waren und Dienstleistungen aufweisen,
seien markenschutzfähig. Der Interpretationsspielraum des Begriffes
PREMIERE sei derart breit, dass das Zeichen ohne weiteres als schutzfähig
einzustufen sei. Der Markenschutz schliesse einen sachlichen Mitgebrauch
nicht aus. In einem Parallelprozess in Deutschland habe man wie in
der Schweiz davon ausgehen müssen, dass das Wort PREMIERE französischen
Ursprung habe. Weder im Ursprungsland Frankreich noch in Deutschland sei
wegen des französischen Sprachgebrauchs eine Markeneintragung verweigert
worden. Selbst wenn das Zeichen PREMIERE zum Gemeingut gehören würde,
spreche die auf seiner Verkehrsdurchsetzung beruhende Vermutung dafür,
dass die Klägerin ihre Marke gebraucht habe. Diese Vermutung sei nicht
widerlegt worden, weil die Beklagte den Nichtgebrauch der Marke nicht
glaubhaft gemacht habe, weshalb die Klägerin den Gebrauch der Marke nicht
habe unter Beweis stellen müssen.

    1.4  Die Einrede der Schutzunfähigkeit gemäss Art. 2 MSchG ist trotz
der Eintragung der Marke "PREMIERE" im Markenregister zulässig. Nach
ständiger Rechtsprechung kann die Schutzunfähigkeit einer registrierten
Marke im Zivilprozess widerklage- oder einredeweise geltend gemacht
werden (BGE 74 II 183 ff. insbes. S. 186 mit Hinweisen; 103 Ib 268 E. 3b
S. 275; 124 III 277 E. 3c S. 286; DAVID, Basler Kommentar, 2. Aufl., N.
1 zu Art. 2 MSchG; MARBACH, Schweizerisches Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. III, Kennzeichenrecht, S. 26 f.).

    1.5  Gemäss Art. 2 lit. a MSchG sind Zeichen, die Gemeingut sind,
vom Markenschutz ausgeschlossen, sofern sie sich nicht im Verkehr als
Marke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben. Als
Gemeingut gelten nach ständiger Praxis Hinweise auf Eigenschaften, die
Beschaffenheit, die Zusammensetzung, die Zweckbestimmung oder die Wirkung
der Ware oder Dienstleistung, welche die Marke kennzeichnet. Dass die
Marke Gedankenassoziationen weckt oder Anspielungen enthält, die nur
entfernt auf die Ware oder Dienstleistung hindeuten, reicht freilich
nicht aus, sie zur Beschaffenheitsangabe werden zu lassen. Der gedankliche
Zusammenhang mit der Ware oder Dienstleistung muss vielmehr derart sein,
dass der beschreibende Charakter der Marke ohne besonderen Aufwand an
Fantasie zu erkennen ist. Dabei genügt, dass das Zeichen in einem einzigen
Sprachgebiet der Schweiz als beschreibend verstanden wird (BGE 127 III
160 E. 2b/aa mit Hinweisen).

    1.6  Die Klägerin übersieht, dass ihre Marke für Waren und
Dienstleistungen in den Bereichen Film, Fernsehen und Radio eingetragen
ist und der Kennzeichnung einer diese Bereiche betreffenden Zeitschrift
dient, die sich an Abnehmer richtet, welche ein besonderes Interesse an
Filmen haben. Diesen Abnehmern ist die Bedeutung des Substantives Première
(Erstaufführung), das im Theater- und im Filmwesen häufig vorkommt,
ebenso vertraut, wie der Umstand, dass der Name der Zeitschrift auf
ihren Inhalt anspielt und somit das Produkt beschreibt. Selbst wenn sich
diese Zeitschrift nicht auf die Berichterstattung über Erstaufführungen
beschränkt, wird doch die Erwartung geweckt, dass Erstaufführungen - der
Aktualität halber - besonders einlässlich behandelt werden. Es bedarf
keiner besonderen Denkarbeit und keines grossen Fantasieaufwandes, um
die Bedeutung des Ausdruckes Première als Inhaltsangabe und damit als
beschreibend und anpreisend zu erkennen.

    Der Markenadressat, dem die Bedeutung eines als Substantiv verwendeten
Wortes im Verwendungszusammenhang ins Auge springt, wird sich kaum
dadurch beunruhigen lassen, dass dasselbe Wort, als Adjektiv verwendet,
eine andere Bedeutung haben kann. Diese andere Bedeutung lässt sich
solange nicht zuverlässig ermitteln, als das Adjektiv in Alleinstellung
verwendet wird, was hier nicht der Fall ist. Das weist wiederum darauf hin,
dass die - sofort erkennbare - Bedeutung des als Substantiv verwendeten
Wortes für den Adressaten die massgebende sein soll. Nicht jedes Wort,
das mit wechselnder Bedeutung sowohl als Substantiv wie auch als Adjektiv
verwendet werden kann, ist schutzfähig, weil es verschiedene Assoziationen
hervorruft und daher fantasiehaft ist, wie die Vorinstanz unter Hinweis auf
MARBACH (aaO, S. 44) dartut. Ergibt sich aus dem Verwendungszusammenhang
unschwer die Absicht, ein Wort als Substantiv mit nahe liegender Bedeutung
zu verwenden, kann unbeachtet bleiben, welche Assoziationen dieses
Wort bei seiner Verwendung als Adjektiv sonst noch hervorrufen könnte.
Jedenfalls dürfen Wörter, die mit wechselnder Bedeutung sowohl als
Substantiv wie auch als Adjektiv verwendet werden können, nicht ohne
Beachtung des Verwendungszusammenhanges dem Gemeingut entzogen werden.

    Ein Vergleich mit andern Zeichen, die in der bisherigen Praxis zum
Gemeingut gezählt worden sind, spricht ebenfalls gegen die Schutzfähigkeit
der Marke der Klägerin (vgl. die Kasuistik bei DAVID, aaO, N. 13, 19 und 21
zu Art. 2 MSchG sowie MARBACH, aaO, S. 39 ff.). So hat das Bundesgericht
erwogen, es sei kein Fantasieaufwand erforderlich, um die Bedeutung des
Zeichens "BIODERMA" zu erfassen, das gleichzeitig auf die Qualität ("BIO")
und auf den Anwendungsbereich ("DERMA") des Produktes anspielt, das es
beschreibt. Die Bedeutung des Wortes sei für die Konsumenten, für die das
damit bezeichnete Produkt bestimmt ist, offensichtlich (Urteil 4C.403/1999
vom 16. Februar 2000, publ. in: sic! 4/2000 S. 287, E. 3b). Ebenfalls
zum Gemeingut gezählt wurde "AVANTGARDE", da weite Kreise der Bevölkerung
sowohl in den deutschsprachigen als auch in den französischsprachigen
Landesteilen darin eine reklamehafte Anpreisung mit der augenfälligen
Werbebotschaft erblickten, das damit bezeichnete Erzeugnis sei der
Zeit voraus und schreite von seiner technischen Konzeption oder
modischen Formgebung her der Entwicklung voran. Dieser Aussagegehalt
sei insbesondere dann sofort und leicht erkennbar, wenn das Zeichen
"AVANTGARDE" im Zusammenhang mit Erzeugnissen verwendet werde, bei deren
Vermarktung technische Neuerungen und ein im modischen Trend liegendes
Erscheinungsbild - wie beim Automobil - wichtige Verkaufsargumente sind
(Urteil 4A.7/1997 vom 23. März 1998, publ. in: sic! 4/1998 S. 397 und
Pra 87/1998 Nr. 122 S. 683, E. 2). Schliesslich wurde auch die Marke
"Creaton" als schutzunfähig betrachtet. Nach diesem Entscheid aus dem
Jahre 2000 ist ausschlaggebend, dass neben dem auf "kreativ" anspielenden
Bestandteil auch das Element "ton" als beschreibend zu verstehen ist,
weil "Creaton" als Marke für Tonwaren eingetragen wurde und in diesem
Zusammenhang der Sinn des an sich mehrdeutigen Bestandteiles "ton"
festgelegt werde. Dass Baumaterial als solches nicht kreativ sein
könne, ändere am beschreibenden Charakter nichts. Denn angesichts der
Zweckbestimmung von Baumaterialien sei die Kreativität im Umgang damit oder
in der Gestaltung der Materialien derart nahe liegend, dass der Sinngehalt
der Wortverbindung ohne besonderen Fantasieaufwand erkennbar sei (Urteil
4C.42/2000 vom 18. Juli 2000, publ. in: sic! 7/2000 S. 590, E. 1b und
Pra 90/2001 Nr. 13 S. 70). Diese Beispiele machen deutlich, dass für den
Adressaten eines Zeichens der Aufwand an Fantasie zur Ermittlung seines
Sinngehaltes je nach Verwendungszusammenhang wesentlich reduziert wird,
so dass von einem besonderen Fantasieaufwand - wie im hier vorliegenden
Fall - gegebenenfalls keine Rede mehr sein kann.

    Weil das klägerische Zeichen zum Gemeingut gehört und insoweit vom
Markenschutz ausgeschlossen ist, hat das IGE der klägerischen Marke den
Schutz nur als im Verkehr durchgesetzte Marke im Sinne von Art. 2 lit. a
MSchG gewährt. Die Vorinstanz hat indessen ausdrücklich offen gelassen,
ob das IGE zu Recht eine Verkehrsdurchsetzung in der Schweiz angenommen
hat. Sie hat zwar Indizien angeführt, die für eine Verkehrsdurchsetzung
sprechen, die Frage aber letzten Endes nicht entschieden. Daran ändert
nichts, dass die Klägerin in der Berufungsanwort behauptet, es sei bereits
aus prozessualen Gründen von einer Verkehrsdurchsetzung auszugehen. So
oder anders kann das Bundesgericht die Frage der Verkehrsdurchsetzung
nicht selbst prüfen, weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und
die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen
werden muss.

Erwägung 2

    2.  Die Vorinstanz hat die Verwechslungsgefahr der
Streitzeichen bejaht, indem sie Markenähnlichkeit sowie Waren- und
Dienstleistungsgleichartigkeit angenommen hat. Für die Beurteilung der
Markenähnlichkeit ist sie davon ausgegangen, bei der klägerischen Marke
handle es sich um eine normale Marke, weder um ein besonders starkes noch
um ein besonders schwaches Zeichen. Die Kennzeichnungskraft der Marke sei
ein wenig geschwächt dadurch, dass PREMIERE nicht sehr fantasievoll sei
und bei der Verwendung für gewisse Waren und Dienstleistungen Rückschlüsse
zulassen könne. Zu beachten ist, dass Marken, die sich eng an Sachbegriffe
des allgemeinen Sprachgebrauchs anlehnen, als schwach gelten. Stark sind
demgegenüber Marken, die entweder aufgrund ihres fantasiehaften Gehalts
auffallen oder aber sich im Verkehr durchgesetzt haben (BGE 122 III
382 E. 2a S. 385; 127 III 160 E. 2b/cc S. 168). Über die Frage der
Verwechselbarkeit kann daher nur entschieden werden, wenn vorgängig
geprüft wird, ob sich das Zeichen der Klägerin im Verkehr durchgesetzt
hat, weshalb die Streitsache auch aus diesem Grunde an die Vorinstanz
zurückzuweisen ist.