Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 146



128 III 146

26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Volkswagen AG und
Audi AG gegen Garage X. AG (Berufung)

    4C.142/2001 vom 30. Januar 2002

Regeste

    Art. 3 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG, Art. 3 lit. d
UWG. Gebrauch einer fremden Marke durch einen "nicht autorisierten"
Händler bzw. Dienstleister in der Werbung für seine eigenen Angebote von
Original-Markenprodukten und von Dienstleistungen an solchen.

    Der Gebrauch einer Drittmarke in der Werbung, insbesondere in
einer Leuchtreklame eines Garagebetriebs, verletzt die Schutzrechte
des Markeninhabers nicht, solange er klar auf die eigenen Angebote
bzw. Leistungen des Werbenden bezogen bleibt. Die Befugnis zur Verwendung
der Drittmarke findet ihre Grenze dort, wo beim Publikum der falsche
(Gesamt)Eindruck einer besonderen Beziehung zwischen dem Werbenden und
dem Markeninhaber oder einer Berechtigung des Werbenden an der Marke als
solcher erweckt wird. Aus dem UWG und dem Firmenrecht ergeben sich keine
weitergehenden Schutzansprüche zugunsten des Markeninhabers (E. 2).

Sachverhalt

    Die Volkswagen AG (Klägerin 1) und die Audi AG (Klägerin 2) vertreiben
ihre Fahrzeuge in der Schweiz über die Generalimporteurin AMAG Automobil-
und Motoren AG, welche ihrerseits Händlern den Status einer offiziellen
AMAG-Vertretung verleiht. Einen entsprechenden Vertrag schloss die AMAG
mit der Garage X. AG (Beklagte) im Februar 1965. Diesen Vertrag kündigte
sie auf den 31. Dezember 1996. Die Beklagte betreibt ihren Garagenbetrieb
weiterhin für Fahrzeuge der Marken VW und Audi. Sie entfernte nach
Beendigung des Vertrages mit der AMAG vertragsgemäss die offizielle
Beschilderung, liess jedoch durch die Firma Y. AG eine neue Leuchtreklame
fertigen, die sie auf dem Dach ihres Garagebetriebes montieren liess.

    Die Klägerinnen stellten beim Handelsgericht des Kantons Zürich
folgende Rechtsbegehren:
      "1. Es sei der Beklagten zu verbieten, die Zeichen "VW" und "Audi" im

    Geschäftsverkehr, insbesondere zur Kennzeichnung ihres Geschäftslokals,

    als Bestandteil der Geschäftsbezeichnung, auf Firmenschilder,
Briefpapier,

    auf Service-Stempel, in der Werbung, in Nachschlagverzeichnissen,

    elektronischen Verzeichnissen oder sonstwie zu gebrauchen;
       2. Es sei die Beklagte zu verpflichten, sämtliche zur Kennzeichnung

    ihres Geschäftslokals dienenden Schilder () mit der Aufschrift
"VW"/"Audi"

    Spezialist bzw. "VW"/"Audi" gemäss den Abbildungen in Beilage 20 zu

    entfernen und sämtliche Drucksachen wie Broschüren, Briefschaften,

    Service-Stempel, Werbematerial usw., auf welchen die Zeichen "VW" und

    "AUDI" angebracht sind, zu vernichten;

       3. Es sei das Verbot und Gebot gemäss Ziffer 1 und Ziffer 2
       vorstehend

    mit der Androhung der Bestrafung der Organe der Beklagten mit Haft oder

    Busse wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art.

    292 StGB zu verbinden."

    Zur Begründung ihrer Begehren beriefen sich die Klägerinnen namentlich
auf ihre diversen, international hinterlegten Wort- und Wort-/Bildmarken
"VW" und "AUDI".

    Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. März 2001 ab.

    Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen erhobene
Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerinnen am 22. September 2001 ab, soweit
es darauf eintrat.

    Die Klägerinnen haben eidgenössische Berufung eingereicht mit den
Anträgen, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom
29. März 2001 aufzuheben und ihre Klage sei vollumfänglich gutzuheissen,
eventuell sei die Sache zur Durchführung des Beweisverfahrens und
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerinnen rügen, die Vorinstanz habe eine Verletzung ihrer
Markenrechte sowie ein unlauteres Verhalten der Beklagten zu Unrecht
verneint. Sie berufen sich auf Art. 3 des Bundesgesetzes vom 28. August
1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz,
MSchG; SR 232.11), auf Art. 3 lit. d des Bundesgesetzes vom 19. Dezember
1986 über den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) sowie insbesondere auf
Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG.

    a) Art. 3 Abs. 1 MSchG schliesst jüngere Zeichen vom Markenschutz
aus, wenn sie einer älteren Marke derart ähnlich sind, dass sich daraus
eine Verwechslungsgefahr ergibt. Die Gefahr der Verwechslung bedeutet,
dass ein Kennzeichen in seinem Schutzbereich durch gleiche oder ähnliche
Zeichen in seiner Funktion der Individualisierung bestimmter Personen
oder Gegenstände gefährdet wird. Dabei können schlechter berechtigte,
gleiche oder ähnliche Zeichen Fehlzurechnungen derart verursachen, dass die
Adressaten die gekennzeichneten Gegenstände (unmittelbar) für jene halten,
die mit den besser berechtigten Zeichen individualisiert werden. Ferner

können die schlechter berechtigten Zeichen eine mittelbare
Verwechslungsgefahr schaffen, indem die Adressaten die Zeichen zwar
auseinander zu halten vermögen, aber falsche Zusammenhänge vermuten (BGE
127 III 160 E. 2a S. 165 f.). Eine Verwechslungsgefahr und damit auch
eine Verletzung des Prioritätsrechts gemäss Art. 3 MSchG entfällt dagegen,
wenn Kennzeichen der Individualisierung von Waren oder Dienstleistungen
dienen, die vom Markenberechtigten oder mit seinem Einverständnis in
Verkehr gebracht worden sind. Soweit die Kennzeichen Originalprodukte
individualisieren, entfällt die Gefahr von Fehlzurechnungen von
vornherein. Da die Beklagte im vorliegenden Fall unbestritten Waren
zum Verkauf anbietet und für Reparaturen an Fahrzeugen wirbt, die mit
dem Einverständnis der Klägerinnen als Originalmarkenprodukte in Verkehr
gesetzt worden sind, besteht insofern keine Gefahr von Verwechslungen. Der
Streit der Parteien dreht sich vielmehr um den Gebrauch der klägerischen
Marken im Zusammenhang mit der Werbung für die eigene Geschäftstätigkeit
der Beklagten, namentlich um die Leuchtreklame und die Anpreisung der
Beklagten als "Spezialist".

    b) Nach Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG kann der Markeninhaber anderen
verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das nach Artikel 3 Abs. 1
vom Markenschutz ausgeschlossen ist, so insbesondere das Zeichen auf
Geschäftspapieren, in der Werbung oder sonstwie im geschäftlichen Verkehr
zu gebrauchen.

    aa) Verwendet ein Geschäftsinhaber die fremde Marke für sein
Angebot an Original-Markenartikeln oder zur Werbung für Reparatur-
und Servicearbeiten, die Originalmarkenartikel zum Gegenstand haben,
so verletzt er das Markenrecht nicht, wenn seine Werbung sich deutlich
auf seine eigenen Angebote bezieht. Angaben zur Beschreibung eigener
Warenangebote oder Dienstleistungen darf vielmehr jedermann verwenden, auch
wenn davon Marken Dritter berührt werden (BGE 126 III 322 E. 3b S. 325 mit
Hinweis; vgl. auch Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000, publ. in:
sic! 4/2000 S. 310 ff. als "Chanel IV", E. 2a und b). Diesen Grundsatz
stellen die Klägerinnen zwar nicht ausdrücklich in Frage. Sie machen
auch zu Recht nicht geltend, der Beklagten könne verwehrt werden, ihre
Reparatur- und Serviceleistungen speziell für Fahrzeuge der klägerischen
Marken zu erbringen und auch ihre Wiederverkaufstätigkeit besonders auf
Gebrauchtwagen der klägerischen Marken auszurichten. Sie sehen indessen
im Schutz des Werbeauftritts der Beklagten durch die Vorinstanz einen
Widerspruch zum klaren

Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG und vertreten die Ansicht,
es werde damit eine neue Schranke des Markenrechts und eine Art
unentgeltlicher Zwangslizenz eingeführt.

    bb) Die Marke dient der Individualisierung der Produkte eines
Unternehmens und deren Abgrenzung gegenüber Konkurrenzprodukten.
Allfällige weitere wirtschaftliche Funktionen wie Werbung, Profilierung
oder Kommunikation der Markeninhaber im Wettbewerb geniessen keinen
selbständigen Schutz (BGE 122 III 469 E. 5f S. 479; Botschaft des
Bundesrates vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz
von Marken und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 19; MARBACH, Schweizerisches
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III, Kennzeichenrecht,
S. 5 f.; vgl. auch DAVID, Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, Muster-
und Modellgesetz, 2. Aufl., N. 7 zu Art. 1 MSchG). Die Markeninhaber
können den Weiterverkäufern oder Dienstleistern ihrer Markenprodukte
daher weder vorschreiben, wie sie mit diesen umzugehen haben noch
welche Werbemassnahmen sie treffen dürfen (Urteil 4C.354/1999 vom
12. Januar 2000 ["Chanel IV"], aaO, E. 2b; MARBACH, aaO, S. 202; DAVID,
aaO, N. 16 zu Art. 13 MSchG). Allerdings bleibt den Markenberechtigten
die allgemeine Bewerbung der Marke, die ohne Bezug auf ein bestimmtes
Warensortiment oder konkrete Dienstleistungen dem Ansehen und dem Ruf
der Marke beim Publikum im Allgemeinen gilt, vorbehalten (BGE 126 III
322 E. 3a; Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000 ["Chanel IV"], aaO,
E. 2b; DAVID, aaO, N. 7 zu Art. 1, N. 23 zu Art. 13). Auch findet die
Werbung mit einer Drittmarke ihre Grenze dort, wo beim Publikum der
unzutreffende Eindruck einer besonderen Beziehung des mit der Marke
werbenden Anbieters zum Markeninhaber erweckt wird. Eine derartige
Täuschung der Adressaten ist unbesehen darum rechtswidrig, ob darin eine
Berühmung an (der Nutzungsberechtigung) der Marke und damit ein Verstoss
gegen den Markenschutz zu sehen wäre oder auch unter dem geltenden MSchG
ein unlauteres Verhalten und damit ein Verstoss gegen das UWG vorliegt
(vgl. BGE 104 II 58 E. 4 S. 60 f.; Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000
["Chanel IV"], aaO, E. 2c; DAVID, aaO, Vorbem. zum 1. Titel N. 3).

    cc) Die Vorinstanz hat diese Grundsätze bundesrechtskonform angewendet,
indem sie davon ausging, dass der Gebrauch einer Drittmarke in der Werbung
jedenfalls rechtmässig ist, solange er klar auf die eigenen Leistungen
bezogen bleibt und das Publikum nicht über die Verhältnisse des Werbenden
zum Markeninhaber getäuscht

wird. Diese Abwägung der Interessen der Markenrechtsinhaber einerseits und
nicht am Kennzeichen berechtigter Wettbewerber mit Originalmarkenprodukten
anderseits entspricht im Ergebnis derjenigen des Europäischen Gerichtshofs
in Auslegung des einschlägigen Rechts der EU (vgl. dessen Urteil vom 23.
Februar 1999 i.S. BMW c. Deenik, Rs. C-63/97, auszugsweise publ. in:
sic! 2/1999 S. 183).

    c) Ob die Adressaten bestimmte Anpreisungen auf die konkrete
Geschäftstätigkeit für mit Drittmarken gekennzeichnete Originalprodukte
beziehen oder ob sie diese der Marke als solcher bzw. dem Markeninhaber
zurechnen, beurteilt sich nach dem Gesamteindruck, den sie beim Publikum
erwecken (Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000 ["Chanel IV"], aaO,
E. 2d). Die Vorinstanz hat in dieser Hinsicht zutreffend geprüft, wie
das Publikum die Werbung der Beklagten versteht.

    aa) Die umstrittene Leuchtreklame ist nach den Feststellungen der
Vorinstanz augenfällig auf dem Dach des Garagenbetriebs der Beklagten
montiert und hat die Form eines hochgestellten Rechtecks. Auf dem
hellen Hintergrund der Reklamefläche sind drei gleich grosse, farbige,
abgerundete Rechtecke parallel übereinander angeordnet. Das obere Rechteck
ist dunkelblau gehalten und trägt in gleicher Farbe weissumrandet das
Zeichen "VW", das mittlere Rechteck ist rot und enthält in gleichfarbiger,
weissumrandeter Schrift das Zeichen "Audi" und das untere Rechteck ist
hellblau und trägt den gelben Schriftzug "Spezialist". Die Klägerinnen
beanstanden insofern die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nicht.

    bb) Die Beklagte bietet ihre Dienste besonders für Fahrzeuge der
klägerischen Marken an, weshalb ihr erlaubt sein muss, zu diesem
Zweck die klägerischen Zeichen zu gebrauchen. Die Vorinstanz hat
festgestellt, dass das Anbringen einer Leuchtreklame auf dem Garagendach
dem branchenüblichen Werbeverhalten entspricht und von den Adressaten
als Hinweis auf den Garagenbetrieb und dessen Leistungen - nicht darüber
hinaus als Bewerbung der Marken - verstanden wird, zumal die Beklagte das
Logo der klägerischen Zeichen nicht gebraucht. Das verwendete Schriftbild
kann nach den Feststellungen der Vorinstanz als nüchtern bezeichnet werden
und grenzt sich sowohl von der prägnanten "Audi"-Schreibweise wie von den
übereinander stehenden Buchstaben "V" und "W" ab. Ob diese Abgrenzung
zur Klarstellung des Gegenstands der Werbung erforderlich ist oder der
Bezug ausschliesslich auf die Tätigkeit der Beklagten auch auf andere
Weise klar herausgehoben werden

könnte, sei dahingestellt. Die klägerischen Marken werden jedenfalls in
der Weise gebraucht, dass die Adressaten diese Werbung als Anpreisung des
eigenen Angebots der Beklagten verstehen. Der Eindruck einer nicht (mehr)
vorhandenen Vertragsbeziehung zwischen dieser und den Markeninhaberinnen
wird nicht erweckt. Insbesondere weist der Ausdruck "Spezialist" nicht auf
eine besondere Vertragsbeziehung zu den Klägerinnen als Markenberechtigte
hin. Die Klägerinnen bringen denn auch für ein derartiges Verständnis
des Publikums nichts vor.

    cc) Aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz kann nicht angenommen
werden, die Beklagte habe den Eindruck erweckt, sie würde statt für
ihre eigene Geschäftstätigkeit für die Marken der Klägerinnen werben
oder täusche das Publikum über ein nicht vorhandenes Verhältnis zu den
Klägerinnen als Markeninhaberinnen. Die Vorinstanz hat eine Täuschung
der Adressaten über den Gegenstand der Werbung bundesrechtskonform
verneint. Inwiefern im Übrigen für die vorliegend umstrittenen Fragen das
Firmenrecht den Klägerinnen gegenüber der Beklagten mehr Rechte verschaffen
sollte als Markenrecht und UWG, ist nicht ersichtlich und lässt sich der
Berufung der Klägerinnen nicht entnehmen.