Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 I 73



127 I 73

9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
26. Februar 2001 i.S. J. X. gegen Staatsanwaltschaft, Geschworenengericht
und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK, Art. 29 Abs. 2 und
Art. 32 Abs. 2 BV, § 237 Satz 2 StPO/ZH; Konfrontation der amtlichen
Sachverständigen mit dem Privatgutachter an der Beweisverhandlung vor
dem Geschworenengericht.

    Es verstiess nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und der
Waffengleichheit, dass die amtlichen Sachverständigen zu den Vorbringen
des privaten Gutachters Stellung nehmen konnten, diesem aber kein Recht
auf eine "Replik" eingeräumt wurde. Es genügte, dass dem Angeklagten
bzw. seinem Verteidiger Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Ausführungen
der amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten zu äussern
(E. 3f/aa und bb).

    Durch den Ausschluss des Privatgutachters von einem "zweiten Vortrag"
wurden auch die Verteidigungsrechte des Angeklagten und dessen Anspruch
auf rechtliches Gehör nicht verletzt (E. 3f/cc).

Sachverhalt

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhob am 28. Juli 1997
Anklage gegen J.X. wegen Mordes und Mordversuchs, begangen an seiner
Ehefrau R.X. In der Anklageschrift wurde ihm vorgeworfen, er habe
seiner Ehefrau am Morgen des 24. August 1993 in der Wohnung eine von
ihm mit Arsen präparierte Flüssigkeit auf ihren Arbeitsweg mitgegeben.
Nachdem sich seine Ehefrau am Nachmittag schlecht gefühlt habe, mehrfach
habe erbrechen müssen und unter Durchfall gelitten habe, habe er ihr
im Laufe der Nacht Flüssigkeit verabreicht, welcher er wiederum Arsen
beigemischt habe. Am Morgen des 25. August 1993 sei sie aufgrund einer
Arsenvergiftung an einem Herz-Kreislaufversagen gestorben. Im Weiteren
legte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, er habe bereits
am 2. August 1993 den Versuch unternommen, seine Ehefrau mit Arsen zu
vergiften, doch sei dieser Versuch - wegen ungenügender Dosierung des
Gifts - gescheitert. Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach den
Angeklagten am 6. März 1998 des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB schuldig;
vom Vorwurf des versuchten Mordes sprach es ihn frei. Am 8. September
1998 bestrafte es ihn mit 20 Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung von 1382
Tagen erstandener Untersuchungs- und Sicherheitshaft. J.X. reichte gegen
das Urteil des Geschworenengerichts eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde
ein. Mit Beschluss vom 7. Februar 2000 wies das Kassationsgericht des
Kantons Zürich die Beschwerde ab.

    Das Bundesgericht weist die von J.X. gegen diesen Entscheid erhobene
staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintreten kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Im Verfahren vor dem Geschworenengericht waren sich die amtlichen
Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. sowie der vom Beschwerdeführer
beigezogene Gutachter Prof. K. einig darüber, dass R.X. am 25. August 1993
ca. zwischen 6.00 und 7.30 Uhr an einem durch eine akute Arsenvergiftung
ausgelösten Herz-Kreislaufversagen gestorben war. Ebenfalls Übereinstimmung
bestand darin, dass R.X. die für ihren Tod kausale Arsendosis eingenommen
hatte, bevor bei ihr am 24. August 1993 zwischen 14.00 und 16.00 Uhr
die ersten Symptome einer Arsenvergiftung aufgetreten waren. Umstritten
war hingegen, ob ihr im Laufe des Abends vom 24. August 1993 bzw. in der
Nacht vom 24. auf den 25. August 1993 ein weiteres Mal Arsen zugeführt
worden war. Dieser Frage kam deshalb entscheidende Bedeutung zu,
weil in der Nacht vom 24./25. August 1993 einzig der Beschwerdeführer
seiner Ehefrau Flüssigkeiten bereitgestellt hatte. War R.X. in dieser
Zeitspanne eine weitere Dosis Arsen verabreicht worden, so kam hiefür nur
der Beschwerdeführer als Täter in Frage, und dieser Umstand bildete ein
gewichtiges Indiz dafür, dass er auch für jene Arsenzufuhr verantwortlich
war, die letztlich den Tod seiner Frau verursacht hatte. Die amtlichen
Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. bejahten die umstrittene Frage,
der Privatgutachter Prof. K. verneinte sie. Er vertrat im Wesentlichen
die Auffassung, es sei nur zu einer einzigen Arsenverabreichung gekommen
und diese habe frühestens am frühen Nachmittag des 23. August 1993
stattgefunden; die hohe Arsenmenge, die im Mageninhalt von R.X. gefunden
wurde, sei auf Reflux (Rückfluss) von Dünndarminhalt in den Magen
zurückzuführen. Das Geschworenengericht erachtete diese Beurteilung des
Sachverhaltes durch den Privatgutachter als nicht schlüssig. Es hielt es
gestützt auf die Ausführungen der amtlichen Sachverständigen für erwiesen,
dass R.X. in den letzten Stunden vor ihrem Tod ein weiteres Mal Arsen
verabreicht worden war, wobei insoweit als Täter nur der Beschwerdeführer
in Frage komme. Das Geschworenengericht gelangte in Würdigung aller Beweise
zum Schluss, es könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der
in der Anklageschrift zum Vorwurf des Mordes umschriebene Sachverhalt
nachgewiesen sei.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer beklagt sich - wie in der kantonalen
Nichtigkeitsbeschwerde - in erster Linie darüber, dass im Beweisverfahren
vor dem Geschworenengericht die amtlichen Sachverständigen zu den
Vorbringen des von ihm beigezogenen Gutachters Stellung nehmen konnten,
diesem aber keine Gelegenheit gegeben wurde, sich zu deren Stellungnahme
zu äussern. Er macht geltend, durch den Ausschluss des Privatgutachters
von einem "zweiten Vortrag" seien das Recht auf ein faires Verfahren
(Art. 6 Ziff. 1 EMRK [SR 0.101]), der Grundsatz der Waffengleichheit
(Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK), der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV) und die Verteidigungsrechte (Art. 32 Abs. 2 BV) verletzt worden.

    a) Der Anhörung der Experten an der Hauptverhandlung vor dem
Geschworenengericht lag ein vom Institut für Rechtsmedizin (IRM)
erstellter sog. Phasenplan zugrunde, der 10 Phasen umfasste. Nach
diesem Plan ging es in der Phase 9 um die "IRM-Antworten zum Gutachten
Prof. K. (Reflux, Zeit, Arsenmetaboliten etc.)", wobei als Referenten
Dr. I., Prof. B. und Prof. K. angeführt wurden; die Phase 10 betraf
die "Zusammenfassung/Übersicht aller Ergebnisse", und als Referent
war Dr. I. vorgesehen. Dem Protokoll über das Beweisverfahren ist zu
entnehmen, dass am Samstag, 28. Februar 1998, in der Phase 9 die amtlichen
Sachverständigen Dr. I. und Prof. B. u.a. ihre Ansicht darlegten, wonach
R.X. in der Nacht vom 24./25. August 1993 ein zweites Mal Arsen verabreicht
worden sei. Anschliessend trug der Privatgutachter Prof. K. seine
gegenteilige Auffassung vor. Nachdem er die an ihn gerichteten Fragen
beantwortet hatte, wurde er vom Gericht als sachverständiger Zeuge
entlassen, obgleich der Beschwerdeführer darum ersucht hatte, dass
Prof. K. bis zum Ende der Expertenrunde, d.h. bis zum Abschluss der Phase
10, anwesend sein könne. Am Montag, 2. März 1998, wurde das Beweisverfahren
fortgesetzt und dabei den amtlichen Sachverständigen Prof. B. und
Dr. I. Gelegenheit gegeben, zu den Ausführungen des Privatgutachters
Stellung zu nehmen. Nach Abschluss der Phase 9 wurde für die Phase 10
Dr. I. das Wort erteilt zur Zusammenfassung aller Ergebnisse.

    In der staatsrechtlichen Beschwerde wird behauptet, mit dem
Phasenplan sei dem Beschwerdeführer zugesichert worden, dass der von
ihm beigezogene Gutachter auch an der Phase 10, der gegenseitigen
Diskussion der Ergebnisse der Expertenhearings, teilnehmen und sich
äussern könne. Wie oben ausgeführt wurde, sah dieser Plan die Mitwirkung
von Prof. K. nur in der Phase 9 vor. Für die Phase 10, in welcher es um die
Zusammenfassung aller Ergebnisse ging, war nach dem bei den Akten liegenden
Plan einzig Dr. I. als Referent genannt. Es wird nicht dargetan, dass dem
Beschwerdeführer zugesichert worden wäre, der Privatgutachter könne bis zum
Abschluss der Phase 10 anwesend sein. Die Rüge des Beschwerdeführers, das
Geschworenengericht habe sich nicht an diese Zusicherung gehalten, dringt
somit nicht durch. Im Übrigen kann ein Gericht, wenn sachliche Gründe
bestehen, im Laufe des Verfahrens von einem Verhandlungsplan abweichen.

    b) Gemäss § 237 Satz 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich
(StPO/ZH) sollen Widersprüche zwischen Zeugen oder Sachverständigen
durch Gegenüberstellung möglichst behoben werden. "Steht amtlichen
Sachverständigen ein nicht amtlicher gegenüber, so soll ersteren
Gelegenheit geboten werden, sich über das Gutachten des letzteren
auszusprechen" (§ 237 Satz 2 StPO/ZH). Im vorliegenden Fall gab das
Geschworenengericht an der Hauptverhandlung in Anwendung dieser Vorschrift
den amtlichen Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. Gelegenheit, zu den
Vorbringen des Privatgutachters Prof. K. Stellung zu nehmen. Nach §
237 Satz 2 StPO/ZH hat der Privatgutachter keinen Anspruch darauf,
sich zur Stellungnahme der amtlichen Sachverständigen zu äussern. Das
Geschworenengericht war deshalb aufgrund des kantonalen Verfahrensrechts
nicht verpflichtet, Prof. K. zu gestatten, zu den Einwänden der amtlichen
Experten betreffend sein Gutachten Stellung zu nehmen.

    c) Es fragt sich, ob das Geschworenengericht mit dem Ausschluss
des Privatgutachters Prof. K. von einem "zweiten Vortrag" gegen die vom
Beschwerdeführer angerufenen Konventions- und Verfassungsvorschriften
verstiess. Das Kassationsgericht hat diese Frage im angefochtenen
Entscheid eingehend geprüft und ist zum Schluss gelangt, die Rüge
des Beschwerdeführers erweise sich "unter allen Gesichtspunkten" als
unbegründet. Aus seinen Erwägungen ergibt sich zumindest mittelbar, dass
es die Rüge nicht nur unter dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK, sondern auch
unter dem Aspekt des Anspruchs auf rechtliches Gehör geprüft hat. Der
Beschwerdeführer wirft daher dem Kassationsgericht zu Unrecht vor, es
habe die Rüge nur unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 EMRK, nicht aber
unter demjenigen von Art. 29 Abs. 2 BV geprüft, und damit seinerseits
eine Gehörsverweigerung begangen.

    d) Das Kassationsgericht begründete seine Auffassung, die
Verfahrensrügen des Beschwerdeführers seien unzutreffend, im Wesentlichen
mit folgenden Überlegungen:

    Das Verfahren zur Ausräumung von Widersprüchen zwischen verschiedenen
(insbesondere amtlichen und privaten) Sachverständigengutachten sei im
Lichte des vom Beschwerdeführer angerufenen Konventionsrechts bzw. der
Rechtsprechung der Strassburger Organe nicht derart formalisiert,
dass notwendigerweise jedem Gutachter bzw. jeder Gutachtergruppe zwei
"Vorträge" gewährt werden müssten. Es handle sich hier um einen Teil
des Beweisverfahrens, womit der Rückgriff auf den dem Hauptverfahren
zuzuordnenden Begriff "Vortrag" rein terminologisch, aber auch inhaltlich
an der Sache vorbeigehe. Massgeblich sei in erster Linie, ob sich
das Gericht gestützt auf die "gutachterlichen Äusserungen insgesamt"
eine sachlich fundierte Meinung habe bilden können und ob diese in den
Erwägungen zu begründende Auffassung nachvollziehbar sei.

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) könne der Grundsatz der Waffengleichheit, der
zum Begriff eines fairen Verfahrens gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK gehöre,
verletzt sein, wenn ein von der Verteidigung benannter Sachverständiger
im Verhältnis zum amtlichen Sachverständigen ungleich behandelt werde
(Urteile Bönisch gegen Österreich und Brandstetter gegen Österreich).
In diesen Urteilen gehe es jedoch - in den hier interessierenden
Teilen - vor allem um die Thematik der Ablehnung eines (gerichtlichen)
Sachverständigen wegen mangelnder Neutralität bzw. Anscheins der
Befangenheit, nicht aber um die im hier zu beurteilenden Fall allein
zur Diskussion stehende Frage, ob hinsichtlich der Aussagen eines
amtlichen Sachverständigen, dessen Unparteilichkeit als solche nicht
in Frage gestellt worden sei, ein Anspruch auf ein kontradiktorisches
Verfahren mit einem Privatgutachter bestehe oder nicht. In diesem
Zusammenhang sei zu betonen, dass der amtliche Sachverständige nicht
Gutachter der Anklage sei, sondern als unabhängiger Gehilfe des Richters
zur Unparteilichkeit verpflichtet sei, d.h. das Gutachten nach bestem
Wissen und Gewissen abzugeben habe. Insofern könne der amtliche Gutachter
nicht einem Belastungszeugen gleichgestellt werden. Wenn der Angeklagte
der Auffassung sei, der amtliche Sachverständige habe den Anschein der
Befangenheit erweckt, könne er ihn aus diesem Grund gestützt auf § 111
StPO/ZH ablehnen. Mit dieser gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der
Ablehnung des amtlich bestellten Gutachters werde dem Erfordernis eines
fairen Verfahrens unter dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK innerstaatlich
hinreichend Rechnung getragen. Umgekehrt könne der Privatgutachter von der
Anklage nicht abgelehnt werden, weil er eben nicht unabhängiger Gutachter,
sondern sachverständiger Beauftragter einer Partei sei. Aus dieser
unterschiedlichen Rollenverteilung zwischen amtlichem Sachverständigen
und Privatgutachter folge, dass es keinen Verstoss gegen den Grundsatz
des fairen Verfahrens darstelle, wenn der amtliche Sachverständige
zwar zu den Vorbringen des privaten Gutachters Stellung nehmen könne,
umgekehrt diesem aber kein Recht auf "Duplik" eingeräumt werde. Es
genüge insofern auch unter den von den Strassburger Organen zu Art. 6
EMRK entwickelten Grundsätzen, dass dem Angeklagten (bzw. Verteidiger),
welcher einen Privatgutachter beigezogen habe, Gelegenheit gegeben werde,
nach Rücksprache mit seinem Gutachter seinerseits nicht nur zum amtlichen
Gutachten, sondern auch zu den Äusserungen des amtlichen Sachverständigen
betreffend das Privatgutachten Stellung zu nehmen. Das sei hier geschehen.

    Im Weiteren hielt das Kassationsgericht fest, wesentlich sei unter
dem Gesichtspunkt der Verteidigungsrechte bzw. des Rechts auf ein faires
Verfahren schliesslich, dass die Verteidigung die uneingeschränkte
Möglichkeit gehabt und auch benutzt habe, um den amtlichen Gutachtern
Ergänzungsfragen zu stellen. Es kann davon ausgegangen werden, dass
das Kassationsgericht - auch wenn dies im angefochtenen Entscheid nicht
ausdrücklich gesagt wird - den erwähnten Umständen auch unter dem Aspekt
des Anspruchs auf rechtliches Gehör entscheidendes Gewicht beimass.

    e) Der Beschwerdeführer beruft sich zur Begründung seiner Auffassung,
durch den Ausschluss des Privatgutachters von einem "zweiten Vortrag"
seien die Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK sowie Art. 29 Abs. 2 und
Art. 32 Abs. 2 BV verletzt worden, vor allem auf die Ausführungen in dem
zu Protokoll gegebenen Minderheitsantrag der beiden Kassationsrichter,
welche die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkt gutheissen wollten.

    Die in der Minderheit gebliebenen Richter führten aus, in den
wesentlichen Punkten sei der vom Beschwerdeführer geltend gemachte
Sachverhalt vergleichbar mit dem Fall Bönisch. Die amtlichen
Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. hätten zwar - im Unterschied
zum Fall Bönisch, in welchem der vom Gericht ernannte Sachverständige
das Strafverfahren durch sein Anzeigegutachten ausgelöst hatte - das
Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht in Gang gesetzt; sie hätten
jedoch bereits in der Untersuchung im Auftrag der Bezirksanwaltschaft
ein Gutachten erstattet, welches hinsichtlich einer wesentlichen
Behauptung Grundlage der Anklage gebildet habe. Die beiden Experten
seien im Gegensatz zum Fall Bönisch nicht vom Gericht bestellt, sondern
"von der Anklage als Beweismittel angerufen" worden. Wenn sich der
Beschwerdeführer gegenüber den ihn belastenden Ausführungen der amtlichen
Sachverständigen nicht auf das laienhafte, kritische Vermögen seines
Verteidigers habe verlassen wollen, so habe er zu seiner Verteidigung
einen eigenen Experten beauftragen müssen. Dieses dem Beschwerdeführer
zustehende Verteidigungsmittel sei in seiner möglichen Wirkung
wesentlich eingeschränkt worden, wenn Prof. K. verwehrt worden sei,
zu der von den amtlichen Sachverständigen an seinem Gutachten geäusserten
grundsätzlichen Kritik Stellung zu nehmen. Die Möglichkeit des Verteidigers
des Beschwerdeführers, die kritischen Ausführungen der amtlichen Experten
durch Ergänzungsfragen in Frage zu stellen, sei dafür kein Ersatz. In
wirksamer Weise wäre der Verteidiger hierzu nur in der Lage gewesen,
wenn der vom Beschwerdeführer beauftragte Gutachter ihn dabei unterstützt
hätte, was dessen Anwesenheit bei den Ausführungen der amtlich bestellten
Sachverständigen bedingt hätte. Das Geschworenengericht habe dadurch,
dass es dem Privatgutachter nicht gestattet habe, sich zur Stellungnahme
der amtlichen Sachverständigen betreffend sein Gutachten zu äussern, den
Grundsatz des fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt.

    f) Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf ein faires
Verfahren. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK räumt dem Angeschuldigten das Recht
ein, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die
Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen
wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Diese Vorschrift bezieht sich
auf Zeugen und nicht auf Sachverständige. Der EGMR prüft deshalb Rügen,
die sich auf Sachverständigenbeweise beziehen, unter dem Gesichtspunkt
der allgemeinen Regelung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK; er berücksichtigt dabei
auch die Garantien von Art. 6 Ziff. 3 EMRK, welche besondere Aspekte des
Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK darstellen
(Urteile vom 28. August 1991 i.S. Brandstetter gegen Österreich, Serie A,
Nr. 211, Ziff. 42 = EuGRZ 1992 S. 191, und vom 6. Mai 1985 i.S. Bönisch
gegen Österreich, Serie A, Nr. 92, Ziff. 29 = EuGRZ 1986 S. 131).

    aa) Im Fall Bönisch hatte der vom Gericht ernannte Sachverständige
durch seine Anzeige das Strafverfahren in Gang gesetzt, weshalb seine
Neutralität und Unparteilichkeit bedenklich erschienen und er aufgrund des
äusseren Anscheins in die Nähe eines Belastungszeugen rückte. Hinzu kam,
dass er der ganzen Verhandlung beiwohnen und Fragen an den Angeklagten
und an Zeugen stellen konnte. Demgegenüber konnte der private Experte,
auf den sich der Angeklagte berufen hatte, erst zu seiner Vernehmung vor
Gericht erscheinen; er wurde bloss als Zeuge gehört und musste sich den
Fragen des gerichtlich bestellten Sachverständigen stellen. Unter diesen
Umständen hatte nach der Meinung des EGMR der gerichtliche Experte eine
derart dominierende Stellung, dass der Grundsatz der Waffengleichheit nicht
mehr gewahrt war und eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bejaht wurde
(Urteil Bönisch, aaO, Ziff. 31-35). Im Fall Brandstetter, in welchem
es ebenfalls um Fragen der Unabhängigkeit des Sachverständigen sowie
darum ging, ob dieser im konkreten Fall als Belastungszeuge betrachtet
werden könne, wurde Letzteres verneint und demzufolge in der Weigerung
des Gerichts, auf Antrag der Verteidigung einen anderen Sachverständigen
zu ernennen, kein Verstoss gegen den Grundsatz der Waffengleichheit und
des fairen Verfahrens erblickt (Urteil Brandstetter, aaO, Ziff. 43-47).

    bb) Der hier zu beurteilende Fall liegt nicht gleich wie die Fälle
Bönisch und Brandstetter, in welchen es vor allem um die Frage der
erforderlichen Neutralität bzw. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des
amtlichen Sachverständigen ging. Die Urteile Bönisch und Brandstetter
betreffen nicht die im vorliegenden Fall umstrittene Frage, ob es
mit Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK vereinbar war, dass an
der Beweisverhandlung vor einem Geschworenengericht die amtlichen
Sachverständigen, deren Neutralität und Unparteilichkeit nicht in
Abrede gestellt worden sind, zu den Vorbringen des Privatgutachters
Stellung nehmen konnten, diesem jedoch nicht gestattet wurde, sich zu den
Ausführungen der amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten
zu äussern.

    Wenn das Kassationsgericht diese Frage bejahte, so hat es entgegen
der Meinung des Beschwerdeführers die Konvention nicht verletzt. Es hat
mit Recht entscheidendes Gewicht auf die unterschiedliche Rollenverteilung
zwischen dem amtlichen Sachverständigen und dem Privatgutachter gelegt. Der
amtliche Sachverständige oder Experte ist, gleichgültig ob er von der
Untersuchungsbehörde oder vom Gericht ernannt wurde, nicht Gutachter einer
Partei, namentlich auch nicht des Untersuchungsrichters oder des Anklägers
(ANDREAS DONATSCH, Der amtliche Sachverständige und der Privatgutachter
im Zürcher Strafprozess, in: Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des
Kantons Zürich, Zürich 2000, S. 365). Er ist Entscheidungsgehilfe des
Richters, dessen Wissen und Erfahrungen er durch besondere Kenntnisse
auf seinem Sachgebiet ergänzt (BGE 118 Ia 144 E. 1c S. 145; ROBERT
HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Aufl. 1999,
§ 64 N. 3; DONATSCH, aaO, S. 364 f.). Der Angeschuldigte hat einen
verfassungs- und konventionsmässigen Anspruch auf einen unabhängigen und
unparteiischen Sachverständigen. Es darf niemand als Sachverständiger
beigezogen werden, der als Richter abgelehnt werden könnte (BGE 118
Ia 144 E. 1c S. 146; HAUSER/SCHWERI, aaO, § 64 N. 7a; DONATSCH, aaO,
S. 364). Demgegenüber kann beim Privatgutachter vom Anschein einer
Befangenheit ausgegangen werden, weil er vom Angeschuldigten nach
dessen Kriterien ausgewählt worden ist, zu diesem in einem Vertrags-
und Treueverhältnis steht und von ihm bezahlt wird (DONATSCH, aaO,
S. 369/370). Aus dieser unterschiedlichen Rollenverteilung zwischen
amtlichem Sachverständigen und Privatgutachter ergibt sich, dass es nicht
gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstösst, wenn der amtliche
Sachverständige zu den Vorbringen des privaten Gutachters Stellung nehmen
kann, diesem aber kein Recht auf eine "Replik" eingeräumt wird. Es genügt
unter dem Gesichtspunkt des Fairnessprinzips gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK,
wenn dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger Gelegenheit gegeben wird,
sich zu den Ausführungen des amtlichen Sachverständigen betreffend das
Privatgutachten zu äussern (in diesem Sinne DONATSCH, aaO, S. 371).

    Der Beschwerdeführer ist zu Unrecht der Ansicht, es gebe im Lichte von
Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK wie auch aufgrund des Willkürverbots
von Art. 9 BV keinen sachlichen Grund, die amtlichen Sachverständigen
anders zu behandeln als den Privatgutachter. Wie dargelegt, ist dieser
eben nicht ein unabhängiger und unparteiischer Experte wie der amtliche
Sachverständige, sondern er ist Gutachter des Angeschuldigten, mithin
einer Partei. Die Ergebnisse von Privatgutachten, welche im Auftrag des
Beschuldigten erstellt worden sind, gelten denn auch als Bestandteil der
Parteivorbringen (BGE 97 I 320 E. 3 S. 325). Auch von daher gesehen, ist
es unter dem Aspekt der vom Beschwerdeführer angerufenen Konventions- und
Verfassungsvorschriften nicht zu beanstanden, wenn das Geschworenengericht
nicht dem Privatgutachter, sondern nur dem Beschwerdeführer und seinem
Verteidiger das Recht einräumte, zur Stellungnahme der amtlichen
Sachverständigen betreffend das Privatgutachten zu "replizieren". In
der vom EGMR beurteilten Sache Bönisch war der Privatgutachter gegenüber
dem amtlichen Sachverständigen hintangesetzt, weil dieser Anzeiger war,
der ganzen Verhandlung beiwohnen sowie Fragen an den Angeklagten, an die
Zeugen und an den Privatgutachter stellen konnte. Im vorliegenden Fall
waren die amtlichen Sachverständigen weder Anzeiger noch standen ihnen
derartige Befugnisse zu. Sie wurden einzig insofern anders als der private
Experte behandelt, als sie ein zweites Mal zu Wort kamen. Dies verstiess
nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit,
weil - wie erwähnt - der amtliche Sachverständige Gehilfe des Gerichts
und nicht wie der Privatgutachter Beauftragter einer Partei ist.

    cc) Durch das beanstandete Vorgehen wurden auch die Verteidigungsrechte
des Beschwerdeführers und dessen Anspruch auf rechtliches Gehör
nicht verletzt. Wie dem Protokoll über die Beweisverhandlung vor dem
Geschworenengericht zu entnehmen ist, wurde der Privatgutachter, Prof. K.,
nicht bloss für seine "sachverständige Stellungnahme" vorgeladen; er
erschien - ebenso wie die amtlichen Sachverständigen - zu Beginn der
Expertenhearings, konnte in der Folge bis zu seiner im Laufe der Phase 9
erfolgten Entlassung den Befragungen der einvernommenen (sachverständigen)
Zeugen sowie den Ausführungen der amtlichen Sachverständigen beiwohnen und
- was wesentlich ist - den genannten Personen Fragen stellen. Sodann ist
darauf hinzuweisen, dass Prof. K. mit der Entlassung als sachverständiger
Zeuge nicht etwa weggewiesen oder mit einem Saalverbot belegt wurde. Es
war ihm nicht verwehrt, die Fortsetzung der geschworenengerichtlichen
Beweisverhandlung im Gerichtssaal zu verfolgen und der Verteidigung
Hinweise in Bezug auf sich allenfalls aufdrängende Ergänzungsfragen zu
geben. Der Beschwerdeführer konnte sich demnach in hinreichender Weise
verteidigen, auch wenn dem von ihm beigezogenen Experten kein "Replikrecht"
zu den in Anwendung von § 237 Satz 2 StPO/ZH erfolgten Stellungnahmen
der amtlichen Sachverständigen eingeräumt wurde.

    dd) Es kann nur dann angebracht sein, den Privatgutachter zu den
Ausführungen des amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten
"replizieren" zu lassen, wenn die Stellungnahme des amtlichen
Sachverständigen völlig neue Gesichtspunkte an den Tag fördert, die eine
nochmalige Stellungnahme des Privatgutachters als unumgänglich erscheinen
lassen (NIKLAUS SCHMID, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid, Kommentar
zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, 4. Lieferung, Juni 2000,
N. 5 zu § 237 StPO/ZH). In der staatsrechtlichen Beschwerde wird indes
nicht behauptet, Prof. B. und Dr. I. hätten in ihren Stellungnahmen zu den
Vorbringen von Prof. K. völlig neue Gesichtspunkte geltend gemacht. Dies
war auch nicht der Fall. Dem Protokoll über die Beweisverhandlung ist zu
entnehmen, dass sich die amtlichen Sachverständigen in ihren Stellungnahmen
darauf beschränkten, die These des Privatgutachters zu widerlegen.

    Nach dem Gesagten erweisen sich die Rügen des Beschwerdeführers
betreffend das Beweisverfahren vor dem Geschworenengericht als unbegründet.