Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 IV 178



127 IV 178

29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Juli
2001 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 19 Ziff. 1 BetmG, Anhänge a und d BetmV-BAG, Art. 3 und 47 LMG;
Handel mit halluzinogenen Pilzen.

    Der Handel mit psilocybinhaltigen Pilzen verstösst nicht gegen das
BetmG (E. 3a).

    Der Verkauf von gesundheitschädigenden Pilzen verstösst gegen das
Lebensmittelgesetz (E. 3b und c).

Sachverhalt

    Von Sommer 1998 bis März 1999 handelte A.  zusammen mit anderen
Beteiligten unter einer dafür gegründeten Firma mit Marihuana, Ecstasy,
psilocybin- und psilocinhaltigen Pilzen sowie anderen Betäubungsmitteln
und Substanzen. Insgesamt wurden 8'655g psilocybinhaltige Pilze aus dem
Ausland eingeführt und 3'794g verkauft.

    Das Obergericht des Kantons Aargau sprach A. am 14. Dezember 2000
unter anderem der qualifizierten Widerhandlung gegen das LMG schuldig
und verurteilte ihn zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus.

    A. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den
Schuldspruch wegen Widerhandlung gegen das LMG aufzuheben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung
wegen Widerhandlung gegen das Lebensmittelgesetz (Bundesgesetz
über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 9. Oktober 1992 [LMG;
SR 817.0]). Das Lebensmittelgesetz sei keine Auffangnorm für alles
Essbare, vielmehr würden Lebensmittel nach Art. 3 LMG abschliessend
definiert. Die vom Beschwerdeführer vertriebenen psilocybinhaltigen
Pilze seien keine Nahrungsmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 LMG, da
sie nicht dem Aufbau oder dem Unterhalt des Körpers dienten; sie hätten
aus diesem Grund auch nicht Eingang in die Positivliste der Verordnung
über Speisepilze vom 26. Juni 1995 gefunden (Pilzverordnung, VSp; SR
817.022.291). Ebensowenig fielen die psilocybinhaltigen Pilze unter die
abschliessende Liste der Genussmittel von Art. 3 Abs. 3 LMG. Die Pilze
würden vom Lebensmittelgesetz somit nicht erfasst.

    Der Beschwerdeführer habe die psilocybinhaltigen Pilze zudem nie als
Nahrungsmittel angeboten und verkauft; im Gegenteil habe er die Packungen
mit einer Warnung versehen, dass sie giftig und weder für Mensch noch
Tier einnehmbar seien. Damit habe er weder vorsätzlich noch fahrlässig
gegen das Lebensmittelgesetz verstossen können.

    b) Die Vorinstanz hält fest, dass zwar die Wirkstoffe Psilocin und
Psilocybin in der Verordnung des BAG vom 12. Dezember 1996 über die
Betäubungsmittel und psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelverordnung BAG,
BetmV-BAG, SR 812.121.2, Anhang a und d) aufgeführt sind, nicht aber die
wildwachsenden Pilze, welche diese Wirkstoffe enthalten. Bei den Pilzen
handle es sich auch nicht um ein "Präparat" im Sinne von Art. 1 Abs. 3
lit. e BetmG, da sie auch in getrockneter Form kein künstliches Produkt
darstellten. Trotz ihres Gehaltes an verbotenen Stoffen widerspräche es
dem Legalitätsprinzip von Art. 1 StGB, die Pilze selber als "Stoff" im
Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zu betrachten. Die Liste von Anhang
a der BetmV-BAG trage den Titel "Verzeichnis aller Betäubungsmittel"
und habe konstitutive Wirkung.

    Hingegen würden die psilocybinhaltigen Pilze gegessen, die Wirkstoffe
würden über Magen- und Verdauungstrakt aufgenommen. Damit handle es sich
um Nahrungsmittel. Nach Art. 47 Abs. 1 lit. a LMG mache sich strafbar,
wer vorsätzlich Nahrungsmittel so abgebe, dass sie bei ihrem üblichen
Gebrauch die Gesundheit gefährden. Der Tatbestand umfasse auch das
Abgeben von Nahrungsmitteln, die schon aufgrund ihrer Beschaffenheit
gesundheitsgefährdend seien. Die in den Pilzen enthaltenen Wirkstoffe
könnten unzweifelhaft die Gesundheit schädigen. Die körperlichen
Nebenwirkungen seien geringfügig, doch könnten sie zu psychotischen
Zuständen mit Verkennen der Wirklichkeit und Selbstgefährdung oder
Gefährdung Dritter führen; auch bleibende psychische Schädigungen seien
möglich. Die Wirkung sei etwa hundertmal schwächer als diejenige des
LSD, aber hundertmal stärker als diejenige von Meskalin. Damit habe der
Beschwerdeführer gewerbsmässig die Tatbestände von Art. 47 Abs. 1 lit. a
(Abgabe) und e (Einfuhr von gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln) erfüllt.

Erwägung 3

    3.- a/aa) Nach Art. 1 Abs. 3 lit. a BetmG werden Halluzinogene
wie Lysergid und Meskalin Betäubungsmitteln im Sinne des Gesetzes
gleichgestellt. Sie dürfen nicht angebaut, eingeführt, hergestellt oder in
Verkehr gebracht werden (Art. 8 Abs. 1 lit. c BetmG). Das Bundesamt für
Gesundheit hat im Rahmen seiner Zuständigkeit die nicht abschliessende
Aufzählung des Betäubungsmittelgesetzes vervollständigt (BGE 124 IV 286
E. 1f) und die Wirkstoffe Psilocin und Psilocybin sowohl in die Liste der
Betäubungsmittel wie in diejenige der verbotenen Stoffe aufgenommen, ohne
aber die Pilze selber zu erwähnen (Anhänge a und d BetmV-BAG, gemäss Liste
I / Art. 7 des Übereinkommens über psychotrope Stoffe vom 21. Februar
1971 [SR 0.812.121.02]). Dasselbe Vorgehen wurde z.B. beim Meskalin
gewählt (Wirkstoff in Anhang a und d BetmV-BAG aufgeführt, nicht aber die
meskalinhaltigen Kakteensorten), wogegen einige andere Halluzinogene weder
in ihrer Naturform noch als Wirkstoff erwähnt werden. Die verschiedenen
halluzinogenen Wirkstoffe werden somit einzeln beurteilt.

    Art. 5 Abs. 1 der Verordnung über die Betäubungsmittel und die
psychotropen Stoffe vom 29. Mai 1996 (Betäubungsmittelverordnung, BetmV;
SR 812.121.1) stellt alkaloidhaltige Pilze entsprechenden Pflanzen gleich,
soweit es um Bewilligungen für die rechtmässige Herstellung und den
Handel mit Betäubungsmitteln geht; doch bewirkt diese Sondervorschrift
zum Bewilligungsverfahren nicht, dass psilocybinhaltige Pilze generell
unter die Definitionen von Art. 1 Abs. 3 BetmG fallen. Nach dem Vorschlag
des Bundesrates sollen aufgrund des Entwurfs zur Änderung des BetmG
"Rohmaterialien wie Pflanzen, Pilze oder Teile davon" als "Stoffe" im Sinne
des Gesetzes gelten (Art. 2 Abs. 5 des Entwurfs zum BetmG). Massgebend
soll aber auch in Zukunft eine vom Eidgenössischen Departement des Innern
zu erstellende Liste sein (Art. 2 Abs. 7 des Entwurfs zum BetmG, Botschaft
über die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom 9. März 2001, BBl 2001
S. 3715, 3813, 3757).

    bb) Die Regelungstechnik in Bezug auf psilocybinhaltige Pilze
(Aufführen der Wirkstoffe, nicht aber der sie enthaltenden Pilze) weicht
ab von der in Bezug auf andere Betäubungsmittel gewählten Technik. Bei
den harten Drogen werden die Erscheinungsformen in Gesetz und Verordnung
möglichst umfassend aufgezählt. Beim Hanf bestimmt der Gesetzestext,
dass die gesamte Pflanze unter die vorgesehenen Verbote fällt, wenn sie
zur Gewinnung von Betäubungsmitteln dient (Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG,
"Cannabis zur Betäubungsmittelgewinnung" in BetmV-BAG Anhang a und d;
BGE 126 IV 60, 198).

    Keine dieser Regelungstechniken lässt sich ohne weiteres auf die
psilocybinhaltigen Pilze übertragen. Eine generelle Unterstellung
psilocybinhaltiger Pilze unter das Betäubungsmittelgesetz liefe
angesichts der zahlreichen, zum Teil schwer zu unterscheidenden
Pilzsorten mit unterschiedlichem Gehalt an Wirkstoffen Gefahr, über
das Ziel hinauszuschiessen (THOMAS GESCHWINDE, Rauschdrogen, 4. Aufl.,
Berlin 1998, N. 584 und 596 erwähnt über 80 einheimische Pilzsorten).
Eine qualifizierte Unterstellung nach dem Verwendungszweck könnte sich im
Fall der psilocybinhaltigen Pilze nicht auf Grenzwerte an psychoaktiven
Substanzen und einen Katalog zugelassener Sorten wie beim Hanf abstützen.

    Unter diesen Umständen stellt das Fehlen der wirkstoffhaltigen Pilze in
den Listen der BetmV-BAG keine einfache Unschärfe dar, welche der Richter
nach Art. 7 EMRK und Art. 1 StGB präzisieren kann (Europäischer Gerichtshof
für Menschenrechte, Cantoni c. France, Reports 1996-V § 29 ff.; MARK
E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2.
Aufl., Zürich 1999, N. 536). Da sie in der massgebenden Verordnung nicht
erwähnt werden, unterstehen die psilocybinhaltigen Pilze somit nicht dem
Betäubungsmittelgesetz, mit Ausnahme der Verarbeitung zu "Präparaten"
im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d BetmG.

    b) In Bezug auf Betäubungsmittel stellt das Betäubungsmittelgesetz eine
Spezialnorm dar, die den Vorschriften über Lebensmittel vorgeht. Dies
gilt jedoch nur für Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes. Die
psilocybinhaltigen Pilze werden in der massgeblichen BetmV-BAG nicht
erwähnt, weshalb ihre Unterstellung unter das Betäubungsmittelgesetz
eine angesichts der Strafnormen unzulässige, ausweitende Auslegung dieser
Vorschriften bedeuten würde. Es ergeben sich aber keine Hinweise darauf,
dass das Fehlen der Pilze eine ausdrückliche Freistellung von jeder
Kontrollnorm bedeuten soll. Wird ein Stoff nicht vom Betäubungsmittelgesetz
erfasst, muss dies nicht bedeuten, dass er nicht in den Anwendungsbereich
des Lebensmittelrechts fallen könnte.

    Dies ergibt sich auch aus Ziel und Zweck der Gesetze. Sowohl
das Betäubungsmittelgesetz wie das Lebensmittelgesetz haben
im weiteren Sinn den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum
Ziel. Schutzziel und Vorgehensweise sind aber nicht deckungsgleich. Das
Betäubungsmittelgesetz will die Gefährdung der Gesundheit durch Stoffe
verhindern, die Abhängigkeit erzeugen oder eine ähnliche Wirkung haben
(Art. 1 BetmG). Zu diesem Zweck unterstellt es den Verkehr mit diesen
Stoffen der Kontrolle. Gegebenenfalls verbietet es Verkehr, Anbau,
Herstellung oder auch den Eigenkonsum (Art. 2ff., Art. 19a BetmG). Das
Lebensmittelgesetz bezweckt, die Konsumenten vor Lebensmitteln zu schützen,
welche die Gesundheit gefährden, den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln
sicherzustellen und die Konsumenten im Zusammenhang mit Lebensmitteln
vor Täuschungen zu schützen. Hauptanliegen des Gesetzgebers ist die
Qualität der angebotenen Lebensmittel (Art. 1, 6ff., 13 Abs. 1 LMG;
Botschaft vom 30. Januar 1989, BBl 1989 I 893, 913, 917). Es ist somit
zu prüfen, ob das Inverkehrbringen psilocybinhaltiger Pilze gegen das
Lebensmittelrecht verstösst.

    c) Qualitätssicherung und Konsumentenschutz bedingen, dass der
Begriff der Lebensmittel weit gefasst wird. Durch jedes Produkt, das
wie ein Lebensmittel konsumiert wird, aber nicht den entsprechenden
Vorschriften untersteht, wird die angestrebte Sicherheit wieder
untergraben. Ausgeschlossen vom Geltungsbereich des Lebensmittelgesetzes
sind lediglich die Heilmittel sowie Lebensmittel, die für den Eigengebrauch
bestimmt sind (Art. 2 Abs. 4 lit. a und b LMG; zur Abgrenzung von Lebens-
und Heilmitteln vgl. BGE 127 II 91 E. 3a/bb). Für die eng definierten
Genussmittel gelten Sondervorschriften (im Wesentlichen alkoholische
Getränke sowie Tabak und Raucherwaren, Art. 3 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2
und 3 LMG). Art. 47 Abs. 1 LMG bedroht mit Gefängnis und Busse, wer
vorsätzlich Nahrungsmittel so herstellt, behandelt, lagert, transportiert
oder abgibt, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden
(lit. a), oder wer gesundheitsgefährdende Lebensmittel ein- oder ausführt
(lit. e). Der Strafdrohung unterliegt auch, wer gesundheitsgefährdende
Nahrungsmittel in Verkehr bringt (BGE 124 IV 297 E. 2).

    Der Beschwerdeführer hat Pilze in Verkehr gebracht, die ohne Zweifel
die Gesundheit gefährden (vor allem die psychische Gesundheit, GESCHWINDE,
aaO, N. 620f.). Die psilocybinhaltigen Pilze sind oral einzunehmen, das
heisst zu essen wie andere Pilze. Der Drogenpilz unterscheidet sich von
einem Speisepilz nur durch Geschmack und Wirkung, nicht durch die Art
des Konsums und auch nicht notwendigerweise durch das Aussehen. Damit
sind die psilocybinhaltigen Pilze als Lebensmittel zu behandeln und
müssen den Vorschriften über Nahrungsmittel entsprechen, wenn sie in
Verkehr gebracht werden. Die auf Speisepilze anwendbaren Vorschriften
finden sich in Art. 197ff. der Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995
(LMV; SR 817.02). Insbesondere dürfen nur jene Pilze in Verkehr gebracht
werden, die auf der Positivliste der Pilzverordnung aufgeführt sind;
wildgewachsene Pilze sind zu kontrollieren (Art. 201, 198 LMV).

    Die vom Beschwerdeführer eingeführten und in Verkehr gebrachten
Pilze entsprechen diesen Anforderungen in keiner Weise. Dass sie
weder dem Aufbau noch dem Unterhalt des menschlichen Körpers dienen,
entlässt sie nicht aus dem Geltungsbereich des Lebensmittelgesetzes,
wie der Beschwerdeführer meint, sondern spricht im Gegenteil für die
Anwendung von dessen Kontrollnormen. Dasselbe gilt für die Positivliste der
Pilzverordnung. Wenn ein Pilz, der nicht auf dieser Liste aufgeführt ist,
nicht mehr dem Lebensmittelgesetz unterstehen würde und frei handelbar
wäre, hätte die Liste ihren Sinn eingebüsst.

    Der Beschwerdeführer hat die Pilze vorsätzlich und im Wissen um ihre
Anwendungsweise und Wirkung in Verkehr gebracht. Er hat selber zweimal
psilocybinhaltige Pilze konsumiert und war sich bewusst, dass die Käufer
diese konsumieren würden. Die von ihm auf der Ware angebrachten Warnungen
vermögen unter diesen Umständen nichts daran zu ändern. Vorsätzliches
Handeln im Sinne von Art. 18 Abs. 2 StGB verlangt nicht, dass der Täter
im Einzelnen wusste, gegen welche Vorschriften er verstiess (BGE 112 IV
132 E. 4b; 99 IV 57 E. 1a). Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen
Widerhandlung gegen das Lebensmittelgesetz verletzt somit kein Bundesrecht.