Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 IV 154



127 IV 154

25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 15. Juni 2001
i.S. X. gegen Polizei- und Militärdirektion sowie Verwaltungsgericht des
Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 43 StGB; ärztliche Zwangsbehandlung; gesetzliche Grundlage,
Verhältnismässigkeit.

    Art. 43 StGB ist die gesetzliche Grundlage für die ärztliche Behandlung
und besondere Pflege. Dies muss auch für die ärztliche Zwangsbehandlung
gelten (E. 3d).

    Verhältnismässigkeit einer Zwangsmedikation (E. 4).

Sachverhalt

    A.- X. (geb. 1955) leidet seit bald 30 Jahren an einer chronischen
paranoiden Schizophrenie. Er wurde erstmals 1978 und bis ins Jahr
1991 weitere dreiundzwanzig Mal wegen akut psychotischer Zustände
hospitalisiert. Aus einem weiteren Klinikaufenthalt 1992 entwich er
mehrfach und wurde polizeilich zurückgeführt. In der Folge von Straftaten
hielt er sich 1993 erneut in einer Klinik auf. Nach einer Klinikeinweisung
1994 entwich er nach Hamburg. Nach Rückführung und Aufenthalten in
verschiedenen Institutionen wurde er in die Universitären Psychiatrischen
Dienste verbracht, wo er bis zum Übertritt in eine Aussenstation blieb.

    B.- Das Strafrichteramt IX von Bern erachtete am 19.  Juni 1995 die
Anschuldigungen gegen X. (Tätlichkeit, evtl. einfache Körperverletzung,
mehrfach begangen; Beschimpfung; Drohung, mehrfach begangen; Nötigung,
evtl. sexuelle Nötigung) als tatbestandsmässig; es sprach ihn aber wegen
Unzurechnungsfähigkeit (Art. 10 StGB) infolge eines Krankheitsschubs
paranoider Schizophrenie zur Tatzeit im Juni 1993 (weil er die nötigen
Medikamente nicht eingenommen hatte) frei und verwahrte ihn gemäss Art. 43
Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Es führte zur Gefährlichkeit aus, X. habe zwei
ihm unbekannte Personen verbal mit dem Tode bedroht, eine davon verletzt
und der andern ein aufgeklapptes Stellmesser an den Hals gehalten; dass
nichts Gravierenderes geschehen sei, sei wohl dem Zufall und dem beherzten
Eingreifen einer Drittperson zu verdanken.

    Das Obergericht des Kantons Bern stellte im Appellationsverfahren
am 2. April 1996 fest, die aus akuten Krankheitsschüben resultierende
Fremdgefährdung stehe im engen Zusammenhang mit einer Unterdosierung
bzw. einem Absetzen der neuroleptischen Medikation. Die gegenwärtige
Depot-Neuroleptika-Behandlung sei - allenfalls zwangsweise durchführbar -
geeignet, eine schwer wiegende Fremdgefährdung zu verhindern. Es ordnete
nach dem Subsidiaritätsprinzip eine weniger einschneidende stationäre
Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an. Bei Erfolglosigkeit wäre
eine Verwahrung erneut zu prüfen und dann wohl unumgänglich.

    In Vollziehung dieses Strafurteils wurde X. am 22. April 1996 in die
Psychiatrische Universitätsklinik Bern (heute: Universitäre Psychiatrische
Dienste, UPD) bzw. als Familienpflegepatient in eine Aussenstation auf
unbestimmte Zeit eingewiesen.

    Er stellte im März 1997 erstmals ein Gesuch um Entlassung aus dem
Massnahmenvollzug, das am 2. Mai 1997 abgewiesen wurde.

    C.- X. stellte am 16. Februar 1998 und durch seinen Rechtsanwalt
am 4. Mai 1998 ein Gesuch um Entlassung aus dem Massnahmenvollzug, das
die Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug am 5. Juni 1998 abwies. Die
gegen diesen Entscheid eingereichte Beschwerde wies die Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern (POM) am 23. Februar 1999 ab.

    Er erhob am 26. März 1999 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Im Instruktionsverfahren wurde ein
psychiatrisches Gutachten vom 27. August 1999 in Auftrag gegeben unter
Gewährung des rechtlichen Gehörs zur Auswahl des Gutachters und zur
Stellungnahme zu den vorgesehenen Gutachterfragen. Beweisanträgen von
X. entsprechend wurden ein Ergänzungsgutachten vom 10. Januar 2000 sowie
ein neurologisches Gutachten vom 22. Februar 2000 erstellt, wozu er sich
am 31. März 2000 äusserte. Die psychiatrische Begutachtung bestätigte
die chronische paranoide Schizophrenie. Im neurologischen Gutachten
wurden recht ausgeprägte Bewegungsstörungen infolge der jahrzehntelangen
Depot-Neuroleptika-Behandlung festgestellt (Spätdyskinesien); aus
neurologischer Sicht bestehe Handlungsbedarf. Das Verwaltungsgericht wies
am 8. September 2000 die Beschwerde ab.

    D.- X. erhebt eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
den Anträgen, (1) das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben,
(2) festzustellen, dass sein Anspruch auf raschestmögliche Prüfung
des Haftentlassungsgesuchs durch ein Gericht gemäss Art. 5 Ziff. 4
EMRK (SR 0.101) verletzt sei, und den Kanton Bern anzuweisen, das
Verfahren menschenrechtskonform auszugestalten, (3) ihn umgehend aus dem
Massnahmenvollzug zu entlassen, eventuell den Vollzug für die Dauer von
sieben Monaten ab Urteilsdatum zu bestätigen und die Ärzte anzuweisen, die
Depotmedikation bis spätestens fünf Monate nach Urteilsdatum schrittweise
nach ärztlichem Ermessen abzubauen, gleichzeitig die Aussenstation
anzuweisen, in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst der UPD und ihm
eine geeignete Wohnung zu suchen und die ambulante Weiterbetreuung
sicherzustellen, subeventuell nach dieser Anweisung den Entscheid
auszusetzen mit der Weisung, nach sieben Monaten über den Verlauf des
Absetzens der Depotmedikation Bericht zu erstatten.

    E.- Das Verwaltungsgericht erachtet in seiner Vernehmlassung die
Rüge, Art. 5 Ziff. 4 EMRK sei verletzt, für unbegründet. Es sei zwar zu
Gunsten des Beschwerdeführers von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK ausgegangen; es frage sich aber, ob Massstab für die
Verfahrensdauer nicht ohnehin eher Art. 6 Ziff. 1 EMRK bilde: Im Zentrum
des Streits stehe die medizinische Behandlung, nicht der Freiheitsentzug.

    Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement geht in seiner
Vernehmlassung von einer Verletzung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK und
einer ungenügenden gesetzlichen Grundlage in Art. 43 StGB für eine
Zwangsbehandlung aus.

    Das Bundesgericht bejaht eine Verletzung der Frist von Art. 5
Ziff. 4 EMRK. Es weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der
Erwägungen ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Ausgangspunkt jeder Beurteilung ärztlichen Handelns und
Unterlassens ist das verfassungs- und persönlichkeitsrechtlich abgesicherte
Selbstbestimmungsrecht des Patienten (insbesondere Art. 7 und 10 Abs. 2 BV;
BGE 127 I 6). Ärztliche Eingriffe sind tatbestandsmässig Körperverletzungen
und ohne Rechtfertigungsgrund rechtswidrig (BGE 124 IV 258 E. 2; 117 Ib
197 E. 2; 99 IV 208). Liegt keine rechtfertigende Einwilligung vor, muss
ein anderer Rechtfertigungsgrund gegeben sein wie Notstandshilfe oder eine
auf gesetzlicher Grundlage beruhende behördliche Anordnung (BGE 99 IV 208
E. 3; ARZT, Die Aufklärungspflicht des Arztes aus strafrechtlicher Sicht,
in: Wiegand [Hrsg.], Arzt und Recht, Bern 1985, S. 49).

    b) Die Vorinstanz prüft die Frage, ob die Massnahme und die mit ihr
verbundene zwangsweise Medikation weitergeführt werden kann, im Lichte des
Grundrechts der persönlichen Freiheit. Es handle sich um einen schweren
Eingriff. Der Beschwerdeführer sei hinsichtlich der Medikation nicht
voll urteilsfähig. Es sei äusserst zweifelhaft, ob er überhaupt in der
Lage sei, ihren Sinn und Zweck zu erkennen. Es sei davon auszugehen,
dass er sich der Medikation nicht freiwillig unterziehe, auch wenn
er sich das Medikament wegen des finanziellen Anreizes jeweils ohne
grösseren Widerstand injizieren lasse. Die gesetzliche Grundlage für eine
Zwangsmedikation im bundesrechtlichen Massnahmenvollzug enthalte nicht
das kantonale Recht, sondern Art. 43 StGB.

    c) Der Beschwerdeführer bezeichnet die vorinstanzlichen Erwägungen zur
Grundrechtsproblematik der Zwangsmedikation als zutreffend. Er bestreitet
jedoch eine genügende gesetzliche Grundlage in Art. 43 StGB für eine
mehrjährige Zwangsmedikation.

    d) Damit stellt sich die Frage, was unter ärztlicher Behandlung zu
verstehen ist und welchem Zweck Art. 43 StGB dient. Gemäss Art. 43 StGB
haben Strafgerichte eine "ärztliche Behandlung oder besondere Pflege"
anzuordnen, wenn dies erforderlich ist. Art. 43 StGB bildet folglich
dafür die gesetzliche Grundlage. In der Botschaft zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Allgemeine Bestimmungen usw., BBl 1999
S. 1979, S. 2077) wird zu Art. 59 des Entwurfs zum StGB ausgeführt, mit dem
Begriff der Behandlung solle zum Ausdruck kommen, dass die therapeutischen
Massnahmen in erster Linie eine therapeutische, dynamische Einflussnahme
und damit primär eine Verbesserung der Legalprognose zum Inhalt haben und
nicht bloss eine Pflege im Sinne einer statisch konservativen Zuwendung
(mit Verweisung auf die Ausführungen zum geltenden Recht bei TRECHSEL,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 43 N.
3). Die ärztliche Behandlung im Sinne von Art. 43 StGB ist weit zu fassen
(BGE 124 IV 246). Im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen sind auch
bessernde Einwirkungen zulässig (Botschaft, aaO, S. 2070; REHBERG, in:
Honsell [Hrsg.], Handbuch des Arztrechts, Zürich 1994, S. 305).

    Massnahmen gemäss Art. 43 StGB sind spezifische Formen
der strafrechtlichen Sanktion und bezwecken die Verhinderung von
Straftaten und die Wiedereingliederung der Täter. Das entscheidende
Abgrenzungskriterium gegenüber den Strafen und sonstigen Massnahmen
bildet der "Geisteszustand des Täters", also eine ärztlich-psychiatrische
Indikation. Das Gesetz verpflichtet den Richter, seinen Entscheid über
die Verwahrungs-, Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit auf Grund von
Gutachten über den körperlichen und geistigen Zustand des Täters zu treffen
(Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB). Damit verweist es für die psychischen
Störungen und deren Behandlung ausdrücklich auf die lex artis der
ärztlichen Wissenschaften. Die Strafgerichte haben die gutachterlichen
Feststellungen und konkreten Massnahmenempfehlungen im ordentlichen
Verfahren zu beurteilen, wobei Rechtsanwälte die diesbezüglichen
Rechte der Betroffenen ebenfalls wahrnehmen. Die Vollzugsbehörden
haben die gerichtlich angeordneten Massnahmen mit ihren Kontroll- und
Interventionsmöglichkeiten zu begleiten (BGE 124 IV 246 E. 3d; 102 IV 15
E. 4b). Es besteht überdies ein öffentlichrechtliches Fürsorgeverhältnis
(Art. 46 Abs. 2 StGB).

    Folglich kann in Art. 43 StGB nach Wortlaut, Sinn und Zweck eine
bundesstrafrechtliche Grundlage für die nach den Regeln der ärztlichen
Kunst und Ethik mit dem Heilungs- und Sicherungszweck im Einzelfall
begründeten Massnahmen gesehen werden. Wegen ihrer Ausrichtung auf
erheblich bis schwerst psychisch gestörte Straftäter (Art. 43 Ziff. 1
Abs. 1 StGB) sowie auf Straftäter, die wegen ihres Geisteszustands die
öffentliche Sicherheit in schwer wiegender Weise gefährden (Art. 43
Ziff. 1 Abs. 2 StGB), muss dies auch für ärztliche Massnahmen gegen
den Willen des Betroffenen (so genannte "ärztliche Zwangsmassnahmen")
und - nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft - für die Behandlung
mit Psychopharmaka gelten. De lege ferenda müssten aber die auftretenden
Fragen vielleicht doch in einen konkreteren gesetzlichen Rahmen gestellt
werden. Wie erwähnt bezweckt Art. 43 StGB indes nicht die Heilung als
solche, sondern die Verhinderung von Straftaten und die Wiedereingliederung
der Täter (BGE 124 IV 246 E. 3b). Ärztliche Zwangsmassnahmen dürfen
daher nicht über diesen Zweck hinausgehen oder mit ihm nicht vereinbare
Ziele verfolgen. Entscheidend für die Anordnung, die Durchführung und
die Aufhebung von Massnahmen bleibt das mit dem Geisteszustand des Täters
zusammenhängende Delinquenzrisiko, nämlich die Wahrscheinlichkeit weiterer
Straftaten. Diese Prognose erfordert eine Gesamtwürdigung der Person,
des Vorlebens und der begangenen Straftaten.

Erwägung 4

    4.- a) Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, einerseits
bestehe keinerlei gesicherte Prognose über eine erhebliche Gefährdung
Dritter bei Absetzen der Medikation, während anderseits eine Weiterführung
mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer Invalidisierung führe und
damit in den Kerngehalt der persönlichen Freiheit eingreife. Könne
dieser Argumentation nicht gefolgt werden, so erweise sich jedenfalls
die Weiterführung der Medikation wegen der Nebenwirkungen als
unverhältnismässig. Eine Gefährdung Dritter hänge wesentlich vom
Betreuungs-Setting ab. Erhalte er ausreichend finanzielle Mittel,
könne eine adäquate Betreuung ausserhalb der heutigen Institution
möglich sein. Eine weitere Rückbehaltung sei unter diesen Umständen
nicht verhältnismässig.

    b) Die Vorinstanz führt im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung aus,
dass die Massnahme durch ein öffentliches Interesse gedeckt sei, stelle
der Beschwerdeführer zu Recht nicht in Abrede. Die Gutachter hielten
übereinstimmend fest, dass er bei Entlassung bzw. bei Absetzen der
Medikation höchstwahrscheinlich in massiver Weise in die psychotische
Symptomatik zurückfallen würde und für diesen Fall mit ähnlichen
gewalttätigen Handlungen gerechnet werden müsste wie jenen, die zur
Anordnung der Massnahme geführt hätten. Die Akten enthielten neben der
Strafverfolgung wegen Raubes und einfacher Körperverletzung im Jahre
1984 und den Anlasstaten (oben Bst. B) Hinweise auf weitere Übergriffe
auf Personen, die zwar nicht zu Strafverfahren geführt hätten, indes
die in akuten Phasen psychotischer Realitätsverkennung regelmässig zu
konstatierende verbale und vorab brachiale Aggressivität, Unberechenbarkeit
und Distanzlosigkeit belegten. Bei Reduktion oder Absetzen der Medikation
käme es zu psychotischen Schüben mit erheblicher Rückfallgefahr. Zentral
für die Wirksamkeit der Massnahme seien das Vollzugsregime und die
regelmässige Medikation. Mildere Massnahmen seien nicht ersichtlich. Eine
Entlassung und das vollständige Absetzen der Medikation seien wegen der
Auswirkungen der unbehandelten Krankheit und der hohen Rückfallgefahr nicht
gangbar, zumal die drohende Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter,
wenn auch nicht als gravierend, so doch als beachtlich qualifiziert werden
müsse. Das Behandlungskonzept beruhe auf der fehlenden Kooperation des
Beschwerdeführers, erspare ihm aber auch einen täglichen demütigenden
Kampf (bei zwangsweiser oraler Medikation) und gewährleiste ihm ein
höchstmögliches Mass an Freiheit. Dem Gefahrenpotential werde durch die
Kombination von Depotmedikation und lockeren Vollzugsmodalitäten angemessen
Rechnung getragen. Der Eingriff sei somit auch zumutbar.

    Die Vorinstanz weist die Vollzugsbehörden und die UPD ausdrücklich auf
die diagnostizierten Nebenwirkungen und die Gefahr der fortschreitenden
Invalidisierung hin: "Sie werden aufgrund dieses Befunds die gebotenen
Anstrengungen zu unternehmen haben, um die nötigen Voraussetzungen für
ein nach Massgabe der Möglichkeiten des Beschwerdeführers schonenderes
Behandlungsregime zu schaffen." Im Vordergrund stehe der vom Neurologen
empfohlene Wechsel zu einem Alternativmedikament, "der innert nützlicher
Frist zumindest ernsthaft versucht werden sollte". "Mittelfristig liesse
sich weiter prüfen, ob nach Einschätzung der behandelnden Ärzte bei
entsprechender Vorbereitung und gebührendem Einbezug des Beschwerdeführers
im Rahmen des Massnahmenvollzugs ein Absetz-Versuch in kontrolliertem
Rahmen unter sorgfältiger Beobachtung im Sinne der Ausführungen des
psychiatrischen Gutachters lohnenswert sein könnte".

    c) Strafrechtliche Sanktionen sind als schwerer Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte mit der Verfassung nur vereinbar, wenn sie sich auf
eine gesetzliche Grundlage stützen, einem überwiegenden öffentlichen
Interesse entsprechen, verhältnismässig sind und den Kerngehalt
des Grundrechts wahren. Damit eine Massnahme verhältnismässig ist,
muss sie geeignet und notwendig sein, und es muss eine vernünftige
Zweck-Mittel-Relation vorliegen (Botschaft, aaO, S. 2069 ff.). Eine
Zwangsmassnahme ist namentlich dann unverhältnismässig, wenn eine ebenso
geeignete mildere für den angestrebten Erfolg ausreicht. Der Eingriff
darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht
einschneidender sein als notwendig (BGE 126 I 112 E. 5b; Bundesamt für
Justiz, Der "Corpus of Standards" des Europäischen Komitees zur Verhütung
von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
[CPT], Bern 2001).

    Nach diesen Kriterien der Verhältnismässigkeit bzw. der Subsidiarität
ist die weniger eingreifende der eingriffsintensiveren und die bessernde
der bloss sichernden Massnahme vorzuziehen (BGE 125 IV 118 E. 5e)
und die geeignete Behandlungsform auszuwählen (BGE 124 IV 246). Nach
diesem Verhältnismässigkeitsprinzip erfolgen die Einordnung in das
Massnahmenraster von Art. 43 StGB (BGE 123 IV 100 E. 2) und die Prüfung des
Vollzugsaufschubs von Freiheitsstrafen gemäss Art. 43 Ziff. 2 StGB (BGE 124
IV 246 E. 2a; 119 IV 309 E. 8b; 115 IV 87; 100 IV 12). Die spezialpräventiv
richtige Lösung hat den Vorrang (BGE 120 IV 1 E. 2b). Die Zivilbehörden
werden durch Art. 43 StGB grundsätzlich nicht an der Anordnung anderer
Massnahmen gehindert (BGE 115 IV 221 E. 2).

    d) Wie dargelegt dürfen Strafgerichte gestützt auf Art.  43 StGB
bei erheblicher Fremdgefährdung auch eine Behandlung gegen den Willen
des Betroffenen anordnen (Zwangsbehandlung). Auf Grund des Sachverhalts
ist mit der Vorinstanz das überwiegende öffentliche Interesse an der
Massnahme wie auch deren Notwendigkeit zu bejahen. Psychopharmaka können
indes individualitätsverändernd wirken und greifen besonders stark
in die physische und psychische Integrität ein (BGE 126 I 112). Dabei
steht selbst der Urteilsfähige, der aufgeklärt in ein Behandlungskonzept
einwilligt, unter dem zumindest mittelbaren Zwang zur Kooperation im
Sinne des Massnahmenzwecks. Auch bei gültiger Einwilligung sind nur die
erforderlichen und nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst und
Ethik begründeten, durchgeführten und kontrollierten Eingriffe durch
Art. 43 StGB gerechtfertigt.

    Der Beschwerdeführer leidet seit rund dreissig Jahren an einer
chronischen paranoiden Schizophrenie und wurde deswegen bereits über zwei
Dutzend Male hospitalisiert. Die für die Straftaten kausale psychische
Störung wird im Rahmen der Massnahme mit dem Ziel der Verhinderung weiterer
Straftaten und der Wiedereingliederung nach ärztlichen Gesichtspunkten
behandelt. Dabei wird versucht, sein Zustand soweit zu bessern, dass er
nicht mehr gefährlich ist. Er wird beaufsichtigt und betreut. Im Übrigen
hat er weitgehende Bewegungsfreiheit, erhält täglich ein Handgeld für
das Verbringen des Nachmittags in der Stadt sowie das Abendessen und
nimmt zeitweise allabendlich bei seinen Eltern das Abendessen ein. Die
Zwangsbehandlung besteht in der zwingenden monatlichen intramuskulären
Injektion des Depot-Neuroleptikums. Eine therapeutische Zwangsbehandlung
(wie Sonderernährung, antibiotische und neuroleptische Behandlung)
auf Grund der anerkannten Regeln der Medizin stellt keine unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK respektive Art. 10
Abs. 3 BV dar, jedenfalls wenn die ärztliche Notwendigkeit im Einzelfall
überzeugend dargetan ist (Urteil Herczegfalvy c. Österreich, Série A,
Nr. 244, Ziff. 82 = EuGRZ 1992 S. 538; BGE 127 I 6 E. 5c; JÖRG PAUL MÜLLER,
Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 23).

    Der Beschwerdeführer macht in der Begründung seiner Beschwerde geltend,
eine Gefährdung Dritter hänge wesentlich vom Betreuungs-Setting ab und
eine adäquate Betreuung könnte (bei ausreichenden ihm zur Verfügung
gestellten finanziellen Mitteln) ausserhalb der heutigen Institution
möglich sein. Auch in seinen Anträgen geht er davon aus, dass er nicht
in der Lage ist, selber eine Wohnung zu suchen oder unbetreut zu leben,
und dass "die ambulante Weiterbetreuung sicherzustellen" sei. Damit
bleibt auch in seiner Argumentation die Sicherstellung einer "adäquaten"
Betreuung zentral. Diese lässt sich zurzeit in einem anderen Rahmen
nicht gewährleisten. Diesem Zweck dient die angefochtene Massnahme. Der
Wohnzwang dient seiner Betreuung, soll seinen Tagesablauf strukturieren
und die monatliche Medikation sicherstellen. Die Massnahme erscheint als
verhältnismässig. Eine Entlassung aus der Massnahme kommt zurzeit nicht
in Betracht.

    e) Die Vollzugsbehörden und die UPD sind jedoch im Sinne der
abschliessenden Erwägungen der Vorinstanz (oben E. 4b, zweiter Absatz)
auf den vom Psychiater als sinnvoll bezeichneten Absetz-Versuch sowie
den vom Neurologen empfohlenen Versuch mit dem Alternativmedikament
zu verpflichten ("en vertu de ses obligations propres", BGE 102 IV
15 E. 4b). Nach den Gutachten erscheinen ein Wechsel des Medikaments
und selbst ein Absetz-Versuch nämlich möglich. Diese Versuche müssen
durchgeführt und ausgewertet werden. Es versteht sich, dass dies nur nach
Mass und Möglichkeiten des pflichtgemässen und gewissenhaften Ermessens der
Ärzte geschehen kann. Von einer Weisung im Urteilsdispositiv ist abzusehen
(vgl. BGE 102 IV 15 E. 4a).