Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 II 174



127 II 174

19.Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 29 März 2001 i.S. A. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 13b Abs. 2 und Art. 13c Abs. 2 ANAG; Art. 110 Ziff.  6 StGB;
Fristberechnung bei den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht.

    Zur Festlegung der Dauer der Ausschaffungs- oder Vorbereitungshaft ist
- wie zur Bestimmung der Frist von 96 Stunden, innert der diese jeweils
richterlich zu prüfen sind - auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem der
Betroffene tatsächlich aus ausländerrechtlichen Gründen festgehalten wird
(E. 2b/aa). Im Übrigen bestimmt sich die Dauer in Anlehnung an Art. 110
Ziff. 6 StGB "nach der Kalenderzeit" (E. 2b/cc).

Sachverhalt

    Die Schweizerische Asylrekurskommission wies am 19. April 1999 eine
Beschwerde des aus Sri Lanka stammenden A. gegen einen negativen Asyl-
und Wegweisungsentscheid des Bundesamts für Flüchtlinge vom 11. Januar
1999 ab. In der Folge galt A. als verschwunden, bis er am 27. Februar
2001 auf dem Flugplatz Bern-Belp angehalten wurde, als er versuchte,
mit einem gefälschten italienischen Pass nach London zu fliegen.

    A. ersuchte erneut um Asyl, worauf ihn das Amt für Migration des
Kantons Luzern am 1. März 2001 in Ausschaffungshaft nahm; gleichzeitig
leitete es sein Gesuch an das Bundesamt für Flüchtlinge weiter. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern prüfte die Haft tags darauf und
bestätigte sie bis zum 1. Juni 2001.

    Hiergegen hat A. Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem
Antrag, den angefochtenen Entscheid in dem Sinne teilweise aufzuheben,
als die Ausschaffungshaft nur "bis zum 27. Mai 2001 zu bestätigen und im
Ausschaffungsgefängnis Sursee zu vollziehen" sei.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- b) aa) Nach Art. 13b Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) darf
die Ausschaffungshaft höchstens drei Monate dauern; stehen dem Vollzug
der Weg- oder Ausweisung besondere Hindernisse entgegen, so kann sie
mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde um höchstens sechs
Monate verlängert werden. Dabei beginnt die Frist, was der Haftrichter
vorliegend verkannt hat, nicht erst von dem Moment an zu laufen, in dem
der Ausländer an die Fremdenpolizei überstellt wird oder diese formell
die Haft anordnet; entscheidend ist vielmehr - wie bei der Berechnung der
Frist von 96 Stunden, innert welcher die Haft richterlich zu überprüfen
ist -, ab wann der Betroffene tatsächlich aus ausländerrechtlichen Gründen
festgehalten wird (vgl. BGE 121 II 105 E. 2a; Praxis jüngst bestätigt im
unveröffentlichten Urteil des Bundesgerichts vom 6. März 2001 i.S. D.,
E. 2; ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral
en matière de police des étrangers, in: RDAF 1997 I S. 337; ANDREAS
ZÜND, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen
im Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996 S. 75 f.). Erfolgt die Anhaltung
sowohl im Hinblick auf fremdenpolizeiliche Massnahmen als auch im
Zusammenhang mit einer Strafverfolgung, ist in der Regel die Entlassung
aus der Untersuchungshaft massgebend (so unveröffentlichtes Urteil des
Bundesgerichts vom 4. Oktober 1996 i.S. M., E. 1b; ZÜND, aaO, S. 76).

    bb) Der Beschwerdeführer ist vorliegend am späteren Nachmittag
des 27. Februars 2001 durch die Kantonspolizei Bern wegen seines
gefälschten Reisepapiers auf dem Flugplatz Bern-Belp angehalten worden
(geplanter Abflug: 17.10 Uhr). Nach den üblichen Identitätsabklärungen,
welche im Rahmen des Polizeiverhafts erfolgen konnten, stand tags darauf
fest, dass der Betroffene von Bern nach Luzern zwecks "Zuführung an die
Fremdenpolizei" zu transferieren sei (so der Transportbefehl und -auftrag),
wo er um 17.00 Uhr eintraf (Abfahrt 13.15 Uhr). Damit war seine Haft
aber spätestens seit dem Mittag des 28. Februars 2001 ausländerrechtlich
begründet, weshalb die Frist von 96 Stunden und die Haftdauer von drei
Monaten ab diesem Zeitpunkt zu laufen begannen. Die Haftprüfung erfolgte
am 2. März 2001 und damit trotz der falschen Fristberechnung innerhalb der
gesetzlich vorgeschriebenen 96 Stunden; hingegen hat das Verwaltungsgericht
die Dauer von drei Monaten - wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet -
bundesrechtswidrig erst ab der Haftanordnung am 1. März 2001 laufen lassen.

    cc) Fraglich erscheint noch, wie die Frist von drei Monaten zu
berechnen ist, d.h. ob sie bis zum 27. oder bis zum 28. Mai 2001 läuft:
Das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer enthält
keine Definition darüber, was im Rahmen der Zwangsmassnahmen unter einem
Monat zu verstehen ist. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich,
hierfür auf Art. 110 Ziff. 6 StGB zurückzugreifen, wonach der Monat
und das Jahr jeweils "nach der Kalenderzeit" berechnet werden. Eine
einmonatige Haft läuft bei dieser Betrachtungsweise, wenn die Haft
am 28. Februar 2001 (gleichgültig um welche Zeit) angetreten wird, am
27. März 2001 ab. Die Berechnung gemäss Kalender hat damit zur Folge,
dass die Gesamtdauer von einem Monat möglicherweise nicht exakt 30 Tage
oder allenfalls ein Vielfaches davon beträgt (im Resultat bereits so
die unveröffentlichte E. 5a von BGE 126 II 439 ff.). Vorliegend wurde
die für drei Monate bewilligte Haft am 28. Februar 2001 angetreten;
sie endet somit am 27. Mai 2001.