Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 470



127 III 470

80. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom
2. August 2001 i.S. Krankenversicherung X. gegen Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft (Dreierkammer
des Obergerichts) (Beschwerde) Regeste

    Konkursprivileg für Forderungen der sozialen Krankenversicherung
(Art. 219 Abs. 4 "Zweite Klasse" lit. c SchKG).

    Das Konkursprivileg besteht für Prämien- und
Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung und
erstreckt sich nicht auf Forderungen für Mahn- und Bearbeitungskosten
der Versicherer (E. 3).

Sachverhalt

    Das Betreibungsamt Laufen stellte am 12. Februar 2001 für die
Betreibungen Nr. y der Steuerverwaltung S. für Fr. 2'108.40 und Nr. z der
Krankenversicherung X. für Fr. 2'758.30, gestützt auf den Pfändungsvollzug
vom 10. Januar 2001, die Pfändungsurkunde gegen die Schuldnerin
A. aus. Mit Entscheid vom 24. April 2001 hiess die Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft (Dreierkammer
des Obergerichts) die Beschwerde der Krankenversicherung X. teilweise
gut und stellte fest, dass ihre Forderung im Umfang von Fr. 2'356.80
zuzüglich Betreibungskosten gemäss Art. 219 Abs. 4 SchKG in der
2. Klasse privilegiert sei; bezüglich der Forderungen von Fr. 200.- für
Bearbeitungskosten und von Fr. 50.- für Mahnkosten wurde festgestellt,
dass diese Forderungen nicht privilegiert seien. In der Begründung hielt
die Aufsichtsbehörde fest, gemäss Art. 146 Abs. 1 SchKG sei die Rangordnung
der an der Pfändung teilnehmenden Forderungen erst mit dem Verteilungsplan
zu erstellen; das Betreibungsamt habe, wie aus seiner Vernehmlassung
hervorgehe, eine unrichtige Rangordnung in Aussicht genommen.

    Die von der Krankenversicherung X. gegen den Entscheid der
Aufsichtsbehörde eingereichte Beschwerde weist die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Zur Errichtung des Kollokationsplanes (Art. 146 Abs. 2
i.V.m. Art. 219 SchKG) hat das Betreibungsamt die Forderungen der
Gläubiger so aufzunehmen, wie sie sich aus den zur Verfügung stehenden
Akten entnehmen lassen; es darf Bestand und Höhe der zu kollozierenden
Forderung nicht überprüfen. Hingegen steht dem Betreibungsamt bezüglich des
Ranges der in Betreibung gesetzten unversicherten Forderungen materielle
Entscheidungsbefugnis zu (BGE 51 III 31 E. 1 S. 32; SCHÖNIGER, in:
Kommentar zum SchKG, N. 22 zu Art. 146 SchKG, mit Hinweisen; GILLIÉRON,
Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite,
N. 56 u. 65 zu Art. 146 SchKG). Die Aufsichtsbehörde hat festgestellt,
dass die Beschwerdeführerin Forderungen für Prämien der obligatorischen
Krankenversicherung von Fr. 2'356.80 sowie für Mahnkosten von Fr. 50.- und
für Bearbeitungskosten von Fr. 200.- in Betreibung gesetzt hat; dies ergibt
sich im Übrigen auch aus dem in den Akten liegenden Betreibungsbegehren und
dem unwidersprochen gebliebenen Zahlungsbefehl. Wenn die Aufsichtsbehörde
diese Forderungen bezüglich ihres Ranges beurteilt hat, ist dies in keiner
Weise zu beanstanden; entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin
wurde keine Forderung "geteilt". Sodann sind gemäss Art. 219 Abs. 4
"Zweite Klasse" lit. c SchKG seit dem 1. Januar 2001 (Inkrafttreten der
Gesetzesänderung vom 24. März 2000; AS 2000 S. 2531 f.) die Prämien-
und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung
privilegiert. Die Beschwerdeführerin stellt daher zu Recht nicht in Frage,
dass die Aufsichtsbehörde davon ausgegangen ist, in der vorliegenden
Betreibung (Pfändungsvollzug am 10. Januar 2001) sei die Forderung für
Prämien der obligatorischen Krankenversicherung, zuzüglich entsprechender
Betreibungskosten (vgl. Art. 68 Abs. 2, Art. 144 Abs. 4 SchKG; BGE 90 III
36 E. 1 S. 38/39; SCHÖNIGER, aaO, N. 77 zu Art. 144 SchKG; GILLIÉRON, aaO,
N. 17 zu Art. 146 SchKG), in der 2. Klasse privilegiert. Sie wirft der
Aufsichtsbehörde indessen im Wesentlichen vor, sie habe Art. 219 Abs. 4
SchKG unrichtig angewendet, weil sie die Mahn- und Bearbeitungskosten von
Fr. 250.- im Unterschied zur Prämienforderung und den Betreibungskosten
als nicht privilegiert erachtet habe.

    b) Aus dem Wortlaut von Art. 219 Abs. 4 "Zweite Klasse" lit. c SchKG
geht hervor, dass das Konkursprivileg in der sozialen Krankenversicherung
auf die "Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen" ("créances de primes
et de participation aux coûts", "crediti di premi e partecipazioni
ai costi") beschränkt ist. Triftige Gründe, um vom klaren Wortlaut
dieser Bestimmung abzuweichen (BGE 125 III 401 E. 2a S. 403/404) und
Forderungen für Mahn- und Bearbeitungskosten betreffend Prämien der
obligatorischen Krankenversicherung in der 2. Klasse zu privilegieren,
gibt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Zum einen
bildete die Straffung der Privilegienordnung einen der Kernpunkte
der Revision des SchKG, wie sie am 1. Januar 1997 in Kraft trat:
Die Vorrechte sollten auf das wirklich Notwendige beschränkt werden,
da sie sich nur aus sozialen Gründen rechtfertigen (BBl 1991 III 128
f.; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,
6. Aufl. 1997, § 42 Rz. 66; Urteil des Bundesgerichts vom 4. Mai
2001 [2A.408/2000] i.S. S., E. 3c/aa). Zum anderen bezweckt die
(Wieder-)Einführung des Privileges in der Krankenversicherung, einem
besonderen Schutzbedürfnis der Sozialversicherung gerecht zu werden und
die Absicherung vor Verlusten von Beiträgen zu fördern (vgl. BBl 1999
S. 9547, 9548; AB 1999 N 2432 [Votum Dreifuss, Bundespräsidentin]; Urteil
des Bundesgerichts vom 4. Mai 2001 [2A.408/2000] i.S. S., E. 3c/cc). Eine
Rechtfertigung der bevorzugten Behandlung der Verwaltungskosten der
Krankenversicherer im Rahmen der Kollokation lässt sich daher weder aus
der Entstehungsgeschichte noch dem Zweck der Norm ableiten. Sodann
fielen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bereits unter
der vor dem 1. Januar 1997 massgebenden Privilegienordnung Mahnkosten
der Krankenkassen nicht unter die privilegierten Beitragsforderungen
(Art. 219 Abs. 4 "Zweite Klasse" lit. l aSchKG; hierzu Erläuterungen des
Bundesamtes für Sozialversicherung vom 7. Januar 1965, in: BlSchK 1965
S. 94/95). Schliesslich ist der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die
Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts unbehelflich. Dem
zitierten Entscheid lässt sich lediglich entnehmen, dass die Erhebung
von angemessenen Mahngebühren und Umtriebsspesen beim Verzug in der
Zahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen unter der Voraussetzung
der schuldhaften Verursachung der Aufwendungen durch die versicherte
Person im Bereich des KVG zulässig ist, sofern der Krankenversicherer
in seinen allgemeinen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der
Versicherten eine entsprechende Regelung vorsieht (BGE 125 V 276 E. 2c/bb
S. 277). Damit ist aber nichts über die Rangordnung der an der Pfändung
teilnehmenden Forderung für Mahn- und Bearbeitungskosten gesagt; diese
richtet sich allein nach Art. 146 Abs. 2 i.V.m. Art. 219 SchKG. Vor
diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn die Aufsichtsbehörde
zur Auffassung gelangt ist, die Beschwerdeführerin könne - anders als
für die Prämienforderung von Fr. 2'356.80 zuzüglich Betreibungskosten -
für Mahn- und Bearbeitungskosten von Fr. 250.- das Privileg der 2. Klasse
zugunsten der sozialen Krankenversicherung nicht beanspruchen.