Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 178



127 III 178

30. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom
30. März 2001 i.S. A. (Beschwerde) Regeste

    Kosten für das Beschwerdeverfahren.

    Nach Art. 20a Abs. 1 SchKG können Gebühren und Auslagen nur wegen
böswilliger oder mutwilliger Beschwerdeführung auferlegt werden, nicht aber
wegen Verletzung des Anstandes. Für diesen Tatbestand bleibt auf Grund
von Art. 20a Abs. 3 SchKG eine Sanktion dem kantonalen Recht vorbehalten
(E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstösst die Auflage der
Verfahrenskosten durch die beiden kantonalen Instanzen gegen Art. 20a
(Abs. 1) SchKG.

    a) Art. 20a Abs. 1 erster Satz SchKG sieht den Grundsatz der
Kostenlosigkeit des Beschwerdeverfahrens vor. Bei böswilliger oder
mutwilliger Beschwerdeführung können einer Partei (oder ihrem Vertreter)
Bussen bis zu 1'500 Franken sowie Gebühren und Auslagen auferlegt werden
(Art. 20a Abs. 1 zweiter Satz SchKG). Böswilliges oder mutwilliges
Verhalten hat sich ein Beschwerdeführer dann vorhalten zu lassen, wenn er -
in Missachtung der auch im Verfahrensrecht geltenden Pflicht des Handelns
nach Treu und Glauben - ohne konkretes Rechtsschutzinteresse und trotz
eindeutiger Sach- und Rechtslage vor allem deshalb Beschwerde führt, um das
Betreibungsverfahren zu verzögern (dazu BGE 120 III 107 E. 4a S. 109 f.;
FLAVIO COMETTA, Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 11 zu Art. 20a; FRANCO
LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Basel 2000,
N. 18 f. zu Art. 20a SchKG; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi
fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 19 zu Art. 20a).

    Nicht unter die genannte Bestimmung fällt eine Verletzung des durch die
guten Sitten gebotenen Anstands, wie sie beispielsweise in Art. 31 Abs. 1
OG (getrennt von dem in Art. 31 Abs. 2 OG geregelten Tatbestand der bös-
oder mutwilligen Prozessführung) erwähnt ist: Der Gebührentarif zum SchKG
vom 7. Juli 1971 (GebT SchKG) sah bis zur Änderung auf den 1. August 1983
vor, dass die kantonalen Aufsichtsbehörden im Beschwerdeverfahren ausser
bei böswilligem oder mutwilligem Handeln auch bei Verletzung des Anstandes
einer Partei (oder ihrem Vertreter) eine Busse (bis zu 300 Franken) sowie
die Schreibgebühren und Auslagen auferlegen konnten (Art. 67 Abs. 3 GebT
SchKG; AS 1971 S. 1096). Mit der erwähnten Revision wurde Art. 67 Abs. 3
GebT SchKG aufgehoben und Abs. 2 der Satz beigefügt, die Aufsichtsbehörden
könnten einer Partei bei böswilliger oder mutwilliger Beschwerdeführung
die Verfahrenskosten auferlegen (AS 1983 S. 792). Anlässlich einer
weiteren Änderung, die am 1. Juli 1987 in Kraft trat, wurde Art. 67 GebT
SchKG wieder neu gefasst: In Abs. 2 lit. a und c wurde der Grundsatz
der Unentgeltlichkeit des Beschwerdeverfahrens bestätigt, und die
Möglichkeit der Auferlegung der Verfahrenskosten bei böswilliger oder
mutwilliger Beschwerdeführung wurde in einem neuen Abs. 3 festgehalten
(AS 1987 S. 757). Im Entwurf zur Änderung des Schuldbetreibungs- und
Konkursgesetzes (BBl 1991 III 203 ff.) fand sich in Art. 20a Abs. 1
Ziff. 4 die Bestimmung, das Beschwerdeverfahren vor den kantonalen
Aufsichtsbehörden sei kostenlos, bei böswilliger oder mutwilliger
Beschwerdeführung oder bei Verletzung des Anstandes könnten einer Partei
oder ihrem Vertreter jedoch eine Busse bis zu 1'000 Franken sowie Gebühren
und Auslagen auferlegt werden. Im Verlaufe der Gesetzgebungsarbeiten wurde
die "Verletzung des Anstandes" fallen gelassen und der von der genannten
Sanktion erfasste Tatbestand einzig mit "mutwilliger Beschwerdeführung"
umschrieben (AB 1993 N 15 und S 641). Im Sinne einer Abstimmung auf
den Text der (in diesem Punkt heute aufgehobenen) Gebührenverordnung
(bis Ende Juni 1991: Gebührentarif; AS 1991 S. 1312) zum SchKG (AB
1994 N 1413, Votum Suzette Sandoz) bzw. einer Anpassung an den Wortlaut
von Art. 31 Abs. 2 OG (AB 1994 S 1092, Votum Sergio Salvioni) wurde in
die endgültige Fassung von Art. 20a Abs. 1 SchKG die Möglichkeit der
Auflage einer Busse und von Kosten (einzig) für den Fall "böswilliger
oder mutwilliger" Beschwerdeführung aufgenommen. Aus dem Gesagten und
aus dem ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 20a Abs. 3 SchKG zu Gunsten des
kantonalen Rechts für das übrige Verfahren ist zu schliessen, dass eine
Verletzung des Anstandes gegebenenfalls nach diesem Recht zu ahnden ist.
Allerdings darf die Sanktion Bundesrecht nicht widersprechen, namentlich
die in Art. 20a Abs. 1 SchKG hinsichtlich der Auflage von Verfahrenskosten
enthaltene abschliessende Regelung nicht missachten.

    b) Soweit Bezirks- und Obergericht bemerken, die Eingaben des
Beschwerdeführers wiesen einen ungebührlichen Inhalt auf bzw. seien in
einem ungebührlichen Ton abgefasst, vermögen ihre Feststellungen mithin
von vornherein keine Grundlage für eine Kostenauflage nach Art. 20a
Abs. 1 zweiter Satz SchKG abzugeben. Sodann ist darauf hinzuweisen,
dass die untere Aufsichtsbehörde immerhin in Betracht gezogen hat, die
Eingaben des Beschwerdeführers an den für Klagen gemäss Art. 85 SchKG
zuständigen Richter zu leiten, und dass sie der Mitwirkungsbeirätin deshalb
Frist angesetzt hat, um allenfalls ein entsprechendes Einverständnis
abzugeben. Dem Entscheid des Bezirksgerichts ist nicht näher zu entnehmen,
was der Beschwerdeführer vorgebracht hatte und inwiefern seine Eingaben
den formellen Anforderungen nicht genügten. Allein aus der Tatsache,
dass ein Beschwerdeführer - auch auf eine gestützt auf das kantonale
Verfahrensrecht erlassene Einladung zur Verbesserung hin - keine den
formellen Erfordernissen genügende Beschwerde einreicht, darf nicht auf
ein bös- oder mutwilliges Verhalten geschlossen werden. Gerade bei einer
Person, die unter Beiratschaft steht, kann es sich um blosses Unvermögen
handeln. Aus dem Entscheid des Bezirksgerichts geht schliesslich nicht etwa
hervor, dass Umstände eines allfälligen früheren Beschwerdeverfahrens in
die Würdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers einbezogen worden wären.

    c) Unter den dargelegten Gegebenheiten war die von der unteren
Aufsichtsbehörde gestützt auf Art. 20a Abs. 1 SchKG angeordnete und von
der Vorinstanz bestätigte Kostenauflage nicht gerechtfertigt. Das Gleiche
gilt für den Kostenentscheid der oberen Aufsichtsbehörde bezüglich des
bei ihr durchgeführten Verfahrens. In diesen Punkten ist die Beschwerde
daher gutzuheissen.