Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 129



127 III 129

22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Februar 2001
i.S. M.L. gegen K.L.-S. (Berufung) Regeste

    Scheidung nach Art. 115 ZGB (Präzisierung der Rechtsprechung).

    Unzumutbar ist die Fortsetzung der Ehe, wenn das Fortbestehen der
rechtlichen Verbindung während vier Jahren für einen Ehegatten objektiv
gesehen unerträglich ist. An das Vorhandensein schwerwiegender Gründe
sind keine übertriebene Anforderungen zu stellen. Der Richter hat seine
Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- K.L.-S. und M.L. heirateten am 12. Juni 1997. Die Ehe blieb
kinderlos. In der Nacht vom 23./24. November 1997 kam es zu einer
Auseinandersetzung, im Zuge derer M.L. seine Ehefrau über mehrere Stunden
hinweg immer wieder schlug. K.L.-S. verliess am Morgen des 24. November
1997 die eheliche Wohnung und lebt seither von ihrem Ehemann getrennt. Am
26. November 1997 suchte sie einen Arzt auf, welcher mehrere Hämatome an
den Armen sowie Schwellungen mit Bluterguss am linken Auge feststellte. Vom
8. bis 17. Dezember 1997 wurde sie in einer psychiatrischen Klinik
stationär behandelt; danach begab sie sich wegen ihrer posttraumatischen
Belastungsstörung in ambulante psychiatrische Nachbehandlung.

    B.- Mit Klage vom 30. September 1998 beantragte K.L.-S. dem
Bezirksgericht die Ehescheidung unter Bestimmung der rechtlichen
Folgen. Mit Urteil vom 29. Juni 1999 hiess das Bezirksgericht das
Scheidungsbegehren gestützt auf Art. 142 aZGB gut; es sprach keiner
Partei Unterhaltsbeiträge zu und erklärte die Parteien als güterrechtlich
auseinandergesetzt. Der Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung
an das Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, ein. An der
Berufungsverhandlung vom 9. März 2000 gab das Obergericht den Parteien
Gelegenheit, ihre Anträge zum zwischenzeitlich in Kraft getretenen neuen
Scheidungsrecht zu stellen. Die Klägerin stützte ihr Begehren nunmehr auf
Art. 115 ZGB. Mit Urteil vom 30. Mai 2000 schützte das Obergericht das
Scheidungsbegehren und bestätigte unter Vormerknahme, dass der Beklagte
den Antrag auf Ausgleichung der Pensionskassenguthaben der Parteien
zurückgezogen habe, den erstinstanzlichen Entscheid auch hinsichtlich
der Nebenfolgen.

    C.- Gegen das Urteil des Obergerichts hat der Beklagte sowohl kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde als auch eidgenössische Berufung eingelegt. Das
Kassationsgericht des Kantons Zürich hat die Nichtigkeitsbeschwerde mit
Beschluss vom 31. Oktober 2000 abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Mit
der Berufung beantragt der Beklagte sinngemäss die Aufhebung des
angefochtenen Urteils und die Abweisung der Scheidungsklage, eventuell
die Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz. Die Klägerin beantragt
Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz hat das Scheidungsbegehren der Klägerin gestützt
auf Art. 7b Abs. 1 SchlT ZGB nach neuem Scheidungsrecht beurteilt. Da
sich der Beklagte der Scheidung widersetze und die Parteien erst
seit 23. (recte: 24.) November 1997 getrennt lebten, komme nur der
Scheidungsgrund der Unzumutbarkeit gemäss Art. 115 ZGB, auf den sich die
Klägerin neu berufe, in Betracht. Die nicht allzu schweren körperlichen
Verletzungen, welche der Beklagte der Klägerin zugefügt habe, seien für
sich allein nicht so schwerwiegend, dass der Klägerin die Fortsetzung
der Ehe nicht zugemutet werden könne. Zeitige aber eine körperliche
Misshandlung derart gravierende Nachwirkungen, dass sich der misshandelte
Ehepartner über längere Zeit intensiv psychiatrisch behandeln lassen
müsse, könne diesem nicht zugemutet werden, nur aus formellen Gründen
in einer in den Grundfesten zerstörten Verbindung auszuharren. Am
Scheidungsanspruch der Klägerin ändere auch nichts, dass sie allenfalls
einer vorbestehenden psychischen Belastung unterstanden habe. Im Gegenteil
wäre es dem Beklagten umso mehr anzulasten, wenn er gegen die Klägerin
im Wissen um eine gegebene psychische Beeinträchtigung tätlich geworden
wäre. Angesichts der anhaltenden psychischen Folgen des Vorfalls vom
23./24. November 1997 würde daran auch nichts ändern, dass die Klägerin,
wie der Beklagte einwende, zunächst selbst noch an die Rettung der Ehe
geglaubt habe. Unerheblich sei schliesslich die bestrittene Behauptung,
dass die Klägerin eine andere Beziehung eingegangen sei.

    b) Der Beklagte führt aus, es treffe zu, dass die nicht allzu schweren
körperlichen Verletzungen, welche er der Klägerin zugefügt habe, keine
Scheidung nach Art. 115 ZGB rechtfertigten. Die einschlägige Literatur
gehe davon aus, dass ein einmaliger handgreiflicher Übergriff für eine
Anwendung des Art. 115 ZGB nicht ausreiche; ein Scheidungsanspruch bestehe
nur, wenn auch mit der Möglichkeit des Getrenntlebens Übergriffe nicht
verhindert werden könnten. Es sei aber während des Getrenntlebens nie
zu irgendwelchen Übergriffen des Beklagten gekommen. Die psychische
Befindlichkeit der Klägerin vermöge keinen Scheidungsanspruch zu
begründen. Die Vorinstanz habe aus der psychischen Verfassung der Klägerin
geschlossen, sie sei psychisch misshandelt worden, obwohl die Klägerin dies
nie behauptet habe; damit habe die Vorinstanz in unzulässiger Weise von
der subjektiven Befindlichkeit auf das Vorhandensein objektiver Kriterien
geschlossen. Es gehe auch nicht an, die psychische Vorbelastung der
Klägerin zum Anlass zu nehmen, an den Beklagten überhöhte Anforderungen
zu stellen. Gerade psychisch angeschlagene Menschen verlangten ihrem
Ehepartner oft ein Übermass an Geduld und Einfühlungsvermögen ab, was bei
der Beurteilung dessen Verhaltens zu berücksichtigen sei. Es hätte daher
abgeklärt werden müssen, ob eine starke psychische Belastung der Klägerin
bereits vor der Eheschliessung bestanden habe. Sollte das Bundesgericht
auch in einer einmaligen tätlichen Auseinandersetzung einen Scheidungsgrund
erblicken, wenn die Klägerin dadurch psychische Probleme erlitten habe,
wäre die Sache an die Vorinstanz zur entsprechenden Sachverhaltsergänzung
zurückzuweisen.

Erwägung 3

    3.- a) Nach neuem Scheidungsrecht soll nach Möglichkeit verhindert
werden, dass die Ehegatten dem Gericht zum Nachweis des Scheiterns
der Ehe Tatsachen aus ihrem Privat- und Intimbereich darlegen und
einander Schuld und Verantwortung zuweisen müssen (Botschaft, BBl 1996
I 27 ff., S. 90). Obwohl weiterhin die Zerrüttung als Grundlage des
Scheidungsanspruchs betrachtet wird, soll sich dieser neu grundsätzlich
nach formalisierten Kriterien bestimmen, bei deren Vorhandensein die
Zerrüttung als gegeben betrachtet wird, so namentlich, wenn beide
Ehegatten die Scheidung beantragen. Widersetzt sich ein Ehegatte der
Scheidung, kann der andere gemäss Art. 114 ZGB nach vier Jahren des
Getrenntlebens ohne weiteres die Scheidung verlangen, da damit das
endgültige Scheitern der Ehe zu vermuten ist (Botschaft, aaO, S. 83,
S. 90). Wann die endgültige Zerrüttung tatsächlich eingetreten ist,
braucht aufgrund dieser gesetzlichen Vermutung nicht geklärt zu werden;
tritt sie schon vor Ablauf der vierjährigen Trennungszeit ein, wird den
Ehepartnern grundsätzlich zugemutet, mit der Klageeinreichung bis zum
Ablauf der Vierjahresfrist zuzuwarten.

    Schematisches Abstellen auf die Dauer des Getrenntlebens ohne
Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles hätte indessen
unzumutbare Härten zur Folge. Daher sieht Art. 115 ZGB vor, dass ein
Ehegatte, dem aus schwerwiegenden Gründen ("motifs sérieux"), die ihm
nicht zuzurechnen sind, die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden
kann, bereits vor Ablauf der Vierjahresfrist die Scheidung verlangen kann.
Art. 115 ZGB sei indessen, hielt das Bundesgericht in Übereinstimmung mit
der überwiegenden Lehrmeinung fest, einschränkender auszulegen als Art. 142
Abs. 1 aZGB (BGE 126 III 404 E. 4c-g S. 408 ff. mit Hinweisen). Dies
bedarf der Präzisierung. In dem BGE 126 III 404 ff. zu Grunde liegenden
Fall hatte die Vorinstanz den neuen Art. 115 ZGB mit dem altrechtlichen
Art. 142 ZGB gleichsetzen wollen, was unzutreffend war. Ging es nämlich
beim altrechtlichen Scheidungsgrund der ehelichen Zerrüttung (Art. 142
aZGB) darum, dass einem Ehegatten die Fortsetzung der (auf unbestimmte
Dauer angelegten) ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden durfte,
wird in Art. 115 nZGB vorausgesetzt, dass die sich bei Getrenntleben noch
(während vier Jahren) rechtlich auswirkende eheliche Bande unzumutbar
ist. Unter neuem Recht geht es nicht mehr um die Unzumutbarkeit des
Zusammenlebens, sondern um die seelisch begründete Unzumutbarkeit
der rechtlichen Verbindung. Aus diesem Grunde eignen sich die beiden
Tatbestände schlecht zum Vergleich und besagt die ohnehin fragwürdige
Regel restriktiver Auslegung letztlich wenig. Art. 115 ZGB ist in erster
Linie aus sich selbst heraus auszulegen.

    b) In den Materialien, aber auch der Literatur wird der
rechtspolitische Hintergrund der neuen Regelung hervorgehoben. Unter dem
alten Scheidungsrecht stützten sich - jedenfalls während der letzten
Jahre - die meisten Scheidungsklagen auf den allgemeinen Scheidungsgrund
der tiefen Zerrüttung; im Jahre 1997 waren es 90% der Scheidungsklagen
(SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999,
N. 13 zu Art. 115 ZGB). Unter der Herrschaft des Art. 142 aZGB waren
die Anforderungen an den Nachweis des Zerrüttungstatbestandes von der
Praxis laufend herabgesetzt worden. Für den Schluss auf den Tatbestand
der unheilbaren Zerrüttung konnte u.U. genügen, dass die Ehegatten
während einer bestimmten Zeit, beispielsweise während eines Jahres,
getrennt gelebt hatten und der Wille, das eheliche Zusammenleben wieder
aufzunehmen, fehlte. Nicht nur im Fall des beidseitigen Einverständnisses
mit der Auflösung der Ehe führte dies zur Scheidung, sondern auch dann,
wenn den einseitig klagenden Teil kein überwiegendes Verschulden traf.

    Genügten unter dem neuen Recht blosses Getrenntleben während einer
gewissen Dauer und Entfremdung oder Unvereinbarkeit der Charaktere usw.,
um einseitig die Scheidung wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe
(Art. 115 ZGB) verlangen zu können, führte dies wohl dazu, dass in den
Fällen, da die Scheidung nicht auf gemeinsames Begehren (Art. 111 f.
ZGB) verlangt wird, Art. 115 ZGB als Scheidungsgrund angerufen würde und
nicht der formalisierte Scheidungsgrund des vierjährigen Getrenntlebens
(Art. 114 ZGB). Da die Scheidung wegen Unzumutbarkeit demjenigen Ehegatten
vorbehalten ist, dem die Zerrüttungsgründe nicht zuzurechnen sind, könnte
das Scheidungsverfahren, sollte die Scheidung wegen Unzumutbarkeit zum
wichtigsten Scheidungsgrund avancieren, wiederum vom Verschuldensprinzip
beherrscht werden, womit das gesetzgeberische Ziel eines möglichst
verschuldensunabhängigen Scheidungsrechts infrage gestellt wäre.

    Je höher hingegen die Hürde der Unzumutbarkeit aus wichtigem
Grund gesetzt wird, desto eher werden sich Scheidungsklagen auf
die formalisierten bzw. verschuldensunabhängigen Scheidungsgründe
stützen. Allein gesetzgebungspolitische Zielsetzungen rechtfertigen es
aber nicht, an das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes übertriebene
Anforderungen zu stellen mit der Folge, dass ein scheidungswilliger
Ehegatte, obwohl ihm keine Zerrüttungsgründe zuzurechnen sind, abgesehen
von extrem gelagerten und entsprechend seltenen Fällen gezwungen wäre, in
einer längst nicht mehr gelebten Ehe während vier Jahren auszuharren. Es
ist nicht einzusehen, weshalb dieser Zielkonflikt so einseitig zu Gunsten
eines letztlich abstrakten Prinzips zu lösen wäre und dabei menschliche
Schicksale ausser Acht bleiben sollten. Es gilt auch zu bedenken, dass
die fortbestehende eheliche Bande, die sogenannte Ehe "auf dem Papier",
durchaus weiterhin ihre gesetzlichen Wirkungen zeitigt, namentlich
bezüglich des Unterhalts und der Erbansprüche. Es darf auch nicht
übersehen werden, dass, je grösser das Interesse eines Ehegatten an
der raschen Scheidung einer zerrütteten Ehe ist, dem durchaus legitime
Motive zu Grunde liegen können, desto grösser die Gefahr ist, dass ihn
der andere Ehegatte zu finanziellen Konzessionen nötigt, die sachlich
nicht gerechtfertigt sind. Eine restriktive Handhabung des Art. 115 ZGB
würde solchen "Erpressungen" Vorschub leisten. Es ist fraglich, ob die auf
offensichtliche Unangemessenheit beschränkte Prüfungsbefugnis des Richters
hinsichtlich der Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen (Art. 140 Abs. 2
ZGB) ein hinreichendes Gegengewicht zu solchen Machenschaften darstellt.

    Wenn in BGE 126 III 404 ff. zu Recht betont wurde, dass es weder
möglich noch wünschenswert sei, feste Kategorien von schwerwiegenden
Gründen zu definieren, so gilt es auch zu verhindern, dass es zufolge
einer restriktiven Praxis doch zu diesem Ergebnis kommt. Art. 115 ZGB ist
bewusst offen formuliert, damit die Gerichte den Umständen des Einzelfalles
Rechnung tragen können. Der Richter wird auf eine Entscheidung nach Recht
und Billigkeit verwiesen (Art. 4 ZGB). Es geht, wie bereits gesagt, darum,
ob das Fortbestehen der rechtlichen Verbindung seelisch zumutbar ist,
oder ob die geistig-emotionale Reaktion, das Fortbestehen der rechtlichen
Bindungen während vier Jahren als unerträglich zu betrachten, objektiv
nachvollziehbar ist (FANKHAUSER, in: Schwenzer [Hrsg.], Praxiskommentar
Scheidungsrecht, Basel/Genf/München 2000, S. 78 f.). Unerheblich ist, ob
die zur Scheidung Anlass gebenden Gründe objektiver Natur sind oder ob sie
dem anderen Ehegatten zuzurechnen sind. Übersteigerte Reaktionen infolge
besonderer Empfindlichkeiten können allerdings keine Berücksichtigung
finden.

    c) Nach den Feststellungen der Vorinstanz und des Bezirksgerichts,
auf die ebenfalls verwiesen wird, wurde die Klägerin vom Beklagten in
der Nacht vom 23./24. November 1997 geweckt, aus dem Bett gezerrt und
während Stunden geschlagen, körperlich misshandelt. Der Beklagte hat
eingestanden, die Klägerin aus dem Bett gezerrt zu haben, "weil sie nicht
freiwillig aufgestanden sei". Die Klägerin erlitt zwar keine schweren
körperlichen Verletzungen, musste aber intensiv und über längere Zeit
hinweg - zunächst stationär, dann ambulant - psychiatrisch behandelt
werden. Die Vorinstanz begründete den Scheidungsanspruch der Klägerin
damit, dass es verfehlt wäre, ihr zuzumuten, nur aus formellen Gründen
in einer in den Grundfesten zerstörten Verbindung zu beharren, wenn eine
körperliche Misshandlung derart gravierende Nachwirkungen zeitige.

    Der Hinweis auf die Nachwirkungen mag insoweit etwas missverständlich
sein, als er den Eindruck aufkommen lassen könnte, es käme vorab auf
Dauer und Ausmass derselben an. Entscheidend kann indessen nicht sein,
ob eine Misshandlung Nachwirkungen der vorliegenden Art zeitigt, so
dass im umgekehrten Fall, wären solche ausgeblieben, die Unzumutbarkeit
von vornherein zu verneinen wäre. Massive Nachwirkungen können aber
ein Indiz für die Schwere, für den Ernst eines Vorfalls sein. Nach den
Feststellungen der Vorinstanz erklärte der die Klägerin behandelnde Arzt
deren posttraumatische Belastungsstörung als psychische Erkrankung nach
einem Trauma, "nach Misshandlungen, Folterungen und anderen Ereignissen
in der Richtung".

    Der Übergriff des Beklagten erfolgte nicht etwa im Rahmen eines
Handgemenges; es handelte sich auch nicht um eine spontane Retorsion, wie
sie sich im Verlaufe einer zunächst verbal geführten, dann eskalierenden
Auseinandersetzung ergeben kann, wenn beispielsweise eine Beschimpfung mit
einer Tätlichkeit erwidert wird. Nach den Feststellungen der Vorinstanz
zerrte der Beklagte die Klägerin nachts ohne ersichtlichen unmittelbaren
Anlass aus dem Bett und misshandelte sie körperlich stundenlang. Wer seine
Partnerin derart malträtiert, verletzt sie selbstredend auch psychisch in
gravierender Weise. Mit seinem Verhalten bekundete der Beklagte gegenüber
der Persönlichkeit der Klägerin ein so grosses Mass an Verachtung,
dass objektiv ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass das Fortbestehen
der rechtlichen Bindung für sie unerträglich gemacht wurde. Ist aber die
Fortsetzung der Ehe für die Klägerin aus schwerwiegendem Grund unzumutbar
geworden, ist ihrem Scheidungsanspruch vor Ablauf der vierjährigen
Trennungsfrist stattzugeben (Art. 115 ZGB). Irrelevant ist, ob die Klägerin
allenfalls psychisch vorbelastet war und, gegebenenfalls, der Vorfall sich
deshalb auf die psychische Gesundheit der Klägerin besonders nachhaltig
auswirkte. Misshandelt jemand seine Partnerin derart, wie es der Beklagte
gemacht hat, erweist sich dessen der Vorinstanz gemachte Vorhaltung,
die psychische Vorbelastung der Klägerin zum Anlass genommen zu haben,
an ihn überhöhte Anforderungen zu stellen, als blanker Zynismus.