Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 V 360



125 V 360

57. Auszug aus dem Urteil vom 14. April 1999 i.S. A. gegen Kantonale
Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel und Kantonale
Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt Regeste

    Art. 72 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG: Abbruch einer
vorübergehenden Beschäftigung. Wer eine zumutbare vorübergehende
Beschäftigung (Art. 72 Abs. 1 AVIG) ohne zureichenden Grund vorzeitig
abbricht, ist wegen Nichtbefolgens von Weisungen des Arbeitsamtes (Art. 30
Abs. 1 lit. d AVIG) und nicht wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit
(Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV)
in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung einzustellen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Dem Beschwerdeführer wurde vom Kantonalen Amt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit Basel-Stadt für die Zeit vom 2. Februar bis 31. Mai 1998
eine vorübergehende Beschäftigung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 AVIG (in der
seit 1. Januar 1996 gültigen Fassung; AS 1996 273) zugewiesen. Nachdem
er ab 27. Februar 1998 nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen war, wurde
er durch die Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt
"wegen Nichtbefolgung einer Weisung resp. Ablehnung einer ... zugewiesenen
vorübergehenden Beschäftigung" in der Anspruchsberechtigung eingestellt.

    Zu entscheiden ist zunächst, ob die Kantonale Amtsstelle zu Recht
annahm, die vorzeitige Aufgabe der vorübergehenden Beschäftigung
(der Beschwerdeführer hat die Beschäftigung, entgegen der Wortwahl
der Kantonalen Amtsstelle, nicht von Anbeginn an "abgelehnt") sei
als Nichtbefolgen einer Weisung im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. d
AVIG zu qualifizieren, oder ob der Sachverhalt als Auflösung eines
Arbeitsverhältnisses durch den Beschwerdeführer unter Art. 44 Abs. 1 lit. b
AVIV zu subsumieren ist, sodass, wenn die Auflösung ohne zureichenden
Grund erfolgte, eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung gestützt
auf Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG zu erfolgen hätte, und zwar durch die
Arbeitslosenkasse (Art. 30 Abs. 2 AVIG).

    b) Die vorübergehende Beschäftigung im Sinne von Art. 72 Abs. 1
AVIG ist nicht als gewöhnliches Arbeitsverhältnis, wie es Art. 30 Abs. 1
lit. a AVIG und Art. 44 AVIV zum Gegenstand haben, zu betrachten, sondern
als Verhältnis sui generis. Wohl besteht zwischen dem Versicherten und
dem Träger des Beschäftigungsprogramms ein obligationenrechtliches
Arbeitsverhältnis (NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 673; Kreisschreiben
des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit über die arbeitsmarktlichen
Massnahmen, gültig ab 1. Juni 1997 [nachfolgend: KS-AM], S. 86
Rz. G05). Der Arbeitgeber zahlt aber keinen Lohn aus. Er hat bloss eine
Bruttolohnabrechnung zuhanden der Arbeitslosenkasse zu erstellen und
die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen; der Nettolohn wird in der
Form von besonderen Taggeldern von der Arbeitslosenkasse ausgerichtet,
wobei gegebenenfalls noch ein Differenzausgleich hinzukommt (Art. 81b
AVIV, Art. 24 Abs. 4 Satz 2 AVIG; NUSSBAUMER, aaO, Rz. 674). Zudem ist in
Betracht zu ziehen, dass es sich anders als bei der Zuweisung einer Stelle
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Art. 72 ff. AVIG um ein besonderes
Programm handelt, das die berufliche Wiedereingliederung in der Form
einer "vorübergehenden" und damit zeitlich befristeten Beschäftigung zum
Zweck hat (NUSSBAUMER, aaO, Rz. 661 und 663). Während es in jenem Fall
(allgemeiner Arbeitsmarkt) darum geht, den Versicherten zu Suche und
Annahme von Arbeit oder gegebenenfalls zur Annahme der vom Arbeitsamt oder
vom Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zugewiesenen Arbeit zu
verhalten, bezieht sich die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung
nicht bloss auf die Annahme eben dieser Beschäftigung, sondern auf die
Absolvierung der vorübergehenden Beschäftigung während der angeordneten
Dauer. Ist diese zugewiesene Beschäftigung zumutbar und wird sie vorzeitig
und ohne zureichenden Grund aufgegeben (vgl. zur vorzeitigen Auflösung:
KS-AM S. 106 f.), so beendet der Versicherte nicht bloss ein gewöhnliches
Arbeitsverhältnis, sondern er handelt einer Weisung der Organe der
Arbeitslosenversicherung zuwider, was die Anwendung der Einstellungsnorm
des Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG notwendig macht. Dass der Nebensatz dieser
Bestimmung im Zusammenhang mit der Zuweisung einer Arbeit bloss von deren
"Nichtannahme" spricht, ist nicht entscheidend, nachdem die Aufzählung
der dortigen Beispiele nicht abschliessend ist ("namentlich") und zudem
mit Bezug auf Kurse, deren Besuch angewiesen worden ist, neben dem
Nichtantritt ausdrücklich auch der Abbruch erwähnt ist. Demzufolge ist -
mit der Kantonalen Amtsstelle und der Vorinstanz - die vorzeitige und ohne
zureichenden Grund erfolgte Aufgabe einer vorübergehenden Beschäftigung
einstellungsrechtlich unter Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG zu subsumieren;
im gleichen Sinn hat das Eidg. Versicherungsgericht bereits bezüglich
der Nichtannahme einer solchen Beschäftigung entschieden (ARV 1987 Nr. 1
S. 36 Erw. 1a zu alt Art. 72 AVIG, welcher hinsichtlich des vorliegend
interessierenden Zusammenhangs mit Art. 72 Abs. 1 AVIG übereinstimmt). Dies
hat zur Folge, dass das Ausscheiden ohne zureichenden Grund aus einer
vorübergehenden Beschäftigung nicht anders behandelt wird, wie wenn ein
Versicherter die Teilnahme von vornherein verweigert: In beiden Fällen ist,
was unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung angebracht erscheint, bei
fortdauernder Widersetzlichkeit des Versicherten Art. 30a AVIG anwendbar.