Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 I 335



125 I 335

31. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7.
Juni 1999 i.S. J. gegen Direktion des Gesundheitswesens, Regierungsrat und
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 31 BV; selbständige Berufsausübung als Akupunkteurin.

    Das zürcherische Gesundheitsgesetz ist eine genügende gesetzliche
Grundlage für das Verbot der selbständigen Berufsausübung als Akupunkteurin
(E. 2).

    Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Verhältnismässigkeit des
Erfordernisses von Fähigkeitsausweisen; Anspruch auf Teilbewilligungen
(E. 3).

    Die Handels- und Gewerbefreiheit schützt auch die selbständige Ausübung
der Akupunktur (E. 4).

    Es ist unverhältnismässig, einer Akupunkteurin die selbständige
Berufsausübung zu untersagen, wenn sie dafür gleich gut oder besser
ausgebildet ist als eine Medizinalperson (E. 5).

Sachverhalt

    J. besitzt mehrere US-amerikanische Diplome und Lizenzen für
Massagetherapie, ein Diplom als «Master of Acupuncture» vom International
Institute of Chinese Medicine in Santa Fe (USA) sowie ein Zertifikat
der US-amerikanischen National Commission for the Certification of
Acupuncturists, welches zum Betreiben einer selbständigen Akupunkturpraxis
unter anderem in den USA berechtigt. Ferner absolvierte sie mehrere
Ausbildungsgänge in Akupunktur und traditioneller chinesischer Medizin
in China. Sie verfügt nicht über ein Arztdiplom. Seit 1994 besitzt sie
eine Bewilligung des Kantons Graubünden zur selbständigen Ausübung des
Berufes als medizinische Massagetherapeutin mit zusätzlicher Anwendung
der Akupunktur und betreibt seither in Davos eine eigene Praxis für
Akupunktur und medizinische Massage. Am 1. Juli 1996 stellte sie bei der
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich das Gesuch, ihr die Bewilligung zur
selbständigen Ausübung des Akupunkteurberufs im Kanton Zürich zu erteilen.
Die Direktion wies das Gesuch am 5. Februar 1997 ab, da nach zürcherischem
Recht die selbständige Ausübung der Akupunktur den Ärzten vorbehalten sei.

    J. erhob dagegen erfolglos Rekurs an den Regierungsrat des Kantons
Zürich und anschliessend Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich. Dieses erwog, die Akupunktur sei eine medizinische Verrichtung,
deren selbständige Ausübung den Ärzten vorbehalten sei. Diese Regelung sei
durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig. Damit
bestehe auch ein zulässiges öffentliches Interesse an einer Einschränkung
im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a und e des Bundesgesetzes vom 6. Oktober
1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02). Das
Verwaltungsgericht wies daher die Beschwerde mit Urteil vom 19. März 1998
in der Hauptsache ab.

    J. erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben, soweit ihr damit die selbständige Ausübung
des Akupunkteurberufs verweigert worden sei. Sie rügt eine Verletzung der
Handels- und Gewerbefreiheit sowie von Art. 2 ÜbBest. BV in Verbindung
mit dem Binnenmarktgesetz.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Handels- und
Gewerbefreiheit (Art. 31 BV). Unter dem Schutz dieses Grundrechts steht
jede gewerbsmässig ausgeübte, privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der
Erzielung eines Gewinnes oder Erwerbseinkommens dient (BGE 119 Ia 378 E. 4b
S. 381; 117 Ia 440 E. 2 S. 445; 116 Ia 118 E. 3 S. 121), somit auch die
gewerbsmässige Ausübung des Berufs einer Akupunkteurin. Art. 31 BV behält
in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben,
namentlich im öffentlichen Interesse begründete polizeiliche Massnahmen,
vor. Solche Einschränkungen können dem Schutz der öffentlichen Ordnung,
der Gesundheit, Sittlichkeit und Sicherheit oder von Treu und Glauben
im Geschäftsverkehr dienen (BGE 118 Ia 175 E. 1 S. 176 f.; 114 Ia 34
E. 2a S. 36). Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische
Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige
oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Beschränkungen
der Handels- und Gewerbefreiheit bedürfen im Übrigen einer gesetzlichen
Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse
gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit sowie der
Rechtsgleichheit wahren (BGE 124 I 310 E. 3a S. 313; 123 I 12 E. 2a S. 15;
mit Hinweisen).

    b) Die Beschwerdeführerin rügt zunächst das Fehlen einer gesetzlichen
Grundlage. Eine Bewilligungspflicht bzw. ein Verbot für die Ausübung eines
Berufes ist ein schwerer Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit und
bedarf einer ausdrücklichen formellgesetzlichen Grundlage. Das schliesst
nicht aus, dass das Gesetz die nähere Ausgestaltung einer nachgeordneten
Instanz überlässt (BGE 122 I 130 E. 3b/bb S. 134, mit Hinweisen).

    c) Gemäss § 7 Abs. 1 lit. a des zürcherischen Gesundheitsgesetzes
vom 4. November 1962 ist eine Bewilligung erforderlich, um gegen Entgelt
oder berufsmässig Krankheiten, Verletzungen oder sonstige gesundheitliche
Störungen festzustellen und zu behandeln oder überhaupt medizinische
Verrichtungen vorzunehmen. Das Gesetz regelt sodann die Berufe der
Gesundheitspflege und nennt im Einzelnen die Zulassungsvoraussetzungen für
Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Zahnprothetiker, Apotheker und Drogisten.
§ 31a des zürcherischen Gesundheitsgesetzes ermächtigt den Regierungsrat,
die Ausbildung und Tätigkeit der anderen Berufe des Gesundheitswesens
durch Verordnung zu regeln. Diese Regelung ist enthalten in der Verordnung
vom 8. Januar 1992 über die Berufe der Gesundheitspflege (VBG). Nach
§ 1 dieser Verordnung übt einen Beruf der Gesundheitspflege aus, wer
gegen Entgelt oder berufsmässig Krankheiten, Verletzungen oder sonstige
gesundheitliche Störungen feststellt oder behandelt, Geburtshilfe ausübt
oder medizinische Analysen durchführt. § 3 VBG nennt nicht abschliessend
einige Tätigkeiten, die nicht als medizinische Verrichtung gelten. § 8 VBG
zählt abschliessend eine Anzahl von Berufen auf, die zur selbständigen
Berufsausübung berechtigt sind, wobei die selbständige Ausübung dieser
Berufe gemäss § 9 VBG einer Bewilligung bedarf. Der Beruf des Akupunkteurs
ist in § 8 VBG nicht genannt.

    Die Bewilligungspflicht für die Ausübung sämtlicher Berufe
der Gesundheitspflege ergibt sich damit klar aus dem formellen
Gesetz. Ebenso klar ist, dass die Akupunktur auf die Behandlung von
Krankheiten oder sonstigen gesundheitlichen Störungen ausgerichtet ist
und damit - sofern sie gegen Entgelt oder berufsmässig ausgeübt wird -
der Bewilligungspflicht unterliegt. Das Gesetz zählt ferner ausdrücklich
eine Anzahl von Berufen der Gesundheitspflege auf und ermächtigt den
Regierungsrat, «die anderen Berufe» des Gesundheitswesens zu regeln. Daraus
ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, dass die
Zürcher Gesetzgebung für die Akupunkteure eine Lücke enthalte. Vielmehr
folgt aus der Systematik des Gesetzes, dass nur die im Gesetz oder in
der Verordnung des Regierungsrates genannten Berufe überhaupt selbständig
ausgeübt werden dürfen. Das Verbot der selbständigen Ausübung der übrigen
Berufe entspricht somit der gesetzlichen Regelung und findet darin eine
klare Grundlage (vgl. BGE 116 Ia 118 E. 4b/c S. 122 f.).

    d) Unerheblich ist der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Praxis
des bernischen Verwaltungsgerichts, wonach die Akupunktur nicht als eine
medizinische Tätigkeit, sondern als eine medizinische Hilfstätigkeit
betrachtet wird. Denn im Bereich kantonaler Zuständigkeiten ist es nicht
unzulässig, dass verschiedene Kantone unterschiedliche Regelungen kennen
oder gleiche Sachverhalte rechtlich unterschiedlich qualifizieren.

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführerin bestreitet die Verhältnismässigkeit des
Verbots einer selbständigen Ausübung der Akupunktur durch Nicht-Mediziner.
Die Gesetzgebung gestatte die selbständige Ausübung anderer medizinischer
Hilfsberufe mit mindestens ebenso grossen Gesundheitsrisiken. Es sei
zudem inkonsequent, die Ausübung der Akupunktur den diplomierten
Ärzten zu erlauben, den ausgebildeten Akupunkteuren jedoch zu
untersagen, da die Ärzte in aller Regel nur über eine oberflächliche
Zusatzausbildung in Akupunktur verfügten. Zudem bestehe auf Bundesebene
eine Berufsorganisation, welche ein dreijähriges Ausbildungsprogramm
anbiete. Sie selber verfüge über eine langjährige Ausbildung und habe
ihren Beruf in den Kantonen Graubünden und Bern klag- und anstandslos
ausgeübt. Das Verbot der selbständigen Ausübung der Akupunktur diene rein
standespolitischen Interessen der Ärzteschaft.

    b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können die Kantone
die Ausübung gewisser Tätigkeiten vom Besitze eines Fähigkeitsausweises
abhängig machen, dies jedoch nur, wenn die fragliche Tätigkeit Gefahren
für das Publikum mit sich bringt, die nur durch beruflich besonders
befähigte Personen in erheblichem Masse vermindert werden können (BGE
112 Ia 322 E. 4b S. 325). Diese Überlegungen gelten auch für den Bereich
des Gesundheitswesens. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse
daran, dass im Gesundheitswesen nur fähige Personen tätig sind. Das darf
jedoch nicht dazu missbraucht werden, aus standespolitischen Überlegungen
den Zugang zu den Berufen des Gesundheitswesens stärker einzuschränken,
als dies zur Wahrung der berechtigten gewerbepolizeilichen Interessen
gerechtfertigt ist (BGE 117 Ia 440 E. 4a S. 446 f.; 112 Ia 322 E. 4c
S. 326). Ohne weiteres zulässig ist es, die Ausübung von Berufen der
Gesundheitspflege bewilligungspflichtig zu erklären und die Erteilung
der Bewilligung an den Nachweis fachlicher Fähigkeiten zu knüpfen. Aus
dem Verhältnismässigkeitsprinzip folgt jedoch, dass nicht Anforderungen
gestellt werden dürfen, die sachlich zum Schutz von Polizeigütern nicht
gerechtfertigt sind. In der Rechtsprechung des Bundesgerichts wurden
folgende Anforderungen als unverhältnismässig beurteilt:

    - Das Erfordernis einer Meisterprüfung für den selbständigen Betrieb

    eines Optikergeschäfts (BGE 112 Ia 322 E. 5);

    - das Erfordernis eines ärztlichen Rezepts als Voraussetzung für die

    Anpassung von Kontaktlinsen auch ohne pathologischen Befund,

    da dies zum Schutz der Gesundheit nicht erforderlich ist (BGE 110 Ia
99 E.

    5);

    - das Verbot der Führung von mehr als zwei Zahnarztpraxen (BGE 113
Ia 38

    E. 4);

    - das Erfordernis eines schweizerischen Fähigkeitsausweises für die

    selbständige Ausübung der Physiotherapie, da die Gleichwertigkeit eines

    ausländischen Ausweises im Auftrag der Kantone vom Schweizerischen
Roten

    Kreuz überprüft wird (Urteil vom 16. Oktober 1992 i.S. F., publiziert
in

    RDAT 1993 I 27 76, E. 4c; Urteil vom 9. Juni 1995 i.S. Sch.,
publiziert in

    SJ 1995 713, E. 3).

    Als zulässig beurteilt wurden hingegen:

    - Das Erfordernis eines Fähigkeitsausweises als Voraussetzung für die

    Anpassung von Kontaktlinsen (BGE 103 Ia 272 E. 6b S. 276; nicht

    publiziertes Urteil vom 16. November 1995 i.S. R., E. 4);

    - das Verbot der selbständigen Ausübung der Homöopathie durch nicht

    medizinisch ausgebildete Personen (nicht publiziertes Urteil vom
12. Mai

    1989 i.S. F., E. 2b);

    - das Erfordernis eines Psychologiestudiums und eines dreijährigen

    Berufspraktikums als Voraussetzung für die selbständige Ausübung der

    Psychotherapie (nicht publiziertes Urteil vom 3. Dezember 1993 i.S.

    Schweizerischer Psychotherapeuten-Verband, E. 5 und 6), nicht aber,
wenn

    diese Ausbildung nur in bestimmten Institutionen absolviert werden kann

    (nicht publiziertes Urteil vom 18. März 1988 i.S. Schweizer

    Psychotherapeuten-Verband, E. 5);

    - die Bewilligungspflicht für die Ausübung der Reflexologie (BGE 109 Ia

    180 E. 3 S. 182 f.);

    - das Verbot der Wahrsagerei, sofern diese therapeutisch ausgerichtet

    ist; demgegenüber wurde offen gelassen, ob ein Verbot zulässig wäre,
wenn

    es einzig damit begründet wird, die Ausbeutung der Leichtgläubigkeit zu

    vermeiden (nicht publiziertes Urteil vom 13. Juli 1990 i.S. W., E. 2c).
   c) Im Lichte dieser Rechtsprechung ist es - was die Beschwerdeführerin
   auch
nicht bestreitet - ohne weiteres zulässig, die selb-ständige Tätigkeit
von Akupunkteuren an eine Bewilligungspflicht und an den Nachweis
fachlicher Befähigung zu knüpfen. Umstritten ist jedoch, ob der Kanton
verfassungsrechtlich verpflichtet ist, Bewilligungen für die Ausübung
der Akupunktur auch an Personen zu erteilen, die nicht Inhaber des
Arztdiploms sind.

    d) Aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip hat das Bundesgericht
abgeleitet, dass unter Umständen Teilbewilligungen vorzusehen sind,
wenn für die Ausübung eines Teilbereichs einer bestimmten Tätigkeit ein
eigenes Berufsbild mit entsprechender Ausbildungsstruktur besteht oder
wenn in klarer und praktikabler Weise einzelne Bereiche einer beruflichen
Tätigkeit bezeichnet werden können, für welche es sich aufdrängt, geringere
Anforderungen an die Fachkunde zu stellen (BGE 117 Ia 440 E. 5b S. 450;
116 Ia 118 E. 6b S. 125; 112 Ia 322 E. 4b S. 326). Voraussetzung dafür ist
jedoch, dass der Bewerber für diesen Teilbereich über eine ebenbürtige
fachliche Befähigung verfügt. So ist es nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts unzulässig, für die selbständige Ausübung des Berufs des
medizinischen Masseurs eine Ausbildung als Physiotherapeut zu verlangen,
da der Masseur für die von ihm einzig ausgeübte passive Therapie ebenso
gut ausgebildet ist wie ein Physiotherapeut (BGE 117 Ia 440 E. 4b S.
447 f.). Als zulässig beurteilt wurden hingegen:

    - Das Verbot der selbständigen Berufsausübung für
Dentalhygienikerinnen,

    da deren Tätigkeit mit gewissen gesundheitlichen Risiken verbunden
ist, die

    ohne umfassende zahnmedizinische Ausbildung nicht richtig beherrscht
werden

    können (BGE 116 Ia 118 E. 5b S. 123 f.);

    - das Verbot der selbständigen Ausübung des Berufs eines

    Zahnprothetikers, da dieser für die Arbeit am Patienten weniger gut

    ausgebildet ist als die Zahnärzte (BGE 125 I 276 S. 280; Urteil vom
8. März

    1994 i.S. K., publiziert in ZBl 96/1995 S. 28, E. 4; nicht publiziertes

    Urteil vom 18. November 1988 i.S. L., E. 4a).

    e) Zu prüfen ist somit, ob die Akupunktur als abgrenzbare,
eigenständige Tätigkeit im Sinne dieser Rechtsprechung bezeichnet werden
kann und ob die Beschwerdeführerin für diesen Teilbereich eine hinreichende
fachliche Befähigung besitzt.

Erwägung 4

    4.- a) Die Akupunktur wird seit alters als eine Methode in der
chinesischen Medizin praktiziert und gehört heute zu den Pflichtleistungen
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gemäss Art. 24 des
Krankenversicherungsgesetzes vom 18. März 1994 (KVG, SR 832.10; vgl. Ziff.
2.1 von Anhang 1 der Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, KLV, SR 832.112.31). Das
setzt voraus, dass es sich dabei um eine klar definierte Leistung handelt.

    b) Das Verwaltungsgericht und die Beschwerdeführerin gehen von
unterschiedlichen Konzepten der Akupunktur aus: Die Argumentation des
Gerichts basiert auf der klassischen Trennung von Diagnose und Therapie.
Die Diagnose sei den ausgebildeten Ärzten vorzubehalten. Daher sei entweder
den nichtärztlichen Therapeuten generell die Diagnose zu untersagen oder,
soweit Therapie und Diagnose untrennbar miteinander verbunden seien, die
selbständige Berufsausübung den Ärzten vorzubehalten. Anschliessend geht
das Gericht einerseits davon aus, die Akupunktur sei nicht nur Therapie,
sondern auch Diagnosemethode. Andererseits führt es aus, die Akupunktur
stelle eine nach westlicher Auffassung wissenschaftlich erklärbare
Therapiemethode dar, welche von der klassischen Medizin zunehmend
einverleibt und an hiesige Bedürfnisse adaptiert worden sei. Mediziner
warnten allerdings vor einer monomanen Anwendung der Akupunktur und
erachteten für deren optimale therapeutische Wirksamkeit die Kombination
mit anderen Therapien als notwendig. Insgesamt habe die Akupunktur heute
innerhalb der Medizin einen Stellenwert erlangt, der es verbiete, sie aus
dem Gesamtsystem der Reflexmedizin herauszulösen und als eigenständigen
Beruf von Nichtmedizinern anzuerkennen. Einer Akupunkturbehandlung habe
daher eine sowohl unter schulmedizinischen als auch unter den Aspekten der
traditionellen chinesischen Medizin einwandfreie Anamnese vorauszugehen.
Insofern scheint das Gericht doch anzunehmen, dass die Akupunktur als
eine besondere Therapieform von der Diagnose und Anamnese unterschieden
werden könne. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, der
chinesischen Medizin liege ein vom Diagnose- und Therapiemodell der
westlichen Schulmedizin grundsätzlich verschiedenes Konzept zugrunde,
welches ausserhalb der westlichen Medizintheorie stehe und nicht mit
deren Denkansätzen und Methoden erfassbar sei.

    c) Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, medizinische Streitfragen zu
entscheiden. Doch ist zu bemerken, dass die Handels- und Gewerbefreiheit
nicht nur die Ausübung von Tätigkeiten schützt, die einer bestimmten
Kultur oder Denkrichtung, zum Beispiel der «westlichen» Auffassung von
Medizin, entsprechen. Vielmehr gewährleistet sie bei der Ausübung eines
Medizinalberufs die grundsätzliche Methoden- oder Therapiefreiheit (nicht
publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 3. März 1997 i.S. B., E. 4c;
MAX KÜNZI, Komplementärmedizin und Gesundheitsrecht, Basel 1996, S. 22
ff.; MICHAEL WICKI, Komplementärmedizin im Rahmen des Rechts, Diss. Bern,
1998, S. 106 ff.). Deshalb sind auch medizinische Methoden, die nicht
einer bestimmten Denkschule entsprechen, grundsätzlich zulässig. Der
Staat kann freilich gesundheitsgefährdende Methoden untersagen oder nur
Personen erlauben, welche über entsprechende Fähigkeiten verfügen, doch
dürfen diese Einschränkungen nicht weiter gehen, als zur Sicherstellung
ihres Zwecks erforderlich ist.

    d) Wird die Akupunktur als Therapiemethode verstanden, ist
das Verbot einer selbständigen Ausübung fragwürdig: Selbst wenn es
vertretbar sein sollte, die Diagnose einem umfassend ausgebildeten
diplomierten Mediziner vorzubehalten, wäre dies noch kein Grund,
eine selbständige Ausübung der Akupunktur als Therapie zu untersagen;
es gibt auch andere Therapieleistungen, die nur auf ärztliche Diagnose
und Verordnung hin zur Anwendung kommen und trotzdem von Angehörigen
medizinischer Hilfsberufe selbständig ausgeübt werden können, so z.B. die
Physiotherapie, Ergotherapie, Hauskrankenpflege und Ernährungsberatung
(vgl. Art. 5-10 KLV sowie § 8, § 18 Abs. 2, § 23, 25 und 34c VBG). Den
Gefahren, die allenfalls durch eine unsachgemässe Diagnose entstehen,
könnte begegnet werden, indem den selbständigen Therapeuten die Auflage
gemacht wird, eine Behandlung nur auf ärztliche Diagnose und Verordnung
hin durchzuführen (vgl. BGE 117 Ia 440 E. 4b S. 448 und E. 5d S. 451). Die
Akupunkturbehandlung als Therapie birgt allenfalls spezifische Risiken,
die aber von denjenigen anderer medizinischer Therapien klar unterschieden
werden können. Die selbständige Ausübung der Akupunktur auch als Therapie
nicht zuzulassen, liesse sich nur rechtfertigen, wenn die Akupunkteure
nicht genügend ausgebildet sind, um diese spezifischen Gefahren zu
vermeiden (vgl. BGE 116 Ia 118 E. 6c S. 125 f.).

    e) Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, die Akupunktur sei
auch eine diagnostische Methode, kann ihre selbständige Ausübung
nicht ohne weiteres verboten werden. Andere medizinische Hilfsberufe
dürfen ebenfalls von selbständig Erwerbenden ausgeübt werden, welche
gewisse Tätigkeiten ohne ärztliche Verordnung ausführen dürfen und
insofern selber eine auf ihren Bereich beschränkte Diagnose zu stellen
haben, so (für bestimmte Tätigkeiten) die Hebammen, die Podologen, die
Psychotherapeuten und die Augenoptiker (§ 19, 27, 31 und 33 VBG; vgl. BGE
110 Ia 99 E. 5). Massgebend ist in jedem Fall, ob die Berufsangehörigen
für diejenigen Tätigkeiten, die sie ausüben dürfen bzw. ausüben zu dürfen
beanspruchen, genügend ausgebildet sind (vgl. BGE 116 Ia 118 E. 5b S. 123
f. und E. 7 S. 127; 110 Ia 99 E. 5c). Ein ausgebildeter Akupunkteur kennt
die Krankheitsbilder, bei denen Akupunktur erfolgreich sein kann, und
auch die entsprechenden Kontraindikationen. Er kann alsdann entscheiden,
ob Akupunktur anzuwenden ist oder ob dem Patienten der Besuch eines Arztes
zu empfehlen ist. Sodann dürfte den Patienten, die einen nichtmedizinischen
Akupunkteur aufsuchen, in aller Regel bewusst und klar sein, dass dieser
nicht über eine umfassende medizinische Ausbildung verfügt und daher
gewisse Krankheitsbilder möglicherweise nicht erkennen kann. Die neuere
Rechtsprechung betont mit Recht das Selbstbestimmungsrecht und die damit
verbundene Eigenverantwortung des Patienten: Von diesem wird erwartet,
dass er die ärztliche Aufklärung versteht und gestützt darauf selber
über einen Eingriff entscheidet (BGE 117 Ib 197 E. 2; 113 Ib 420 E. 4-6,
mit Hinweisen). Es wäre mit diesem Bild eines mündigen Patienten nicht
vereinbar, anzunehmen, der Patient verwechsle einen Akupunkteur mit
einem ausgebildeten Arzt. Allenfalls können die kantonalen Behörden die
Akupunkteure mit entsprechenden Auflagen verpflichten, ihre Patienten
auf die Grenzen ihres Wissens hinzuweisen.

Erwägung 5

    5.- a) Das Verwaltungsgericht hat mit Recht grossen Wert auf die
Ausbildungssituation gelegt. Es hat sich jedoch bei der Überprüfung der
Ausbildungssituation einzig auf ein kurzes Gutachten von Dr. med. B.
Ausfeld-Hafter abgestützt, wonach die schweizerischen Ärztegesellschaften
für Akupunktur und Chinesische Medizin den Ausbildungsstand definieren und
Kurse anbieten, jedoch einzig für diplomierte Medizinalpersonen. Gestützt
darauf führt das Verwaltungsgericht aus, in der Schweiz fehle es an einem
geregelten Ausbildungsgang für nichtärztliche Akupunkteure. Es könne
daher bei der Zulassung nichtärztlicher Akupunkteure nur um solche gehen,
die ihre Ausbildung im Ausland absolviert hätten. Die Qualitätskontrolle
solcher Ausbildungen sei schwierig; diese Kontrollschwierigkeiten seien ein
haltbares Motiv dafür, ein in der Schweiz erworbenes Diplom zu verlangen.

    b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist es
verfassungsrechtlich zulässig, für die Zulassung als Medizinalperson das
eidgenössische Diplom zu verlangen; dieses garantiert eine fundierte
Ausbildung; das kann zwar bei ausländischen Diplomen ebenfalls
zutreffen, doch sind ausländische Ausweise für die schweizerischen
Gesundheitsbehörden schwieriger zu beurteilen; das Erfordernis des
eidgenössischen Diploms ist daher nicht unverhältnismässig (Pra 1998
3 19, E. 2b/c; Urteil vom 4. Mai 1999 i.S. R., E. 2c). Anders verhält
es sich jedoch bei medizinischen Hilfsberufen wie Physiotherapeuten:
Hier hat das Bundesgericht das Erfordernis eines schweizerischen Diploms
als unverhältnismässig beurteilt, wenn ein gleichwertiges ausländisches
Diplom vorliegt und diese Gleichwertigkeit mit Hilfe einer Überprüfung
oder Registrierung durch gesamtschweizerische Institutionen nachgewiesen
werden kann (Urteile vom 9. Juni 1995 i.S. Sch., publiziert in SJ 1995 713,
E. 3; vom 16. Oktober 1992 i.S. F., publiziert in RDAT 1993 I 27, E. 4).

    c) Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass es in der Schweiz eine
Berufsorganisation für Traditionelle Chinesische Medizin gebe, welcher
sowohl Mediziner als auch Nicht-Mediziner angehörten und welche Schulen
auch für Nicht-Mediziner betreibe. Die Beschwerdeführerin macht zwar nicht
geltend, sie habe eine dieser schweizerischen Schulen oder entsprechende
Prüfungen in der Schweiz absolviert. Sie legt aber ausländische Nachweise
vor, welche zumindest belegen, dass sie eine mehrjährige Ausbildung in
Akupunktur absolviert hat und dass dabei nebst Methoden der chinesischen
Medizin auch Anatomie, Physiologie, Diagnosestellung sowie westliche
Medizinansätze gelehrt und geprüft wurden. Aufgrund der Akten erscheint
es jedenfalls als nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin im
Bereich der Akupunktur mindestens so gut bzw. sogar besser ausgebildet
ist als ein diplomierter Arzt mit einer Zusatzausbildung in Akupunktur,
wovon übrigens auch das Verwaltungsgericht auszugehen scheint. Insofern
wirkt es stossend, wenn einem Arzt die Ausübung der Akupunktur erlaubt ist,
der Beschwerdeführerin jedoch nicht.

    d) Das Verwaltungsgericht bringt dagegen vor, zwar möge es zutreffen,
dass die Ausbildung nach den Standards der traditionellen chinesischen
Medizin einer solchen eines schweizerischen Arztes gleichwertig oder
gar überlegen sei, doch könne ein Qualitätsvergleich in der Schweiz
nicht nach fremden Kriterien einer anderen Kultur, sondern nur nach
den eigenen erfolgen. Diese Überlegung ist fragwürdig: Die Handels-
und Gewerbefreiheit schützt nicht nur Methoden, die der «westlichen»
Kultur entsprechen (vorne E. 4c). Der Staat kann sicherstellen, dass
diejenigen, welche Akupunktur ausüben, die erforderlichen Fachkenntnisse
aufweisen. Wenn jedoch die Beschwerdeführerin - was das Verwaltungsgericht
nicht ausschliesst - über eine Ausbildung verfügt, die bezüglich der
Akupunktur derjenigen eines schweizerischen Arztes gleichwertig oder gar
überlegen ist, dann kann die selbständige Ausübung der Akupunktur nicht
schon mit dem Argument untersagt werden, diese Ausbildung entspreche
nicht dem westlichen Medizinverständnis.

    e) Gesamthaft ergibt sich, dass es ein unverhältnismässiger Eingriff
in die Handels- und Gewerbefreiheit ist, die selbständige Ausübung der
Akupunktur zu verbieten, wenn die Beschwerdeführerin dafür über eine
genügende Ausbildung verfügt, und wenn mit geeigneten Auflagen erreicht
werden kann, dass sie nur diejenigen Methoden anwendet, für die sie
ausgebildet ist. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. Es ist
den kantonalen Behörden unbenommen, von der Beschwerdeführerin einen für
die Gesundheitsbehörden nachprüfbaren schweizerischen Ausbildungsnachweis
zu verlangen, woraus insbesondere auch hervorgeht, dass sie aufgrund ihrer
Ausbildung in der Lage ist, gesundheitliche Risiken, die sich bei der
Ausführung der Akupunktur ergeben können, zu erkennen und zu vermeiden. Ein
solcher Ausbildungsnachweis kann beispielsweise dadurch erbracht werden,
dass anerkannte schweizerische Ausbildungsinstitutionen ein hinreichendes
Ausbildungsniveau definieren und durch solche Institutionen oder anerkannte
Berufsverbände die Gleichwertigkeit der von der Beschwerdeführerin
vorgelegten ausländischen Abschlüsse überprüft werden kann (vgl. BGE
117 Ia 440 E. 5b S. 450; RDAT, 1993 I 27 76, E. 4c). Ferner kann der
Kanton allenfalls mit geeigneten Auflagen sicherstellen, dass die
Beschwerdeführerin nur diejenigen Tätigkeiten ausübt, für welche sie
ausgebildet ist.